Kaiserliche Galerie in der Stallburg, Wien |
Die kaiserliche Gemäldegalerie im Belvedere |
Der Einschätzung von Aufklärung und Französischer Revolution
als Zeit des vollkommen Umbruchs der Museumsidee steht eine andere Sichtweise
entgegen. Sie betont die Kontinuität, und führt namentlich fürstliche Sammlungs-
und Museumsgründungen des späten 17. und des 18.Jahrhunderts als Beispiele an -
als Beispiele einer bereits auf eine breitere Öffentlichkeit berechnete
Sammelpraxis und Ausstellungspolitik.
In den meisten Fällen entzaubert ein etwas genauerer Blick auf die tatsächlichen Möglichkeiten, Sammlungen zu besichtigen oder gar zum Studium zu nutzen, den Anspruch auf ein 'öffentliches Museum'. Die Zahl der Besucher war oft auf wenige begrenzt und oft waren mehr oder weniger ausdrücklich untere soziale Schichten ausgeschlossen.
Wo Regelungen fehlen, bestimmten für die Pflege der Sammlung verantwortliche Personen mehr oder minder willkürlich über die Zulassung von Besuchern und darüber ob dies etwas kostete, ob Trinkgeld verlangt wurde oder ob der Zutritt frei war.
In den meisten Fällen entzaubert ein etwas genauerer Blick auf die tatsächlichen Möglichkeiten, Sammlungen zu besichtigen oder gar zum Studium zu nutzen, den Anspruch auf ein 'öffentliches Museum'. Die Zahl der Besucher war oft auf wenige begrenzt und oft waren mehr oder weniger ausdrücklich untere soziale Schichten ausgeschlossen.
Wo Regelungen fehlen, bestimmten für die Pflege der Sammlung verantwortliche Personen mehr oder minder willkürlich über die Zulassung von Besuchern und darüber ob dies etwas kostete, ob Trinkgeld verlangt wurde oder ob der Zutritt frei war.
Unter diesen Bedingungen läßt sich kaum von einem Aufbruch
zu einer neuen Museumsidee sprechen. So lassen sich zwar für die Düsseldorfer
Gemäldegalerie, einer zu ihrer Zeit berühmtesten Europas, viele prominente
Besucher nennen, denn sie lag sozusagen verkehrsgünstig an diversen Reiserouten
und war ein als guter Tipp in Reiseführern ausgwiesen, aber auch hier gab es
relativ restriktive Bedingungen der Publikumsnutzung.
Sicher, gegenüber der ehedem übercodierten Begegnung mit dem Schatz oder einer Sammlung in einem höfischen Zeremoniell war die Praxis, ein weitgehend anonymes Publikum zuzulassen, ein Entwicklungsschritt. Was damit möglich wurde, war die wissenschaftliche Beschäftigung, die künstlerische Weiterbildung und die touristische Besichtigung - aber das nur für Wenige.
Öffentlich wird in der museumsgeschichtlichen Literatur in der Regel gleichbedeutend mit Zugänglichkeit verwendet. Und das völlig unabhängig davon, welcher Typ von Sammlung aus welcher Epoche beschrieben wird. Aus der Zugänglichkeit allein (in welchem Umfang auch immer) auf das Vorhandensein von Öffentlichkeit zu schließen, ist zwar gängige Forschungspraxis aber grob irreführend. Im Grunde wird das Wort bloß zur Unterscheidung von unzugänglich und zugänglich verwendet und bloß quantifizierend ohne jede Rücksicht auf die Interessen der Besucher, den Modus und die Ziele des Besuchs oder Zwecke, die der Sammlungseigner verfolgte. Manchmal hat man den Eindruck, daß schon zwei Besucher eine Öffentlichkeit bilden sollen.
Unterschlagen wird dabei recht großzügig, daß 'Öffentlichkeit' selbst einem zeitlichen Wandel unterliegt und gerade in der Zeit der Aufklärung und bürgerlichen Revolutionen einem dramatischen Funktions- und Bedeutungswandel unterliegt und daß dies eine Zäsur in der Sammlungsgeschichte sein könnte.
Neuland wird tatsächlich dort betreten, wo sich im letzten Drittel des 18. Jahrhundertsphysiokratische Ideen einer für das Staatswesen nützlichen Funktion von Sammlungen durchzusetzen begannen. Dort wo das der Fall war, traten Sammlungen selten ohne begleitende Wissensräume des praktischen Experimentierens oder des theoretischen Diskurses auf, wie etwa in Kassel, oder in der geradezu modellhaften Museumspolitik, die unter der habsburgischen Herrschaft über die Toskana unter Großherzog Leopold betrieben wurde. Hier war sie wie nirgends sonst in eine umfassende verfassungspolitische, wirtschaftliche und verwaltungstechnische Reform eingebunden.
Sicher, gegenüber der ehedem übercodierten Begegnung mit dem Schatz oder einer Sammlung in einem höfischen Zeremoniell war die Praxis, ein weitgehend anonymes Publikum zuzulassen, ein Entwicklungsschritt. Was damit möglich wurde, war die wissenschaftliche Beschäftigung, die künstlerische Weiterbildung und die touristische Besichtigung - aber das nur für Wenige.
Öffentlich wird in der museumsgeschichtlichen Literatur in der Regel gleichbedeutend mit Zugänglichkeit verwendet. Und das völlig unabhängig davon, welcher Typ von Sammlung aus welcher Epoche beschrieben wird. Aus der Zugänglichkeit allein (in welchem Umfang auch immer) auf das Vorhandensein von Öffentlichkeit zu schließen, ist zwar gängige Forschungspraxis aber grob irreführend. Im Grunde wird das Wort bloß zur Unterscheidung von unzugänglich und zugänglich verwendet und bloß quantifizierend ohne jede Rücksicht auf die Interessen der Besucher, den Modus und die Ziele des Besuchs oder Zwecke, die der Sammlungseigner verfolgte. Manchmal hat man den Eindruck, daß schon zwei Besucher eine Öffentlichkeit bilden sollen.
Unterschlagen wird dabei recht großzügig, daß 'Öffentlichkeit' selbst einem zeitlichen Wandel unterliegt und gerade in der Zeit der Aufklärung und bürgerlichen Revolutionen einem dramatischen Funktions- und Bedeutungswandel unterliegt und daß dies eine Zäsur in der Sammlungsgeschichte sein könnte.
Neuland wird tatsächlich dort betreten, wo sich im letzten Drittel des 18. Jahrhundertsphysiokratische Ideen einer für das Staatswesen nützlichen Funktion von Sammlungen durchzusetzen begannen. Dort wo das der Fall war, traten Sammlungen selten ohne begleitende Wissensräume des praktischen Experimentierens oder des theoretischen Diskurses auf, wie etwa in Kassel, oder in der geradezu modellhaften Museumspolitik, die unter der habsburgischen Herrschaft über die Toskana unter Großherzog Leopold betrieben wurde. Hier war sie wie nirgends sonst in eine umfassende verfassungspolitische, wirtschaftliche und verwaltungstechnische Reform eingebunden.
Auch die habsburgische Museumspolitik in Wien war zu dieser
Zeit sehr fortschrittlich, allerdings vorerst nur in Bezug auf eine einzige
Sammlung - die Gemäldegalerie.
Ihre Transferierung von der Stallburg in das ehemals von Prinzen Eugen erbaute und bewohnte Schloß Belvedere wurde für eine umfassende Reorganisation genutzt. Man darf sich nicht vorstellen, daß eine fürstliche Sammlung damals ein relativ fest umrissener Bestand von Bildern war, ähnlich einer heutigen Museumssammlung. Bilder wurden erworben, weggegeben, verschenkt, verkauft, getauscht oder zu Ausstattungszwecken an verschiedenste Orte gebracht. Das war in Wien auch noch nach der Eröffnung der Galerie in den 70er-Jahren des 18.Jahrhunderts so und das, obwohl man zuvor eine Generalinventur veranlasst hatte, die erstmals den gesamten habsburgischen Gemäldebesitz erhob.
Was an Wien so interessant und nahezu einzigartig ist, ist die Kombination von expliziter und geregelter freier und kostenloser Zugänglichkeit mit einer Hängung der Sammlung nach damals avancierten Erkenntnissen zur Geschichte der Kunst (vor dem Entstehen einer Kunstwissenschaft).
Der für die Disposition der Sammlung verantwortliche Kupferstecher Christian von Mechel schrieb im ersten Katalog der Galerie: "Der Zweck alles Bestrebens ging dahin, dieses schöne durch seine zahlreiche Zimmer=Abtheilungen dazu voellig geschaffene Gebäude so zu benutzen, daß die Einrichtung im Ganzen, sowie in den Teilen lehrreich, und soviel möglich, sichtbare Geschichte der Kunst werden möchte. Eine solche grosse öffentliche, mehr zum Unterricht noch, als nur zum vorübergehenden Vergnügen, bestimmte Sammlung scheint einer reichen Bibliothek zu gleichen, in welcher der Wißbegierige froh ist, Werke aller Arten und aller Zeiten anzutreffen, nicht das Gefällige und Vollkommene allein, sondern abwechselnde Kontraste, durch deren Betrachtung und Vergleichung (den einzigen Weg zur Kenntnis zu gelangen) er Kenner der Kunst werden kann."
Die Bewertung, wie revolutionär dies war, schwankt, auch die, ob man diese Disposition der Gemälde bereits historisierend nenen kann, aber sicher ging es um eine Vermittlung von Erfahrungen und Kenntnissen an eine breite Öffentlichkeit, die über Zusammenfassung nach Schulen und immanenter chronologischer Ordnung und unter anderem über 'technische' Innovationen wie einheitliche Rahmung und Beschriftung der Gemälde erreicht werden sollte.
Zwar wurde diese Ordnung bald verwässert, aber das offenbar Neue daran wurde vielfach studiert und nachgeahmt. Und es entstand eine breite Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Neuordnung. Mit dem Fortschreiten der kunstgeschichtlichen Erkenntnisse wuchsen nämlich die Ansprüche an solche Sammlungen wie die in Wien rasch, die von einer museologischen Debatte avant la lettre begleitet wurden und ihrerseits auf die Neuaufstellungen von Sammlungen oder Neugründungen von Museen Einfluß hatten. So griff man andernorts, z.B. in Berlin, auf Mechels Disposition zurück, aber nicht ohne Weiterentwicklung seiner Prinzipien.
Während man bezüglich der Beurteilung der Nutzung der Sammlungen durch ein Publikum oft auf Quellen zurückgreifen muß, die aus einer affirmativen Perspektive verfasst wurden, ist es in Wien anders. Reiseberichte, die die 'Gefährdung' der Gemälde durch Besucher bemerken und beklagen, belegen, welche Dynamik diese neue Öffentlichkeit gehabt haben muß. Man stellte tatsächlich Wächter an den Eingang und erließ Verbote, z.B. das Mitnehmen von Stöcken. Das sind Indizien für einen anonymen, nicht oder kaum zensierten 'Massen'besuch, auf den man einerseits 'didaktisch' reagierte (Katalog; Beschriftung), andrerseits disziplinierend (Wächter oder Wärter, also Aufsicht, Hausordnungen; später, in anderen kaiserlichen Kabinetten, kamen noch Veränderungen in der Aufstellung der Sammlung selbst hinzu, die Bewachung und Erläuterung durch Personen weitgehend überflüssig machen sollten).
Reaktionen auf den freizügigen und kostenlosen Zugang zur Wiener Sammlung zeigen klar, daß es aber auch um den 'Skandal' ging, daß offenbar bislang ausgeschlossene soziale Schichten von der 'Einladung' tatsächlich Gebrauch machten. "Dieses Verbot (Stöcke mitzunehmen G.F.) ist sehr billig, man sollte vielen naseweisen Herren, wenn es möglich wäre, auch ihre Finger ablegen lassen. Auch die Kinder sind der Galerie gefährlich; weil sie manchmal mit schmutzigen Fingern die vortrefflichsten Stücke betasten. " (Ein zeitgenössicher Reiseführer).
Das hätte wohl keine Folgen gehabt, wenn nicht der Direktor der Galerie, der Maler Heinrich Füger, selbst Anstoß an der unbeschränkten Zugänglichkeit genommen hätte. Und das gleich in Form eines Schreibens an den Kaiser (1813), in dem er glaubte daran erinnern zu müssen, "daß der öffentliche Einlaß eine Vergünstigung seiner Majestät, aber kein unbedingtes Recht ist. (…) Die willkürliche Zulassung der allergeringsten Volksclassen von der Straße wird dadurch vermindert" (durch Verordnungen, die das Aufsichtspersonal durchzusetzen hätte; G.F. ), "für welche Kunst- und wissenschaftliche Sammlungen nicht geeignet sind, und den gebildeten Ständen des Publicums wird der Genuß der Gallerie um so viel angenehmer werden, der nur bei geräuschloser Betrachtung der Kunstwerke stattfinden kann..."
Und weiter: "Das Gegenteil" (Von Anstand und Ordnung die in den Kabinetten herrsche; G.F.) "hat eine langjährige Erfahrung bei ehemals aus den besten und humansten Absichten bestehenden unbedingten freyen Einlasse in die Galerie erwiesen (…) Tagwerker und Kellnerburschen, Wäscher- und Kuchelmenscher mit ihren Galanen sowie die gemeinsten Weiber mit halbnackten Kindern gingen aus und ein. Kindergeschrei und Unreinlichkeiten beleidigten öfter die Sinne der Anwesenden."
Das läßt an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Sehr signifikant ist der Satz ganz am Anfang. Hier geht es um genau jene Demarkationslinie, mit der eine Trennlinie zwischen den neuzeitlichen Sammlungspraktiken einerseits und der modernen Museumsidee andrerseits gezogen werden kann. Ist die Zugänglichkeit eine "Vergünstigung" - die gewährt werden kann oder auch eben nicht -, oder geht es um ein "Recht". De jure war es bezüglich der Gemäldegalerie in Wien kein Recht, de facto offenbar ja.
Die Qualität des Museums der Moderne läßt sich genau an diesem Recht festzumachen (erstmals allgemein als Zugang zu Bildung für jedermann in der Französischen Verfassung von 1793 garantiert). Aber nicht allein daran: erst der gemeinsame (staatliche) Besitz und die Vorstellung eines gemeinsamen kulturellen Gutes (in Frankreich: Patrimoine), eines "common object", zusammen mit dem Recht auf (Museums) Bildung machen den Kern der neuen Museumsidee aus. Und dann ist Öffentlichkeit auch keine Vergünstigung mehr für wenige, sondern eine diskursive Sphäre, in der Bildung und Kritik entstehen und zirkulieren kann, auch für die, die Füger unbedingt ausschließen wollte und die bis heute ausgeschlossen blieben, "die allergeringsten Volksclassen".
Ihre Transferierung von der Stallburg in das ehemals von Prinzen Eugen erbaute und bewohnte Schloß Belvedere wurde für eine umfassende Reorganisation genutzt. Man darf sich nicht vorstellen, daß eine fürstliche Sammlung damals ein relativ fest umrissener Bestand von Bildern war, ähnlich einer heutigen Museumssammlung. Bilder wurden erworben, weggegeben, verschenkt, verkauft, getauscht oder zu Ausstattungszwecken an verschiedenste Orte gebracht. Das war in Wien auch noch nach der Eröffnung der Galerie in den 70er-Jahren des 18.Jahrhunderts so und das, obwohl man zuvor eine Generalinventur veranlasst hatte, die erstmals den gesamten habsburgischen Gemäldebesitz erhob.
Was an Wien so interessant und nahezu einzigartig ist, ist die Kombination von expliziter und geregelter freier und kostenloser Zugänglichkeit mit einer Hängung der Sammlung nach damals avancierten Erkenntnissen zur Geschichte der Kunst (vor dem Entstehen einer Kunstwissenschaft).
Der für die Disposition der Sammlung verantwortliche Kupferstecher Christian von Mechel schrieb im ersten Katalog der Galerie: "Der Zweck alles Bestrebens ging dahin, dieses schöne durch seine zahlreiche Zimmer=Abtheilungen dazu voellig geschaffene Gebäude so zu benutzen, daß die Einrichtung im Ganzen, sowie in den Teilen lehrreich, und soviel möglich, sichtbare Geschichte der Kunst werden möchte. Eine solche grosse öffentliche, mehr zum Unterricht noch, als nur zum vorübergehenden Vergnügen, bestimmte Sammlung scheint einer reichen Bibliothek zu gleichen, in welcher der Wißbegierige froh ist, Werke aller Arten und aller Zeiten anzutreffen, nicht das Gefällige und Vollkommene allein, sondern abwechselnde Kontraste, durch deren Betrachtung und Vergleichung (den einzigen Weg zur Kenntnis zu gelangen) er Kenner der Kunst werden kann."
Die Bewertung, wie revolutionär dies war, schwankt, auch die, ob man diese Disposition der Gemälde bereits historisierend nenen kann, aber sicher ging es um eine Vermittlung von Erfahrungen und Kenntnissen an eine breite Öffentlichkeit, die über Zusammenfassung nach Schulen und immanenter chronologischer Ordnung und unter anderem über 'technische' Innovationen wie einheitliche Rahmung und Beschriftung der Gemälde erreicht werden sollte.
Zwar wurde diese Ordnung bald verwässert, aber das offenbar Neue daran wurde vielfach studiert und nachgeahmt. Und es entstand eine breite Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Neuordnung. Mit dem Fortschreiten der kunstgeschichtlichen Erkenntnisse wuchsen nämlich die Ansprüche an solche Sammlungen wie die in Wien rasch, die von einer museologischen Debatte avant la lettre begleitet wurden und ihrerseits auf die Neuaufstellungen von Sammlungen oder Neugründungen von Museen Einfluß hatten. So griff man andernorts, z.B. in Berlin, auf Mechels Disposition zurück, aber nicht ohne Weiterentwicklung seiner Prinzipien.
Während man bezüglich der Beurteilung der Nutzung der Sammlungen durch ein Publikum oft auf Quellen zurückgreifen muß, die aus einer affirmativen Perspektive verfasst wurden, ist es in Wien anders. Reiseberichte, die die 'Gefährdung' der Gemälde durch Besucher bemerken und beklagen, belegen, welche Dynamik diese neue Öffentlichkeit gehabt haben muß. Man stellte tatsächlich Wächter an den Eingang und erließ Verbote, z.B. das Mitnehmen von Stöcken. Das sind Indizien für einen anonymen, nicht oder kaum zensierten 'Massen'besuch, auf den man einerseits 'didaktisch' reagierte (Katalog; Beschriftung), andrerseits disziplinierend (Wächter oder Wärter, also Aufsicht, Hausordnungen; später, in anderen kaiserlichen Kabinetten, kamen noch Veränderungen in der Aufstellung der Sammlung selbst hinzu, die Bewachung und Erläuterung durch Personen weitgehend überflüssig machen sollten).
Reaktionen auf den freizügigen und kostenlosen Zugang zur Wiener Sammlung zeigen klar, daß es aber auch um den 'Skandal' ging, daß offenbar bislang ausgeschlossene soziale Schichten von der 'Einladung' tatsächlich Gebrauch machten. "Dieses Verbot (Stöcke mitzunehmen G.F.) ist sehr billig, man sollte vielen naseweisen Herren, wenn es möglich wäre, auch ihre Finger ablegen lassen. Auch die Kinder sind der Galerie gefährlich; weil sie manchmal mit schmutzigen Fingern die vortrefflichsten Stücke betasten. " (Ein zeitgenössicher Reiseführer).
Das hätte wohl keine Folgen gehabt, wenn nicht der Direktor der Galerie, der Maler Heinrich Füger, selbst Anstoß an der unbeschränkten Zugänglichkeit genommen hätte. Und das gleich in Form eines Schreibens an den Kaiser (1813), in dem er glaubte daran erinnern zu müssen, "daß der öffentliche Einlaß eine Vergünstigung seiner Majestät, aber kein unbedingtes Recht ist. (…) Die willkürliche Zulassung der allergeringsten Volksclassen von der Straße wird dadurch vermindert" (durch Verordnungen, die das Aufsichtspersonal durchzusetzen hätte; G.F. ), "für welche Kunst- und wissenschaftliche Sammlungen nicht geeignet sind, und den gebildeten Ständen des Publicums wird der Genuß der Gallerie um so viel angenehmer werden, der nur bei geräuschloser Betrachtung der Kunstwerke stattfinden kann..."
Und weiter: "Das Gegenteil" (Von Anstand und Ordnung die in den Kabinetten herrsche; G.F.) "hat eine langjährige Erfahrung bei ehemals aus den besten und humansten Absichten bestehenden unbedingten freyen Einlasse in die Galerie erwiesen (…) Tagwerker und Kellnerburschen, Wäscher- und Kuchelmenscher mit ihren Galanen sowie die gemeinsten Weiber mit halbnackten Kindern gingen aus und ein. Kindergeschrei und Unreinlichkeiten beleidigten öfter die Sinne der Anwesenden."
Das läßt an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Sehr signifikant ist der Satz ganz am Anfang. Hier geht es um genau jene Demarkationslinie, mit der eine Trennlinie zwischen den neuzeitlichen Sammlungspraktiken einerseits und der modernen Museumsidee andrerseits gezogen werden kann. Ist die Zugänglichkeit eine "Vergünstigung" - die gewährt werden kann oder auch eben nicht -, oder geht es um ein "Recht". De jure war es bezüglich der Gemäldegalerie in Wien kein Recht, de facto offenbar ja.
Die Qualität des Museums der Moderne läßt sich genau an diesem Recht festzumachen (erstmals allgemein als Zugang zu Bildung für jedermann in der Französischen Verfassung von 1793 garantiert). Aber nicht allein daran: erst der gemeinsame (staatliche) Besitz und die Vorstellung eines gemeinsamen kulturellen Gutes (in Frankreich: Patrimoine), eines "common object", zusammen mit dem Recht auf (Museums) Bildung machen den Kern der neuen Museumsidee aus. Und dann ist Öffentlichkeit auch keine Vergünstigung mehr für wenige, sondern eine diskursive Sphäre, in der Bildung und Kritik entstehen und zirkulieren kann, auch für die, die Füger unbedingt ausschließen wollte und die bis heute ausgeschlossen blieben, "die allergeringsten Volksclassen".
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