Der Film "National Treasure" (USA 2004), ein typischer Hollywood-Abenteuerfilm, hat mich wegen seines 'museologischen' Subtextes interessiert. Die Schatzsuche als zentraler Plot gilt hier nämlich nicht nur einem unermesslichen, legendären Schatz, sondern auch der Gründungsgeschichte der Vereingten Staaten Amerikas und der Idee der Demokratie, auf die eine Schatzkarte auf der Rückseite - ausgerechnet - der Unabhängigkeitserklärung hinweist...
Auszug aus dem Text, der nun erschienen ist. Gottfried Fliedl: Eine Frage der Französischen Revolution, beantwortet von Hollywood. Braucht Demokratie Museen?, in: Torsten Meyer, Adrenne Crommelin, Manuel Zahn (Hg,): Sujet Supposé Savoir. Berlin 2010.
"Wenn der Platz der Macht nie definitiv besetzt werden kann, dann heißt das, daß es in einer Demokratie eine permanente Krise der Repräsentation gibt, ein nicht lösbares Problem, das Gemeinsame stabil zu symbolisieren. Sichtbar wird das in einer besonders dramatischen Weise, dort, wo dieser Prozess der Etablierung von Nation und Demokratie gewaltförmig vor sich geht und das bis dahin den Staat symbolisierende „Ding“ beseitigt wird: in der Französischen Revolution wird der König als Bürger Capet auf das Schafott geschickt, aber mit dem physischen Leib wird auch der imaginäre des Königs zerstört und der Schnitt, der geführt wird, geht auch durch die geschichtlich-politische Kontinuität des sozialen Körpers.
Es ist alles andere als ein Zufall, daß parallel zu diesem Prozeß die Debatte um den Bildersturm sich zu einer Politik der Musealisierung wandelt und der Jahrestag der Erstürmung der Tuilerien zum Gründungsdatum des ersten (Louvre) von mehreren Museumsgründungen der Revolution wird. Es ist als ob der ‚Körper des Königs‘ durch einen ‚Corpus‘ der kulturellen Güter, durch die Sammlungen der Museen, Verkörperungen eigener Art, substituierbar wäre. Jedenfalls wird verständlich, warum ab da, das Museum topografisch, sozial und politisch buchstäblich ‚ins Zentrum‘ rückt. Ins Zentrum der Stadt, ins Zentrum der Nation. Ins Zentrum der Gesellschaft und des Prozesses der Vergesellschaftung.
Der Mangel an Visualisierbarkeit oder Repräsentierbarkeit sucht nach Kompensierung, nach einer ‚Sache‘, von der es scheint, als müssten wir sie stets begehren, um unser individuelles und kollektives Selbst zu garantieren.
Beide Objekte in National Treasure, der materielle Schatz und die Idee der Demokratie als ideeller Schatz (verdinglicht im Dokument), können als Common Objects verstanden werden, beide repräsentieren die Genealogie und (politisch-demokratische) Identität der Nation. Und so wie der Schatz gesucht und gefunden werden will, um eine Verpflichtung der Väter einzulösen, so muß auch die Gründungsidee der Nation ‚wiedergefunden‘ werden, in einer nie endenden Re-Lektüre, einer immer wieder erneuerten Erinnerung ihrer Bedeutung."
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