Sonntag, 6. Juni 2021

Ein Sammlung von Müll (Ein Museum)


Als Fahrer eines Müllabfuhrunternehmens hat Alois Schwarz es nicht übers Herz gebracht, einst geschätzte Dinge auf die Müllhalde zu kippen. Also hat er sie gesammelt. Daraus haben er und seine Frau Margarethe „Die Sammlung der verstoßenen Schätze“ eingerichtet. Wer „hinter“ die einst geliebten, später verstoßenen und nun wieder geliebten Ausstellungsobjekte „sehen“ kann, dem öffnet sich ein Fenster in den sozialen Wandel der vergangenen 50 Jahre und in das Leben der Menschen. (Webseite)


Das Gegenwärtige muß nicht nur alt und damit Müll, sondern auch Geschichte werden. Es muß Teil werden dessen, was wir so pathetisch als das „historische Erbe“ bezeichnen. Es geht dabei um unsere jüngste Geschichte und materiell um die neuesten Produkte.
Was geschieht damit mülltheoretisch im Sinne Michael Thompsons? Ein Teil der Dinge bleibt Müll, ein anderer Teil wird ewig. Der Müll wird verbrannt, das Ewige wird ausgestellt.
Und eines Tages werden Reste des Mülls, die der Verbrennung entkommen konnten, zu Ausstellungsgut erklärt, wahrend das, was wir von unseren Dingen ins Museum gestellt hatten, vielleicht, nein, nein, nicht im Müll, keine Angst, aber im Depot landet.

Lucius Burckhardt



Das Museum befinden sich in Straden (Steiermark; Österreich)

Ein Museum ist eine lose Folge von Museen, die die Diversität der Institution wiederspiegeln, thematisch, topografisch, zeitlich, typologisch.

Auch eine Zukunft des Museums

 


Samstag, 5. Juni 2021

Die Sache mit der "Quote"

Zeitungsmeldung: „Das Museum Altes Land hat im Schnitt 22.000 Besucher pro Jahr. Das sei ‚die beste Besucherquote eines Museums im gesamten Stader Landkreis’, gab Museumsleiter Dieter-Theodor Bohlmann auf der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Tourismus und Kultur bekannt.“ Besseres scheint man über ein Museum nicht sagen zu können, als es habe eine gute oder gar die beste Besucherquote. 

Nun bedeutet das Wort Quote aber nichts anderes als einen (prozentualen) Anteil an einer Gesamtmenge oder -anzahl. Das macht also in Bezug auf Museen gar keinen Sinn. Denn was wäre denn die Gesamtmenge an der eine Quote gemessen werden könnte? Alle Menschen einer Stadt als potentielle Besucher, alle einer Region, eines Staates...? 

„Sinn“ macht das Zählen von Besuchern vor allem im Vergleich der Museen untereinander. Jährlich veröffentlichte Statistiken werden gerne als Ranking gelesen, so wenig sinnvoll der Vergleich von Museen unterschiedlicher Größe, Sammlung oder Zahl an Ausstellungen auch ist. „Sinn“ macht das statistische Erfassen des Publikums auch im Vergleich mit anderen Ereignissen; so erfreut sich der von Museen mit Fußballspielen einer gewissen Beliebtheit. Museen überträfen, wenn man alles zusammenzählt, die Besuchszahlen der Fußballligen. 

Da geht es um die Legitimation der Institution, um die Unterstützung einer Argumentation, daß die Bildungsinstitution durchaus so attraktiv sein kann für ein großes Publikum wie ein Sportevent. Ganz besonders attraktiv ist die Quote aber als Wertmaßstab. Je größer die Zahl der Ausstellungsbesucher desto „bedeutender“, „besser“ ist die Ausstellung - so lautet die sehr schlichte Gleichung. Da es so etwas wie Ausstellungskritik kaum, Museumskritik so gut wie gar nicht gibt, füllt die „Quote“ die Leerstelle, die das Fehlen einer an Kriterien orientierten Kritik hätte. 

Es scheint mit abnehmender Bedeutung der herkömmlichen Bildungsaufgaben und der zunehmenden Bedeutung von Museen als touristischer Attraktoren und Freizeiteinrichtung, schwieriger zu werden, das Museum im herkömmlichen Sinn als Vermittler von Wissen und Bildung zu rechtfertigen und seine Sinnhaftigkeit zu begründen. In zunehmender Ökonomisierung des kulturellen Feldes, wird auch das Museum zudem mehr und mehr unter Beobachtung gestellt, ob es „rentabel“ ist. Das mißt man an einer anderen Quote, dem „Eigendeckungsgrad“. Das heißt, an jenen Einnahmen aus Eintrittsgeldern, Zuwendungen von Sponsoren, gewinnen aus dem Merchandising u.a., die gegengerechnet werden mit der aus Steuern bestrittenen Finanzierung durch die sogenannte öffentliche Hand. 

Quoten stützen statistisch den Schein gesellschaftlicher Unverzichtbarkeit und es überrascht nicht, daß während der Coronakrise die Debatte um die Größenordnung des Publikumszuspruchs aufkochte. Die Lockdowns wurden den Museen mit der begleitenden Bescheinigung sie seien eben wenig „systemrelevant“ verordnet. Nun war durch diese Diskussion zu entdecken, daß gerade die am besten finanzierten und großen Museumsinstitutionen, die die meisten „Drittmittel“ einwarben, am schnellsten Probleme mit der Finanzierung ihrer Ausstellungen und des, wie man so sagt, laufenden Betriebs, bekamen. Denn der zur Finanzierung großer Ausstellungen, der berüchtigten Blockbuster, nötige Bedarf wird überproportional von Touristen bestritten. 

Plötzlich bekam der Glanz der großen Zahl unschöne Flecken. Die hätten die jährlich als Erfolgsgeschichte verkündeten Zahlenkonvolute, die suggerierten, die Museen zögen immer mehr Besucher an, schon früher bekommen können. Und zwar aus einem nie wirklich beachteten Grund: Das Zustandekommen der Zahlen unterliegt keiner Kontrolle, methodische Fragwürdigkeiten – wie das Verwechseln von Besucherzahlen mit Besuchszahlen - und massive Manipulationen, wie das mehrfache Zählen von Besuchern, die in ein- und demselben Haus mehrere Ausstellungen oder Veranstaltungen besuchen -, verfälschen die Statistiken erheblich. Auch hier gilt das Bonmot Trau keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast. 

Die allerwichtigste Funktion der „Quote“ ist aber, die demokratische Qualität des Museums per se zu untermauern. Hohe Zahlen, die bei einzelnen (österreichischen) Museen die Millionengrenze übersteigen können, bei Ausstellungen in die Hunderttausender (was nicht sechsstellig ist, ist inzwischen nicht mehr erwähnenswert), sollen belegen, daß das Museum „jedermann“ („öffentlich“ heißt es in der ICOM-Definition) zugänglich ist. Spätestens um 1900 wird diese Zugänglichkeit als Nachweis dafür ins Treffen geführt, daß das Museum die „demokratischeste aller Bildungsinstitutionen ist“ (Gustav Pauli) und zwar deshalb, weil sie „jedermann“ offen stünde. 

Empirisch ist das längst widerlegt. Im Schnitt kommen etwa 50% einer Bevölkerung (eines Landes, einer Stadt usw.) nie in „ihre“ Museen. Das hat zwei Gründe: der soziale Status, altmodischer gesagt, die Klassenzugehörigkeit einerseits und die damit determinierten Bildungschancen andrerseits schließen Menschen vom Gebrauch und Genuß dieser Institution aus. Museen wirken sozial distinktiv und kulturell hegemonial. 

Die Quote verschleiert das. 

Obwohl es seit langem sehr differenzierte Untersuchungen zur Zusammensetzung, zur Herkunft, zu den Motiven des Publikums gibt, „verschluckt“ die Quote gerade dieses entscheidende strukturelle Merkmal von Museen und Museumspolitik. Davon „sprechen“ die veröffentlichten Zahlen einfach nicht und inzwischen werden umfassende Untersuchungen gemacht, wo auf Erhebungen der sozialen Bedingungen des Museumsbesuchs – oder seiner Vermeidung – einfach verzichtet wird. Mal sehen, ob die Debatten, die die Corona-Krise ausgelöst hat, etwas am Umgang mit der „Quote“ andern oder gar dazu führen, was Museumsleiter:innen ja vereinzelt schon vorgeschlagen haben, auf die Erhebung und Veröffentlichung zu verzichten.

Freitag, 4. Juni 2021

Peter Melichar: Fragen, die bleiben. Zur Tagung zum Heeresgeschichtlichen Museum

Die Tagung am 20. und 21. Mai im Wiener Literaturhaus brachte ein paar überraschende Erkenntnisse: Die gesamte Historikerzunft ist reumütig, weil man das HGM in den vergangenen Jahrzehnten nicht grundlegend kritisierte. Aber auch von allen anderen Vertretern sämtlicher Disziplinen, aber auch von Soziologinnen, Intellektuellen, Pfarrerinnen und Priestern hätte Kritik kommen können. Immerhin: Die Schriftstellerinnen Marlene Haushofer und Ingeborg Bachmann thematisierten das Museum schon um 1970 unnachahmlich in ihren Texten „Die Mansarde“ (Haushofer) und „Malina“ (Bachmann). Der Rest der Bevölkerung schwieg: Vermutlich lag das schlicht daran, dass es nur von kleinen Buben mit ihren Grossvätern besucht wurde. Da sich nun die Erkenntnis eingestellt hat, dass es so nicht geht, kamen überraschende Vorschläge:  Dirk Rupnow sprach sich für eine Sprengung aus (zumindest als rhetorisches Manöver). Weil einer der Teilnehmer den Einsatz eines Fieseler Storches nicht verstand, den Manfried Rauchensteiner aus schwedischem Besitz erwerben und zum Kriegsflugzeug umfärben ließ, verlangte er, dass ihm dieser die Bedeutung dieses deutschen Militärflugzeuges für die österreichische Geschichte erklären solle (Peter Melichar). Andere fragten, ob es überhaupt ein Heeresgeschichtliches Museum in Österreich brauche und sprachen sich für eine Neugründung als Demokratiemuseum aus (Gottfried Fliedl), wieder andere plädierten für eine temporäre Schliessung und völlige Neurorientierung. Was tatsächlich kommen wird, wusste der Leiter der HGM-Kommission, Wolfgang Muchitsch: Eine neue Direktorin bzw. ein neuer Direktor, der ein Team mit zwei oder drei Mitarbeiterinnen mitbringen darf und von einem kompetenten Beirat begleitet wird. Doch weder wird an der Einbettung des Museums in das bürokratische Gefüge des Verteidigungsministeriums etwas verändert noch an der Verwendung des Museums im Sinne der Traditionspflege. Das überraschendste überhaupt: Dass es einer zivilbürgerlichen Initiative gelungen ist, innerhalb einiger Monate Bewegung in die Sache zu bringen. Erstaunlich auch, dass es der Leitung des Ministeriums sowie des Heeresgeschichtlichen Museums selbst so völlig am Kampfeswillen mangelt. Nur noch ein paar matte Ablenkungsmanöver brachte man zustande. Das peinlichste darunter ist folgendes: Eine seit 2016 durch Österreich wandernde Ausstellung der Historiker Michael John und Albert Lichtblau, entstanden im Auftrag der Freunde von Yad Vashem, mit dem Titel „Gerechte“ wird seit kurzem im Eingangsbereich, in der sog. Ruhmeshalle und im Ersten Stock gezeigt. Diese Ausstellung thematisiert mutige Menschen, die Verfolgte während der NS-Zeit zu schützen und zu retten versuchten. Man fragt sich: Was hat diese Ausstellung mit dem HGM zu tun? Sie beantwortet keine der in diesem Zusammenhang dringlichen Fragen:   -       Haben österreichische Heeresverbände irgendwelche „Gerechte“ hervorgebracht? -       Wie viele ehemals österreichische Militärs haben wie viele Verfolgte geschützt und gerettet oder es zumindest versucht? -       Wie viele Kriegsverbrecher waren österreichischer Herkunft und wie viele waren in ehemals österreichischen Heeresverbänden und Militärschulen ausgebildet und sozialisiert? Welche Rolle spielten österreichische Armeeangehörige bei den Verbrechen der Wehrmacht? -       Wie viele österreichische Soldaten (bzw. Soldaten österreichischer Herkunft) wurden als Mitglieder des Widerstandes aus anderen Gründen verfolgt?  Zumindest die Direktion des Heeresgeschichtlichen Museums hätte sich diese oder ähnliche Fragen stellen und beantworten müssen, wenigstens den Versuch dazu wagen. Warum sie das nicht getan hat kann sie nur selbst beantworten. Feigheit vor dem Feind?

Donnerstag, 3. Juni 2021

Gesponsert sonnen (Sitzen im Museum)

 

Volkskundemuseum Graz im Juni 2021. Foto: G.F.

Wolfgang Muchitsch: Heeresgeschichtliches Museum Wien. Wie könnte es weitergehen?

 Auf der von Elena Messner und Peter Pirker veranstaltete Tagung "Heeresgeschichtliches Museum neu" (20. und 21.Mai 2021, Literaturhaus Wien) war Wolfgang muchitsch zu Gast. Er ist Leiter des Universalmuseum Joanneum und des Österreichischen Musuemsbund. Als Leiter der Kommission, die das Heeresgeschichtliche Museum evaluiert hat, kennt er dessen Situation genau und hat auch Einflüß auf den weiteren Prozess der Entwicklung des Museums.

Ich habe ihn gebten, seine Sicht der Dinge nach der Tgaung darszustellen - hier ist der Text.

Martin Fritz hat mir vor wenigen Tagen sein klares Statement zu wünschbaren Optionen zur Verfügung gestellt. Auf der Tagung hat sich daraus eine kurze Kontroverse mit Wolfgang Muchitsch zum Leitbildprozess entwickelt. Hier der Link zum Statement von Martin Fritz. https://museologien.blogspot.com/2021/06/martin-fritz-ein-leitbildprozess-fur.html

 


Gottfried Fliedl

Wolfgang Muchitsch

Heeresgeschichtliches Museum Wien - Wie könnte es weitergehen?

 

Über die Kritik am Heeresgeschichtlichen Museum Wien (HGM) wurde in den letzten Monaten vielfach in den Medien berichtet, wurden entsprechende Kommissionen zur Evaluierung eingesetzt und deren Ergebnisse veröffentlicht[1] sowie unter dem Titel #hgmneudenken öffentliche Diskussionen geführt.

Im Zuge dieses Prozesses hat die Kommission, der ich angehört habe und die erstmals ein österreichisches Museum in einer solchen Form überprüft hat, zu keinem Zeitpunkt die Existenz und Notwendigkeit des HGM in Frage gestellt und auch keine Hinweise auf antisemitische, rassistische oder rechtsextreme Inhalte gefunden, auch wenn fehlende Kontexte bei einigen Objektgruppen Interpretationsspielräume bieten.

Einzelne Bereiche wurden positiv hervorgehoben, wie die international bedeutenden Sammlungen, die Ausstellung zum Ersten Weltkrieg im Vergleich zu den übrigen Ausstellungsteilen sowie die engagierte Arbeit der Kulturvermittler*innen und die zahlreichen Angebote.

Gleichzeitig ist die vorgefundene Problemlage aber so vielschichtig, dass man diese nicht mit einzelnen kosmetischen Interventionen beheben kann, sondern nur mit einer Gesamtlösung, im Grund einer Neugründung des HGM.

 

Wo liegen die Probleme?

Zuallererst mangelt es an einem stringenten Gesamtkonzept, das die Haltung der Institution, seine Visionen und Ziele widerspiegelt und aus dem sich alle anderen Maßnahmen, Sammlungs- und Ausstellungspolitik, Zielgruppendefinition, Vermittlungskonzepte etc. bis hin zur Organisationsstruktur ableiten lassen. Da die im HGM zu verhandelnde Militärgeschichte untrennbar mit der politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart verbunden ist, sollte ein solches Konzept naturgemäß auch mit anderen musealen Einrichtungen abgestimmt werden.

Das nächste „Problem“ ist die Hülle des HGM: das kulturhistorisch äußerst wertvolle Gebäude selbst und dessen Ausstattung, in dem ein inhaltliches und politisches Programm in Stein gegossen wurde – Glanz und Glorie der habsburgischen Armee und der Ruhm ihrer erfolgreichen Feldherren. Dieses politische Programm des Gebäudes mit seiner unkommentierten Feldherren- und Ruhmeshalle ist bis heute ungebrochen. Dementsprechend ist das Gebäude selbst das erste Museumsobjekt des HGM, dessen politischer Inhalt zu dechiffrieren ist. Dass das Gebäude einer umfassenden Sanierung und die räumlichen Funktionen einer Bereinigung bedürfen, ist ebenso offensichtlich wie der Investitionsrückstau in anderen Bereichen des HGM.

Ein weiteres „Problem“ sind die international bedeutenden Sammlungen des HGM, die in weiten Bereichen auf den Hinterlassenschaften von Offizieren, Feldherren und Mitgliedern des Hauses Habsburg aufbauen und daher die heute zurecht geforderte Multiperspektivität nicht in sich tragen. Die Perspektiven der einfachen Soldat*innen, der von Gewalt, Konflikten und Kriegen betroffenen Zivilbevölkerung oder die der Gegner fehlen dementsprechend.

Ein zusätzliches Problem, das auch vom Bundesrechnungshof aufgezeigt wurde, ist die Struktur, in der das HGM in das BMLV eingebettet ist. Ob das HGM innerhalb des BMLV überhaupt richtig angesiedelt ist oder ob es nicht eher in den Verband und damit die Kooperation der vom Bundesmuseen-Gesetz umfassten Bundesmuseen aufgenommen werden sollte, ist eine immer wiederkehrende Frage. Dass es sehr wohl möglich ist, auch innerhalb eines Verteidigungsressorts ein kritisches und selbstreflexives Militärmuseum zu führen, zeigt das immer wieder als Vorbild zitierte Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden. In welchem Ministerium es schlussendlich auch angesiedelt ist, das HGM braucht, neben den finanziellen Mitteln für die Umsetzung und den künftigen Betrieb einer neue Gesamtlösung, jedenfalls eine Struktur, die größere wirtschaftliche Freiheit und Kompetenzen beinhaltet, zumal dem HGM in § 31a (7) Forschungsorganisations-Gesetz inhaltliche Weisungsfreiheit und organisatorische Autonomie zuerkannt wird. Dementsprechend muss das bestehende Team breit aufgestellt und interdisziplinär erweitert werden, um neben den anerkannten militärhistorischen und waffentechnischen Expertisen auch andere Aspekte und Perspektiven der Geschichts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in sein Programm und seine Präsentationen einfließen lassen zu können.

Das bislang am intensivsten diskutierte Problem des HGM sind sicherlich dessen über die Jahrzehnte entstandenen ständigen Schausammlungen. Auch hier wird deutlich, dass ein Gesamtkonzept für das Haus und seine Ausstellungen fehlt. Kritisiert wird außerdem der Mangel an Multiperspektivität, die fehlenden Ansprüchen einer modernen Militärgeschichte, die fehlenden Kontextualisierungen sowie die im Vergleich zur gesamten Ausstellungsfläche von 7.300 m2 zu bescheidene Sonderausstellungsflächen von 115 m², was sehr viel über die Ausstellungspolitik eines Hauses aussagt. Die Schausammlungen erwecken den Anschein, von Fachwissenschafter*innen für ein Fachpublikum gemacht worden zu sein, haben vielfach den Charakter eines Schaudepots mit einer Überfülle an Objekten ohne nähere Erklärungen und Kontextualisierungen. Das HGM zeigt, wie Kriege vom österreichischen Feldherrnhügels aus geführt wurden, aber nicht warum sie entstanden sind, welche Auswirkungen und Folgen sie hatten und wie sie beendet wurden. Ruhm und Ehre des Hauses Habsburg und seiner Heerführer stehen im Mittelpunkt, Siege überstrahlen alles. Ursachen, Niederlagen und Gegner bleiben im Dunkeln, Beutestücke werden als Siegestrophäen präsentiert und bestehende Feinbilder weitertradiert.

 

Wie könnte es weitergehen?

Ausgelöst von den zivilgesellschaftlichen und medialen Debatten haben sowohl Bundesminister Thomas Starlinger (3. Juni 2019 bis 7. Jänner 2020) als auch Bundesministerin Klaudia Tanner (seit 7. Jänner 2020) den dringenden Handlungsbedarf erkannt und parallel zu einer laufenden Prüfung des Bundesrechnungshofs externe Kommissionen sowohl mit der Überprüfung des Museumsshop-Sortiments als auch der ständigen Schausammlungen beauftragt.

Der vorgelegte Bericht zu den Schausammlungen hat Bundesministerin Tanner sowie die Verantwortlichen im BMLV mittlerweile aus meiner Sicht und Wahrnehmung ernsthaft dazu bewogen, eine „große“ Lösung für das HGM anzustreben und anzugehen, die sowohl eine Reform der Struktur, eine Erweiterung des Teams, eine Generalsanierung der Liegenschaft als auch eine inhaltliche Neuorientierung und darauf aufbauend Neuaufstellung des Museums beinhaltet.

Sosehr ich dem von Martin Fritz in der letzten Diskussion vorgeschlagenen Prozess einer zivilgesellschaftlichen Neugründung einiges abgewinnen kann, bin ich doch angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen und des im Augenblick gegebenen window of opportunity im Sinne einer realistischen Lösung der Verfechter eines eher pragmatischen Zugangs.

Erste Schritte dazu sind neben der internen Reform der Struktur, die mehr Autonomie und wirtschaftliche Spielräume eröffnet, die Einsetzung eines breit aufgestellten internationalen Beirates, der der Ministerin sowie vor allem der Leitung des HGM bei der weiteren Entwicklung kollegial und konstruktiv kritisch beratend zur Seite stehen soll. Aufbauend auf einer internationalen Ausschreibung des BMLV im Herbst, die den Willen zu einer Neuorientierung bzw. Neugründung des HGM klar zum Ausdruck bringen müsste und von potenziellen Bewerber*innen als Entscheidungsgrundlage für eine Bestellung Konzepte für die mögliche Entwicklung des HGM einfordert, sollte eine neue Leitung des HGM bestellt werden, der man in weiterer Folge auch unbedingt die Möglichkeit geben muss, zwei bis drei Schlüsselposition mit Personen ihres Vertrauens zu besetzen. Dieses neue Leitungsteam wäre gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen des HGM gefordert, in einem ersten Schritt unter der Einbindung möglichst vieler Stakeholder und Initiativen sowie des Beirates ein Gesamtkonzept für das „HGM Neu“ zu entwickeln, aus dem heraus sich alle weiteren Ziele und Maßnahmen ableiten. Inwieweit – bis zur tatsächlichen Umsetzung eines neuen Konzeptes, die schlussendlich einige Jahre benötigen wird – in bestehende Ausstellungsbereiche interveniert wird bzw. Teile geschlossen werden, sollte in der Entscheidung der künftigen Leitung liegen. Sinnvoll wäre es jedenfalls, die vom BMLV bereits zusätzlich in Aussicht gestellten Mittel nicht in einzelne kleine Reparaturmaßnahmen, sondern in die sorgsame Planung und Vorbereitung eines „HGM Neu“ einfließen zu lassen. Zugleich muss sich das BMLV bewusst sein, dass es sich dabei nicht nur um das spannendste, sondern wohl auch finanziell größte Museumsprojekt des Bundes in den kommenden Jahren handeln wird. Ein Vergleichswert wäre die nunmehr beginnende Neuaufstellung des Deutschen Historischen Museums in Berlin, für die bei einer ähnlichen Dimension, aber bei weiten vielfach besseren baulichen Infrastruktur über EUR 46 Mio. veranschlagt sind. Es bleibt zu hoffen, dass die zur Umsetzung des Konzepts erforderlichen Budgetmittel langfristig abgesichert zur Verfügung stehen und der politische Wille dafür in den kommenden Jahren nicht verloren geht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



[1] Bericht über die Überprüfung der Dauerausstellungen des Heeresgeschichtlichen Museums Wien (exkl. Des Zeitabschnitts 1918 bis 1945/46 Republik und Diktatur), 11. 1. 2021, Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV), https://www.bundesheer.at/download_archiv/pdfs/bericht_hgm_01022021.pdf [11.3.2021]

Mittwoch, 2. Juni 2021

Martin Fritz: Ein Leitbildprozess für ein "Heeresgeschichtliches Museum neu" ist notwenig

Die von Elena Messner und Peter Pirker veranstaltete Tagung "Heeresgeschichtliches Museum neu" (20. und 21.Mai 2021, Literaturhaus Wien) spitzte sich gegen Ende auf die Frage zu, in welchem Prozess und von wem denn die Entscheidungen über die künftige Entwicklung des Musuems kommen werden.

Martin Fritz hat in einem sehr klaren Statement die wünschbaren Optionen benannt. Ich habe ihn gebeten, sie mir zur Verfügung zus stellen. Hier also die Schriftfassung seines Statemts auf dem Panel „Ein Leitbildprozess für das HGM?" 

Gottfried Fliedl

 

„Es ist bezeichnend für die Situation, wenn man - wie jetzt gerade - hört, dass im Verteidigungsministerium bereits an Beiratsbesetzungen und Direktionsausschreibungen gearbeitet wird, während wir hier glauben, dass sich gerade erst grundsätzliche Interventions- und Denkräume eröffnet haben. Es ist also schwer, den Raum der Fantasie für einen Neuanfang offen zu halten, wenn er sich vielleicht schon wieder schließt. Doch ich will es versuchen:

 

1)     Nur zur Erinnerung: Es liegt nun mehrere Expert:innenberichte vor, die dem Museum und seinen Verantwortlichen sowohl inhaltliche wie auch organisatorische Unzulänglichkeit attestieren. Die selektive Zitierung der Berichte und der Fokus auf den Teil zu „Republik und Diktatur“ lies dabei in Vergessenheit geraten, wie grundlegend viele der Kritikpunkte zu fast allen Ausstellungsteilen sind. Im Grunde wäre eine vorübergehende Schließung notwendig.

 

2)     Trotzdem ist es zu früh für Direktionsausschreibungen. Interessanter wäre eine Form von Interimsverwaltung oder Gründungskonvent, die/der sich als temporäres Übergangsregime versteht. Nachdem durch die Berichte der Kommission endgültig klar wurde, dass die alten Kräfte abgelöst werden müssen, braucht es ein grundlegend neues Konzept. In einem solchen (Neu)gründungskonvent müsste sich mindestens die Vielfalt und die Expertise der aktuellen Tagung widerspiegeln.

 

3)     Alles andere als eine Integration der Initiative „HGM neu denken“ in diesen Prozess wäre ein Affront, wenn man bedenkt, welchen Dienst diese Gruppe der Republik Österreich durch ihre Aktivität bereits jetzt erwiesen hat.

 

4)     Auf den Einwand, dass es notwendig wäre, „pragmatische“ Lösungen zu suchen, kann geantwortet werden, dass es nur in einem überpragmatischen Umfeld wie dem ministeriellen als „unpragmatisch“ gelten kann, die Forderung nach einer breiteren Diskussions- und Neukonzeptionsphase zu erheben. Für die Einbeziehung von Fach- und Zivilgesellschaft in Veränderungsprozesse gibt es gute Vorbilder. Solche Prozesse brauchen Zeit, Geld und Sachverstand. Viele haben in den letzten Monaten ihren Sachverstand bereits ehrenamtlich eingebracht.

 

5)     Die letzte Chance des HGM wäre es gewesen, wenn es selbst die Kommission beauftragt hätte. Wenn die Initiative „HGM neu denken“ und der Impuls für diese Tagung vom HGM selbst ausgegangen wäre, hätten wir uns heute im HGM getroffen. Nicht zufällig habe ich beim HGM immer die Vorstellung, dass es eine physische Inbesitznahme des Museums durch die Zivilgesellschaft - wie nach einer Machtübernahme - bräuchte: Dann müsste man es auch nicht schließen, denn in jedem Raum könnte ein Vertreter/eine Vertreterin des Übergangsregimes für die Teilhabe des Publikums an den notwendigen Veränderungs- und Lernprozessen sorgen. Ich bleibe beim Schlusssatz meines Textes für den Reader: Die alten Kräfte hatten 103 Jahre dafür Zeit. Sie haben sie nicht genutzt.“

 

Martin Fritz

Dienstag, 1. Juni 2021

Verwildertes Denken (Texte im Museum 989)

 

Und noch einmal die Steiermark-Schau, und noch einmal jemer Teil, der "was war" heißt und im Geschichtsmuseum gezeigt wird. Wenn "Natur" oder "Wildnis" begrifflich-sprachliche Werkzeuge sind, die nur dem Menschen zur Verfügung stehen, dann wie etwas ohne Menschen Natur genannt werden kann, die Wildnis "ist". Könnte von Karl Valentin sein. (Foto GF)

Identitätshumor. Steinzeitsteiermark (Texte im Museum 988)

 


Demnächst wird meine Sammlung von Museumstexten eintausend Beispiele umfassen. Und noch immer gibt es, zur Freude des Sammlers, überraschende, aufschlussreiche, komische oder merkwürdige Funde. 

Hier ein besonderes Exemplar projektiver Zeitvorstellung: Es soll etwas lange gedauert haben, was es aber zur Zeit dieser Dauer gar nicht gab. Es soll Identität im Rückgriff durch etwas hergestellt werden, was in keiner Weise mit dem zu tun hat, womit es identisch sein soll. Die Steiermark gab es zur Steinzeit nun mal nicht. Unfreiwillig komisch wird der Text, weil er das Projektive dadurch überbietet, daß eine Vergangenheit, die nicht Teil der Landesgeschichte ist, als ihren Teil ausgibt und noch dazu ihren "längsten", 60.000 Jahre. So besehen wären die Steirer "immer schon" Steinzeitmenschen, oder?

In der derzeit an vier Orten laufenden "Steiermark-Schau" geht es um Identität. Für Identität ist ihre zeitliche Tiefe wichtig, aber auch die Vorstellung eines Ursprungs, einer Herkunft. In der unmöglichen Operation "Steinzeitsteiermark" wird so ein Ursprung hergestellt. Aber nicht nur durch das Ineinanderblenden von Zeiten, die inkompatibel sind. Sondern noch durch eine zweite Information: die zur Sesshaftigkeit". Das ist nun eine Art Trigger für die Gegenwart. Sesshaftigkeit steht im Gegensatz zu nomadischer Lebensweise und erscheint hier als die spätere Stufe der Evolution. Also als Überwindung des Nomadischen. Die Steirer mögen in Höhlen gelebt haben, aber sie waren sesshaft. Und: sie waren schon da (in ihren Höhlen), während andere noch durch die Gegend zogen.

Vor Jahren habe ich in einem anderen Museum einen ähnlichen Text gefunden. Da hieß es, im Krahuletz-Museum im Niederösterreichischen Eggenburg: "Vor 5000 Jahren wurde der Nomade bei uns sesshaft".

Sesshaft, das sind "wir". Nomadisch, das sind die Anderen. Die Flüchtlinge, die Asylsuchenden, die Migranten. Dieser Topos ist heute ungleich brisanter als zu der Zeit, als der (inzwischen verschwundene) Text in Eggenberg geschrieben wurde. Es ist ein aktuelles Identitätsangebot, das eine Unterscheidung trifft, die eine Wertung ist. Wir/Andere. Mit "uns", mit unserer Sesshaftigkeit setzen wir einen Anfang: von Kultur, Gesellschaftlichkeit, Staatlichkeit.

Möglich, daß diese doppelte Fehlleistung den Kuratorinnen der Grazer Ausstellung nur "passiert" ist, also sich unbewußt eingeschlichen hat, wie eine Fehlleistung. (Seltsam, daß da niemand Einhalt geboten hat - mindestens einem Lektor muß aufgefallen sein, daß das ein buchstäblich unmöglicher Satz ist). Symptomatisch ist der Text allemal. 

 

Freitag, 28. Mai 2021

Das Heeresgeschichtliche zeigt eine Ausstellung, die die Verfolgung der Juden und damit den Holocaust thematieiert. Aber wie!?

Im Heeresgeschichtlichen Museum wird derzeit die Ausstellung „Die Gerechten“ gezeigt. Mit diesem Namen zeichnet die Internationale Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem Menschen aus, die während des Naziregimes jüdischen Mitbürger:innen das Überleben ermöglicht haben
Der Verein »Die österreichischen Freunde von Yad Vashem« initiierte eine Ausstellung zu den österreichischen „Gerechten“, die unter der wissenschaftlichen Leitung der Professoren Michael John und Albert Lichtblau entstand ist.

Auf der Tagung zum Heeresgeschichtlichen Museum, die jüngst im Literaturhaus Wien stattfand, wurde diese Ausstellung heftig kritisiert. Und zwar nicht ihr Inhalt und ihre Gestaltung, sondern einerseits als Instrumentalisierung des Holocaust-Gedenkens im Kontext der seit über einem Jahr massiv kritisierten ideologischen, musenlogischen und organisatorischen Missstände am Museum und andrerseits wegen der ausserordentlich befremdlichen Unterbringung der Ausstellung in den Räumlichkeiten des HGM.

Vor allem im Bereich der Feldherrnhalle wirkt die Ausstellung wie abgestellt, wie etwas, was man vergessen hat, wegzuräumen. Die diversen Teile der Ausstellungen konkurrieren mit diversen Möbeln, Partytischen, auf denen Info-Material liegt, Kleiderständern, Garderobeschränken, Info-Tafeln zum HGM. Man scheint sich überhaupt nicht die Frage gestellt zu haben, welche Effekte die Konfrontation von Architektur, Ausstattung, Dekor und v.a. der Monumentalstatuen der Feldherrn einerseits und der Ausstellung andrerseits hat. Unklar ist auch, auf der Webseite scheint es keine Erwähnung dazu zu geben, warum und wie eine zweite Ausstellung, eine zu Zivilcourage, miteinander kombiniert wurde, eine Ausstellung, die, so habe ich gehört, vom Österreichischen Mauthausen-Kommitee erstellt wurde.

Völlig unklar bleibt, auch hier gibt die Webseite des Museums keine Auskunft, wie man sich im Museum den Zusammenhang der „Gerechten“-Ausstellung zur Dauerausstellung vorstellt.

Ich leiste hier keine Ausstellungskritik, ich begnüge mich mit Fotografien, die einen Eindruck von der Art und Weise gibt, wie das HGM die Ausstellung in ihr Haus „implementiert“ hat.

 












Museum, lebensnotwenig

Angesichts der pandemiebendingten Infragestellung der Wichtigkeit des Museums hier ein tröstendes Wort eines Philosophen. Ist zwar schon eine Weile her, aber vielleicht hilft es als Medizin noch immer.

Der amerikanische Kulturtheoretiker Neil Postman sprach auf der internationalen Tagung des Museumsrates ICOM von 1989 unter dem Titel Die Erweiterung des Museumskonzeptes und unter der lebhaftesten Zustimmung der Museumsleute. „Angesichts ökologischer, ökonomischer und sozialer Weltprobleme müssen ... [die] Erziehungseinrichtungen all das liefern, was die ökonomischen, politischen und sozialen Institutionen nicht zu liefern in der Lage sind. Die lebensnotwendigste Funktion der Museen ist der Ausgleich, die Balance, die Regulierung dessen, was wir die symbolische Ökologie der Kultur nennen könnten, indem sie alternative Ansichten vorbringen und so die Auswahl und den kritischen Dialog am Leben erhalten." Dies sei "essentiell" für das Überleben einer jeden Kultur.

Montag, 24. Mai 2021

Besuchen Sie das Heeresgeschichtliche Museum solange es noch steht. Die Veranstaltung von HGMneudenken bringt ein eindeutiges Ergebnis


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Veranstaltung der Initiative HGMneudenken von Elena Messner und Peter Pirker vom 20. und 21. Mai im Wiener Literaturhaus hat ein eindeutiges Ergebnis: Das Museum ist nicht reformierbar, es kann nicht überarbeitet werden. Man muß ein neues Konzept erstellen, eine neue Direktion berufen und ministeriumsinterne organisatorische Änderungen vornehmen.

Wie weit der Mut dabei tragen wird, wird sich zeigen. Den großen Schritt einer Ausgliederung wird es wohl nicht geben und auch nicht eine sorgfältige, nicht überhastete Vorbereitung der Neugründung des Museums - auf nicht weniger läuft es hinaus. Was man hoffen darf, ist eine personelle Erneuerung und Rahmenbedingungen, die einem neuen Museumsteam alle Chancen für einen Neuanfang bietet.

Die Kritik am Museum war eindeutig: die Ausstellungen, auch die zuletzt gestalteten, entsprechen weder in (militär)wissenschaftlicher noch museologischer Hinsicht heutigen Standards. Weniger als das - in großen Teilen unterbietet das Gezeigte so gut wie alles, was man an Anforderungen ans historische Ausstellen kennt. Besonders massiv war die Kritik an der Ausstellung, die unter dem Titel „Republik und Diktatur“ seinerzeit als Ausbau des Museums zum zeitgeschichtlichen Nationalmuseum gedacht war.

Die Tagung bot viele Anregungen, was für ein künftiges Museum von Belang sein sollte, es wurden mögliche Szenarien sichtbar und auch über die Rolle des Museums als Ort eines Bundesheeres in einer demokratischen Gesellschaft wurde ebnso debattiert wie etwa über das Verhältnis des künftigen Museums zu bestehenden historischen Museen, v.a. zum Haus der Geschichte Österreich. Bemerkenswert war die Beobachtung, das Bundesheer sei schon weitzer als das Museum was die sogenannte Traditionspflege betrifft. Das habe sich am offenen und konstruktiven Umgang mit dem Burgtor als Denkmal und Gedenkstätte gezeigt, wo das Heer sich von überholten Riten verabschiedet habe.

Historiker:innen sparten übrigens nicht mit Selbstkritik. Zu lange habe man dem Museum nicht energisch genug Aufmerksamkeit geschenkt und kaum Kritik öffentlich vorgetragen. Hier liegt freilich auch ein ungelöstes Problem. Meiner Meinung und beobachtung nach gibt es viel zu wenige Historiker:innen, die sich den anspruchsvollen spezifischen medialen Anforderungen des Ausstellens widmen. Aber gerade sie fühlen sich sowohl in der Politikberatung wie bei der Produktion von historischen Ausstellungen gewissermaßen als Berufsstand zum Agieren berechtigt und privilegiert. 

Insofern war die Veranstaltung wichtig, als sie viele Kompetenzen aufrief und im Grunde eine Art von bürgergesellschaftliche Initiative bildete, die implizit den Anspruch nach Mitsprache erhob. Museen sind öffentliche Angelegenheiten und so ist jeder aufgerufen, der sich verantwortlich mit anderen zusammen äußern und beteiligen will.

Die Initiative HGM neudenken stützte sich in ihrer Veranstaltung auch nicht bloß auf Wissenschaft, sondern bezog Literatur, in Form literaturwissenschaftlich und zeithistorisch kommentierter Romanfragmente - und Film ein - ein schöner Weg, Dingen auf mehreren Ebenen auf den Grund zu kommen.

Meine eigene Haltung habe ich als Frage nach dem Sinn eines Heeresmuseums formuliert. Wozu braucht wer einen solchen Museumstyp? Die Frage scheint absonderlich, da ja niemand ernsthaft an eine Auflösung des Museums und der Sammlung denkt. Aber sie provoziert eine symmetrisch dazu gleichermaßen grundsätzliche Antwort. Die Antwort ist offen, aber sie würde, ernsthaft beantwortet eher in Richtung eines (kultur)historischen Musuems gehen. Womit dann erneut das Verhältnis v.a. zum Haus der Geschichte Österreich aufgerollt werden müsste.

Die Initiative HGMneudenken wird im September einen Sammelband mit kritischen Beiträgen vorstellen. Und sie wird, das ist zu hoffen, aufmerksam die Einleitung des Erneuerungsprozesses beobachten und begleiten. Ihr ist es zu verdanken, daß die öffentliche Kritik am Museum nicht abriss. Daß nun das Museen grundlegend neu gedacht wird, ist ihr Verdienst.

Die Direktion des HGM weigerte sich übrigens, die Buchpräsentation im Museum stattfinden zu lassen. Sie folgte auch nicht der Einladung, sich an der Veranstaltung bzw. am Diskussionsprozess überhaupt zu beteiligen. Damit hat die Museumsleitung nicht wenig dazu beigetragen, daß nun nur noch ein grundlegender Erneuerungsprozess eingeleitet werden kann.