Donnerstag, 8. August 2013

Korrupte Muse(e)n?

Seit heute ist Matthias Dusinis FALTER-Essay online, mit dem er das Phänomen der Korruption im Kultur-, genauer: im Museumsbetrieb beschreibt. "Die geschmierte Muse. Museumsdirektoren verschleudern öffentliche Gelder, Kritiker lassen sich beschenken und Galeristen schneiden mit, wo sie können. Wie korrupt ist eigentlich die Kunst?"
Die meisten Fälle, die er nennt, sind bekannt, wie Peter Noevers Freizügigkeit der Vermischung von Amt und Privatem, manches versteht man nur als Eingeweihter, denn da wird sehr schonend mit Namen umgegangen.
Interessant wäre es, der Frage nachzugehen, ob die beachtlichen Fälle, die Dusini unter "Korruption" zusammenfasst, nicht ein Effekt der Ausgliederung der Bundesmuseen sind und wieso eigentlich das Schaffen einer neuen Instanz zwischen Ministerien und Museen, die Aufsichtsräte, nichts (?) bewirkt hat.
So bleibt man mit der Botschaft zurück, im Vergleich mit anderen Feldern, ist Korruption im Kunst- und Museumsbereich ohnehin nur bescheiden entwickelt und mit der Frage, wer denn nun verantwortlich Besserung schaffen könnte.
Wenig vermag der Artikel über den inhaltlichen Strukturwandel auszusagen. Aber sind nicht die überwiegende Orientierung der Museen an Rentabilitätskriterien, an der Sicherung ihrer symbolischen Platzierung im Ranking der kulturellen Events, die Forcierung des Marketing Entwicklungen, die als Nebeneffekt den ihrer "Korrumpierbarkeit" haben.
Nur, was ist das gegen die 'inhaltliche Korrumpierung'? Gegen das Vernachlässigen klar konturierter Konzepte, das Preisgeben der geschichtlich gewachsenen Identität der Institutionen und gegen völlige Beliebigkeit des Programms, der Überlassung von Aufgaben an Private?
Hier der Link zum lesenswertzen Artikel Matthias Dusinis im dieswöchigen FALTER: http://www.falter.at/falter/2013/08/06/die-geschmierte-muse/


Sonntag, 4. August 2013

Wie wir (Objet trouvée)


Unsere Herkunft. Unsere Eltern. Ein Paar. Mann und Frau. Einträchtig stehen sie nebeneinander im Museum, eine Animation läßt sie Seite an Seite durch die Besucher hindurchflanieren. Im Museum sind sie zu Hause. Naturwesen im Haus aus Marmor. Unsere Modelle von Zweisamkeit werden uns als überzeitlich vorgeführt, als Erinnerung, als Einübung, daß es immer schon so war. Ein bisschen nackt die beiden und sehr behaart, aber nicht unfreundlich. Neugierig, wie wir. Aber festgesetzt, gefangen in der Erzählung, die bilderreich über ihren Köpfen abgelesen werden soll. Ein geordneter Raum, die goldfarbige römische Ziffer "XV" über der giebelgeschmückten Tür, die das Urpaar nicht passieren wird. Von hier stammen wir ab. Von hier sind wir entkommen und haben uns entwickelt. Wie weiter? Zukunftsreich. Anders werden.

Mein letzter Arbeitstag

In einer schon nächtlich dunkel gewordenen Gasse von Graz treffe ich einen Kurator eines bekannten Universalmuseums.
Ich grüße freundlich in Erwartung eines der üblichen kurzen und unverbindlichen Gespräche, die aus einer solchen Begrüßung ebneso schnell entstehen, wie sie auch schon wieder vorbei sind.
Mein Gegenüber zögert lange mit der Erwiderung meines Grußes, wiegt den Oberkörper.
Ich sage "Wie gehts?", um ihm die Last der Gesprächseröffnung abzunehmen.
Er schweigt weiter, immerhin so lange, daß ich Zweifel bekomme, ob er überhaupt das Wort an mich richten wird.
Er steht dicht neben mir.
"Ach!" sagt er. Und dann bricht irgendetwas aus ihm heraus, was in einen einzigen für mich fassbaren Satz mündet: "Die sind ja ratlos!".
"Wer ist ratlos?"
"Das Museum!".
"Das Museum? - Das Museum ist fertig, da gibts jetzt nichts mehr zu tun."
Ein nicht ganz logischer Satz, aber immerhin habe ich diplomatischen Widerspruch eingelegt.
Wenn etwas fertig ist, ist es ja auch gut, denke ich für mich rasch, um mir einen Grund zu geben, mit dem Einwand trotzdem einerstanden zu sein.
"Die wissen nicht, was sie jetzt tun sollen!" antwortet er, und ich ahne, mit "die" ist die Museumsleitung gemeint. Frage aber nicht nach und sage nichts.
"Geld gibts auch immer weniger" sagt er. "Man kann kaum noch Ausstellungen machen."
Er meint damit die Abteilung, an der er arbeitet. Ehe ich mir zureechtlegen kann, was er denn dann zu tun hat, flicht er noch einen klassischen Abwertungssatz gegen sein Arbeitssoziotop ein, den ich hier nicht wiedergebe und such nach einer passenden Antwort.
"Die merken jetzt, daß sie nicht der Louvre sind!"
Das sitzt. Irgendwo zwischen frustriertem Abreagieren und präziser Krisendiagose oszillierend ist das einer jener Sätze, wie sie unter von jeder Form der Beteilung und Mitverantwortung ausgeschlossenen oder sich ausschließenden MitarbeiterInnen hundertafach zirkulieren.
Er blickt mich nicht an. Der Oberkörper pendelt wieder.
"Das Geld geht nur an bestimmte Projekte".
Ich verstehe, schweige aber. Er meint offenbar eine Art von Zentralisiserung der operativen Mittel für "die". Jetzt fällt mir erst recht nichts ein.
Im Augenblick habe ich keine Lust und keine Veranlassung, mich an seinem Bashing zu beteiligen.
Ich habe auch nicht seine Sorgen, schon gar nicht, wenn die Mitternacht vorbei sein wird.
Es ist seltsam dunkel in der Innestadtgasse und fast vollkommen still.
Kein Passant zwingt uns zum Ausweichen auf dem engen Gehsteig, auf dem wir stehen, schon lange ist keine Straßenbahn mehr gefahren.
Erst später wird mir auffallen, daß für Sekunden die Welt in Gestalt einer Gasse einer Provinzstadt innegehalten hat, vielleicht aus Mitgefühl für einen selbst Ratlosen, der sich inzwischen Halt suchend an den Steher eines Baugerüsts gelehnt hat.
Plötzlich stößt er sich von der Gehsteigkante, als wolle er Yves Kleins Sprung ins Leere wiederholen und ist so unversehens verschwunden, als beherrsche er einen Zaubertrick.
Ich kann nicht mal feststellen, in welche Richtung er sich entfernt hat.
Die Gasse ist jetzt ganz leer.
Minuten später sitze ich in einem bewährten gastronomischen Betrieb und versuche, die Hitze des späten Abends mit einem Glas Zwickelbier zu vertreiben.
Bei einem beinahe zerkochten Gulyas frage ich mich, ob es ein schlechtes Omen ist, daß mein letzter Arbeitstag auf den 160. Geburtstag Peter Roseggers gefallen ist.
Man kann es sich nicht aussuchen.

Selbstverständlich sind Personen (einschließlich meiner), Handlungen und Schauplätze frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit ist völlig unbeabsichtigt und zu ihrem Verständnis auch gar nicht notwendig.

Samstag, 3. August 2013

Ein neues Museum in Wien. Und noch eins.

Im Gebäude, in dem bis vor nicht allzu länger Zeit das Finanzministerium untergebracht war, ist ein Barockmuseum im Entstehen, das der Belvedere - Galerie zugeordnet ist, und das an irgendeinem Prinz Eugen - Jahrestag, einem dreihundertfünfzigsten (ja dann!) im Herbst eröffnet werden wird.
Leider geht diese Transformation von Ministerium in Museum nicht mit der Abschaffung des ersteren einher.
Noch mal Wien. Noch mal ein neues Museum. Ein Grillparzermuseum. Sein Schreibtisch ist erhalten (Na dann!). Gut beraten (von Heike Gfrereis vom Marbacher Literaturarchiv), gut vorbereitet könnte ein für Österreich (fast) neuer Museumstyp entstehen - ein Literaturmuseum.
Geplant und betrieben wird es von der Nationalbibliothek.
Aber Geduld, erst 2015 wird man es betreten und besichtigen dürfen.

Samstag, 27. Juli 2013

"Ausgezeichnet!" - Texte im Museum 424


"Hallo!" - Texte im Museum 423

Stele (Obelisk?) vor der Kunsthalle Krems, Niederösterreich. "Hallo, ich bin die Kunsthalle!"

Sitzen im Museum, bunt

Sitzmöbel des Restaurants der Kunsthalle Krems, Niederösterreich

Ein Museum: Biologiska Museet Stockholm












Das Biologiska Museet wurde 1893 von einem Taxidermisten gegründet, Gustav Kolthoff, der die Idee hatte, das Prinzip des Dioramas auf die Darstellung der Natur anzuwenden. Auf zwei Geschossen bewohnen über 200 präparierete Tiere ihre skandinavische Kunstwelt.
Als typische Attraktion einer Großausstellung, die der Industrialisierung Schwedens und Norwegens gewidmet war, überlebte das kleine, in einem den landestypischen Stabkirchen (Architekt: Agi Lindgren) nachempfunden Gebäde untergebrachte Museum, die Ausstellung und existiert bis heute weitgehend unverändert - in der Nähe weiterer musealer attraktionen Stockholms, wie dem Nordiska Muset und dem Freiluftmuseum Skansen.
Die etwas 'fremd' wirkenden (kleineren) Abbildungen stammen aus einer Intervention 20 schwedischer Designer im historischen Ensemble.


Mittwoch, 24. Juli 2013

Das Volk von China erzählt sich seine Geschichte selber (Texte im Museum 422)

Provinzialmuseum Lanzhou, Provinz Gansu, China

Geschichte einholen: Ein jüdisches Museum in Moskau, eine Holocaust-Ausstellung in China

Es sind getrennte Meldungen, aber man kann sie wohl auch komplementär lesen: In mOskau wurde (in einem Bau des russischen Avantgardisten Melnikow) ein Jüdisches Museum eröffnet. Das ist nicht weniger als ein Ort, an dem zum ersten Mal überhaupt die Geschichte des Judentums in Russland im Zusammenhang erzählt wird, und einer, der zumindest im Augenblick frei scheint von politisch-konjunkturellen Einflusnahmen, wie Klaus-Helge Donath in einem sehr lesenswerten Bericht in der taz (hier: http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ku&dig=2013%2F07%2F17%2Fa0106&cHash=a5de478a09da523c2e5ea603a8a77e75) schreibt.
"Seit die Ausstellung Ende letzten Jahres eröffnet wurde, kommen bis zu dreitausend Besucher an Wochenenden, an Werktagen sind es zwei-, dreihundert. Die Museumsmacher sind über den regen Zuspruch sogar ein wenig überrascht. Vor allem über die vielen jungen Leute ohne jüdischen Hintergrund, die Interesse an der gemeinsamen Geschichte zeigen. Das Museum sei von der Bevölkerung sehr gut angenommen worden, meint Baruch Gorin." 

Im staatlichen "Museum zum Widerstandskrieg Chinas gegen Japan" in Peking konfrontiert eine von polnischen Kuratoren kuratierte Schau mit den Konzentrationslagern von Auswitz-Birkenau und damit mit den Verbrechen des Nationalsozialismus, die, folgt man dem Berichterstatter (Johnny Ehrling in der Tageszeitung Die Welt, hier: http://www.welt.de/kultur/article118070840/Das-Grauen-von-Auschwitz-ueberrascht-die-Chinesen.html), in China wenig bewußt seien. China sehe sich selbst als Opfer des 2.Weltkriegs und des japanischen Faschismus. Im Krieg zwischen China und Japan sind an die 10 Millionen allein aus der Zivilbevölkerung umgekommen.
"Polen willigte auch ein, dass das Jüdische Flüchtlingsmuseum in Shanghai einen der Ausstellungsräume selbst gestalten durfte. Es dokumentiert dort mit Fotos, Pässen, Originaldokumenten und Exponaten des Alltagslebens, wie chinesische Diplomaten verfolgten Juden entkommen halfen und welche Rolle der damalige Freihafen Shanghai als Aufnahmeort für mindestens 18.000 zwischen 1933 und 1941 aus Europa geflohene Juden spielte."
Das Museum, das an einem geschichtsträchtigen Ort, einer Brücke, an der ein kleiner Zwischenfall den langen Krieg auslöste, errichtet wurde, veranstaltet eine erstaunliche Ausstellungsreihe. Nach Kooperationen mit Russland und Südkorea soll im kommenden Jahr das Deutsche Historische Museum eine Ausstellung über Hitler und die Deutschen ausrichten.

Das Haus der Natur in Salzburg reagiert auf Kritik und berichtet über sein Projekt zur Erforschung der Geschichte des Museums

Zum neuesten Stand der Erforschung, Diskussion und Aufarbeitung der Rolle von Eduard Paul Trat und des von ihm gegründeten naturmuseums durch das Haus der Natur selbst siehe den Post „Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner Gesichte. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/2014/10/das-haus-der-natur-stellt-sich-zum.html  
 
Auf meine Kritik, daß das Haus der Natur in Salzburg sich noch immer nicht seiner Geschichte stellt (hier: http://museologien.blogspot.co.at/2013/06/selbstverordneter-gedachtnisschwund-das.html, einschließlich eines Kommentars von Direktor Windung zu meinen Ausführungen), obwohl doch mehrfach in Publikationen die Rolle des Museums und seines Gründers und langjährigen Leiters, Eduard Paul Tratz dargestellt worden war, hat der Leiter des Museums, Norbert Winding reagiert. Es gibt nun auf der Webseite eine wenn auch knappe so doch unmissverständliche Information (hier: http://www.hausdernatur.at/zeittafel.html) und einen ausführlichen Hinweis zum laufenden Forschungsprojekt und der vorstudie dazu (hier: http://www.hausdernatur.at/geschichtsprojekt.html).
Ich möchte die rasche Reaktion von Direktor Winding ausdrücklich anerkennen, auch als Indiz, daß sich das Museum nun langsam aus seiner Belastung emanzipiert und vielelicht aus einem kritischen Blick auf die Institutionsgeschichte auch Freiräume für neue Strategien gewinnen könnte.

Montag, 22. Juli 2013

"Die Seele der Dinge". Raffael Rheinsberg im Kunstraum Krems-Stein

Der Teaser zur Ausstellung sagt: Der Objektkünstler Raffael Rheinsberg arbeitet als Spurensicherer mit Gedächtnispotenzialen, die in physische Objekte eingeschrieben sind. ... Dabei agiert der Künstler in der Überzeugung, dass jedes noch so unscheinbare, vermeintlich nicht erinnerungswürdige Relikt der Vergangenheit über ein Arsenal gespeicherter Erinnerungen verfügt und damit Symbolwert besitzt. "Jedes Ding", so Rheinsberg, "hat eine Seele".

Raffael Rheinsberg: Die Seele der Dinge. Kunstraum Krems-Stein 18.5.2013 bis 6.4.2014

Aber diesmal sind in den Räumen in Stein industriell gefertigte seriell hergestellte Dinge zu sehen, die kaum noch einen Anteil an menschlicher, an lebendiger Arbeit enthalten, die eher von Blochs technischer Kälte sprechen und die ausschließlich durch ihre Reihung und Ordnung Ausstellungsbedeutung gewinnen.
Allenfalls mit Ausnahmen jener Lappen, die die Spuren von Schmutz, Öl, Russ und Fett tragen und an denen man Reste von etwas entdeckt meint, was wie ein kriminologischer Fingerabdruck die letzte Spur eines menschlichen Kontaktes sein könnte.










Mittwoch, 17. Juli 2013