Donnerstag, 16. August 2012

Um eine Gabe wird gebeten (Texte im Museum 312)

Kelvingrove Museum, Glasgow

Ein Museum. Nationalmuseen in unwirtlicher Gegend

Vor einigen Monaten habe ich zur 'Globalisierung des Museums' recherchiert; ich wollte ein wenig den nahezu unvermeidlichen austro- und eurozentrischen Blick weiten, den man / ich hat / habe. Die selbstgestellte Aufgabe war etwas über Regionen zu erfahren, wohin normalerweise unsere museologischen Kommunikationswege nicht oder kaum hinreichen. Es ging schon auch darum, ein wenig ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich Museen weltweit verteilen und wie sich in unterschiedlichen Regionen gleichsam 'durchgesetzt' haben.
Wie man so etwas macht? Indem man diverse statistische Materialien und Datenbänke nutzt, die es gibt und die man abgleichen kann. Ich habe so zum Beispiel herauszufinden versucht, ob sich das Museum tatsächlich weltweit als kulturelle Praxis / Institution durchgesetzt hat.
Sie hat. Fast.
Es gibt kaum Länder, die keine Museen haben. Und unlängst dachte ich, ich habe die Färöer übersehen!
Das nationale Kunstmuseum
Dazu muß man sagen, daß für einen österreichischen Mann, der gerne Fußball schaut (oder wie ich, geschaut hat, 'früher mal'...) 'Färöer' ein Katastrophenwort ist. Denn kaum war die kleine Insel den internationelen Fußballverbänden beigetreten, hatten sie auch schon ihr erstes Qualifikationsspiel eines internationalen Bewerbes - gegen Österreich. Und gewannen 1:0. In Schweden, denn auf den Färöern gabs keinen den Anforderungen der Verbände taugliche Fußballplätze.
Wenn man sich über die Faröer informiert, wundert man sich, daß dort überhaupt Fußball gespielt wird, beziehungsweise, daß dort überhaupt wer leben will. Nie mehr als 12 Grad, viel Regen und sehr sehr viele Nebel.
Auf den Färöern darf der Museumsdirektor die Briefmarke seines Museums selbst entwerfen
Und diese Insel sollte ich übersehen haben? Nicht ganz, sie ist mir entgangen, weil sie streng genommen kein völlig eigenständiger Staat ist, sondern ein Teil Dänemarks, allerdings mit sehr hoher politischer Autonomie, eine so genannte gleichberechtigte Nation.
So konnte es kommen, daß ich die Färöer 'übersehen' habe, weil sie in den einschlägigen Länderstatistiken (die die Nationalstaaten enthalten) eben nicht auftauchen, sondern als Teil des Königreichs Dänemark angesehen werden.
Das Freilichtmuseum, Teil des Nationalen Geschichtsmuseums
Der Zweifel, ob man dort Fußball spielen kann, den kann ich mir nach dem 0:1 nicht erlauben, wiewohl er angebracht erscheint, wenn man bei Wikipedia liest, daß auf den Faröern der Elfmeter von drei Spielern ausgeführt werden darf oder gar muß. Einer steht im Tor, einer schießt den Strafstoß, und einer hält für der seinen Kollegen denn Ball am Elferpunkt fest, damit ihn der Wind nicht verweht (gibt es bei Wikipedia Fußballlatein?).
Aber Zweifel, ob es bei dem Wetter Museen sind mir doch gekommen. Was ja unsinnig ist, weil ja Museen oft letzte (touristische) Fluchtorte bei Regen und Kälte sind. Kann eine so kleine, unwirtliche Landschaft ein Museum haben?
Sie kann und hat, und soweit es in Erfahrung zu bringen ist, sogar zwei, ein Kunstmuseum, mit einem Neubau von 1993 und ein Historisches Museum, das Färöer schon gerne zu Ende des 19. Jahrhunderts gehabt hätten, das aber dann erst definitiv 1952 zustandekam und heute das Nationalmuseum ist, ebenfalls in einem Neubau, und zwar von 1996.

Mittwoch, 15. August 2012

Tiamo (Texte im Museum 311)

Pistoletto-Ausstellung Neue Galerie / Universalmuseum Joanneum

Repräsentativer Eintritt (Entrée 71)


Peter Weiss: Initiation (Sommerlektüre. Das Museum lesen 26)

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Peter Weiss | Initiation


Dann aber ging es noch um ein andres Museum, es trat zutage mit seinem rauchgeschwärzten Klinkergemäuer, einem Magazin ähnlich am großen Bahnhofsplatz in Bremen, an der Straßenecke gegenüber vom Hotel Columbus, rückseitig angeschlossen an die Ausladestellen für Früchte und Gemüse am Güterbahnhof. Zu diesem Museum führte der Weg über die Weserbrücke und den Domshof, am Rathaus vorbei, durch den Schlüsselkorb und die Wallanlagen, links stieg der Park zur Baumschule an, mit der Windmühle überm Stadtgraben, vom Herdentor, neben dem Hillmann Hotel, ging es durch das Gedränge von Automobilen und Straßenbahnen auf die schon sichtbaren hinausgepufften Dampfwolken der Lokomotiven zu, und dann traten wir in die Halle, vor die Pfeilerreihen, die, unterm hohen Glasdach, weit in die Tiefe der Kontinente führten.
Geschnitzte Pfähle, Masten und Tempeldächer erhoben sich hinter den zusammengedrängten tropischen Gewächsen in Kübeln, ich zog meinen Vater, der mich an der Hand hielt, gleich schräg nach rechts, zu den Pygmäen, die sich vor ihrer niedrigen gerundeten Hütte aufhielten, reglos die nackte Frau, die linke Hand um das Kind gelegt, das auf ihrer Hüfte saß und den Fuß auf den Gurt ihres Lendenschurzes stützte, die rechte Hand angehoben zur Halskette aus Leopardenzähnen, das Gesicht zur Seite gewandt, mit halbgeschlossnen Augen vor sich hinblickend, in sich versunken, wie auch der Mann, der auf Spreu kniete und die Arbeit, die er vor den Händen hatte, das Glätten und Zusammenknüpfen von Blättern, vergaß.
Ein Affe lag neben ihm, er hatte spielen wollen, war schläfrig geworden, sein Arm war, noch ausgestreckt, niedergesunken. Sie waren in den Regenwäldern Äquatorialafrikas zuhause, als Sammler und Jäger zogen sie umher, der Dschungel ließ keine Ansiedlung zu, die Hütte diente ihnen zu kurzem Unterschlupf, sie besaßen nur wenige Geräte, Pfeil und Bogen, waren dem Aussterben nah. Zwischen Wurzeln und Gestrüpp hatten sie ihr kuppelförmiges Nest gebaut, gestützt von gebogenen Zweigen, abgedeckt mit Blättern, umwickelt mit dünnen Lianen, ein Schneckengehäuse voll tiefer Dunkelheit. Ringsum erstreckte sich unendlich der Urwald, in dem es schnatterte, grunzte und schrie. Hier war aus dem Roden der winzigen Lichtung, dem schnellen Bauen vor einbrechender Nacht, dem Nomadisieren an den Flußläufen, den Wasserfällen entlang, da die Hütte längst wieder eingegangen war in die Vegetation, ein einziger Augenblick des Wartens geworden. Nicht größer als ich, der Sechsjährige, verharrten die Waldbewohner mit angehaltenem Atem in knisternder Stille und merkten nicht, wenn meine Fingerspitzen ihre mattglänzende dunkle Haut berührten. Es waren noch Beduinen da, vor ihrem Zelt, Eingeborene Australiens, mit Speeren und Wurfhölzern, tätowierte Bewohner eines Pfahlhauses von den Salomoninseln, kunstvoll geflochtne Schildhütten aus Samoa waren zu sehn, japanische Gärten, Tempel und Kultgegenstände aus Birma, Korea, Tibet, Schneehütten der Eskimos, Totempfähle der Prärieindianer, eingeätzt in mein Gedächtnis aber hatte sich vor allem die Familie des Zwergvolks.

Vicenza wurde auf einer Eintrittskarte errichtet (Entrée 70)


Wie hindert man Besucher daran, in zehn Minuten durch eine Ausstellung zu rennen?

Fundsache beim 'Perlentaucher'. 2014 wird die Künstlerin Marina Abramovic in New York ein Institute for the Preservation of Performance Art leiten. Die Künstlerin, die es satt hat, daß "das Publikum in zehn Minuten durch Galerien rennt", hat Maßnahmen vorgesehen, daß sich die BesucherInnen Zeit nehmen:

"'First, you will sign a contract that says you must stay for six hours, regardless if there are events scheduled for the entire time or not,' she began. 'Then you will surrender your Blackberry, your iPhone, your watch, your computer… anything that reminds you of time. Then you will be given a white lab coat, because you have become an experimenter. You will also be given sound-cancelling headphones which you can wear when you like.' But that wasn't all. 'You will have an attendant that will move you from room to room. You will be sitting inside a futuristic wheelchair that I'm creating specifically for the institute with designers and architects. It will be designed to have hot food contained in one arm, cold food inside another, and a place for liquids to drink. You will never have to get out of the chair unless you need to. The attendant will take you where you want. Even if you fall asleep - which people might after a 6- or 24-hour performance - you will dream of the performance because you will have in a sense not left it. This is all designed for long-duration experience.'"

Dienstag, 14. August 2012

Textvandalismus an der - oder doch dem? - Ponte Molle

Die Sammlung Texte im Museum hält nun schon beim Beispiel 310. Noch immer tauchen Besipiele auf, die etwas Neues repräsentieren oder eine überraschende Variante von etwas Altbekanntem. Schön langsam wird diese Sammlung ein Kompendium zur Abfassung, Typografie, Anbringungen, Materialität, Informativität, Funktionalität und gelegentlch auch Absurdität von Museumstexten.

Wenn ich mich recht erinnere gibt es in der ganzen Sammlung nur ein einziges Beispiel für ein weitverbreitetes Phänomen, das jedem Museumssbesucher auffallen muß: den Betextungs-Vandalismus. Also jene mit Bleistift, Kugelschreiber, Filzstift oder was immer an dauerhaft Schreibfähigen zur Hand war, an Texten, vornehmlich Objektbeschriftungen (weil leicht erreichbar) vorgenommenen 'Verbesseruungen'.

Sie können die Rechtschreibung betreffen, typografische Fehler, wie z.B. die bei Computersatz häufigen Trennungsfehler, sachliche Fehler, falsch geschriebene Namen oder Begriffe oder, wahrscheinlich der Hit, falsche (oder vermeintlich falsche) Jahreszahlen.

Soll ich nun aus der Tatsache, daß es in meiner Sammlung dazu keine signifikanten Beispiele gibt, den Schluß ziehen, daß die Qualität der Texte derart verbessert wurde, daß einschlägiger Vandalismus keine Anwendung mehr finden kann?

Was mich aber besonders freut ist, daß diesem in der museologischen Literatur nicht gewürdigtem Phänomen endlch eine Aufmerksamkeit zuteil wurde, die es verdient. Und zwar in einem Blog, in dem ich immer gerne und vergnügt lese, "Der Umblätterer".

Unter dem Pseudonym Marcuccio wurde dort im April diesen Jahres (hier) endlch ein Text zum Textvandalismus veröffentlicht - unter dem Titel "Der oder die Ponte Molle? — Erneute Schlacht an der Milvischen Brücke.

In der Claude Lorraine - Ausstellung des Frankfurter Staedel entdeckt der Autor, daß die Bildbeschriftung "Hirtenlandschaft mit der Ponte Molle" insoweit beschädigt wurde, als das ›der‹ vor »Ponte Molle«  mit blauer Kuli-Farbe durch­gestrichen und "besserwisserisch" mit einem ›dem‹ getauscht wurde. Also: »Hirtenlandschaft mit dem Ponte Molle«.

Ich würde den sehr vergnüglichen Text ja gerne einfach hier einstellen, aber so viel an Klauen will ich mich grade gegenüber einem Blog nicht trauen, den ich so sehr schätze. Verraten sei nur, daß der Autor seine Beobachtung zum Ausgangspunkt, diverse Täterprofile (Man könnte auch medienverhaltenskundlich argumentieren und das Ganze als Übersprunghandlung eines digital native interpretieren, der Museen bislang nur von Google Art kannte... ) zu entwickeln, macht - etwas, was diesen Text zu einer kleinen Metatheorie zur Textsammlung in diesem Blog macht.

Und nicht vergessen: die Kommentare zu diesem Text auch anzusehen...!

Autorschaft (Texte im Museum 310)

Museum Sensenhammer Deutschfeistritz

Montag, 13. August 2012

Hands on, touch me!

Römermuseum / Wien Museum (2012; Foto: GF)

Wie man Museen zugrunderichtet, aber gekonnt. Noch einmal.


Der Post mit der "Schlagzeile" "Wie man Museen zugrunderichtet, aber gekonnt", gehört zu den meistgelesenen der letzten Wochen und hat gute Chancen, in den Charts weit nach oben zu klettern (ja, manchmal verfalle auch ich der Akklamationsmessung und Erbsenzählung...).

Ich habe den Text erneut überarbeitet, noch mal erweitert, Anregungen aufgegriffen und bei der Gelegenheit auch so manchen Tippfehler entfernt, was der Lesbarkeit des Textes guttun wird.

Zu den Effekten des Textes gehören: eine Aufforderung als museologischer Kabarettist aufzutreten, den Text zu publizieren (soll demnächst geschehen) und eine Tagungseinladung.
Ja und dann - dann wird natürlich alles anders und besser werden...

Hier der Link zum Post mit dem überarbeiteten Text: http://museologien.blogspot.co.at/2012/06/wie-man-ein-museum-zugrunderichtet-aber.html

Wer immer Lust hat, etwas aus seiner Berufserfahrung beizusteuern kann mir etwas unter der neuen Mail-Adresse museologien@gmx.at gerne tun. Ich freue mich über Erfahrungserweiterungen.

Finanzkrise = Museumskrise? Ein Beispiel aus den USA

Der Stiftungsrat der Corcoran Gallery, einer nichtstaatlichen Institution, die mehrmals hintereinander ein Millionendefizit erwirtschaftet hat, hat den Verkauf des Museumsgebäudes beschlossen und den Umzug in einen Vorort von Washington.
Der Berichterstatter der NZZ listet folgende Verfehlungen auf, aus denen man sich - sehr unterschiedliche - Gründe für diese Entwicklung wohl selbst zusammenstellen soll: die Konkurrenz zu den zahllosen staatlichen Museen in Washington, namentlich der National Gallery, ungenügende Pflege der Beziehung zu Sponsoren, Mäzenen und Sammlern, schlechtes Marketing und ungenügenede Öffentlichkeitsarbeit, Verprellung jüngerer, aufgeschlossenerer Besucherschichten durch die Absage einer Robert Mapplethorpe-Ausstellung, womit sich die Galerie auch langfristig Schaden zugefügt habe.
Kann es nicht an einer schlechten Programmierung gelegen haben? Nein, das Museum betreibe eine interessante Ausstellungspolitik, versichert uns Roland D. Gerste. (Der Artikel, "Umzug nach Suburbia", ist hier zu finden).

Und hier noch zwei Fotos der Galerie, die demnächst ein Appartementgebäude, eine Bank, ein Hotel, ein Verwaltungsgebäude sein könnte.

1869 wurde die Galerie von William Wilson Corcoran gegründet. Anfangs befand sich das Museum an der 17Street und Pennsylvania Avenue in dem Gebäude, das heute die Renwick Gallery beherbergt. 1897 war der Museumsbestand so groß geworden, das ein neues größeres Gebäude an der 17th Street und New York Avenue erforderlich wurde. Gestaltet wurde das neue Museumsgebäude von Ernest Flagg in Beaux-Arts-Architektur.

Sonntag, 12. August 2012

Arbeit (Texte im Museum 309)

Museum Sensenhammer Deutschfeistritz

Museum Sensenhammer Deutschfeistritz

Als der Sensenhammer im steirischen Deutschfeistritz 1984 schloß, als letzter dieser Betriebe in diesem Bundesland, weil inzwischen technische Mähgeräte längst das mühsame händische Mähen und damit die Sense weitgehend überflüssig gemacht hatten, wurde der Betrieb nicht abgebrochen sondern erhalten und zum Museum umgewandelt.
Dabei beließ man den Betrieb weitgehend so, wie er stillgelegt wurde und obwohl inzwischen einiges an erläuternder Beschriftung hinzugekommen ist, liegt der Reiz dieses Museums in erster Linie im erhaltenen Bau und seinen Arbeitsräumen und -hallen einschließlich der begehbaren Anlage, die die Wasserkraft auf die diversen Maschinen übertragen hat.
Bemerkenswert aber 'unsichtbar' ist, daß die aufgwendieg Erhaltung so eines nicht mehr in Betrieb befindlichen Werks nicht die Initiative und Arbeit Einzelner war und ist, sondern daß die Ortsbewohner sich nachdrücklich für den Erhalt und die Pflege der Anlage eingesetzt haben.
Nur noch über die diversen Texte kann einem vermittelt werden, daß es hier um eine alte 'Industrie' geht, um eine sehr erfolgreiche, auch exportorientierte Eisenverarbeitung in Form hochwertiger Werkzeuge, die rasch mit der Modernisierung der Landwirtschaft implodierte.
Was geblieben ist, sind musel und denkmalpflegerisch erhaltene Räume, die ein Gedächtnis an etwas bewahren, was kaum noch irgendeine aktuelle Bedeutung hat, und letztlich entweder als ästhetischer Eindruck oder alös intellektuelle Rekonstruktion über Textinformation 'museal am Leben gehalten' wird.