Donnerstag, 21. Juni 2012
Wie man Museen zugrunderichtet, aber gekonnt (Dritte Fassung)
Wie man ein Museum zugrunderichtet, aber gekonnt
Wenn man Flugangst hat, oder Beziehungsprobleme, Rückenschmerzen, einen pubertierenden Sohn oder verwelkende Zimmerlinden, in allen diesen Fällen uns unlösbar erscheinender Probleme springen uns Verlage und Buchhandlungen mit Rat und Tat bei. Wo Gefahr ist, ist das Rettende auch, wusste schon der Dichter. Aus der Dichtersentenz sind inzwischen viele Regalmeter messende Lebenshilfe-Abteilungen in Buchläden geworden, die an Größe und Frequentiertheit die Klassikerabteilung übertreffen. Denn: wir haben Hilfe bitter nötig und wir können uns nicht mehr selber helfen.
Das gilt natürlich auch für Museen, wo uns Autorinnen und Autoren mit Handbüchern zum Texteverfassen, zum Vermitteln Alter Meister an Vorschulkinder, zum Programmieren von Audio-Guides, zum digitalen Inventarisieren zur Seite springen. Kein Praxisfeld, für das es nicht ein Buch gäbe, das weiß, wie es richtig gemacht wird.
Um so erstaunlicher ist es, daß es in einer so wichtigen Angelegenheit wie dem Zugrunderichten von Museen, eine derart schmerzliche Helfer-Lücke gibt. Kein Buch!, nicht mal ein Aufsatz, keine Tagungen und Workshops. Dabei werden täglich weltweit mehrere hundert Museen zugrundegerichtet, kleine und große, bekannte und unbekannte, brauchbare und ohnehin überflüssige. Das geschieht zwar langsam und geduldig, mit Zähigkeit und Tatkraft, aber diesen Bemühungen mangelt es, seien wir ehrlich, einer gewissen Strukturiertheit, Ökonomie, kurzum der spezifischen Professionalität.
So kann es kommen, daß man Museen, kaum daß man sie eröffnet hat, auch schon zugrundezurichten beginnt, aber es dann noch Jahrzehnte dauert, ja vielleicht Generationen, bis so eine Institution wirklich mausetot ist, und kein Lebenszeichen mehr von sich gibt. Jeder kennt solche Museen und jeden Tag werden es mehr.
Aber ist das notwendig, daß das so lange dauert? Daß ein Museum so lange zwischen Hängen und Würgen schwebt, unentschieden, unsicher, wohin es sich nun denn endlich entwickeln soll? Das Zugrunderichten mit dem Neugründen von Museen in Tempo und Effektivität Schritt halten zu lassen ist also ein Gebot der Stunde, aber es bedarf eben einer gewissen Gekonntheit, nicht nur eines destruktiven Eifers, eher des unbewußten Dilettantismus, der Ungeschultheit und Ahnungslosigkeit, kurzum: einer hoch entwickelten Leadership des professionellen Scheiterns.
Aus Mangel an Gelegenheit selbst kein wirklich geübter Museumszugrunderichter, habe ich mich dennoch, wegen des eklatanten Mangels an einschlägiger Hilfestellung entschlossen ein Buch zu unserem Thema zu verfassen, das seit langem in Arbeit ist, und mit dessen Verkauf ich meine erwartbar karge Pension, wenn es einmal so weit sein wird, aufzubessern hoffe. Bislang ist der Text ein Fragment, aber ich kann nicht mehr länger zusehen und zuwarten, wie immer wieder Museen unter Mühen und Plagen, Hängen und Würgen zugrundegerichtet werden, während ich an einem Text arbeite, der dabei doch, davon bin ich überzeugt, hilfreich sein, die Anstrengungen erleichtern und verkürzen, die Zahl der erfolgreich totgeschlagenen Institutionen merklich steigern könnte.
So habe ich mich entschlossen, einige vorläufige Grundsätze und Merksätze für diesen Blog zusammenzustellen, einige vorläufige und bruchstückhafte Anregungen, die zwar dem Lernwilligen noch nicht hinsichtlich von Anregungen, Tipps, Beobachtungen, Erfahrungen und Regeln aus dem Vollen zu schöpfen erlauben, die aber sowohl den Novizen im Zugrunderichtungsgewerbe sowie dem fortgeschritteneren Connaisseur einige erste und vorläufige Hand- und Feingriffe der hohen Kunst des Abwrackens bieten.
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Zum wirklich Wichtigsten gehört, zu verhindern, daß in ihrem Museum zielbezogen, sachlich und lösungsorientiert gearbeitet wird. Begnügen sie sich ruhig mit Parametern wie Öffnungszeiten, verkaufte Tickets, Einnahmen aus dem Shop, Erwerb von Museumsgütesigeln (das läßt sich unter Funktionären schon regeln) oder Frequenz der Pressemeldungen in der marktbeherrschenden Regionalzeitung. Vermitteln sie den Eindruck Sie und ihr Museum seien busy, auf welche Art und Weise, darauf kommt es nicht so an.
Es stört dabei gar nicht, wenn sie so etwas wie ein Mission Statement, eine Zielvereinbarung etc. haben oder ausarbeiten zu lassen, wenn wer in ihrem Museum glaubt, daß er es braucht. Sie können derlei auch ruhig veröffentlichen, zum Beispiel auf ihrer Webseite, aber dann bitte nicht gleich ganz oben, wo eher ein Vernissagefoto hingehört, wo sie grade dem Bürgermeister die Hand drücken, oder ein Prachtfoto von einem ihrer glanzvollen Objekte, sondern ein bisserl versteckt.
Im Museum platzieren sie, wenn es denn sein muß, so eine Absichtserklärung ungefähr so wie ihre Besucherordnung: kaum lesbare Schriftgröße, in einer dunklen, unerwarteten Ecke, möglichst hoch.
Auch in Ablagen in Verwaltungsabteilungen und Abteilungssekretariaten machen sich solche Dokumente recht hübsch.
Wenn sich überhaupt je die Notwendigkeit der Ausarbeitung eines Leitbildes ergeben sollte, dann hat es sich bewährt, das mit mehr oder minder zufällig bereitwilligen Mitarbeitern zu machen, die gerne mal Abwechslung in ihrem Alltagstrott wollen. Dieses Aussiebungsprinzip garantiert, daß die Arbeitsgruppe weder repräsentativ noch kompetent ist, während eine gewisse Chance besteht, daß dort Eitelkeit, Besserwisserei und Pseudokompetenz kumulieren. Ideal! Man kann über Wochen und Monate ein Teil der Belegschaft mit einer ungewohnten, Abwechslung bietenden Beschäftigung erfreuen. Was Gedrucktes hat hinterher jeder gerne in der Hand und es kommt wirklich nicht drauf an, was rausgekommen ist. Denn wenn das zentrale Ziel Vermeiden von zielbezogener Arbeit ist, dann darf dabei unter keinen Umständen etwas, und sei es ein Mission Statement, stören.
Es wird Ihnen übrigens leicht fallen, trotz eines solchen Papiers dies zu vermeiden, den MitarbeiterInnen einer Institution neigen notorisch dazu, ihre individuellen, persönlichen und oft sehr engen fachlichen Nahziele zu sehen und mit Sicherheit nicht das Ganze der Organisation.
Sie selber müssen aber auch aufpassen! Es sei ihnen unbenommen, sich selbst ein Ziel zu setzen. Etwas wie (was sehr beliebt ist) eine Pressekonferenz mit dem Kulturminister (je nach Museumsgröße und -standort sinnhaft zu ergänzen durch: Bildungslandesrat, Gemeinderat, Vorsitzenden des Verbandes der Bilderrahmenerzeuger, Gymnasiallehrer für Bildnerische Erziehung, Türkisch und Leibesübung), eine Vertragsverlängerung, die Berufung in ein Museum einer größeren Stadt oder eine wohlwollende Nennung Ihres Namens im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Das, was Sie sich als Ziel gesetzt haben, geht aber niemanden etwas an (außer vielleicht Ihre Pressereferentin), das ist ihre Privatsache.
Anders gesagt: Vermeiden sie es, ganz im Sinne der eingangs als besonders wichtig hervorgehobenen Grundregel, sich so etwas wie ein Bild der Institution zu machen, in der sie arbeiten. So etwas ist anstrengend und führt zu nichts. Vermeiden sie, sich mit ihrer Geschichte zu beschäftigen oder gar zu identifizierten, vermeiden sie es aber auch sich und ihr Museum im aktuellen gesellschaftlichen und kulturpolitischen Umfeld zu positionieren, außer zu Konkurrenzzwecken - ja, da heißt es schon mal aufzupassen bzw. sich ins Zeug zu legen, um nicht den Anschluß zum Beispiel in der medialen Präsenz zu verpassen. Das geht schnell, und schon ist man vergessen, irgendwo ganz hinten in der Schlange der VIPS eingereiht. Sie leiten einen Betrieb, das genügt. Sorgen sie für politisches Wohlwollen, ihnen gewogene Medienberichte und alles wird gut werden.
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Analoge Regeln gelten für alle, vor allem die alltäglichen Arbeitsvorhaben. Bloß keine Zielvorgaben, kein Zeitlimits, keine klare Aufträge, keine klare Übertragung von Kompetenz und Verantwortung! Sehr wirkungsvoll ist es, wenn sie es in der Schwebe lassen, worin genau der Auftrag besteht, was Sie sich davon für sich und das Museum erwarten, wer Projektleiter und -verantwortlicher ist. Sehr schön, wenn sie gleich zwei oder drei Leuten das Gefühl vermitteln, die hätten das Sagen, oder gar, wenn es überlappende Projektteams ohne Kommunikation untereinander und Wissen voneinander gibt. Die höchste aller Künste, nur in größeren Museen machbar, ist, daß Leute am Gleichen oder Ähnlichen arbeiten, ohne voneinander zu wissen.
Sicher haben sie schon gehört, das Machtmittel eines Leiters (ich spreche hier nur von Männern, weil vor allem Männer in Leitungspositionen das Potential zur umfassenden Museumsvernichtung haben) schlechthin ist die Kontrolle der Kommunikation. Völliger Entzug z.B. macht sich immer gut, es geht aber auch mit weniger, mit Steuerung, Lenkung, vor allem: Auswahl, Redaktion der Mitteilungen. Horchen Sie in die Institution hinein, stellen sie scheinbare Vertrauensverhältnisse her, seien Sie jovial, geben Sie MitarbeiterInnen das Gefühl, daß gerade Sie bevorzugt werden, ihr Ohr haben. Aber nie umgekehrt - geben Sie nichts in die Institution hinein an Information, was nicht unbedingt nötig ist.
Es geht aber auch mit Fragmentierung, mit Verteilung von Häppchen, und, noch schöner, mit der Verteilung von unterschiedlichen Infos an unterschiedliche Mitarbeiter oder Gruppen. Um Indiskretion, um Hörensagen, um Scheinvertrauen.
Unter dem Diktat von Zeitnot (siehe Punkt 5) und unter der Prämisse allgemeiner organisatorischer Unübersichtlichkeit (siehe Punkt 3) ist die Diversifizierung der Information Gold wert.
Wozu gerade an diesem und jenem gearbeitet wird, mit diesen und anderen Mitteln - wer will wissen? Das geht nur sie was an.
Die Variabilität solcher kommunikativen Konstellationen geht gegen unendlich, vor allem wenn sie das mal auf der Basis der Option hochrechnen, daß sie ja projektbezogenes Arbeiten mit institutioneller Routine in verschiedenen Mischungsverhältnissen verknoten können, bis alles undurchdringlich gordisch geworden ist.
Hier gibt es ein weites Feld, in der sie Ihre Kreativität erproben können. Schaffen sie viele Gefäße, in denen etwas bewerkstelligt, in denen etwas beraten, entwickelt werden soll, z.T. mit ein- und denselben Mitarbeitern, geben sie an jedes dieser Gefäße andere Parolen aus, andere Prioritäten, justieren sie am Tempo, wechseln sie Leute aus, ohne Begründung, setzten sie Leute gegen deren formale Qualifikation ein, rütteln sie an Hierarchien, schaffen oder fördern sie Rollenunklarheiten, und ignorieren sie diesbezügliche Hilferufe oder Zwischenrufe. Sie werden sehen, wie schnell jetzt der Zerfall Ihrer Arbeitsteams voranschreitet, die Demotivation zunimmt und die Erosion Ihres Museums voranschreitet.
Heldenhaft ist es (dazu muß man echt taff sein), wenn sie es schaffen, nicht nur Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf divergierende Ziele, Projekte und Rollen sozusagen aufzuspalten, sondern sich selbst zu spalten. Der Einfachheit halber nehmen wir hier mal an, nur in zwei Identitäten, also in ,ich‘ und ,ich‘. Verfolgen sie also zwei möglichst konträre, möglichst einander ausschließende Ziele, deren gleichzeitige Verfolgung auf Kollisionskurs führt. Forcieren sie mal die eine, dann die andre Idee, bis sich die Spaltung auf das Team überträgt. Und dann warten sie mal ab, was dann alles passieren kann. Aber hallo! Ein kleines Praxisbeispiel, damit Sie sich was drunter vorstellen können um dann selber kreativ zu werden: starten Sie ein ambitioniertes Projekt aber torpedieren Sie dessen Finanzierung oder Administration. Wunderbar! Ich denke, Sie haben verstanden.
Der sozusagen sechste Gürtel der Museumszerstörungsweisheit ist, wenn sie selbst gar nicht wissen, daß sie zwei (oder mehr) Ziele verfolgen, aber de facto danach handeln. Und der Nobelpreis für Museo-Destruktion gebührt ihnen, wenn sie nicht nur glauben sondern auch gegenüber Mitarbeitern und Stakeholdern kommunizieren, daß sie ihre Arbeit sehr reflektiert betreiben.
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Machen Sie es sich selbst in allen Projekten, Vorhaben, Ausstellungen, Produktionen etc. zur Regel, ohne Tagesordnungen, ohne Protokolle, ohne Moderation, ohne klare Diskussionsleitung zu arbeiten. Jede Festlegung schadet der Flexibilität und Dynamik. Lästige Rückgriffe auf früher Gedachtes, Geäußertes - was bei Verwendung von schriftlichen Protokollen sehr unangenehm werden kann -, entfällt. Unterbinden sie jeden Versuch, noch während der Laufzeit eines Projekts den Gang der Dinge zu bewerten oder bewerten zu lassen, also zu überprüfen, ob ein Ziel erreicht werden wird oder eher nicht. Wenn Sie die Regel Nummer 1 befolgt haben, kann das ohnehin nicht passieren, denn dann gibt es ja kein Ziel, das verfehlt werden könnte. Unnötige Klarheit hält den Zerfallsprozess der Organisation nur auf. Und wer will denn sowas wissen, wozu er etwas macht? Nachzudenken über dieses wozu, führt nur zum riskanten Nachdenken über das was man tut und womöglich in der Folge sogar dazu zum Nachdenken was und wer man in diesem und jenem Beruf eigentlich ist. Was Unpraktischeres gibt es nicht. Die Leute sind zufrieden, wenn sie beschäftigt sind und wenn sie beschäftigt werden, also.
Das, nun sagen wir mal, liberale Handling des Museumsalltags hat seine Vorteile. Unter uns gesagt und off records: damit sind Sie auch bezüglich ihrer Verantwortung aus dem Schneider, wenn was schiefgeht, Sie wissen schon, die Mitarbeiter waren schuld, haben was nicht begriffen, nicht richtig zugehört, sind eh unfähig, inkompetent oder unwillig.
Außerdem sind Sitzungen, Beratungen, Gespräche sehr unterhaltsam und bunt, die weder vorbereitet noch geleitet werden; wenn niemand so recht weiß, warum er zwischen 9:30 und 11 Uhr mit anderen im Raum C sitzt (schlechte Luft, unbequeme Stühle, nur Mineralwasser am Tisch), führt das fast unfehlbar zu einer launigen Gruppendynamik. Mitarbeiter, die von der Tagesordnung überrascht werden, wie von einem unverdienten Geschenk, dem Krampus oder einem Einschleichdieb werden ihnen nicht nur dankbar für das unterhaltsame Beratungs-Design sein, es löst bei denen nachweislich auch erhöhte Adrenalinausschüttung und daher auch destruktive Kreativität, etwa in der Einübung des Aneinander-Vorbeiredens, aus.
Wenn sie über die Gabe des lauernden Minutenschlafs verfügen, wie der Minister in Franz Werfels Novelle Eine blassblaue Frauenschrift, gönnen sie sich ruhig in Sitzungen mal ein Nickerchen. Einerseits ist das erholsam, andrerseits signalisieren Sie damit, daß nicht immer alles ganz wichtig ist.
Sie können aber die ganz gegenteilige Haltung einnehmen (wiederum wie der erwähnte Minister, der von sich sagt, er sei expeditiv) und durch Hyperaktivität und Multitasking verblüffen. Lesen Sie z.B., während ihre Kollegen und Mitarbeiter brüten, denken und beraten, in einem eben Ihnen zugestellten Katalog, in dem Sie ein Vorwort von einer dreiviertel Seite (zweieinhalbzeilig) verfasst haben oder erledigen Sie e-mails oder telefonieren Sie mit dem Handy, schreiben Sie ein SMS - und wenn sie davon mehreres gleichzeitig beherrschen - na umso besser!
Sollte ein Gespräch unangenehm strukturiert verlaufen und plötzlich sich gar die überraschende Lösung eines bestimmtem Problems abzeichnen, dann ist es hilfreich, den ein oder anderen Knallfrosch zu werfen: wechseln Sie abrupt das Thema, präsentieren Sie eine verblüffende aber zusammenhanglose Idee, kanzeln Sie einen Teilnehmer brüsk ab oder stellen Sie einfach die Finanzierbarkeit dessen, was gerade zu glücken droht, ohne Federlesen in Frage.
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Das Personal! Die Mitarbeiter! - Also je größer ein Museum ist, desto eher benötigen Sie bei Ihrer segensreichen Tätigkeit der Museumsabwicklung die Unterstützung von Mitarbeitern. Lassen Sie sich aber deswegen keine grauen Haare wachsen, daran scheitert es bestimmt nicht. Denn die meisten Mitarbeiter bringen in ihren Beruf und Betrieb schon eine Art von natürlicher, durch Ausbildung nicht verbildeter Begabung mit, von ihrem Arbeitsplatz aus, Ihnen die nötige Unterstützung zu geben.
Natürlich ist es nicht ganz egal, wen und wie Sie sich Ihre MitarbeiterInnen aussuchen. Bei der Auswahl ihres Personals verlassen Sie sich getrost auf ihr Bauchgefühl. Schön, ein paar Bewerbungs-Unterlagen, das muß schon sein, die können sie ja höflich entgegennehmen und sich das Foto anschauen. Mehr nicht. Verfahren, Kriterien, Anforderungen, Aufgaben, sowas braucht es nicht beim Rekrutieren, was für ein Aufwand nur wegen eines Mitarbeiters, ich bitte sie! Wenn der erst mal eingestellt ist - das wird dann schon.
Bevorzugen Sie Bewerber, die unsicher auftreten oder ihr Selbstbewußtsein zu ostentativ ausführen, meiden Sie die ganz Servilen, da lauert auch Heimtücke, aber eifrige Nach-dem-Mund-Reder, das kann vielversprechend sein. Personen mit diesen Eigenschaften sind formbar, gängelbar, leicht weiter zu verunsichern oder einzuschüchtern. Ein guter Mitarbeiter ist ein plastischer Mitarbeiter, einer, den sie wie Plastilin kneten und biegen können, je nach Bedarf und je nach Situation.
Versuchen sie herauszufinden, ob sie im Bewerbungsgespräch jemand gegenübersitzen, der willig, anpassungsfähig und gutmütig ist und der seinen Job macht. Und ein guter Zuhörer ist - wenn sie sprechen.
Zu ehrgeizig sollte er nicht sein, das ist immer verdächtig. Solche Leute kommen auf Ideen und das ist das letzte was es braucht. Ideen machen nur unglücklich, verwirren, bringen vom gradlinigen Weg ab, machen Unkosten.
Nützlich ist auch, wenn MitarbeiterInnen generell über nicht zuviel Berufserfahrung verfügen. Also alle möglichst jung sind. Das garantiert (Danke J.B:!) a) die Unterwürfigkeit, die Sie brauchen, um sich frei enfalten zu können, b) gute Stimmung bei Betriebsfesten und c) die Chance, dass sich Betriebsabläufe einstellen, die sie über Jahrzehnte aufrecht erhalten können, auch dann noch wenn sie keinen Sinn mehr machen oder die inzwischen veränderten Bedürfnisse des Publikums ignorieren. Nur so können sie eine evtl. geforderte Neuausrichtung ihres Museums bis zur Rente blockieren und verhindern, dass die Neuorientierung von Feuilletonisten und Politikern als Eingeständnis ihrer Unvollkommenheit interpretiert wird.
Berufen Sie Personen mit bestimmten Kompetenzen für bestimmte Aufgaben, aber setzen sie die dann an ganz andere Stelle. So etwas bildet langfristig eine Art von zu ihren Bemühungen koexistierender parasitärer Destruktivität. Jeder solch ein Mitarbeiter (MitarbeiterIn) wird glauben gegen Sie zu arbeiten, wenn er sich mit Subversivität rächt, und er wird vielleicht nie ahnen, wie sehr er Sie unterstützt, ihrem Ziel, dem Ende des Museums, nahezukommen.
Sollte man ihnen politisch jemanden rekommandieren, greifen sie zu! Der Betreffende ist sicher hochqualifiziert, wie sonst würde sich jemand aus der Politik für ihn interessieren, und sie können diese Bestellung auch gleich zu einem netten Deal mit dem Gönner Ihres Neulings nutzen.
So werden sie langsam ein buntes Biotop von aus verschiedenen politischen Lagern zu einem kleinen Zoo von Paradiesvögeln zusammenstellen können, dessen Aufgabe es weniger die ist, etwa Arbeit zu leisten, denn die als Verschiebemassen im Dealen mit der Politik und den Financiers nützlich zu sein. Es bieten sich immer wieder auch interessante Tauschgeschäfte an, ähnlich wie beim Schach, es muß ja nicht immer gleich Bauer gegen König oder sowas sein.
Betrachten sie Personalentwicklung als Einsparungspotential. Setzen Sie also junge, minderqualifizierte Leute in höherrangige Positionen, das wirkt sich im Budget aus. Und investieren Sie nicht in Personalentwicklung. Die ist teuer. Die Leute entwickeln sich ja ohnehin ganz von selbst, so oder so, wozu ,Entwicklung‘. Hatten sie ja auch nie, hatten wir früher ja auch nicht.
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Planung? Pläne? Konzepte? Wofür? Für die Entwicklung des Museums? des ganzen? Um Himmels Willen! Bloß keine Pläne, bloß nicht an die Zukunft denken. Vor allem keine Finanzplanung, keine materielle Vorsorge bitte, kommts Haserl, kommts Graserl, lautet eine schöne und bewährte innerösterreichische Bauernregel. Museen gehen schon nicht unter, wer traut sich, ein Museum zu schließen, a bisserl was geht immer (zweite Bauernregel). Pläne sind etwas, was nur dazu gut ist, sich und anderen schlechtes Gewissen zu machen, wenn man mal abweicht von ihnen, Vorgaben verfehlt.
Finanzplanung also nein. Buchhaltung? Ja, soweits halt sein muß, halt schauen, daß es sich immer irgendwie ausgeht - und für den Auftraggeber, die Krankenkassa und den bösen Rechnungshof. Und das Ausrechnen von ein paar Kennzahlen, Benchmarking, von denen sie die, die den Anschein irgendeines Erfolges verheißen, auch veröffentlichen können, das macht ihnen die Buchhaltung immer gerne, überhaupt im Zeitalter von Excel. Das gibt bunte Tortendiagramme für die Aufrechnung von Sammlungsobjekten gegen, na sagen wir mal, Schülerbesuchen. Das freut den Aufsichtsrat, das versteht er und davon versteht er was.
Vorsorge für künftige Projekte, Reservierung von Mitteln, rechtzeitiges Akquirieren von Finanzierungen. Ist zwar schön, macht aber wiederum viel Arbeit. Und legt fest. Womöglich müssen sie dann ein geplantes Projekt auch wirklich machen. Und womöglich zum geplanten Zeitpunkt! Also bitte eher umgekehrt: ein Projekt anbahnen, schauen ob man es überhaupt bezahlen kann, redimensionieren, absagen. Das sind die sozusagen granitenen Bausteine einer gekonnten Museumsvernichtungsstrategie.
Und bitte, bitte, keine Zeitplanung, die Leute werden ja irre, wenn sie nur nach Kalender und Uhr arbeiten sollen. Es ist sich doch bisher auch immer alles ausgegangen, oder?
Nein, richtig geht das so: Zeitdruck schaffen, immer um ein, zwei, fünf Alzerl mehr, als eigentlich geht, das bringt ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf Trab. Faustregel: Mindestens ein Projekt pro Jahr zuviel machen. Wenn mal ein Projekt, zum Beispiel eine Sonderausstellung rechtzeitig fertig sein sollte, dann ist Feuer am Dach. Sowas sollte nicht passieren. Die Ausstellung eines gut und sorgfältig in Abwicklung stehenden Museums wird erst etwa im letzten Drittel ihrer Laufzeit wirklich fertig - oder man gibt es auf, weil eh niemandem auffällt, daß es keine Betextung gibt, kein Leitsystem, kein Handout, keine Führungstexte.
Sieht nach außen gut aus, wenn sie einen Haufen Vorträge, Projekte, Ausstellungen, Hausmusik, Podiumsdiskussionen, Künstlergespräche, Seniorenrunden, Kindergeburtstage, Kuratorenführungen usw. vorweisen können. Und jeder Event gibt ein paar Fotos von ihnen in den Medien oder im Jahresbericht.
Verhindern Sie, daß es währen der immer dichter werden Arbeit zur reflexionsfördernden Entschleunigung kommt oder gar zur Bewertung von Zwischenergebnissen, das macht nur Flausen im Kopf und unpraktische Skrupel. Der Merksatz für sie und ihre Mitarbeiter lautet dann: Dazu haben wir keine Zeit!
Denn je größer der Druck, je größer der Speed, desto weniger wird an ein Ziel gedacht (siehe Punkt 1), desto eher wird pragmatisch geackert, an was und wie auch immer, bis alle halbtot umfallen. Das macht Laune - viel Mitarbeiter sehen in Überarbeitung den Sinn ihrer beruflichen Existenz, den gesuchtesten Krankheitsgewinn überhaupt -, und gibt allen das Gefühl, etwas geschafft zu haben und geschafft zu sein.
Kontrolle, Disziplinierung kann ja gut und schön sein, aber die Zeiten des offenen Kujonierens und Schurigelns scheinen vorerst (leider) vorbei zu sein. Königsdisziplin ist, ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen das Gefühl zu vermitteln, daß sie für Geld und Zeit und nicht für Aufgaben und Ziele arbeiten. Kümmern sie sich also nicht darum, was die machen, sondern daß sie es machen. Regeln sie also Arbeitszeiten, statt Arbeitsziele zu vereinbaren.
Wie hieß das Wort für das, was dabei rauskommt, gleich noch mal? Ah ja: Bingo! Bingoorganisationen bauen auf dem Zufallsprinzip auf und ermöglichen es, sich an etwas zu freuen, was gegen jede Wahrscheinlichkeit doch stattfindet, zwar so, wie es keiner wollte, aber doch mit Vernissage, Artikel in der Tageszeitung auf Seite fünf und eine Eröffnungsrede eröffnet werden kann.
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Museen haben lästigerweise ein Publikum? Schön, daß sie daran denken, gut daß Sie fragen. Ja, so was gibts wirklich. Das sind die, die sie zählen und zahlen lassen müssen.
Apropos: Wenn sie beim Zählen ihrer Kunden noch nicht so versiert sind, dazu gibts Treffen unter Kollegen, die haben da möglicherweise schon mehr drauf und verraten ihnen gern ein paar von ihren Kniffen wie man zu stattlichen Zahlen kommt. Zählen sie z.B. Besucher, die ihre Dauer- und Sonderausstellungen besuchen gesondert, also zweimal, wenn sie mehrere parallele Ausstellungen haben gerne auch mehrfach. Rechnen sie alles hinzu, was nur irgendwie nach Kundschaft aussieht, z:B. Käufer in ihrem Museumsshop, Leute, die nach dem Weg fragen oder nach der Adresse eines guten Restaurants, und klarerweise alle, die zu einer Modenschau, einer Kinderjause oder einer VIP-Führung kommen - da merken Sie dann, wie sehr sich die neumodische 'Dienstleistungsorientierung' lohnt. Außerdem generieren sie da gleich eine Art ideologischem Surplus. Wenn sie das nämlich als kundenorientiert ausgeben oder gleich als partizipativ, was sich derzeit ganz toll macht und in aller Munde ist, könnte es Ihnen gelingen sogar als fortschrittlich zu gelten.
Sonst noch was? Na vielleicht eine kleine pädagogische Abteilung für die Kinder und die Schulen. Machen auch was her die Kleinen, in der Statistik. Basteln, Kleben, Malen, Verkleiden, Feiern, Essen, Übernachten (im Museum), Weihnachten, Krampus und Ostern, Schulferien usw., und das immer in Klassendimension, das summiert sich zu einem hübschen Prozentsatz Ihres Besucherumsatzes!
Legen sie ein Besucherbuch auf. Besucher, die reinschreiben Es war sehr schön hier, ich hätte aber gerne ein Eis gehabt, freuen sich, wenn sie im Besucherbuch lesen Ich war mit Marta hier oder Die Ausstellungen sind ganz toll.
Ansonsten: Begehen sie nicht den Irrtum, ihre berufliche Existenz irgendwie mit dem Publikum in Verbindung zu bringen. Sie sind von einem Minister (Kulturlandesrat etc.) bestellt. Dem sind sie verpflichtet, nicht der Öffentlichkeit. Was sie ,falsch‘ oder ,richtig‘ machen, das machen sie ihm gegenüber ,falsch‘ oder ,richtig‘. Sie dürfen dabei mit einer eigentümlichen Beschaffenheit Ihres Publikums rechen (eine des Museumspublikums generell): es ist unfassbar duldsam und langmütig. Oder haben Sie schon mal von einem Publikum gehört, das übel nimmt? Das wie während einer Theateraufführung zu pfeifen beginnt oder sich über einen Film in Leserbriefen an Zeitungen aufregt? Eben. Dasselbe gilt für die Medien. Kritik ist da unbekannt, es sei denn, Sie haben sich irgendeinen persönlichen Feind in irgendeiner Redaktion geschaffen. Aber selbst wenn der wollte, er kann es nicht, das Genre Museumskritik wird ihm unbekannt sein, das kennt er nicht und das kann er auch gar nicht kennen. FC Bayern, ein Finanzminister oder die Lehrergewerkschaft, ja die müssen jederzeit damit rechnen, daß irgendwer wo auf einem Sofa sitzt und übel nimmt . Aber das Museum? Das ist wie von einem Naturgesetz davor geschützt.
7
Leider leider gibt es immer wieder Mitarbeiter, die ehrgeizig sind, die etwas wollen, die eigene Ideen, die sie womöglich auch noch verwirklichen wollen, haben.
Nun gut. Hören sie höflich zu, zeigen sie Interesse, lassen sie moderat anerkennende Worte fallen, aber sorgen sie um Himmels willen umgehend dafür, daß so etwas nicht um sich greift. Ins Leere laufen lassen, wenns nicht anders geht, oder etwa durch rhetorisch-symbolische Umarmung einhegen, aber bloß nicht zulassen, daß damit ihr Alltag behelligt wird.
Idealisten - das sind im Museumsbiotop Ihre natürlichen Feinde. Organisationen wie ein Museum bauen auf der sehr unterschiedlichen schmalen fachlichen Kompetenz der Mitarbeiter auf, da kommt kaum jemand auf die Idee, verstehen zu wollen, wissen zu wollen, was das Ganze soll. Aber da gibt es dann den einen, der das versucht und womöglich auch kann! Sowas kann gefährlich werden und vergessen sie daher nie, wenn es Ihnen schon passiert sein sollte, sich einen solchen Mitarbeiter zugezogen zu haben, sich vor denen zu hüten, die unerwartet an das Ganze der Institution verantwortlich denken. Die sind, ich wiederhole mich, brandgefährlich. Für sie, für andere Mitarbeiter, für ihre Idee vom Museum als Dienstleistungsbetrieb und Firma.
Mitarbeiter zermürben, auch solche, ist gar nicht so schwierig, mit ein bisserl Übung geht das schon (sie können ja den Betriebsrat ein Burn-Out-Konzept erarbeiten lassen), beim einen dauert es Jahre, beim anderen nur wenige Monate. Ehrgeizlinge und Idealisten können Sie entmutigen, indem Sie ihnen einschlägige Aufträge erteilen, aber hintenrum unterminieren und torpedieren. Das kostet Sie weder Zeit noch Kraft, tun Sie einfach nix, lassen Sie den Halbirren einfach am langen Arm verhungern.
Hartnäckigem Ehrgeiz, höchst gefährlichem Idealismus (das Schlimmste!), begegnen sie mit Uneindeutigkeit, Unklarheit, Entscheidungsunlust, Schwammigkeit, Verschiebung auf die längste Bank, die sie in ihrem Museum auftreiben können. Geben sie so jemand Aufträge, die nichts tangieren, nichts verändern, die sie nicht unterstützen, setzen sie ihm Leute mit hohem Kontraproduktionspotential rein. Verlangen sie Gedrucktes im Wochentakt und geben sie das ihrer Sekretärin, die weiß dann schon, wohin sie damit soll.
Wenn das allein nichts hilft, werden sie ein bisserl übergriffig, die ein oder andere höhnische (herablassende) Bemerkung verkraftet ihr Mitarbeiter, ihre Mitarbeiterin schon, wird aber gleich nachdenklicher und vorsichtiger werden. Hier und da eine kleine Unterstellung, da eine Taktlosigkeit, dort etwas Uncharmantes, das zermürbt zuverlässig, und ein kleiner Untergriff, das hat noch keinem geschadet.
Wenn gar nix hilft: offene Drohungen, Ermahnungen, Abmahnungen, Faust auf den Tisch, Rute ins Fenster, wacheln sie mit Gehaltskürzungen, Rückstufungen oder Entlassung.
Sie glauben gar nicht, wie sehr Gesetzgebung und Organisationskultur auf ihrer Seite sind! Da profitieren Sie von zweihundert Jahren autoritativem Staats- und Gesellschaftsverständnis. Beamtete und angestellte Mitarbeiter haben wenig Möglichkeiten, sich gegen sie zu wehren. Selbst Eingriffe in verfassungsrechtliche und gesetzliche Rechte können durch formelle oder informelle Regelungen ausgehebelt werden. Sie können jemanden, der 'Beschwerde führt' einfach als Whistle-Blower anprangern, und schon sind sie aus dem Schneider. In der Judikatur werden sie selbst dann, fast ohne Ausnahme, auch dann gegen ihren unbotmäßigen Mitarbeiter (Mitarbeiterin) Recht behalten, wenn er eine objektiv festgestelltes Unrecht öffentlich gemacht hat.
Das tun man nicht. Das weiß auch der Gesetzgeber. Wo kämen wir denn da hin, wenn das jeder macht! Gesetze, Arbeitsrecht, Betriebsvereinbarungen etc. etc. schützen Sie und nicht den Mitarbeiter.
Sollten sie gar eine österreichische Institution leiten, na dann super! Da können sie mit einer mehrhundertjährigen Einübung in Subordination rechnen und mit jeder und allseitiger Sympathie, wenn sie sich nach dem Karl Krausschen Diktum verhalten 'Derwischn und Abkragln'. Patzen Sie jemanden an, und mit Sicherheit wird etwas kleben bleiben an ihm.
Sicher, es gibt den Betriebsrat, wenn sie denn einen haben (zugelassen haben), die Gewerkschaft oder andere Arbeitnehmervertretungen, Arbeitsgerichte, aber 'Kaltstellen' (was für ein schönes Wort) muß ja nicht immer den Weg über diese Instanzen nehmen. Verhängung von Redeverbot bei gleichzeitiger Ihrerseits geübter öffentlicher Mitteilungsfreudigkeit, Ausstreuen von Vermutungen, sunt qui dicant..., selektive Berichterstattung an Medien Ihrerseits z.B. ist ein wunderbares Mittel, um jemanden nachhaltig ins Out zu bugsieren.
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Unterbinden sie das Aufkommen eines Vertrauensverhältnisses, es sei denn, sie bauen eines zum Schein auf, seien sie illoyal, fordern und überfordern sie, stellen sie sich selbst als Opfer dar, dann können das ihre Mitarbeiter nicht mehr tun und einige werden sogar Mitleid mit ihnen haben und sie bauen einen Ruf als sich für Alles und Alle zerreissender Vorgesetzter auf. Gegenüber Dritten könne sie sich zum Beispiel als Opfer widriger Verhältnisse (Politiker, mangelnde Finanzierung, Spardiktat ua.) hinstellen oder widriger (unwilliger, dummer, unfähiger, renitenter) Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Wälzen sie Verantwortung auf Mitarbeiter ab, verweigern sie Anerkennung, schüren sie Eifersucht und Konkurrenz unter Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.
Machen sie sich klar (wieder off records gesagt), daß es ihnen nur um die Aufrechterhaltung eines Scheins geht, eine Status, eines vom (politischen) Auftraggeber auf Zeit verliehenen Status. Nicht um Kompetenz. Kompetenz ist unpraktisch, macht Arbeit und unnötige Sorgen.
Erzeugen sie Angst. Dieses wunderbarsten aller und ältesten Dialektik, der von Herrschaft und Knechtschaft, entspringende ungeahnte Mittel, die Ihnen allein in die Hand gedrückt werden. Dem, den Sie bedrohen und über den Sie macht haben bleibt nur eines: die macht - vergeblich - verstehen zu wollen (Richard Sennett).
Angst, von Ihren MitarbeiterInnen internalisiert, erspart ihnen, selbst und direkt aktiv zu werden. Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden sich selbst zum Instrument machen, das sie gegen sich selbst richten (sie müssen nicht Hegels Herr-und-Knecht-Dialektik verstanden haben um das zu praktizieren). Viele werden das gerne, ja freudig mitmachen, nur um sich mit der Institution und damit sich selbst nahtlos identifiziert fühlen. Das sind ihre Leute!
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Nützen sie die wunderbare strukturelle Eigenschaft einer Organisation, in der Experten für, nun sagen wir mal, die Krötenpopulation Südkataloniens oder für die Handzeichnungen in Sammlungen burgenländischer Adeliger des späten 17. Jahrhunderts, ein Museum leiten oder, als Kuratoren, lenken sollen - und auch felsenfest glauben, daß sie es können. Es geht ja nicht darum Leitungskompetenz zu haben, es geht darum den Schein davon zu erzeugen, für sich und andere.
Solche Leute, deren museologische und organisatorische Kompetenz entweder nicht vorhanden ist, oder aus zwei, drei Uni-Veranstaltungen stammt und die möglicherweise nie ein anderes Museum von innen gesehen haben, als das, an dem sie grade mehr oder minder zufällig arbeiten (damit sie halt einen Job haben), haben ja wunderbarerweise schon von Natur aus eine gewisse Begabung, dort wo sie über ihren Geschnitzte-Truhen-der-Spätrennaissance-in-Anatolien-Horizont hinaus denken und lenken sollen und oft auch so gerne wollen, in Organisation und Management Dinge zu tun, die einem normalerweise nie und nimmer einfallen würden.
Hüten sie dieses breite kreative Potential, auch was da an Selbstverkennung, Selbstverstümmelung und Selbstmißverstehen drin steckt. Museen neigen gewissermaßen in ihrer organisatorisch-konzeptionellen Natur zum Selbstmissverständnis, meßbar an der unausrottbaren Kernüberzeugung, daß es beim Museum um Sammeln von Dingen und daher überhaupt um Sachen geht.
Bieten sie also ihrer organisatorischen Laienkompetenz und der ihrer Mitarbeiter jede nur erdenkliche Entfaltungsmöglichkeit.
Denken sie auch daran, wie viele Facetten die formale und informelle Hierarchie in ihrer Institution bietet: Akademiker - Nichtakademiker, Männer - Frauen (Männer zweifeln nicht an sich, Frauen eher - was für ein Feld ihrer segensreichen Betätigung! Als Leiter sind sie natürlich ein Mann, der Mann ist immer Mann, as you may know), Kuratoren - Vermittler, Aufsicht, Wissenschaft - Verwaltung, Junge - Alte, Erfahrene - Unerfahrene. Welche Komplexe, welche Arroganz, welche Bedürfnisse nach Subordination, welche Suche nach Anerkennung, kurzum wie viel plastisches Material, knetbarer Stoff zur Verwirklichung ihrer großen Aufgabe ... wunderbar!
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Warum sollen nur immer die anderen etwas davon haben, von meinem Museum? Stellen sie sich diese sehr berechtigte Frage nicht bloß rhetorisch, schreiten sie zur Tat. Wozu haben sie denn Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Genau. Damit die mit ihnen arbeiten. Hilfe für den Steuerantrag - da wird sich doch eine Expertise im Huase finden lassen. Ihr Hund muß Gassigehen. (1) Ersuchen sie eine mitarbeiterin darum! Der Hund erkrankt trotz des Freigangs an frischer Luft. Ein Mitarbeiter bringt ihn zum Tierarzt! Es gilt etwas von A nach B zu transportieren, z.B. einen Grabstein aus Familienbsitz? Den Boten macht einer ihrer williger Mitarbeiter mit seinem Privatauto. Ihr Enkerl hat Geburtstag? Richten sie ihm eine Party in ihrem Museum aus und stellen sie eine Rechnung, auf den Namen ihres Ehegatten, aber das mit einer steuerschonenden Widmung. Ihre Kleider müssen in die Reinigung? Ein Mitarbeiter macht das. Sie brauchen ja die Zeit für ihre Zeit als Museumsleiter(in). Sie sind erholungsbedürftig? Verlegen sie ihren Wohnsitz samt ihrer Dienstzeit in eine mildere Gegend des Landes, residieren sie sommerlich und verrechnen sie die Mehrkosten für das Pendeln zwischen Residenz und Museum als Dienstreise dem Museum.
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Und, wie messen Sie Ihren Erfolg? Ist das, so werden sie vielleicht fragen, nicht schwierig, wo doch so viele Museen daliegen wie ein spiegelglatter, nie durch einen Windhauch gekräuselter See, in dem alles Leben auf Grund ungünstiger Sauerstoffzusammensetzung erstickt ist?
Nicht bange machen lassen, es ist einfacher als man denkt.
Wenn sie nur wohlwollendes Feedback in der Presse bekommen, freundliche Wortspenden in Besucherbüchern, Schulterklopfen von Politikern, egal was sie machen, ob viel oder wenig, heimische Krippenausstellungen oder bulgarische Avantgarde, dann, ja dann haben sie es geschafft. Sie haben ihr Museum zugrundegerichtet.
Zeit für eine Bewerbung!
Ich danke Freunden und Kollegen für Tipps und beigesteuerte Erfahrungen. Wer immer zu diesem Text etwas beitragen, kann sich gerne melden, einfach mal im 'Kommentar', ich stelle dann die Verbindung her.
(1) Ich gebu zu: dieser Abschnitt ist nicht so ganz von mir (anderes ist ja auch nicht erfunden, in dem Text), sondern inspiriert von der Presse-Berichterstattung die über die Vorwürfe an Agnes HUsslein gerichtet waren und sind als Direktorin des Belvedere gegen interne Regeln (Compliance) verstossen zu haben.
Wenn man Flugangst hat, oder Beziehungsprobleme, Rückenschmerzen, einen pubertierenden Sohn oder verwelkende Zimmerlinden, in allen diesen Fällen uns unlösbar erscheinender Probleme springen uns Verlage und Buchhandlungen mit Rat und Tat bei. Wo Gefahr ist, ist das Rettende auch, wusste schon der Dichter. Aus der Dichtersentenz sind inzwischen viele Regalmeter messende Lebenshilfe-Abteilungen in Buchläden geworden, die an Größe und Frequentiertheit die Klassikerabteilung übertreffen. Denn: wir haben Hilfe bitter nötig und wir können uns nicht mehr selber helfen.
Das gilt natürlich auch für Museen, wo uns Autorinnen und Autoren mit Handbüchern zum Texteverfassen, zum Vermitteln Alter Meister an Vorschulkinder, zum Programmieren von Audio-Guides, zum digitalen Inventarisieren zur Seite springen. Kein Praxisfeld, für das es nicht ein Buch gäbe, das weiß, wie es richtig gemacht wird.
Um so erstaunlicher ist es, daß es in einer so wichtigen Angelegenheit wie dem Zugrunderichten von Museen, eine derart schmerzliche Helfer-Lücke gibt. Kein Buch!, nicht mal ein Aufsatz, keine Tagungen und Workshops. Dabei werden täglich weltweit mehrere hundert Museen zugrundegerichtet, kleine und große, bekannte und unbekannte, brauchbare und ohnehin überflüssige. Das geschieht zwar langsam und geduldig, mit Zähigkeit und Tatkraft, aber diesen Bemühungen mangelt es, seien wir ehrlich, einer gewissen Strukturiertheit, Ökonomie, kurzum der spezifischen Professionalität.
So kann es kommen, daß man Museen, kaum daß man sie eröffnet hat, auch schon zugrundezurichten beginnt, aber es dann noch Jahrzehnte dauert, ja vielleicht Generationen, bis so eine Institution wirklich mausetot ist, und kein Lebenszeichen mehr von sich gibt. Jeder kennt solche Museen und jeden Tag werden es mehr.
Aber ist das notwendig, daß das so lange dauert? Daß ein Museum so lange zwischen Hängen und Würgen schwebt, unentschieden, unsicher, wohin es sich nun denn endlich entwickeln soll? Das Zugrunderichten mit dem Neugründen von Museen in Tempo und Effektivität Schritt halten zu lassen ist also ein Gebot der Stunde, aber es bedarf eben einer gewissen Gekonntheit, nicht nur eines destruktiven Eifers, eher des unbewußten Dilettantismus, der Ungeschultheit und Ahnungslosigkeit, kurzum: einer hoch entwickelten Leadership des professionellen Scheiterns.
Aus Mangel an Gelegenheit selbst kein wirklich geübter Museumszugrunderichter, habe ich mich dennoch, wegen des eklatanten Mangels an einschlägiger Hilfestellung entschlossen ein Buch zu unserem Thema zu verfassen, das seit langem in Arbeit ist, und mit dessen Verkauf ich meine erwartbar karge Pension, wenn es einmal so weit sein wird, aufzubessern hoffe. Bislang ist der Text ein Fragment, aber ich kann nicht mehr länger zusehen und zuwarten, wie immer wieder Museen unter Mühen und Plagen, Hängen und Würgen zugrundegerichtet werden, während ich an einem Text arbeite, der dabei doch, davon bin ich überzeugt, hilfreich sein, die Anstrengungen erleichtern und verkürzen, die Zahl der erfolgreich totgeschlagenen Institutionen merklich steigern könnte.
So habe ich mich entschlossen, einige vorläufige Grundsätze und Merksätze für diesen Blog zusammenzustellen, einige vorläufige und bruchstückhafte Anregungen, die zwar dem Lernwilligen noch nicht hinsichtlich von Anregungen, Tipps, Beobachtungen, Erfahrungen und Regeln aus dem Vollen zu schöpfen erlauben, die aber sowohl den Novizen im Zugrunderichtungsgewerbe sowie dem fortgeschritteneren Connaisseur einige erste und vorläufige Hand- und Feingriffe der hohen Kunst des Abwrackens bieten.
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Zum wirklich Wichtigsten gehört, zu verhindern, daß in ihrem Museum zielbezogen, sachlich und lösungsorientiert gearbeitet wird. Begnügen sie sich ruhig mit Parametern wie Öffnungszeiten, verkaufte Tickets, Einnahmen aus dem Shop, Erwerb von Museumsgütesigeln (das läßt sich unter Funktionären schon regeln) oder Frequenz der Pressemeldungen in der marktbeherrschenden Regionalzeitung. Vermitteln sie den Eindruck Sie und ihr Museum seien busy, auf welche Art und Weise, darauf kommt es nicht so an.
Es stört dabei gar nicht, wenn sie so etwas wie ein Mission Statement, eine Zielvereinbarung etc. haben oder ausarbeiten zu lassen, wenn wer in ihrem Museum glaubt, daß er es braucht. Sie können derlei auch ruhig veröffentlichen, zum Beispiel auf ihrer Webseite, aber dann bitte nicht gleich ganz oben, wo eher ein Vernissagefoto hingehört, wo sie grade dem Bürgermeister die Hand drücken, oder ein Prachtfoto von einem ihrer glanzvollen Objekte, sondern ein bisserl versteckt.
Im Museum platzieren sie, wenn es denn sein muß, so eine Absichtserklärung ungefähr so wie ihre Besucherordnung: kaum lesbare Schriftgröße, in einer dunklen, unerwarteten Ecke, möglichst hoch.
Auch in Ablagen in Verwaltungsabteilungen und Abteilungssekretariaten machen sich solche Dokumente recht hübsch.
Wenn sich überhaupt je die Notwendigkeit der Ausarbeitung eines Leitbildes ergeben sollte, dann hat es sich bewährt, das mit mehr oder minder zufällig bereitwilligen Mitarbeitern zu machen, die gerne mal Abwechslung in ihrem Alltagstrott wollen. Dieses Aussiebungsprinzip garantiert, daß die Arbeitsgruppe weder repräsentativ noch kompetent ist, während eine gewisse Chance besteht, daß dort Eitelkeit, Besserwisserei und Pseudokompetenz kumulieren. Ideal! Man kann über Wochen und Monate ein Teil der Belegschaft mit einer ungewohnten, Abwechslung bietenden Beschäftigung erfreuen. Was Gedrucktes hat hinterher jeder gerne in der Hand und es kommt wirklich nicht drauf an, was rausgekommen ist. Denn wenn das zentrale Ziel Vermeiden von zielbezogener Arbeit ist, dann darf dabei unter keinen Umständen etwas, und sei es ein Mission Statement, stören.
Es wird Ihnen übrigens leicht fallen, trotz eines solchen Papiers dies zu vermeiden, den MitarbeiterInnen einer Institution neigen notorisch dazu, ihre individuellen, persönlichen und oft sehr engen fachlichen Nahziele zu sehen und mit Sicherheit nicht das Ganze der Organisation.
Sie selber müssen aber auch aufpassen! Es sei ihnen unbenommen, sich selbst ein Ziel zu setzen. Etwas wie (was sehr beliebt ist) eine Pressekonferenz mit dem Kulturminister (je nach Museumsgröße und -standort sinnhaft zu ergänzen durch: Bildungslandesrat, Gemeinderat, Vorsitzenden des Verbandes der Bilderrahmenerzeuger, Gymnasiallehrer für Bildnerische Erziehung, Türkisch und Leibesübung), eine Vertragsverlängerung, die Berufung in ein Museum einer größeren Stadt oder eine wohlwollende Nennung Ihres Namens im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Das, was Sie sich als Ziel gesetzt haben, geht aber niemanden etwas an (außer vielleicht Ihre Pressereferentin), das ist ihre Privatsache.
Anders gesagt: Vermeiden sie es, ganz im Sinne der eingangs als besonders wichtig hervorgehobenen Grundregel, sich so etwas wie ein Bild der Institution zu machen, in der sie arbeiten. So etwas ist anstrengend und führt zu nichts. Vermeiden sie, sich mit ihrer Geschichte zu beschäftigen oder gar zu identifizierten, vermeiden sie es aber auch sich und ihr Museum im aktuellen gesellschaftlichen und kulturpolitischen Umfeld zu positionieren, außer zu Konkurrenzzwecken - ja, da heißt es schon mal aufzupassen bzw. sich ins Zeug zu legen, um nicht den Anschluß zum Beispiel in der medialen Präsenz zu verpassen. Das geht schnell, und schon ist man vergessen, irgendwo ganz hinten in der Schlange der VIPS eingereiht. Sie leiten einen Betrieb, das genügt. Sorgen sie für politisches Wohlwollen, ihnen gewogene Medienberichte und alles wird gut werden.
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Analoge Regeln gelten für alle, vor allem die alltäglichen Arbeitsvorhaben. Bloß keine Zielvorgaben, kein Zeitlimits, keine klare Aufträge, keine klare Übertragung von Kompetenz und Verantwortung! Sehr wirkungsvoll ist es, wenn sie es in der Schwebe lassen, worin genau der Auftrag besteht, was Sie sich davon für sich und das Museum erwarten, wer Projektleiter und -verantwortlicher ist. Sehr schön, wenn sie gleich zwei oder drei Leuten das Gefühl vermitteln, die hätten das Sagen, oder gar, wenn es überlappende Projektteams ohne Kommunikation untereinander und Wissen voneinander gibt. Die höchste aller Künste, nur in größeren Museen machbar, ist, daß Leute am Gleichen oder Ähnlichen arbeiten, ohne voneinander zu wissen.
Sicher haben sie schon gehört, das Machtmittel eines Leiters (ich spreche hier nur von Männern, weil vor allem Männer in Leitungspositionen das Potential zur umfassenden Museumsvernichtung haben) schlechthin ist die Kontrolle der Kommunikation. Völliger Entzug z.B. macht sich immer gut, es geht aber auch mit weniger, mit Steuerung, Lenkung, vor allem: Auswahl, Redaktion der Mitteilungen. Horchen Sie in die Institution hinein, stellen sie scheinbare Vertrauensverhältnisse her, seien Sie jovial, geben Sie MitarbeiterInnen das Gefühl, daß gerade Sie bevorzugt werden, ihr Ohr haben. Aber nie umgekehrt - geben Sie nichts in die Institution hinein an Information, was nicht unbedingt nötig ist.
Es geht aber auch mit Fragmentierung, mit Verteilung von Häppchen, und, noch schöner, mit der Verteilung von unterschiedlichen Infos an unterschiedliche Mitarbeiter oder Gruppen. Um Indiskretion, um Hörensagen, um Scheinvertrauen.
Unter dem Diktat von Zeitnot (siehe Punkt 5) und unter der Prämisse allgemeiner organisatorischer Unübersichtlichkeit (siehe Punkt 3) ist die Diversifizierung der Information Gold wert.
Wozu gerade an diesem und jenem gearbeitet wird, mit diesen und anderen Mitteln - wer will wissen? Das geht nur sie was an.
Die Variabilität solcher kommunikativen Konstellationen geht gegen unendlich, vor allem wenn sie das mal auf der Basis der Option hochrechnen, daß sie ja projektbezogenes Arbeiten mit institutioneller Routine in verschiedenen Mischungsverhältnissen verknoten können, bis alles undurchdringlich gordisch geworden ist.
Hier gibt es ein weites Feld, in der sie Ihre Kreativität erproben können. Schaffen sie viele Gefäße, in denen etwas bewerkstelligt, in denen etwas beraten, entwickelt werden soll, z.T. mit ein- und denselben Mitarbeitern, geben sie an jedes dieser Gefäße andere Parolen aus, andere Prioritäten, justieren sie am Tempo, wechseln sie Leute aus, ohne Begründung, setzten sie Leute gegen deren formale Qualifikation ein, rütteln sie an Hierarchien, schaffen oder fördern sie Rollenunklarheiten, und ignorieren sie diesbezügliche Hilferufe oder Zwischenrufe. Sie werden sehen, wie schnell jetzt der Zerfall Ihrer Arbeitsteams voranschreitet, die Demotivation zunimmt und die Erosion Ihres Museums voranschreitet.
Heldenhaft ist es (dazu muß man echt taff sein), wenn sie es schaffen, nicht nur Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf divergierende Ziele, Projekte und Rollen sozusagen aufzuspalten, sondern sich selbst zu spalten. Der Einfachheit halber nehmen wir hier mal an, nur in zwei Identitäten, also in ,ich‘ und ,ich‘. Verfolgen sie also zwei möglichst konträre, möglichst einander ausschließende Ziele, deren gleichzeitige Verfolgung auf Kollisionskurs führt. Forcieren sie mal die eine, dann die andre Idee, bis sich die Spaltung auf das Team überträgt. Und dann warten sie mal ab, was dann alles passieren kann. Aber hallo! Ein kleines Praxisbeispiel, damit Sie sich was drunter vorstellen können um dann selber kreativ zu werden: starten Sie ein ambitioniertes Projekt aber torpedieren Sie dessen Finanzierung oder Administration. Wunderbar! Ich denke, Sie haben verstanden.
Der sozusagen sechste Gürtel der Museumszerstörungsweisheit ist, wenn sie selbst gar nicht wissen, daß sie zwei (oder mehr) Ziele verfolgen, aber de facto danach handeln. Und der Nobelpreis für Museo-Destruktion gebührt ihnen, wenn sie nicht nur glauben sondern auch gegenüber Mitarbeitern und Stakeholdern kommunizieren, daß sie ihre Arbeit sehr reflektiert betreiben.
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Machen Sie es sich selbst in allen Projekten, Vorhaben, Ausstellungen, Produktionen etc. zur Regel, ohne Tagesordnungen, ohne Protokolle, ohne Moderation, ohne klare Diskussionsleitung zu arbeiten. Jede Festlegung schadet der Flexibilität und Dynamik. Lästige Rückgriffe auf früher Gedachtes, Geäußertes - was bei Verwendung von schriftlichen Protokollen sehr unangenehm werden kann -, entfällt. Unterbinden sie jeden Versuch, noch während der Laufzeit eines Projekts den Gang der Dinge zu bewerten oder bewerten zu lassen, also zu überprüfen, ob ein Ziel erreicht werden wird oder eher nicht. Wenn Sie die Regel Nummer 1 befolgt haben, kann das ohnehin nicht passieren, denn dann gibt es ja kein Ziel, das verfehlt werden könnte. Unnötige Klarheit hält den Zerfallsprozess der Organisation nur auf. Und wer will denn sowas wissen, wozu er etwas macht? Nachzudenken über dieses wozu, führt nur zum riskanten Nachdenken über das was man tut und womöglich in der Folge sogar dazu zum Nachdenken was und wer man in diesem und jenem Beruf eigentlich ist. Was Unpraktischeres gibt es nicht. Die Leute sind zufrieden, wenn sie beschäftigt sind und wenn sie beschäftigt werden, also.
Das, nun sagen wir mal, liberale Handling des Museumsalltags hat seine Vorteile. Unter uns gesagt und off records: damit sind Sie auch bezüglich ihrer Verantwortung aus dem Schneider, wenn was schiefgeht, Sie wissen schon, die Mitarbeiter waren schuld, haben was nicht begriffen, nicht richtig zugehört, sind eh unfähig, inkompetent oder unwillig.
Außerdem sind Sitzungen, Beratungen, Gespräche sehr unterhaltsam und bunt, die weder vorbereitet noch geleitet werden; wenn niemand so recht weiß, warum er zwischen 9:30 und 11 Uhr mit anderen im Raum C sitzt (schlechte Luft, unbequeme Stühle, nur Mineralwasser am Tisch), führt das fast unfehlbar zu einer launigen Gruppendynamik. Mitarbeiter, die von der Tagesordnung überrascht werden, wie von einem unverdienten Geschenk, dem Krampus oder einem Einschleichdieb werden ihnen nicht nur dankbar für das unterhaltsame Beratungs-Design sein, es löst bei denen nachweislich auch erhöhte Adrenalinausschüttung und daher auch destruktive Kreativität, etwa in der Einübung des Aneinander-Vorbeiredens, aus.
Wenn sie über die Gabe des lauernden Minutenschlafs verfügen, wie der Minister in Franz Werfels Novelle Eine blassblaue Frauenschrift, gönnen sie sich ruhig in Sitzungen mal ein Nickerchen. Einerseits ist das erholsam, andrerseits signalisieren Sie damit, daß nicht immer alles ganz wichtig ist.
Sie können aber die ganz gegenteilige Haltung einnehmen (wiederum wie der erwähnte Minister, der von sich sagt, er sei expeditiv) und durch Hyperaktivität und Multitasking verblüffen. Lesen Sie z.B., während ihre Kollegen und Mitarbeiter brüten, denken und beraten, in einem eben Ihnen zugestellten Katalog, in dem Sie ein Vorwort von einer dreiviertel Seite (zweieinhalbzeilig) verfasst haben oder erledigen Sie e-mails oder telefonieren Sie mit dem Handy, schreiben Sie ein SMS - und wenn sie davon mehreres gleichzeitig beherrschen - na umso besser!
Sollte ein Gespräch unangenehm strukturiert verlaufen und plötzlich sich gar die überraschende Lösung eines bestimmtem Problems abzeichnen, dann ist es hilfreich, den ein oder anderen Knallfrosch zu werfen: wechseln Sie abrupt das Thema, präsentieren Sie eine verblüffende aber zusammenhanglose Idee, kanzeln Sie einen Teilnehmer brüsk ab oder stellen Sie einfach die Finanzierbarkeit dessen, was gerade zu glücken droht, ohne Federlesen in Frage.
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Das Personal! Die Mitarbeiter! - Also je größer ein Museum ist, desto eher benötigen Sie bei Ihrer segensreichen Tätigkeit der Museumsabwicklung die Unterstützung von Mitarbeitern. Lassen Sie sich aber deswegen keine grauen Haare wachsen, daran scheitert es bestimmt nicht. Denn die meisten Mitarbeiter bringen in ihren Beruf und Betrieb schon eine Art von natürlicher, durch Ausbildung nicht verbildeter Begabung mit, von ihrem Arbeitsplatz aus, Ihnen die nötige Unterstützung zu geben.
Natürlich ist es nicht ganz egal, wen und wie Sie sich Ihre MitarbeiterInnen aussuchen. Bei der Auswahl ihres Personals verlassen Sie sich getrost auf ihr Bauchgefühl. Schön, ein paar Bewerbungs-Unterlagen, das muß schon sein, die können sie ja höflich entgegennehmen und sich das Foto anschauen. Mehr nicht. Verfahren, Kriterien, Anforderungen, Aufgaben, sowas braucht es nicht beim Rekrutieren, was für ein Aufwand nur wegen eines Mitarbeiters, ich bitte sie! Wenn der erst mal eingestellt ist - das wird dann schon.
Bevorzugen Sie Bewerber, die unsicher auftreten oder ihr Selbstbewußtsein zu ostentativ ausführen, meiden Sie die ganz Servilen, da lauert auch Heimtücke, aber eifrige Nach-dem-Mund-Reder, das kann vielversprechend sein. Personen mit diesen Eigenschaften sind formbar, gängelbar, leicht weiter zu verunsichern oder einzuschüchtern. Ein guter Mitarbeiter ist ein plastischer Mitarbeiter, einer, den sie wie Plastilin kneten und biegen können, je nach Bedarf und je nach Situation.
Versuchen sie herauszufinden, ob sie im Bewerbungsgespräch jemand gegenübersitzen, der willig, anpassungsfähig und gutmütig ist und der seinen Job macht. Und ein guter Zuhörer ist - wenn sie sprechen.
Zu ehrgeizig sollte er nicht sein, das ist immer verdächtig. Solche Leute kommen auf Ideen und das ist das letzte was es braucht. Ideen machen nur unglücklich, verwirren, bringen vom gradlinigen Weg ab, machen Unkosten.
Nützlich ist auch, wenn MitarbeiterInnen generell über nicht zuviel Berufserfahrung verfügen. Also alle möglichst jung sind. Das garantiert (Danke J.B:!) a) die Unterwürfigkeit, die Sie brauchen, um sich frei enfalten zu können, b) gute Stimmung bei Betriebsfesten und c) die Chance, dass sich Betriebsabläufe einstellen, die sie über Jahrzehnte aufrecht erhalten können, auch dann noch wenn sie keinen Sinn mehr machen oder die inzwischen veränderten Bedürfnisse des Publikums ignorieren. Nur so können sie eine evtl. geforderte Neuausrichtung ihres Museums bis zur Rente blockieren und verhindern, dass die Neuorientierung von Feuilletonisten und Politikern als Eingeständnis ihrer Unvollkommenheit interpretiert wird.
Berufen Sie Personen mit bestimmten Kompetenzen für bestimmte Aufgaben, aber setzen sie die dann an ganz andere Stelle. So etwas bildet langfristig eine Art von zu ihren Bemühungen koexistierender parasitärer Destruktivität. Jeder solch ein Mitarbeiter (MitarbeiterIn) wird glauben gegen Sie zu arbeiten, wenn er sich mit Subversivität rächt, und er wird vielleicht nie ahnen, wie sehr er Sie unterstützt, ihrem Ziel, dem Ende des Museums, nahezukommen.
Sollte man ihnen politisch jemanden rekommandieren, greifen sie zu! Der Betreffende ist sicher hochqualifiziert, wie sonst würde sich jemand aus der Politik für ihn interessieren, und sie können diese Bestellung auch gleich zu einem netten Deal mit dem Gönner Ihres Neulings nutzen.
So werden sie langsam ein buntes Biotop von aus verschiedenen politischen Lagern zu einem kleinen Zoo von Paradiesvögeln zusammenstellen können, dessen Aufgabe es weniger die ist, etwa Arbeit zu leisten, denn die als Verschiebemassen im Dealen mit der Politik und den Financiers nützlich zu sein. Es bieten sich immer wieder auch interessante Tauschgeschäfte an, ähnlich wie beim Schach, es muß ja nicht immer gleich Bauer gegen König oder sowas sein.
Betrachten sie Personalentwicklung als Einsparungspotential. Setzen Sie also junge, minderqualifizierte Leute in höherrangige Positionen, das wirkt sich im Budget aus. Und investieren Sie nicht in Personalentwicklung. Die ist teuer. Die Leute entwickeln sich ja ohnehin ganz von selbst, so oder so, wozu ,Entwicklung‘. Hatten sie ja auch nie, hatten wir früher ja auch nicht.
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Planung? Pläne? Konzepte? Wofür? Für die Entwicklung des Museums? des ganzen? Um Himmels Willen! Bloß keine Pläne, bloß nicht an die Zukunft denken. Vor allem keine Finanzplanung, keine materielle Vorsorge bitte, kommts Haserl, kommts Graserl, lautet eine schöne und bewährte innerösterreichische Bauernregel. Museen gehen schon nicht unter, wer traut sich, ein Museum zu schließen, a bisserl was geht immer (zweite Bauernregel). Pläne sind etwas, was nur dazu gut ist, sich und anderen schlechtes Gewissen zu machen, wenn man mal abweicht von ihnen, Vorgaben verfehlt.
Finanzplanung also nein. Buchhaltung? Ja, soweits halt sein muß, halt schauen, daß es sich immer irgendwie ausgeht - und für den Auftraggeber, die Krankenkassa und den bösen Rechnungshof. Und das Ausrechnen von ein paar Kennzahlen, Benchmarking, von denen sie die, die den Anschein irgendeines Erfolges verheißen, auch veröffentlichen können, das macht ihnen die Buchhaltung immer gerne, überhaupt im Zeitalter von Excel. Das gibt bunte Tortendiagramme für die Aufrechnung von Sammlungsobjekten gegen, na sagen wir mal, Schülerbesuchen. Das freut den Aufsichtsrat, das versteht er und davon versteht er was.
Vorsorge für künftige Projekte, Reservierung von Mitteln, rechtzeitiges Akquirieren von Finanzierungen. Ist zwar schön, macht aber wiederum viel Arbeit. Und legt fest. Womöglich müssen sie dann ein geplantes Projekt auch wirklich machen. Und womöglich zum geplanten Zeitpunkt! Also bitte eher umgekehrt: ein Projekt anbahnen, schauen ob man es überhaupt bezahlen kann, redimensionieren, absagen. Das sind die sozusagen granitenen Bausteine einer gekonnten Museumsvernichtungsstrategie.
Und bitte, bitte, keine Zeitplanung, die Leute werden ja irre, wenn sie nur nach Kalender und Uhr arbeiten sollen. Es ist sich doch bisher auch immer alles ausgegangen, oder?
Nein, richtig geht das so: Zeitdruck schaffen, immer um ein, zwei, fünf Alzerl mehr, als eigentlich geht, das bringt ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf Trab. Faustregel: Mindestens ein Projekt pro Jahr zuviel machen. Wenn mal ein Projekt, zum Beispiel eine Sonderausstellung rechtzeitig fertig sein sollte, dann ist Feuer am Dach. Sowas sollte nicht passieren. Die Ausstellung eines gut und sorgfältig in Abwicklung stehenden Museums wird erst etwa im letzten Drittel ihrer Laufzeit wirklich fertig - oder man gibt es auf, weil eh niemandem auffällt, daß es keine Betextung gibt, kein Leitsystem, kein Handout, keine Führungstexte.
Sieht nach außen gut aus, wenn sie einen Haufen Vorträge, Projekte, Ausstellungen, Hausmusik, Podiumsdiskussionen, Künstlergespräche, Seniorenrunden, Kindergeburtstage, Kuratorenführungen usw. vorweisen können. Und jeder Event gibt ein paar Fotos von ihnen in den Medien oder im Jahresbericht.
Verhindern Sie, daß es währen der immer dichter werden Arbeit zur reflexionsfördernden Entschleunigung kommt oder gar zur Bewertung von Zwischenergebnissen, das macht nur Flausen im Kopf und unpraktische Skrupel. Der Merksatz für sie und ihre Mitarbeiter lautet dann: Dazu haben wir keine Zeit!
Denn je größer der Druck, je größer der Speed, desto weniger wird an ein Ziel gedacht (siehe Punkt 1), desto eher wird pragmatisch geackert, an was und wie auch immer, bis alle halbtot umfallen. Das macht Laune - viel Mitarbeiter sehen in Überarbeitung den Sinn ihrer beruflichen Existenz, den gesuchtesten Krankheitsgewinn überhaupt -, und gibt allen das Gefühl, etwas geschafft zu haben und geschafft zu sein.
Kontrolle, Disziplinierung kann ja gut und schön sein, aber die Zeiten des offenen Kujonierens und Schurigelns scheinen vorerst (leider) vorbei zu sein. Königsdisziplin ist, ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen das Gefühl zu vermitteln, daß sie für Geld und Zeit und nicht für Aufgaben und Ziele arbeiten. Kümmern sie sich also nicht darum, was die machen, sondern daß sie es machen. Regeln sie also Arbeitszeiten, statt Arbeitsziele zu vereinbaren.
Wie hieß das Wort für das, was dabei rauskommt, gleich noch mal? Ah ja: Bingo! Bingoorganisationen bauen auf dem Zufallsprinzip auf und ermöglichen es, sich an etwas zu freuen, was gegen jede Wahrscheinlichkeit doch stattfindet, zwar so, wie es keiner wollte, aber doch mit Vernissage, Artikel in der Tageszeitung auf Seite fünf und eine Eröffnungsrede eröffnet werden kann.
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Museen haben lästigerweise ein Publikum? Schön, daß sie daran denken, gut daß Sie fragen. Ja, so was gibts wirklich. Das sind die, die sie zählen und zahlen lassen müssen.
Apropos: Wenn sie beim Zählen ihrer Kunden noch nicht so versiert sind, dazu gibts Treffen unter Kollegen, die haben da möglicherweise schon mehr drauf und verraten ihnen gern ein paar von ihren Kniffen wie man zu stattlichen Zahlen kommt. Zählen sie z.B. Besucher, die ihre Dauer- und Sonderausstellungen besuchen gesondert, also zweimal, wenn sie mehrere parallele Ausstellungen haben gerne auch mehrfach. Rechnen sie alles hinzu, was nur irgendwie nach Kundschaft aussieht, z:B. Käufer in ihrem Museumsshop, Leute, die nach dem Weg fragen oder nach der Adresse eines guten Restaurants, und klarerweise alle, die zu einer Modenschau, einer Kinderjause oder einer VIP-Führung kommen - da merken Sie dann, wie sehr sich die neumodische 'Dienstleistungsorientierung' lohnt. Außerdem generieren sie da gleich eine Art ideologischem Surplus. Wenn sie das nämlich als kundenorientiert ausgeben oder gleich als partizipativ, was sich derzeit ganz toll macht und in aller Munde ist, könnte es Ihnen gelingen sogar als fortschrittlich zu gelten.
Sonst noch was? Na vielleicht eine kleine pädagogische Abteilung für die Kinder und die Schulen. Machen auch was her die Kleinen, in der Statistik. Basteln, Kleben, Malen, Verkleiden, Feiern, Essen, Übernachten (im Museum), Weihnachten, Krampus und Ostern, Schulferien usw., und das immer in Klassendimension, das summiert sich zu einem hübschen Prozentsatz Ihres Besucherumsatzes!
Legen sie ein Besucherbuch auf. Besucher, die reinschreiben Es war sehr schön hier, ich hätte aber gerne ein Eis gehabt, freuen sich, wenn sie im Besucherbuch lesen Ich war mit Marta hier oder Die Ausstellungen sind ganz toll.
Ansonsten: Begehen sie nicht den Irrtum, ihre berufliche Existenz irgendwie mit dem Publikum in Verbindung zu bringen. Sie sind von einem Minister (Kulturlandesrat etc.) bestellt. Dem sind sie verpflichtet, nicht der Öffentlichkeit. Was sie ,falsch‘ oder ,richtig‘ machen, das machen sie ihm gegenüber ,falsch‘ oder ,richtig‘. Sie dürfen dabei mit einer eigentümlichen Beschaffenheit Ihres Publikums rechen (eine des Museumspublikums generell): es ist unfassbar duldsam und langmütig. Oder haben Sie schon mal von einem Publikum gehört, das übel nimmt? Das wie während einer Theateraufführung zu pfeifen beginnt oder sich über einen Film in Leserbriefen an Zeitungen aufregt? Eben. Dasselbe gilt für die Medien. Kritik ist da unbekannt, es sei denn, Sie haben sich irgendeinen persönlichen Feind in irgendeiner Redaktion geschaffen. Aber selbst wenn der wollte, er kann es nicht, das Genre Museumskritik wird ihm unbekannt sein, das kennt er nicht und das kann er auch gar nicht kennen. FC Bayern, ein Finanzminister oder die Lehrergewerkschaft, ja die müssen jederzeit damit rechnen, daß irgendwer wo auf einem Sofa sitzt und übel nimmt . Aber das Museum? Das ist wie von einem Naturgesetz davor geschützt.
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Leider leider gibt es immer wieder Mitarbeiter, die ehrgeizig sind, die etwas wollen, die eigene Ideen, die sie womöglich auch noch verwirklichen wollen, haben.
Nun gut. Hören sie höflich zu, zeigen sie Interesse, lassen sie moderat anerkennende Worte fallen, aber sorgen sie um Himmels willen umgehend dafür, daß so etwas nicht um sich greift. Ins Leere laufen lassen, wenns nicht anders geht, oder etwa durch rhetorisch-symbolische Umarmung einhegen, aber bloß nicht zulassen, daß damit ihr Alltag behelligt wird.
Idealisten - das sind im Museumsbiotop Ihre natürlichen Feinde. Organisationen wie ein Museum bauen auf der sehr unterschiedlichen schmalen fachlichen Kompetenz der Mitarbeiter auf, da kommt kaum jemand auf die Idee, verstehen zu wollen, wissen zu wollen, was das Ganze soll. Aber da gibt es dann den einen, der das versucht und womöglich auch kann! Sowas kann gefährlich werden und vergessen sie daher nie, wenn es Ihnen schon passiert sein sollte, sich einen solchen Mitarbeiter zugezogen zu haben, sich vor denen zu hüten, die unerwartet an das Ganze der Institution verantwortlich denken. Die sind, ich wiederhole mich, brandgefährlich. Für sie, für andere Mitarbeiter, für ihre Idee vom Museum als Dienstleistungsbetrieb und Firma.
Mitarbeiter zermürben, auch solche, ist gar nicht so schwierig, mit ein bisserl Übung geht das schon (sie können ja den Betriebsrat ein Burn-Out-Konzept erarbeiten lassen), beim einen dauert es Jahre, beim anderen nur wenige Monate. Ehrgeizlinge und Idealisten können Sie entmutigen, indem Sie ihnen einschlägige Aufträge erteilen, aber hintenrum unterminieren und torpedieren. Das kostet Sie weder Zeit noch Kraft, tun Sie einfach nix, lassen Sie den Halbirren einfach am langen Arm verhungern.
Hartnäckigem Ehrgeiz, höchst gefährlichem Idealismus (das Schlimmste!), begegnen sie mit Uneindeutigkeit, Unklarheit, Entscheidungsunlust, Schwammigkeit, Verschiebung auf die längste Bank, die sie in ihrem Museum auftreiben können. Geben sie so jemand Aufträge, die nichts tangieren, nichts verändern, die sie nicht unterstützen, setzen sie ihm Leute mit hohem Kontraproduktionspotential rein. Verlangen sie Gedrucktes im Wochentakt und geben sie das ihrer Sekretärin, die weiß dann schon, wohin sie damit soll.
Wenn das allein nichts hilft, werden sie ein bisserl übergriffig, die ein oder andere höhnische (herablassende) Bemerkung verkraftet ihr Mitarbeiter, ihre Mitarbeiterin schon, wird aber gleich nachdenklicher und vorsichtiger werden. Hier und da eine kleine Unterstellung, da eine Taktlosigkeit, dort etwas Uncharmantes, das zermürbt zuverlässig, und ein kleiner Untergriff, das hat noch keinem geschadet.
Wenn gar nix hilft: offene Drohungen, Ermahnungen, Abmahnungen, Faust auf den Tisch, Rute ins Fenster, wacheln sie mit Gehaltskürzungen, Rückstufungen oder Entlassung.
Sie glauben gar nicht, wie sehr Gesetzgebung und Organisationskultur auf ihrer Seite sind! Da profitieren Sie von zweihundert Jahren autoritativem Staats- und Gesellschaftsverständnis. Beamtete und angestellte Mitarbeiter haben wenig Möglichkeiten, sich gegen sie zu wehren. Selbst Eingriffe in verfassungsrechtliche und gesetzliche Rechte können durch formelle oder informelle Regelungen ausgehebelt werden. Sie können jemanden, der 'Beschwerde führt' einfach als Whistle-Blower anprangern, und schon sind sie aus dem Schneider. In der Judikatur werden sie selbst dann, fast ohne Ausnahme, auch dann gegen ihren unbotmäßigen Mitarbeiter (Mitarbeiterin) Recht behalten, wenn er eine objektiv festgestelltes Unrecht öffentlich gemacht hat.
Das tun man nicht. Das weiß auch der Gesetzgeber. Wo kämen wir denn da hin, wenn das jeder macht! Gesetze, Arbeitsrecht, Betriebsvereinbarungen etc. etc. schützen Sie und nicht den Mitarbeiter.
Sollten sie gar eine österreichische Institution leiten, na dann super! Da können sie mit einer mehrhundertjährigen Einübung in Subordination rechnen und mit jeder und allseitiger Sympathie, wenn sie sich nach dem Karl Krausschen Diktum verhalten 'Derwischn und Abkragln'. Patzen Sie jemanden an, und mit Sicherheit wird etwas kleben bleiben an ihm.
Sicher, es gibt den Betriebsrat, wenn sie denn einen haben (zugelassen haben), die Gewerkschaft oder andere Arbeitnehmervertretungen, Arbeitsgerichte, aber 'Kaltstellen' (was für ein schönes Wort) muß ja nicht immer den Weg über diese Instanzen nehmen. Verhängung von Redeverbot bei gleichzeitiger Ihrerseits geübter öffentlicher Mitteilungsfreudigkeit, Ausstreuen von Vermutungen, sunt qui dicant..., selektive Berichterstattung an Medien Ihrerseits z.B. ist ein wunderbares Mittel, um jemanden nachhaltig ins Out zu bugsieren.
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Unterbinden sie das Aufkommen eines Vertrauensverhältnisses, es sei denn, sie bauen eines zum Schein auf, seien sie illoyal, fordern und überfordern sie, stellen sie sich selbst als Opfer dar, dann können das ihre Mitarbeiter nicht mehr tun und einige werden sogar Mitleid mit ihnen haben und sie bauen einen Ruf als sich für Alles und Alle zerreissender Vorgesetzter auf. Gegenüber Dritten könne sie sich zum Beispiel als Opfer widriger Verhältnisse (Politiker, mangelnde Finanzierung, Spardiktat ua.) hinstellen oder widriger (unwilliger, dummer, unfähiger, renitenter) Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Wälzen sie Verantwortung auf Mitarbeiter ab, verweigern sie Anerkennung, schüren sie Eifersucht und Konkurrenz unter Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.
Machen sie sich klar (wieder off records gesagt), daß es ihnen nur um die Aufrechterhaltung eines Scheins geht, eine Status, eines vom (politischen) Auftraggeber auf Zeit verliehenen Status. Nicht um Kompetenz. Kompetenz ist unpraktisch, macht Arbeit und unnötige Sorgen.
Erzeugen sie Angst. Dieses wunderbarsten aller und ältesten Dialektik, der von Herrschaft und Knechtschaft, entspringende ungeahnte Mittel, die Ihnen allein in die Hand gedrückt werden. Dem, den Sie bedrohen und über den Sie macht haben bleibt nur eines: die macht - vergeblich - verstehen zu wollen (Richard Sennett).
Angst, von Ihren MitarbeiterInnen internalisiert, erspart ihnen, selbst und direkt aktiv zu werden. Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden sich selbst zum Instrument machen, das sie gegen sich selbst richten (sie müssen nicht Hegels Herr-und-Knecht-Dialektik verstanden haben um das zu praktizieren). Viele werden das gerne, ja freudig mitmachen, nur um sich mit der Institution und damit sich selbst nahtlos identifiziert fühlen. Das sind ihre Leute!
9
Nützen sie die wunderbare strukturelle Eigenschaft einer Organisation, in der Experten für, nun sagen wir mal, die Krötenpopulation Südkataloniens oder für die Handzeichnungen in Sammlungen burgenländischer Adeliger des späten 17. Jahrhunderts, ein Museum leiten oder, als Kuratoren, lenken sollen - und auch felsenfest glauben, daß sie es können. Es geht ja nicht darum Leitungskompetenz zu haben, es geht darum den Schein davon zu erzeugen, für sich und andere.
Solche Leute, deren museologische und organisatorische Kompetenz entweder nicht vorhanden ist, oder aus zwei, drei Uni-Veranstaltungen stammt und die möglicherweise nie ein anderes Museum von innen gesehen haben, als das, an dem sie grade mehr oder minder zufällig arbeiten (damit sie halt einen Job haben), haben ja wunderbarerweise schon von Natur aus eine gewisse Begabung, dort wo sie über ihren Geschnitzte-Truhen-der-Spätrennaissance-in-Anatolien-Horizont hinaus denken und lenken sollen und oft auch so gerne wollen, in Organisation und Management Dinge zu tun, die einem normalerweise nie und nimmer einfallen würden.
Hüten sie dieses breite kreative Potential, auch was da an Selbstverkennung, Selbstverstümmelung und Selbstmißverstehen drin steckt. Museen neigen gewissermaßen in ihrer organisatorisch-konzeptionellen Natur zum Selbstmissverständnis, meßbar an der unausrottbaren Kernüberzeugung, daß es beim Museum um Sammeln von Dingen und daher überhaupt um Sachen geht.
Bieten sie also ihrer organisatorischen Laienkompetenz und der ihrer Mitarbeiter jede nur erdenkliche Entfaltungsmöglichkeit.
Denken sie auch daran, wie viele Facetten die formale und informelle Hierarchie in ihrer Institution bietet: Akademiker - Nichtakademiker, Männer - Frauen (Männer zweifeln nicht an sich, Frauen eher - was für ein Feld ihrer segensreichen Betätigung! Als Leiter sind sie natürlich ein Mann, der Mann ist immer Mann, as you may know), Kuratoren - Vermittler, Aufsicht, Wissenschaft - Verwaltung, Junge - Alte, Erfahrene - Unerfahrene. Welche Komplexe, welche Arroganz, welche Bedürfnisse nach Subordination, welche Suche nach Anerkennung, kurzum wie viel plastisches Material, knetbarer Stoff zur Verwirklichung ihrer großen Aufgabe ... wunderbar!
10
Warum sollen nur immer die anderen etwas davon haben, von meinem Museum? Stellen sie sich diese sehr berechtigte Frage nicht bloß rhetorisch, schreiten sie zur Tat. Wozu haben sie denn Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Genau. Damit die mit ihnen arbeiten. Hilfe für den Steuerantrag - da wird sich doch eine Expertise im Huase finden lassen. Ihr Hund muß Gassigehen. (1) Ersuchen sie eine mitarbeiterin darum! Der Hund erkrankt trotz des Freigangs an frischer Luft. Ein Mitarbeiter bringt ihn zum Tierarzt! Es gilt etwas von A nach B zu transportieren, z.B. einen Grabstein aus Familienbsitz? Den Boten macht einer ihrer williger Mitarbeiter mit seinem Privatauto. Ihr Enkerl hat Geburtstag? Richten sie ihm eine Party in ihrem Museum aus und stellen sie eine Rechnung, auf den Namen ihres Ehegatten, aber das mit einer steuerschonenden Widmung. Ihre Kleider müssen in die Reinigung? Ein Mitarbeiter macht das. Sie brauchen ja die Zeit für ihre Zeit als Museumsleiter(in). Sie sind erholungsbedürftig? Verlegen sie ihren Wohnsitz samt ihrer Dienstzeit in eine mildere Gegend des Landes, residieren sie sommerlich und verrechnen sie die Mehrkosten für das Pendeln zwischen Residenz und Museum als Dienstreise dem Museum.
11
Und, wie messen Sie Ihren Erfolg? Ist das, so werden sie vielleicht fragen, nicht schwierig, wo doch so viele Museen daliegen wie ein spiegelglatter, nie durch einen Windhauch gekräuselter See, in dem alles Leben auf Grund ungünstiger Sauerstoffzusammensetzung erstickt ist?
Nicht bange machen lassen, es ist einfacher als man denkt.
Wenn sie nur wohlwollendes Feedback in der Presse bekommen, freundliche Wortspenden in Besucherbüchern, Schulterklopfen von Politikern, egal was sie machen, ob viel oder wenig, heimische Krippenausstellungen oder bulgarische Avantgarde, dann, ja dann haben sie es geschafft. Sie haben ihr Museum zugrundegerichtet.
Zeit für eine Bewerbung!
(1) Ich gebu zu: dieser Abschnitt ist nicht so ganz von mir (anderes ist ja auch nicht erfunden, in dem Text), sondern inspiriert von der Presse-Berichterstattung die über die Vorwürfe an Agnes HUsslein gerichtet waren und sind als Direktorin des Belvedere gegen interne Regeln (Compliance) verstossen zu haben.
Dienstag, 19. Juni 2012
Museologie. Aphorismen, vorläufig
1
Museologie ist (frei nach Richard Rortys Definition von Philosophie) nicht der Name einer natürlichen Art, sondern nur der Name einer der Schubladen, auf welche die humanistische Kultur aus administrativen und bibliografischen Gründen aufgeteilt ist.
2
In dem Moment, da Museologie in Buchhandlungen als Etikett an Regalbrettern aufgetaucht ist und als Suchwort in Bibliothekskatalogen, hat die Entwicklung der Disziplin Museologie begonnen.
3
Die Entwicklung einer Disziplin Museologie, die etwa in England als Universitätsfach weit fortgeschritten ist, wird ihr derzeit Bestes zerstören - daß sie in fast allen geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen wie ein Parasit im Wirtskörper leben kann.
4
Es gibt eine Museologie, die das Museum verstehen, und eine, die es anleiten will. Beide zusammen scheint es, aus unklaren Gründen, nicht geben zu können.
5
Während eine angewandte Museologie der Reflexionslosigkeit der Praxis ein gutes Gewissen verschafft, indem sie die Illusion nährt, man könne das Museum gleichsam handwerklich handhaben, macht die reflexive Museologie, das Unbewußte der Praxis sichtbar, die es blind regiert.
6
Museologie beschäftigt sich mit dem Rätsel, daß seit etwa 1780 in Europa (und dann rasch global) etwas entsteht, was es in keiner Gesellschaft zuvor je gegeben hat. Mit großem finanziellen und sozialem Aufwand Orte zu schaffen, an denen Dinge zu sehen gegeben werden, die zu nichts mehr zu gebrauchen sind, oder elegenter ausgedrückt, die „ihr reales Nichtsein“ (Joachim Ritter) hinter sich herziehen.
7
Entsprechend der Hybridität des Museums (seiner Zusammensetzung aus sehr vielen und sehr unterschiedlichen Diskursen, Facetten, Ritualen, Wirkungen, Motiven) bleibt es jedem, solange Museologie nicht disziplinär eingehegt und abgegrenzt ist, jedem selbst überlassen, auf beliebigen Splittern des Museums errichtet, sein Mißverstehen des Ganzen zu verwalten.
8
Museologie als Kritik wäre in der Lage und hätte die Aufgabe, den selbstverordneten Somnambulismus zu durchbrechen, den die Eingeborenen der Museumsgemeinschaft pflegen, um der Frage des gesellschaftlichen Sinns der Institution wie ihrer eigenen begrifffslosen Tätigkeit zu entgehen.
Sonntag, 17. Juni 2012
Samstag, 9. Juni 2012
Donnerstag, 31. Mai 2012
Der Wiener Kulturstadtrat als Robin Hood im Neoliberlismus. Und wieder einmal was zur Museumskrise
Verkehrte Welt. Ein Kulturredakteur löchert einen Politiker mit Kennziffern, Eigendeckungsgraden, Umsätzen, sogenannten Subventionen, so als sei die Refeudalisierung und Ökonomisierung der Kultur schon Fakt und Grundlage alles Tuns und Lassens. Und der Kulturstadtrat hält tapfer dagegen.
Pius Knüsel wirft Thomas Trenkler (Der Standard, 25. Mai 2012) in Berufung auf ein jüngstes, in Österreich so gut wie nicht rezipiertes und diskutiertes Buch "Kulturinfarkt" dem Politiker wie einen Vorwurf hin, sagte ... daß er 'Institutionen, die weniger als 30 Prozent der Einnahmen selber erwirtschaften', unter die 'Lupe nehmen würde.
Der Stadtrat: Ich käme ... nicht auf die Idee zu sagen: 'Sperren wir die Hälfte der Kultureinrichtungen zu, darunter alles, was keinen hohen Eigendeckungsgrad erreicht!' Das ist ja gerade das Wesen öffentlicher Kulturförderung: dass sie auch das unterstützt, was ansonsten keinen Kunden, keinen Markt finden würde. Ja, ich leugne nicht, dass es nicht immer einen restlos effizienten Einsatz der Mittel gibt. Aber im Großen und Ganzen ist die öffentliche Kulturförderung das bestmögliche Investment. Man schafft damit einen enormen gesellschaftlichen Mehrwert.
Ja, gesellschaftlicher, nicht finanzieller Mehrwert. Und ja, damit ist das Wesen von staatlicher Förderung beschrieben, gegen die Ideologie der Marktregulierung (deren Scheitern im unfassbarenb Ausmaß man derzeit täglich mitbekommt).
Der Stadtrat: Für mich ist der Kulturinfarkt ein ideologisches Kind der gesamten neoliberalen Debatte. Mittlerweile schielen wir überall ängstlich auf die ökonomischen Zwänge - und verlieren dabei das, was Europa ausmacht: die kulturelle Vielfalt, eine gewisse Großzügigkeit und die Breite. Ich bin der Meinung: Das Volkstheater z. B. hat nicht die Pflicht, einen immensen Eigendeckungsgrad zu erwirtschaften. Die Finanzierung ist eine öffentliche Aufgabe. Wir müssten die kulturellen Einrichtungen grundfinanzieren. Und was sie zusätzlich einnehmen, ist das Sahnehäubchen.
Ja, wiederum ja. Es geht nicht um etwas, was man als nur als Subvention bezüglich seiner ökonomischen Sinnhaftigkeit wegen in Frage stellen kann, sondern um Förderung, die sich genau dadurch auszeichnet, daß sie dieser Rentabilität entzogen sein muss und ausschließlich auf gesellschaftliche Zwecksetzungen gerichtet, auf Diskurs, Erfahrung, Wissen, Kommunikation, Bildung.
Es ist ärgerlich, daß Journalisten in Berichterstattung und Analyse sich die neoliberale Sichtweise und deren Wording aneignen und sie zur vermeintlich alternativlosen - das symptomatische Wort der aktuellen Krise - Wirklichkeit werden lassen.
Doppelt ärgerlich ist, daß auch die Betroffenen selbst, die Theater, Konzerthallen, Orchester, Museen usw. häufig ihre Rettung in einer Anpassung an den Neoliberalismus wie an einen modischen Trend mitmachen. Das ärgert auch Walter Grasskamp, der jüngst in der Süddeutschen Zeitung (Freitag, 25.Mai 2012. Derzeit leider nicht online) sofort das Wort Barbarei in den Mund nimmt.
Die Barbarei beginnt schon damit, daß man von Subventionen spricht, wenn es um Finanzierung kultureller Einrichtungen geht ... Genauso fand sich der Begriff ... im 'Kulturinfarkt' wieder - in einem Buch, das doch mit Klischees aufzuräumen versprach und die Halbierung der Kulturinstitute forderte...In der Kulturfinanzierung verbietet es sich nämlich, von 'Subventionen' zu sprechen, denn der Begriff - zu deutsch: Beihilfe - meint etwas anderes: Er ist an die Vergabe öffentliche Mittel an private Unternehmen geknüpft ... In der Kulturfinanzierung werden dagegen öffentliche Mittel für Aufgaben hergegeben, die ebenfalls öffentlich sind, und zwar unmittelbar an die damit herangezüchteten Institutionen, sei es ein Theater oder ein Museum. Ziel ist es dabei, den Zugang zu deren Beständen und Produktionen ohne Ansehen der Person erschwinglich zu halten, in einer ehrbaren Tradition bürgerlichen Verantwortungsbewusstseins für die Kultur, das allerdings unter der Last der übernommenen Aufgaben zusehends zerbröselt.
Ja, wiederum ja. Die Teilhabe aller an Kultur ohne jede soziale Distinktion, davon ist hier die Rede, und ein solches Ideal ist nicht dadurch zu denunzieren, indem man auf den faktischen Fortbestand von sozialer Unterscheidung hinweist, den die Institutionen selbst produzieren. Ich gehe über Grasskamps Formulierung vom bürgerlichen Verantwortungsbewußtsein hinaus, und argumentiere mit dem demokratischen Gemeinwesen eigenen und notwendigen Sinn für die Integration der Kultur in ihre wohlfahrsstaatliche Programmatik. Die Wohlfahrt aller - in den frühen Verfassung gar das Glück aller - ist das Ziel von Staat, Gesellschaft und Institutionen. und das dazu nötige Geld ist eben nicht 'Subvention' um das ökonomische Überleben abzusichern, sondern Realisierung dieses Ziels.
Im Vergessen dieser Zusammenhänge, sei es in der Medienberichterstattung, sei es in den Institutionen selbst, die oft ärgerlich unbedarft oder unfähig sind, ihre Legitimität vor diesem Hintergrund zu begründen und selbstbewußt zu agieren, liegt die Krise auch des Museums, die mit der gegenwärtigen Krise der Ökonomie konvergiert.
Dienstag, 29. Mai 2012
Generationenwechsel, mozartbarock
"Man müsse sicherlich dem Barock gerade in Verbindung mit
Mozart gesonderte Aufmerksamkeit widmen, das ist die einzige thematische
Schwerpunktsetzung, die Hochleitner zum jetzigen Zeitpunkt zu entlocken ist."
Der Standard über den neuen Direktor des Salzburg Museum
Der Generationenwechsel an den Landesmuseen ist vielversprechend. Ein Kunst- und Kulturhistoriker, 42, entdeckt, daß Mozart ein Barockkomponist war.
Der Standard über den neuen Direktor des Salzburg Museum
Der Generationenwechsel an den Landesmuseen ist vielversprechend. Ein Kunst- und Kulturhistoriker, 42, entdeckt, daß Mozart ein Barockkomponist war.
Nichts Neues vom Wien Museum
Unter dem schönen Titel "Richtungsstreit" ums Wien Museum berichtet der Standard (hier) nicht etwa um eine museologische oder ideologische Debatte um das Museum, sondern - kleiner Scherz - buchstäblich um die 'Richtung', in der das Museum gebaut werden soll. Da wäre, wie schon bekannt, der Bauplatz am Schwedenplatz, angeblich teuer und technisch schwierig, dann ein Standort beim neuen Zentralbahnhof, in Nachbarschaft zum Museum des XXI. Jahrhunderts. Da mißfällt dem Museumsleiter aber die Nähe von Hochhäusern, die auf dem Gelände des aufgelassenen alten Bahnhofs errichtet werden, während der Kulturstadtrat andeutet, daß es für diesen Bauplatz schon weit gediehene Verhandlungen gibt. Es bleibt aber noch die Option am bisherigen Standort Karlsplatz zu bleiben und neben oder unter dem existierenden Museum auszubauen. Dafür ist, laut Standard, Wolfgang Kos.
Was es nicht gibt, ist ein Konzept, eine Idee, die als Kriterium in der Suche eines Standortes oder bei der Planung eines Neubaues, leiten könnte. Es muß ja kein Richtungs"streit" sein, aber eine Richtung wäre doch jenseits des bloß Topografischen ganz nüützlich. Es ist nicht zu erwarten, daß es so etwas geben wird. Dem Wiener Bürgermeister blieb es vorbehalten, ein einschlägiges Vokabel in Umlauf zu setzen - "Volksbildung". Da das nicht so ganz neu ist, wüßte man gerne, ob es dafür neue Inhalte gibt, aber es wurde ohnehin von niemandem aufgegriffen. Vom Kulturstadtrat kommen finanzielle, technische, organisatorische usw. Argumente. Und vom Museumsleiter? - Dann wäre da noch eine Partei, die derzeit in Koalition Wien (mit)regiert, die Grünen, die bei Personalia kräftig in die Tasten greifen, wenn ein Skandalisierungsbonus rausspringt, aber von der habe ich auch nichts zum Wien Museum gehört. Und die Medien? Auch nichts. Und 'das Publikum'? Die Öffentlichkeit? Tja...
Was es nicht gibt, ist ein Konzept, eine Idee, die als Kriterium in der Suche eines Standortes oder bei der Planung eines Neubaues, leiten könnte. Es muß ja kein Richtungs"streit" sein, aber eine Richtung wäre doch jenseits des bloß Topografischen ganz nüützlich. Es ist nicht zu erwarten, daß es so etwas geben wird. Dem Wiener Bürgermeister blieb es vorbehalten, ein einschlägiges Vokabel in Umlauf zu setzen - "Volksbildung". Da das nicht so ganz neu ist, wüßte man gerne, ob es dafür neue Inhalte gibt, aber es wurde ohnehin von niemandem aufgegriffen. Vom Kulturstadtrat kommen finanzielle, technische, organisatorische usw. Argumente. Und vom Museumsleiter? - Dann wäre da noch eine Partei, die derzeit in Koalition Wien (mit)regiert, die Grünen, die bei Personalia kräftig in die Tasten greifen, wenn ein Skandalisierungsbonus rausspringt, aber von der habe ich auch nichts zum Wien Museum gehört. Und die Medien? Auch nichts. Und 'das Publikum'? Die Öffentlichkeit? Tja...
Freitag, 25. Mai 2012
Donnerstag, 24. Mai 2012
"Partisanen im Gebälk meines Gehirns". Karl-Josef Pazzini über Kunsterfahrung, Kunstvermittlung und Partizipation
(...)
Jemand geht in eine Ausstellung vermutlich mit dem Wunsch, etwas zu sehen, was
man noch nicht kennt. Meistens ist der Anlass ein nicht genau definiertes
Begehren. Dann kommt es darauf an, wie weit man sich von dem Gesehenen überraschen
lassen kann. Können wir den
Wunsch durchhalten, wenn sich vom Bild her gesehen nicht alles gleich einordnen
lässt? Nun gibt
es aber eine Kunstvermittlung, die genau da einspringt und sagt: Ich sage dir,
was das ist. Da wird eine Identifikationsbrücke gebaut, die Werke werden passend gemacht zu dem, was
ich ohnehin schon denke. Das halte ich für unproduktiv.[1]
(...) Und in der
Partizipationskunst gibt es da manchmal Beteiligungskurzschlüsse, das
finde ich nicht sehr hilfreich. Partizipation heißt ja wörtlich: sich seinen Teil zu nehmen.[2]
Das Gegenteil einer "Partidonatio" gibt es ja nicht: seinen Teil zu
geben. In der Partizipation steckt auch etwas von Kontrollierenwollen, sich
gleichzeitig aber auch exkulpieren.[3]
Auch wenn ich als Künstler keine
tolle Idee habe, kann ich dennoch teilnehmen. Das hat etwas Vampiristisches.
Das dann umstandslos als demokratische Errungenschaft auszugeben, sehe ich so
nicht unbedingt.
(...)
Ich habe den Eindruck, die Psychoanalyse reagierte auf eine Überlastung
des individuellen bürgerlichen
Subjekts, das ja als autonom gedacht wird, als Singular, der erst nachträglich in
Kontakt mit anderen tritt. (...) Es fängt eine große Suche an: Wie entsteht eigentlich Verbindung? (...) Die
Kunst vollzieht nun einen großen Wechsel:
Sie wird performativ, sie will nicht mehr nur etwas schon Vorhandenes repräsentieren,
zum Beispiel in der Malerei. So ähnlich sagt Freud: Es gibt eine psychische Realität, die im
Kontakt immer neu evoziert wird und ihre Wirkung bekommt. In der Übertragung
passiert mit den Leuten etwas, was sie vorher nicht waren. Das ist ja die
einzige Chance, etwas zu verändern. So ähnlich machen
das die Künstler.
(...)
Identifikation ist ein Moment eines jeden Übertragungsprozesses. Wenn ich mit einem Fremden in Verbindung
trete, brauche ich etwas, das ich schon kenne - ich identifiziere. Das kann ein
einziger Zug sein, eine Augenlinie, eine Geste, eine Haarwelle. Wenn es aber
dabei bleibt, wenn ich darauf beharre, dass etwas so ist, wie ich es sehe, wird
ein Verständigungsprozess
unmöglich. Es
muss eine Fähigkeit
einsetzen, diese Identifikation wieder zu durchbrechen. Durch Reflexion muss
etwas umgearbeitet werden. (...) Bei einer Kunstbetrachtung fange ich mir
Partisanen im Gebälk meines
Gehirns ein, die ich dann weitermachen lassen kann.
(...)
In Ausstellungen kriege ich Dispositive, die mir das Aushalten von Spannungen
in dem anderen Job[4] ermöglichen. In
der Kunst ist das oft noch verbunden mit einem sinnlichen Vergnügen. Deswegen
bestehe ich auch darauf, dass es Kunst gibt, die mir ein ästhetisches
Vergnügen bereitet.
Nur eine Kunst über Kunst über Kunst ist
nicht das, was mich vom Hocker reißt. (...)
Karl-Josef Pazzini, geboren
1950, Erziehungswissenschafter an der Universität Hamburg und Psychoanalytiker, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Prozessen des
Kunsterlebens. Das Interview, das im Der Standard, 15.5.2012 (hier dergesamte Text, mit den Fragen) veröffentlicht wurde, bezieht sich auf einen Vortrag bei der Tagung
"Angewandtes Ausstellen" an der Universität für angewandte Kunst.
[1] Das gilt
nicht nur für die Kunstvermittlung, sondern für Vermittlung generell. Besonders
für die Vermittlung, die die Ausstellung und das Museum als Medien darstellen.
Inwieweit kommen sie dem Begehren zu sehen - ohne Kontrolle und Absicherung -
offen oder auch risikoreich entgegen? Der Wunsch, sich (als Kurator etc.) und
die Besucher vor dem Unkontrollierbaren zu bewahren, alles angstfrei (und
möglichst auch noch anstrengungslos) werden zu lassen, ‚erspart’ einem die
eigene Reflexion.
Der Kontrollunsch steht auch jener Museumssoziologie Pate, die über Erforschung des Besucherverhaltens zur Schaffung von Settings beitragen will, die 'gelingende' Kommunikation herstellen sollen.
[2] Zusammengesetzt aus pars, Teil und capere, fangen, ergreifen, sich aneignen, nehmen. Meist wird P. als Teilhabe übersetzt - und dann ist sie auch schon demokratisch...
[3] Exkulpieren
wovon? Meinem Gefühl nach vor allem davon, Macht über andere zu haben. Mit
anderen AutorInnen, die über Partizipation geschrieben haben, bin ich auch der
Meinung, Partizipation beginnt dort, wohin sie meist kaum reicht und auch nicht
reichen soll: zur Aufgabe/Übergabe dieser Macht.
[4] K.J.
Pazzini ist Erziehungswissenschafter und Psychoanalytiker. Die Formulierung
scheint mir weit über die ‚autobiografische’ Beispielhaftigkeit auf das
‚museale’ Ausstellen, also nicht nur auf das von Kunst, verallgemeinerbar. Etwa
im Sinne von Sloterdijks Beschreibung des Museums als ‚Schule des Befremdens’,
wo es um die Spannung von Eigenem und Fremden geht, wobei das ‚Andere’ in den
unterschiedlichsten Registern – class, gender oder race – erscheinen kann.
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