Samstag, 30. Juli 2011

La Cité Nationale de l´Histoire de l´Immigration

1931 als Kolonialmuseum gegründet, dann als Mussé des arts d´Afrique et d`Océanie geführt, wurde diese Institution einerseits durch die zeitgenössiche politische - und wissenschaftliche - Entwicklung überholt, aber auch durch die Gründung eines neuen Ethnologischen Museums am Quai du Branly. Nun gibt es am Standort der aufgelassenen und geschichtlich 'erledigten' Museen die Cité Nationale de l´Histoire de l´Immigration.
Ein knapper aber sehr informativer Artikel (samt Links und Literaturangaben) gibt im Standard (hier) einen guten Einblick in die Arbeit und Funktion des Museums.
Und hier etwas zu den Problemen der Cité, sich zu positionieren, das Publikum anzusprechen, den historisch 'belasteten' Ort neu zu definieren und sich in aktuellen politischen Auseinandersetzungen - im November 2010 war das Museum von "sans papiers" (Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung besetzt) zu behaupten.

Dienstag, 19. Juli 2011

Konflikt um das Museum of Tolerance in Jerusalem

Der Entwurf Frank O. Gehrys
Über den schön lange schwelenden Streit um ein Museum of Tolerance in Jerusalem berichtet heute in einem etwas zugespitzten Bericht die FAZ (hier). Das Simon-Wiesenthal-Zentrum, das schon in Los Angeles ein Museum of Tolerance errichtet hatte, kommt mit dem Projekt in Jerusalem in erster Linie wegen des Bauplatzes in die Diskussion. Der tangiert nämlich den dort liegenden, nur noch als Rest existierenden, inzwischen durch einen Park überbauten islamischen Friedhof. Bis zu den Höchstgerichten ging die Auseinandersetzung, deren Vorgeschichte bis in die Zeit der Staatsgründung Israels zurückreicht, als 1948 der ehedem dreißig Hektar große Friedhof im jüdischen Westteil Jerusalems zu liegen kam. Obwohl die Rechtsmittel vollkommen ausgeschöpft scheinen, hält der politische Protest gegen das Museum an.
Der Entwurf von Chyutin Architects
Es war aber auch der erste, "hysterische" (so die NZZ in einem älteren, etwas moderater verfassten Bericht; hier) Entwurf Frank O. Gehrys, der großen Widerspruch, auch in Israel selbst hervorrief. Angesichts der auch Israel erfassenden Budgetkrise mutete man Gehry eine Vereinfachung und Verkleinerung des Entwurfes zu, der das aber ablehnete. Noch im sleben Jahr lag ein Entwurf israelischer Architekten, Chyutin Architects) vor, der bis etwa 2015 fertiggestellt sein soll.

Sonntag, 17. Juli 2011

Fundstück

It may be more useful, today, to ask not 'What is a museum?', but rather 'When is a museum?' 



Donald Preziosi

75 Schilling (Entrée 32)

Samstag, 16. Juli 2011

langsam

"Wir sind sexy, weil wir langsam sind. Ich sage Ihnen: Die Langsamkeit von Museen nimmt kein Ende!"

Chris Dercon, in einem Interview, als er noch Leiter des Hauses der Kunst in Münschen war 

"Ausstellungen für Graz"

Mit mehr Schrecken als Begeisterung blättere ich in der reich illustrierten "Bilanz" des Grazer Stadtmuseums. Viele, zu viele Ausstellungen habe ich nicht gesehen. Da ist manche Ausstellung vorgestellt, die ich nicht hätte versäumen sollen. Kanns denn nicht Retrospektiven geben, Wiederaufführungen, so wie man alte, kostbare Filme restauriert und wieder feierlich aufführt? Museen hätten billige (Zweit)Ausstellungen und Ausstellungsmuffel könnten nachsitzen.
Ausstellungen für Graz 2006 - 2010 heißt das Buch und es macht etwas, was Museen selten machen, es dokumentiert, auch bildlich (wenn auch nicht umfangreich) jede einzelne Ausstellung. Kommentierende Texte, Zitate aus Rezensionen und die technischen Angaben wie Kurator, Zeitraum etc. werden mit Illustrationen angereichert, die eine Ahnung von der Machart der Ausstellung geben.
Es beginnt mit "Die Totale" (die Ausstellung habe ich wenigstens gesehen...) und endet mit "Fritz Panzer".
Die chronologische Ordnung fädelt die Ausstellungen gleichgültig gegenüber Themen und Formaten auf. Sichtbar wurde für mich das urbanistische Interesse des Museums, das, zusammen mit diversen grazspezifischen Themen, das Fehlen einer Dauerausstellung kompensierte und das zeitgeschichtliche Engagement, das seine stärksten Momente mit "Unsichtbar. NS-Herrschaft: Verfolgung und Widerstand in der Steiermark" hatte und dann mit "Die Kunst der Anpassung. Steirische Künstlerinnen im  Nationalsozialismus zwischen Tradition und Propaganda". Der dritte erkennbare Schwerpunkt ist der Biografische, der in einer tollkühnen Serie Bernhard Fischer von Erlach, Jochen Rindt und Nikolaus Harnoncourt vereinte.
Die Publikation hat eine sehr symphatische Eigenschaft, sie konzentriert sich ganz auf die Vorstellung der Ausstellungen. Bis auf eine lässliche Ausnahme keine 'Funktionärsfotos', keine Fotos a la Stadtrat X eröffnet, Hofrätin Z im Gespräch mit, keine Vernissagenfotos, keins von glücklichen Menschen an kargen Buffets, absolut nichts. Auch kein Museumsdirektor in Ansichtsvarianten.
Diese Askese könnte allerdings auch einem technischen Gebrechen geschuldet sein, zumindest bei dem Exemplar, das ich besitze. Das reicht bis Seite 156. Laut Inhaltsverzeichnis hätten auf Seite 158ff. die Mitarbeiterinnen vorgestellt werden sollen.

Freitag, 15. Juli 2011

Schöner Wohnen

Wenn es nicht wahr ist, ist es hübsch erfunden. Aber es musß wohl wahr sein, denn es steht in der Zeitung. Und zwar ausführlich, in der FAZ (hier).
Der Leiter des Topkapi Museums hat Mitarbeitern angeordnet, den Thron Sultan Selim III. vom Museum in sein Haus zu bringen.
Bei Regen. Ungeschützt.
Das hat jemand fotografiert und an eine Zeitung geschickt und jetzt gibt es einen Istanbuler Kulturskandal.
Der Thron passte übrigens nicht durch den Eingang,
Also blieb er erst mal vor dem Haus stehen. Dann wurde er wieder zurückgetragen.
Die Rechtfertigung des Museumsleiters: im Depot sei vorübergehend kein Platz frei gewesen.

Montag, 11. Juli 2011

Die Chinesen sind auch nicht anders

Etwa 10 Jahre Vorbereitungszeit und 100 Millionen Euro Kosten soll die Ausstellung "Kunst der Aufklärung" verbraucht haben, die die Bundesrepublik Deutschland im Nationalmuseum Peking derzeit zeigt.
Vor allem die Haltung der Leiter der beteiligten deutschen Museen zur kurz nach der Eröffnung erfolgten Verhaftung des Künstlers Ai Weiwei, beschäftigte die deutschen Medien lange, ausführlich und aufgeregt (hier eine Zusammenstellung der facettenreichen Diskussion).
Es wurde aber auch nach der Sinnhaftigkeit einer Kunstausstellung gefragt, die einen kulturhistorisch und politisch zentralen und europäisch geprägten Begriff nach China exportieren wollte, ohne sich recht auf den aktuellen Kontext des Gastgeberlandes einzulassen.
Die Instrumentalisierung der Kultur für vorrangige diplomatische, wirtschaftspolitische und machtpolitische Interessen war offensichtlich.

Nach langem Schweigen der Medien widmet sich eine Glosse in DIE WELT (hier) wiederum der Ausstellung, zunächst mit dem nicht ganz neuen Vorwurf, daß die Schau kaum Publikum anziehe.
Wirklich interessant an dem kurzen Artikel ist aber, daß sich der museale Kontext der deutschen Ausstellung inzwischen verschoben hat. Im Bemühen um die Gunst des Publikums konkurriert sie inzwischen nämlich nicht nur mehr mit den nationalpolitischen chinesischen Ausstellungen, sondern - mit Louis Vuitton.
Diese Ausstellung des französichen und weltweit größten Modelabels der Welt zieht die Besucher an. In Vier Sälen breitet der Konzern (dessen Ausstellung, wie es der Artikel nahelegt, vom Französichen Staat gefördert wurde), seine Geschichte und seine Luxusware aus. Der Korrespondent berichtet, daß dieses Nebeneinander von Kommunistischer Revolution, Aufklärung und Luxuswaren in den Medien diskutiert würde - zustimmend.
Nur die 'Jugendzeitung' habe geschrieben: "Was für ein Gegensatz". Das Museum vereine alles unter einem Dach von Chinas Revolution, seiner Reform bis zum Luxus, "vom Mikrophon, mit dem Mao Tsetung 1949 die Gründung der Volksrepublik ausrief, zum Kugelschreiber, den Chinas erster Astronaut 2003 im All nutzte, zu den Handtaschen, die alle Frauen dieser Welt in den Wahnsinn treiben."
Während sich Deutschland mit Kunst und Aufklärung abmüht, macht Frankreich die Geschäfte lieber gleich und direkt im Museum.
Ausstellungsberichte findet man denn auch kaum auf den Kulturseiten der bekannten Zeitungen sondern in den prominenten Modezeitschriften. Elle z.B. schreibt: "Die Luxusmarke ist der Inbegriff von absolutem Luxus und Eleganz und heute ist Louis Vuitton das größte Modeimperium weltweit.
Aus diesem Grunde widmet das "National Museum of China" der Luxusmarke bis zum 30. August 2011 eine umfangreiche Ausstellung namens "Louis Vuitton Voyages" in Peking. Die Ausstellung zeigt, wie viel Einfluss Louis Vuitton auf die französische Geschichte hatte und was es bedeutet Reisen mit Luxus zu verbinden. Mit einer Pressekonferenz und anschließender Vernissage wurde in Anwesenheit des Vorstandsvorsitzenden Yves Carcelle und Patrick Louis Vuitton, der das Familienunternehmen bereits in fünfter Generation leitet, die Ausstellung eröffnet. Unter den Stücken findet man zum Beispiel ein Koffermodell mit ausklappbarem Bett, das sich der Abenteurer Pierre Savorgnan wünschte, ein Koffer für eine geschwungene Shischa-Pfeife oder für eine Barbie-Puppen-Sammlunug."

Freitag, 8. Juli 2011

Schöne Aussichten (2)

Eine andere schöne Aussicht auf künftige Privatisierungsstrategien als die, die anläßlich der "Einbürgerung" von Kunsthallen-Sponsoren in Wien sichtbar ist, bietet Italien, das vom generellen 'Sparkurs' und dem speziellen berlusconischen im Kulturbereich gebeutelt wird. Nach den Hiobsbotschaften wie der vom drohenden 'Zerfall' Pompeis, bietet sich eine rettende Lichtgestalt an. Wo der Staat versagt, springt der Schuhhändler ein. Freilich einer, der Milliarden umwälzt und so ein wenig etwas weglegen kann, um gleich 'alles' zu retten, Pompei, die Mailänder Scala und das Kollosseum. Märchenhaft. Selbstlos ist der Unternehmer nicht, jeweils langfristig laufende Verträge kommen seinem Marketing und so also seinem Profit zugute. Aber wenn damit "Weltkulturerbe" "gerettet" wird...

Wer genauer nachlesen will, kann das in der NZZ Online hier tun.

Schöne Aussichten (1)

Eine Ahnung von der künftigen Entwicklung der "Privatisierung" im Kulturbereich am Beispiel der Wiener Kunsthalle gibt eine ausführliche Darstellung Thomas Trenklers im Standard. Statt die persönlichen Attacken auf den Leiter der Kunsthalle fortzusetzen wird hier unter dem Titel "Es soll von vornherein jeder Anschein vermieden werden, wonach in Österreich gegen Bezahlung ..." dokumentiert, wie der Deal Geld für die Kunsthalle gegen Staatsbürgerschaft betrieben wurde und vom wem.

Personal Admission 1914 (Entrée 31)

Dienstag, 5. Juli 2011

Kritik

Der Mistkäfer, habe ich bei Jean-Henri Fabre gelesen, versteckt seine Mistkugel unterirdisch, an der er zwei Wochen ununterbrochen frisst, während er das Verdaute als Humus ununterbrochen auskackt. Das ist die Rolle des Kritikers - er produziert den Nährboden dessen, was wachsen wird. Indem er in rasendem Tempo sortiert - die guten ins Kröpfchen -, beweist er, dass es doch geht, dass man kunstkritisch fressen kann, was man kulturkritisch für unverdaubar erklärt hatte. Wir Mistkäfer widerlegen uns selbst bis zur Erschöpfung. Das naheliegende Ziel wäre, Kunst zu finden, die den Interpreten braucht, und das fernere, Kunst zu finden, die sich selbst genügt. Sagen wir, ein Kabinett der Reflexion: memento mori; Brunnen des Lebens; der Zyklus des Jahres. Miniaturen als Allegorien in der platonischen Höhle. Ein weißer Raum als Themenpark. Alltag und Universum als polare Gewichte.

Ulf Erdmann Ziegler, in die taz 25.6.2011