Unlängst wurde der Vorschlag lanciert, dem Wien Museum und dem Jüdischen Museum der Stadt Wien gemeinsam einen Neubau auf dem Morzin-Platz zu errichten. Der Platz ist schon länger als ein möglicher Standort für einen Neubau des Wien Museum im Gespräch.
Wie andere offene wiener Museumsfragen löste auch diese Nachricht keine Diskussion aus. Was würde ein Museumsneubau für ein Museum im Umbruch (Jüdisches Museum) und Neupositionierung (?) (Wien Museum) bedeuten?
Was bedeutet überhapt ein Neubau für ein Museum, welche Effekte hat eine Architektur nach innen wie nach außen? Bleibt konzeptionell alles beim Alten oder zwingt eine Architektur zur Erneuerung? Genügt der Signaleffekt einer spektakulären Architektur, um Wahrnehmung und Nutzung eines Museums zu verändern? Das wären nur ein paar der Fragen, über die man diskutieren könnte. Vorher.
Sonntag, 5. Juni 2011
Ohne Diskussion: Keine Zusammenlegung von Volkskundemuseum und Völkerkundemuseum
Zum Unterschied zur Nachricht, daß für ein Haus der Geschichte derzeit kein Geld vorhanden sei, wo es immerhin eine öffentliche reaktion gab (siehe Post unten), ging die knappe Meldung, daß das Volkskundemueum eine Fusion mit dem Völkerkundemuseum nicht weiter betreiben würde, praktisch 'wortlos' unter. Während die Medien inbrünstig über Personalia über Wochen hinweg berichten, scheint es in diesem Fall keinerlei Reaktionen gegeben zu haben.
Es geht um die zukünftige Entwicklung zweier wichtiger Museen, für die der Staat verantwortlich ist und um das Scheitern einer Idee, die seit Jahren vorbereitet worden war. Es geht um ein Museum, das am Rande seiner Existenz steht und um ein Museum, dessen Leiter zurückgetreten ist, resigniert an den Verhältnissen, um ein Museum, das seit jahren und auf unabsehbare Zeit hinaus, keine Sammlungsausstellung mehr zeigt. Es geht auch um Geld, vor allem aber geht es um dessen Verteilung und es geht um Ideen und Entwicklungsperspektiven. Das scheint aber niemanden zu interessieren. Die Medien jedenfalls nicht.
Es geht um die zukünftige Entwicklung zweier wichtiger Museen, für die der Staat verantwortlich ist und um das Scheitern einer Idee, die seit Jahren vorbereitet worden war. Es geht um ein Museum, das am Rande seiner Existenz steht und um ein Museum, dessen Leiter zurückgetreten ist, resigniert an den Verhältnissen, um ein Museum, das seit jahren und auf unabsehbare Zeit hinaus, keine Sammlungsausstellung mehr zeigt. Es geht auch um Geld, vor allem aber geht es um dessen Verteilung und es geht um Ideen und Entwicklungsperspektiven. Das scheint aber niemanden zu interessieren. Die Medien jedenfalls nicht.
Ohne Diskussion: Kein "Haus der Geschichte"
Eine parlamentarische Anfrage brachte ein Nein zum Projekt eines "Hauses der Geschichte" zu Tage. Kein Geld vorhanden. Hätte sich nicht der Historiker Oliver Rathkolb im ORF zu Wort gemeldet, die kleine Meldung wäre wohl unbeachtet geblieben. Seit das Projekt definitiv eines der Regierung ist, gibt es auch keinen Anlass, den Aufschub, den manche als Ende des Projekts interpretieren, zu bedauern.
Österreichs Geschichtskultur braucht nichts weniger als in die Hände von Regierung, Politik und Parteien zu geraten. Es gab in den letzten Jahren genug an einschlägig Patriotischem, vor allem unter der Regierung Schüssel. Es gab auch zu viel an bereitwilliger Beteiligung der Historikerzunft, als daß man ihrer Kritik an der Säumigkeit der Politik folgen wollte.
Wenn es auch nicht wörtlich von Oliver Rathkolb stammt, allein der Hinweis auf das Deutsche Historische Museum als 'erfolgreicher Sehenswürdigkeit', reicht für jede Menge Skepsis. Dessen Dauerausstellung wird von vielen Historikern kritisiert und das Museum, von Helmut Kohl gegründet, wird direkt von der Regierung - nun sagen wir: kontrolliert. Es ist nicht so lange her, als ein Ausstellungstext zur europäischen Migrationspolitik auf einen Wink von oben über Nacht ausgetauscht und der Vorgang vom Museumsleiter gerechtfertigt wurde.
Nein, so etwas, ein Nationalmuseum braucht es nicht. Man könnte sich stattdessen fragen, warum nicht existierende Museen, die (kultur)historischen Museen dieses Landes zum Beispiel, sich mit dringenden und virulenten politisch-historischen Fragen beschäftigen? Wenn man das ernsthaft will, läßt es sich einfacher, schneller und billiger realisieren als mit der Gründung eines neuen Museums.
Ob es das definitive Ende der Idee ist, kann man bezweifeln. Angesichts der Delegitimation der Politik, wächst der Bedarf an 'Sinnstiftendem' und je postdemokratischer unsere Verhältnisse werden, desto größer könnte die Versuchung werden, für Reideologisierung das Museum wieder auszugraben. Apropos: die parlamentarische Anfrage kam vom BZÖ.
Österreichs Geschichtskultur braucht nichts weniger als in die Hände von Regierung, Politik und Parteien zu geraten. Es gab in den letzten Jahren genug an einschlägig Patriotischem, vor allem unter der Regierung Schüssel. Es gab auch zu viel an bereitwilliger Beteiligung der Historikerzunft, als daß man ihrer Kritik an der Säumigkeit der Politik folgen wollte.
Wenn es auch nicht wörtlich von Oliver Rathkolb stammt, allein der Hinweis auf das Deutsche Historische Museum als 'erfolgreicher Sehenswürdigkeit', reicht für jede Menge Skepsis. Dessen Dauerausstellung wird von vielen Historikern kritisiert und das Museum, von Helmut Kohl gegründet, wird direkt von der Regierung - nun sagen wir: kontrolliert. Es ist nicht so lange her, als ein Ausstellungstext zur europäischen Migrationspolitik auf einen Wink von oben über Nacht ausgetauscht und der Vorgang vom Museumsleiter gerechtfertigt wurde.
Nein, so etwas, ein Nationalmuseum braucht es nicht. Man könnte sich stattdessen fragen, warum nicht existierende Museen, die (kultur)historischen Museen dieses Landes zum Beispiel, sich mit dringenden und virulenten politisch-historischen Fragen beschäftigen? Wenn man das ernsthaft will, läßt es sich einfacher, schneller und billiger realisieren als mit der Gründung eines neuen Museums.
Ob es das definitive Ende der Idee ist, kann man bezweifeln. Angesichts der Delegitimation der Politik, wächst der Bedarf an 'Sinnstiftendem' und je postdemokratischer unsere Verhältnisse werden, desto größer könnte die Versuchung werden, für Reideologisierung das Museum wieder auszugraben. Apropos: die parlamentarische Anfrage kam vom BZÖ.
Dienstag, 31. Mai 2011
One Truth (Das Museum lesen 17)
The ordinary museum and its representatives simply present one form of the truth. To talk about this museums means speaking about the conditions of truth. It is also important to find out whether or not the fictional museum casts a new light on the mechanism of art, the artistic life, the society. I pose the question with my museum. Therefore I do not find it necessary to produce the answer.
Marcel Broodthaers
Samstag, 28. Mai 2011
Donnerstag, 26. Mai 2011
Objets trouvés: Der Gipfel
Topje van de Mont Blanc in 1787 afgehakt door De Saussure. Teylers Museum Haarlem. Inventarnummer W47 M3353.
Man kann es drehen und wenden wie man will, was da auf dem Kärtchen mit der Objektbeschriftung steht, kann man nicht anders übersetzen als: Gipfelchen (topje ist das Diminutiv von top = Gipfel, und kann auch mit Zipfelchen übersetzt werden) vom Mont blanc, 1787 abgehackt (oder: abgebrochen) von De Saussure. So stehts da.
In einem anderen Museum, gleich zu Beginn des Rundganges durch das Alpine Museum in München liegt in einer Vitrine ein Geldbeutel aus dem einige Münzen herauskullern. Das war der vom Schweizer Naturforscher Horace Bénédicte de Saussure (1740-1799) 1760 ausgesetzte Preis für die erste Besteigung des höchsten Berges der Alpen, des Mont Blanc.
Saussure hatte eben erst den Doktortitel der Naturwissenschaften erhalten und war zwanzig Jahre alt. Mit 47 wird er selbst auf dem Gipfel des Mont Blanc stehen, nur ein Jahr, nachdem der Berg erstmals erstiegen wurde und begleitet "von einem Bedienten und 18 Führern". Es war dies die erst dritte dokumentierte Ersteigung des Gipfels des Montblanc und Saussure bewies durch Messungen, daß das der höchste Berg Europas sein musste.
Diese Ereignisse gelten als Ursprung des Alpinismus und als eine Zäsur in der Wahrnehmung der Bergwelt wie der Natur überhaupt. Aber Saussures Preisgeld galt weder sportlichem Ehrgeiz noch irgendeiner Rekordsucht und auch nicht allein der Bergerfahrung um ihrer selbst willen. Seine Motive waren wissenschaftlicher Natur. Mit seiner Initiative begann die vielfältige Erforschung der Bergwelt. Doch eine nachhaltige Konsequenz seiner Ambitionen war dann auch die scheinbar von allen Zwecken freie Anstrengung in die Berge zu gehen, Gipfel, wie man so sagt, zu ‚erobern’ oder zu ‚bezwingen’, also etwas zu tun, was zunächst zur irritierenden, buchstäblich unbeschreiblichen, weil überwältigenden, später zur organisierbaren, kultivierbaren, beschreib- und wiederholbaren Erfahrung sui generis wurde.
Und wie kommt der Stein vom Mont Blanc in die Niederlande, in das Teylers Museum in Haarlem? Nun, das Museum (hier gehts zur wunderschönen Webseite dieses wunderbaren Museums) hatte eine eigene Mont-Blanc - Sammlung mit einem 1799 erworbenen Relief des Gebirges. 1802 erwarb man von Saussures Sohn diesen ausgestellten Stein. Saussure hatte angenommen, daß auf dem höchsten Berg auch das älteste Gestein zu finden sein müsse und deshalb brach er ein Stück - tja - vom Gipfel ab.
Man kann es drehen und wenden wie man will, was da auf dem Kärtchen mit der Objektbeschriftung steht, kann man nicht anders übersetzen als: Gipfelchen (topje ist das Diminutiv von top = Gipfel, und kann auch mit Zipfelchen übersetzt werden) vom Mont blanc, 1787 abgehackt (oder: abgebrochen) von De Saussure. So stehts da.
In einem anderen Museum, gleich zu Beginn des Rundganges durch das Alpine Museum in München liegt in einer Vitrine ein Geldbeutel aus dem einige Münzen herauskullern. Das war der vom Schweizer Naturforscher Horace Bénédicte de Saussure (1740-1799) 1760 ausgesetzte Preis für die erste Besteigung des höchsten Berges der Alpen, des Mont Blanc.
Saussure hatte eben erst den Doktortitel der Naturwissenschaften erhalten und war zwanzig Jahre alt. Mit 47 wird er selbst auf dem Gipfel des Mont Blanc stehen, nur ein Jahr, nachdem der Berg erstmals erstiegen wurde und begleitet "von einem Bedienten und 18 Führern". Es war dies die erst dritte dokumentierte Ersteigung des Gipfels des Montblanc und Saussure bewies durch Messungen, daß das der höchste Berg Europas sein musste.
Diese Ereignisse gelten als Ursprung des Alpinismus und als eine Zäsur in der Wahrnehmung der Bergwelt wie der Natur überhaupt. Aber Saussures Preisgeld galt weder sportlichem Ehrgeiz noch irgendeiner Rekordsucht und auch nicht allein der Bergerfahrung um ihrer selbst willen. Seine Motive waren wissenschaftlicher Natur. Mit seiner Initiative begann die vielfältige Erforschung der Bergwelt. Doch eine nachhaltige Konsequenz seiner Ambitionen war dann auch die scheinbar von allen Zwecken freie Anstrengung in die Berge zu gehen, Gipfel, wie man so sagt, zu ‚erobern’ oder zu ‚bezwingen’, also etwas zu tun, was zunächst zur irritierenden, buchstäblich unbeschreiblichen, weil überwältigenden, später zur organisierbaren, kultivierbaren, beschreib- und wiederholbaren Erfahrung sui generis wurde.
Und wie kommt der Stein vom Mont Blanc in die Niederlande, in das Teylers Museum in Haarlem? Nun, das Museum (hier gehts zur wunderschönen Webseite dieses wunderbaren Museums) hatte eine eigene Mont-Blanc - Sammlung mit einem 1799 erworbenen Relief des Gebirges. 1802 erwarb man von Saussures Sohn diesen ausgestellten Stein. Saussure hatte angenommen, daß auf dem höchsten Berg auch das älteste Gestein zu finden sein müsse und deshalb brach er ein Stück - tja - vom Gipfel ab.
Montag, 23. Mai 2011
Sonntag, 22. Mai 2011
Frage
Wes Craven, namhafter und sehr erfolgreicher Regisseur von Horrorfilmen (Nightmare on Elm Street, Scream): "Das Kino ist ein Ort, an dem völlig fremde Menschen zusammensitzen und Dinge sehen, vor denen alle dieselbe Angst haben ... Als Erlebnis ist das nicht zu ersetzen."
Gibts eine Analogie beim Museumserlebnis?
Vielleicht als Gegenteil, als angstfreier Ort?
Gibts eine Analogie beim Museumserlebnis?
Vielleicht als Gegenteil, als angstfreier Ort?
Samstag, 21. Mai 2011
Was für eine Museumskrise!
Alles war so gut wie erledigt, es gab einen Eröffnungstermin, der durch das Museum Gewürdigte hatte sein Kommen zugesagt und selbst DIE ZEIT hatte sehr wohlwollend über das kleine, neue Museum berichtet, ausführlich und aus der Feder von Joachim Riedl.
Und dann: ein uneheliches Kind.
Der kleine Ort Thal bei Graz ist der Geburtsort von Arnold Schwarzenegger und dort hatten Jugendfreunde, einflussreich im Ort und der lokalen Politik, die Idee eines Museums für den Großen Sohn der Heimat lange betrieben und nun waren sie am Ziel.
Ein Museum für den 1947 im Ort als Sohn einer Hausfrau und eines Gendarmen geborenen, als Body-Builder, Filmschauspieler und Politiker in den USA zu Ruhm gelangten 'Arnie'.
Aber dann: das uneheliche Kind.
Das brachte die Museumsvorbereitungen zum Wanken und man redete von einer Überarbeitung der Ausstellung, weil sie sehr am Familienmensch orientiert gewesen sei. Dann kam die Absage der Eröffnung, Schwarzenegger 'habe jetzt andere Sorgen' und könne nicht kommen.
Man muss sich keine Sorgen machen, die Thaler Museumskrise wird sich beruhigen, Schwarzenegger hat viele Fans und irgendwann wird er wieder Zeit haben. Die Kritik an seiner Person, die es wegen seiner Haltung zur Todesstrafe gab und die zur Aberkennung seiner Patronanz des großen Grazer Fußballstadions - "Schwarzenegger Stadion" -, führte, ist in seiner Heimat abgeklungen. Kritik am mäßigen Schauspieler und am gescheiterten Politiker gab's ohnehin nie. Und schon gar nicht am Bild von Männlichkeit, die er in allen seinen drei Berufen verkörperte.
Aber dann: das uneheliche Kind. (1)
Was für eine Museumskrise!
(1) Ein interessanter Kommentar übrer "die ausufernde Libido bei Männern mit macht" findet man in der taz von Isolde Charim (hier).
Und dann: ein uneheliches Kind.
Der kleine Ort Thal bei Graz ist der Geburtsort von Arnold Schwarzenegger und dort hatten Jugendfreunde, einflussreich im Ort und der lokalen Politik, die Idee eines Museums für den Großen Sohn der Heimat lange betrieben und nun waren sie am Ziel.
Ein Museum für den 1947 im Ort als Sohn einer Hausfrau und eines Gendarmen geborenen, als Body-Builder, Filmschauspieler und Politiker in den USA zu Ruhm gelangten 'Arnie'.
Aber dann: das uneheliche Kind.
Das brachte die Museumsvorbereitungen zum Wanken und man redete von einer Überarbeitung der Ausstellung, weil sie sehr am Familienmensch orientiert gewesen sei. Dann kam die Absage der Eröffnung, Schwarzenegger 'habe jetzt andere Sorgen' und könne nicht kommen.
Man muss sich keine Sorgen machen, die Thaler Museumskrise wird sich beruhigen, Schwarzenegger hat viele Fans und irgendwann wird er wieder Zeit haben. Die Kritik an seiner Person, die es wegen seiner Haltung zur Todesstrafe gab und die zur Aberkennung seiner Patronanz des großen Grazer Fußballstadions - "Schwarzenegger Stadion" -, führte, ist in seiner Heimat abgeklungen. Kritik am mäßigen Schauspieler und am gescheiterten Politiker gab's ohnehin nie. Und schon gar nicht am Bild von Männlichkeit, die er in allen seinen drei Berufen verkörperte.
Aber dann: das uneheliche Kind. (1)
Was für eine Museumskrise!
(1) Ein interessanter Kommentar übrer "die ausufernde Libido bei Männern mit macht" findet man in der taz von Isolde Charim (hier).
Mittwoch, 18. Mai 2011
Raubkünste
Mit Raubkunst der NS-Zeit umzugehen und mit dem Nachwirken dieses großen Kunstraubes haben inzwischen viele Staaten und Museen gelernt. Vielfach gibt es gesetzliche Regelungen, öffentliche Diskussionen und eine gelebte Praxis der Restitution.
Es mag noch viele ungelöste Fälle geben, umstrittene Objekte oder auch zögernden Umgang, aber insgesamt wird der Kunstraub als Unrecht anerkannt wie auch - noch nicht generell - die moralischen und praktischen Verpflichtungen, die sich daraus ergeben.
Der quantitativ ungleich größere Kunstraub erregt nur in besonderen Fällen öffentliches Interesse, für ihn existieren kaum Regelungen und Vereinbarungen und viele Museen weigern sich, ihn überhaupt als Raub anzuerkennen.
In welchem Ausmaß die gigantische Sammelbewegung, die die Museumssammlungen im 19. Jahrhundert schuf, auf Unrecht und Gewalt beruht, wird verdrängt. Koloniale Beute, die Plünderung Ägyptens, die Ausnutzung der politischen oder ökonomischen Unterlegenheit von Ländern, die Ausnutzung fehlender Regelungen und Gesetze, Kriegsbeuten und Bedienen an einem korrupten Handel, das alles genießen wir in mehr oder weniger berühmten Museen, nicht selten mit einem Gefühl des Stolz ob des kulturellen Besitztums.
Doch man kann vom Kunstraub nicht in der Vergangenheitsform sprechen, er ist auch im 20. Jahrhundert, nicht nur in den beiden Weltkriegen, eine Quelle der Sammeltätigkeit von Museen, auch aktuell bedienen sich Museen noch eindeutiger Quellen, und das im vollen Wissen über das begangene Unrecht.
Einer der spektakulärsten Fälle betrifft eines der weltweit namhaftesten Kunstmuseen der Welt, das J. Paul Getty-Museum im kalifornischen Malibu.
Der Fall begann vor über 15 Jahren, wurde aber durch den Freispruch (wegen Verjährung) der zentralen Figur des Skandals und der nun erfolgten Rückgabe einer antiken Statue an Italien wieder öffentlich diskutiert.
Die Leiterin der Antiken-Abteilung des Getty Museums hatte sich ausgiebig an Ergebnissen von Raubgrabungen und der Hilfe Schweizer und Englischer Kunsthändlern bedient. Letztendlich gerieten aufgrund der Ermittlungen italienischer Behörden nicht nur das Getty-Museum sondern auch das Metropolitan-Museum in den Verdacht illegal erworbene italienische Kunstwerke zu besitzen. Tatsächlich mussten beide Museen über 300 Objekte in beträchtlichem Wert zurückerstatten.
Das Ausmaß der unglaublichen und abenteuerlichen Geschichte läßt sich in einem Artikel (1) nachlesen, der aus Anlaß der Rückgabe einer besonderen Antike verfasst wurde, deren Herausgabe das Getty-Museum besonders lange verweigert hatte: die sogenannte Venus von Morgantina (eine Ausgrabungsstätte in Sizilien). 1988 hatte sie das Museum aus einem illegalen Kunsthandel erworben, wo sie ab 2006 mit der Provenienzbezeichnung "Southern Italy" ausgestellt wurde.
Ein zweiter Fall, der weniger spektakulär ist, zeigt ebenfalls, wie schwer es Museen und Behörden fällt, Kunstraub anzuerkennen und angemessen zu reagieren. Auch er ist ein rezenter Restitutionsfall. Es geht um eine Grabung Deutscher Archäologen, die seit 1906 Reste einer Hethiterhauptstadt ausgruben, unter anderem Reste einer Toranlage mit zwei Sphinxfiguren. Beide kamen 1915 zur Restaurierung nach Berlin. Eine wurde 1925 zurückgeschickt, die andere nie - bis jetzt.
Die Rückgabe an die Türkei wird hochoffiziell als "freiwillige Geste der deutsch-türkischen Freundschaft" und nicht als Restitution betrieben. Deutsche Medien berichten, daß der türkische Restitutionswunsch mit der Drohung des Entzugs der Grabungslizenz verbunden gewesen sein soll und die FAZ spricht gar von "handfester Erpressung". (2)
Die Süddeutsche Zeitung belehrt uns darüber, daß es sich im Fall des Getty-Museum um einen bewußt illegalen Akt gehandelt habe, was aber etwas ganz anderes sei, als ein "Fund", der "seit hundert Jahren oder länger in staatlichen Museen zu sehen" ist. (Hier entfällt dann offenbar die Frage nach Recht oder Unrecht). "Die Rückgabe ans Herkunftsland (ist) nicht zwingend geboten…". Und die Zeitung hält es auch für bedenklich, "dass diesem Archäologie-Nationalismus" (der natürlich nur der der Türken ist) "stattgegeben wird, welcher übrigens seit Atatürk die frühen anatolischen Völker fälschlich zu Vorfahren der Türken erklärt". (3)
(1) Niklas Maak: Ware für die besten Adressen, FAZ 17.5.2011 (hier)
(2) Andreas Kilb: Die Sphinx von Hattuscha kehrt zurück, FAZ 18.5.2011 (hier)
(3) Johan Schloeman: Heimkehr zweier Damen, Süddeutsche Zeitung 16.5.2011 (hier)
Es mag noch viele ungelöste Fälle geben, umstrittene Objekte oder auch zögernden Umgang, aber insgesamt wird der Kunstraub als Unrecht anerkannt wie auch - noch nicht generell - die moralischen und praktischen Verpflichtungen, die sich daraus ergeben.
Der quantitativ ungleich größere Kunstraub erregt nur in besonderen Fällen öffentliches Interesse, für ihn existieren kaum Regelungen und Vereinbarungen und viele Museen weigern sich, ihn überhaupt als Raub anzuerkennen.
In welchem Ausmaß die gigantische Sammelbewegung, die die Museumssammlungen im 19. Jahrhundert schuf, auf Unrecht und Gewalt beruht, wird verdrängt. Koloniale Beute, die Plünderung Ägyptens, die Ausnutzung der politischen oder ökonomischen Unterlegenheit von Ländern, die Ausnutzung fehlender Regelungen und Gesetze, Kriegsbeuten und Bedienen an einem korrupten Handel, das alles genießen wir in mehr oder weniger berühmten Museen, nicht selten mit einem Gefühl des Stolz ob des kulturellen Besitztums.
Doch man kann vom Kunstraub nicht in der Vergangenheitsform sprechen, er ist auch im 20. Jahrhundert, nicht nur in den beiden Weltkriegen, eine Quelle der Sammeltätigkeit von Museen, auch aktuell bedienen sich Museen noch eindeutiger Quellen, und das im vollen Wissen über das begangene Unrecht.
Einer der spektakulärsten Fälle betrifft eines der weltweit namhaftesten Kunstmuseen der Welt, das J. Paul Getty-Museum im kalifornischen Malibu.
Der Fall begann vor über 15 Jahren, wurde aber durch den Freispruch (wegen Verjährung) der zentralen Figur des Skandals und der nun erfolgten Rückgabe einer antiken Statue an Italien wieder öffentlich diskutiert.
Die Leiterin der Antiken-Abteilung des Getty Museums hatte sich ausgiebig an Ergebnissen von Raubgrabungen und der Hilfe Schweizer und Englischer Kunsthändlern bedient. Letztendlich gerieten aufgrund der Ermittlungen italienischer Behörden nicht nur das Getty-Museum sondern auch das Metropolitan-Museum in den Verdacht illegal erworbene italienische Kunstwerke zu besitzen. Tatsächlich mussten beide Museen über 300 Objekte in beträchtlichem Wert zurückerstatten.
Das Ausmaß der unglaublichen und abenteuerlichen Geschichte läßt sich in einem Artikel (1) nachlesen, der aus Anlaß der Rückgabe einer besonderen Antike verfasst wurde, deren Herausgabe das Getty-Museum besonders lange verweigert hatte: die sogenannte Venus von Morgantina (eine Ausgrabungsstätte in Sizilien). 1988 hatte sie das Museum aus einem illegalen Kunsthandel erworben, wo sie ab 2006 mit der Provenienzbezeichnung "Southern Italy" ausgestellt wurde.
Ein zweiter Fall, der weniger spektakulär ist, zeigt ebenfalls, wie schwer es Museen und Behörden fällt, Kunstraub anzuerkennen und angemessen zu reagieren. Auch er ist ein rezenter Restitutionsfall. Es geht um eine Grabung Deutscher Archäologen, die seit 1906 Reste einer Hethiterhauptstadt ausgruben, unter anderem Reste einer Toranlage mit zwei Sphinxfiguren. Beide kamen 1915 zur Restaurierung nach Berlin. Eine wurde 1925 zurückgeschickt, die andere nie - bis jetzt.
Die Rückgabe an die Türkei wird hochoffiziell als "freiwillige Geste der deutsch-türkischen Freundschaft" und nicht als Restitution betrieben. Deutsche Medien berichten, daß der türkische Restitutionswunsch mit der Drohung des Entzugs der Grabungslizenz verbunden gewesen sein soll und die FAZ spricht gar von "handfester Erpressung". (2)
Die Süddeutsche Zeitung belehrt uns darüber, daß es sich im Fall des Getty-Museum um einen bewußt illegalen Akt gehandelt habe, was aber etwas ganz anderes sei, als ein "Fund", der "seit hundert Jahren oder länger in staatlichen Museen zu sehen" ist. (Hier entfällt dann offenbar die Frage nach Recht oder Unrecht). "Die Rückgabe ans Herkunftsland (ist) nicht zwingend geboten…". Und die Zeitung hält es auch für bedenklich, "dass diesem Archäologie-Nationalismus" (der natürlich nur der der Türken ist) "stattgegeben wird, welcher übrigens seit Atatürk die frühen anatolischen Völker fälschlich zu Vorfahren der Türken erklärt". (3)
(1) Niklas Maak: Ware für die besten Adressen, FAZ 17.5.2011 (hier)
(2) Andreas Kilb: Die Sphinx von Hattuscha kehrt zurück, FAZ 18.5.2011 (hier)
(3) Johan Schloeman: Heimkehr zweier Damen, Süddeutsche Zeitung 16.5.2011 (hier)
Dienstag, 17. Mai 2011
Alle mögen den neuen MAK-Direktor. Wirklich alle?
Eine kritische Stimme gibt es. Sie richtet sich nicht gegen die Person, sondern macht aufmerksam, daß die ersten Verlautbarungen auf keinen Kurswechsel hindeuten, sondern im Gegenteil, auf das Fortschreiben aller Noeverscher Initiativen. Das Spannungsverhältnis zum Profil des Hauses als Kunstgewerbemuseum bleibt bestehen - mein Vitus H. Weh in den Causeries du lundi (auf die ich hier schon mehrfach hingewiesen habe).
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