Museo Civico die Storia Naturale Verona. Foto: GF
Montag, 1. Februar 2010
Wenn es ein neuntältestes Museum gibt, muß es auch ein ältestes geben. (Was ist ein Museum? 02)
Wenn es ein neuntältestes Museums der Welt gibt (siehe Blog vom 10. Jänner 2010), dann muß es auch ein ältestes geben. Das neuntälteste behauptete, daß das das British Museum sei (1759 wird dort angegeben, das Jahr der Eröffnung, meist wird 1753 genannt, das Jahr, in dem der Parlamentsbeschluß zur Übernahme der Sammlung Hans Sloane und die Gründung des British museum beschlossen wurde).
Verwirrenderweise gibt es aber viele „älteste Museen“. Ich besitze eine kleine Sammlung von ihnen, das heißt von Museen, die in der museologischen Literatur oder in Lexika als „erste“ genannt werden.
Um es gleich vorwegzunehmen: in keinem Fall hat sich der Autor die Mühe gemacht, seine Kriterien zu nennen. Es wird forsch drauflos behauptet: „A Côme, le premier musée d’histoire… “ schreibt wie mit Rufzeichen Roland Schaer (1993) in seiner kleinen Museumsgeschichte, oder Donald Preziosi (2003) „…the original Ashmolean, the first public museum in Europe…“. Da wären wir einmal im 16. und einmal im 18. Jahrhundert. Das Britische Museum meldet sich sozusagen selbst zu Wort: The British Museum has the distinction of being the first national, public and secular museum in the world. (Marjorie Caygill: The Story of the British Museum. London 1981). Aber wenn es darum geht, daß Museen sich selbst zum ‚Sieger’ ausrufen, erweitert sich das Spektrum schlagartig. Da findet man dann ein sehr bescheidenes fürstliches Naturalienkabinett in Braunschweig neben den Kapitolinischen Museen in Rom, die sich auf eine päpstliche Denkmalstiftung berufen: „...decretando l’istituzione del più antico museo pubblico del mondo: la Lupa, posta sulla facciata del Palazzo die Conservatori, diventa il simbolo della città...“. (Musei capitolini. Roma 2000). Da sind wir dann sogar schon im 15. Jahrhundert.
Aber mit dem vermutlich mit dem British Museum als ‚erstes’ meistgenannten ‚Museum’, kommen noch mal einige hundert Jahre dazu. Und das ist das Alexandrinische Museion. Der Brockhaus von 1815: „Museum, eine Sammlung seltener und interessanter Gegenstände aus dem ganzen Umkreise der Naturgeschichte und Künste, und in Zimmern und Gebäuden zur Ansicht der Kenner und Liebhaber entweder auf Kosten einer Privatperson oder einer Regierung aufgestellt. Zuerst wurde diese Benennung, die eine Musengrotte, oder einen Musentempel bezeichnet, dem Theile des königlichen Palastes in Alexandrien gegeben, welchen Ptolemäus Philadelphus für die Gelehrten und die Bibliothek bestimmte.“
Bleiben wir gleich einmal bei dem letzten Beispiel. Der Brockhaus legt uns nahe, daß wir die Beschreibung – eine Sammlung seltener und interessanter Gegenstände usw. – mit dem Wort Museum gleichsetzen, das in Alexandria erstmals („zuerst’...) angewendet worden sei. Aber gerade nicht, wie es der Text nahelegt, für eine Sammlung. Das sehr wenige, was man nämlich über das museion von Alexandria weiß, ist, daß es eine Priester-Gelehrtengemeinschaft unter dem Protektorat eines Fürsten war, eine große und legendäre – sowie untergangegangene – Bibliothek mit eingeschlossen. Nirgends gibt es auch nur Die Spur einer Sammlung. Museion bedeutet seit der Gründung der Platonischen Akademie einen Wissensort, der alle Künste und Wissenschaften vereint und der zugleich ein religiöses Zentrum bildet. In dieser Tradition steht auch noch das museion in Alexandria.
Die Stiftung einiger bedeutender historischer Objekte durch den Papst an die Stadt Rom ist nicht mal eine Sammlung, sondern die entsteht erst in einer langen Entwicklung bis definitiv erst nach der Rückkehr von durch Napoleon nach Paris gebrachten Kunstwerken nach Rom ein Museum entsteht.
Die Villa des Gelehrten und Bischofs Paolo Giovio am Comer See enthielt einen Raum, der gelehrten Studien gewidmet war, dessen Ausstattung auf die antiken Musen anspielte und eine Galerie von kopierten Porträts ‚bedeutender Männer’. Interessant ist dieser Ort als ein frühes Besipiel für die Belebung des antiken Musenmythos, der im Mittelalter fast untergegangen war. Aber museion bedeutet hier, wie in Alexandria, ehr noch den Wissensort und nicht so sehr den Ort der Sammlung, geschweige denn der öffentlichen Ausstellung.
Mit dem British Museum scheint es eindeutig zu sein. Staatliche Trägerschaft, also auch staatliche Obsorge für eine Sammlung ohne definierten Zeithorizont und öffentliche Zugänglichkeit – das ist doch ‚unser’ Museum.
Bei genauerem Hinsehen, erweist sich aber der ‚nationale’ Charakter der Gründung als unter Museologen und Historikern umstritten und die tatsächliche Einrichtung des Museums muß eher einer jener überlebten ‚Raritätenkammern’ geglichen haben, wie es sie damals noch viele gab. Über die Unzulänglichkeit der Aufstellung gibt es aufschlussreiche zeitgenössische Quellen. Die Kritik betraf aber vor allem die extrem restriktiv gehandhabte Zugänglichkeit. Lange im Voraus notwendige Anmeldungen, Zulassung nur kleiner Gruppen und miserable Betreuung beim Besuch begleiten durch Jahrzehnte das in Montague House untergebrachte Museum.
Die vier Beispiele genügen, um ein Dilemma sichtbar zu machen. Es gibt vor allem zwei Schwierigkeiten. Das Wort Museum bezeichnet sehr unterschiedliche, untereinander kaum vergleichbare kulturelle Praktiken. Wobei ich hier gar nicht auf Wortbedeutungen eingegangen bin, die kaum oder überhaupt nicht mehr mit ‚Sammlung’ oder ‚Ausstellung’ oder ‚Haus’ in Verbindung zu bringen sind.
Die zweite Schwierigkeit liegt in einem methodischen Zirkel. Für eine historische Untersuchung bräuchte man einen Begriff, der aber wiederum nur aus einer Geschichte von Praktiken und Riten, von Zuschreibungen und Institutionalisierungen gewonnen werden könnte.
Im Grunde sind wir so gescheit, wie nach den vom neuntälteesten Museum provozierten Überlegungen. Aber doch etwas weiter, weil das Problem besser, die Aufgabe als komplexer und anspruchsvoller sichtbar geworden sind. Und weil einige Schlüsselbegriffe in den wenigen zitierten Beispielen aufgetaucht sind: Sammlung, national, Gegenstände, öffentlich...
Fortsetzung folgt.
Verwirrenderweise gibt es aber viele „älteste Museen“. Ich besitze eine kleine Sammlung von ihnen, das heißt von Museen, die in der museologischen Literatur oder in Lexika als „erste“ genannt werden.
Um es gleich vorwegzunehmen: in keinem Fall hat sich der Autor die Mühe gemacht, seine Kriterien zu nennen. Es wird forsch drauflos behauptet: „A Côme, le premier musée d’histoire… “ schreibt wie mit Rufzeichen Roland Schaer (1993) in seiner kleinen Museumsgeschichte, oder Donald Preziosi (2003) „…the original Ashmolean, the first public museum in Europe…“. Da wären wir einmal im 16. und einmal im 18. Jahrhundert. Das Britische Museum meldet sich sozusagen selbst zu Wort: The British Museum has the distinction of being the first national, public and secular museum in the world. (Marjorie Caygill: The Story of the British Museum. London 1981). Aber wenn es darum geht, daß Museen sich selbst zum ‚Sieger’ ausrufen, erweitert sich das Spektrum schlagartig. Da findet man dann ein sehr bescheidenes fürstliches Naturalienkabinett in Braunschweig neben den Kapitolinischen Museen in Rom, die sich auf eine päpstliche Denkmalstiftung berufen: „...decretando l’istituzione del più antico museo pubblico del mondo: la Lupa, posta sulla facciata del Palazzo die Conservatori, diventa il simbolo della città...“. (Musei capitolini. Roma 2000). Da sind wir dann sogar schon im 15. Jahrhundert.
Aber mit dem vermutlich mit dem British Museum als ‚erstes’ meistgenannten ‚Museum’, kommen noch mal einige hundert Jahre dazu. Und das ist das Alexandrinische Museion. Der Brockhaus von 1815: „Museum, eine Sammlung seltener und interessanter Gegenstände aus dem ganzen Umkreise der Naturgeschichte und Künste, und in Zimmern und Gebäuden zur Ansicht der Kenner und Liebhaber entweder auf Kosten einer Privatperson oder einer Regierung aufgestellt. Zuerst wurde diese Benennung, die eine Musengrotte, oder einen Musentempel bezeichnet, dem Theile des königlichen Palastes in Alexandrien gegeben, welchen Ptolemäus Philadelphus für die Gelehrten und die Bibliothek bestimmte.“
Bleiben wir gleich einmal bei dem letzten Beispiel. Der Brockhaus legt uns nahe, daß wir die Beschreibung – eine Sammlung seltener und interessanter Gegenstände usw. – mit dem Wort Museum gleichsetzen, das in Alexandria erstmals („zuerst’...) angewendet worden sei. Aber gerade nicht, wie es der Text nahelegt, für eine Sammlung. Das sehr wenige, was man nämlich über das museion von Alexandria weiß, ist, daß es eine Priester-Gelehrtengemeinschaft unter dem Protektorat eines Fürsten war, eine große und legendäre – sowie untergangegangene – Bibliothek mit eingeschlossen. Nirgends gibt es auch nur Die Spur einer Sammlung. Museion bedeutet seit der Gründung der Platonischen Akademie einen Wissensort, der alle Künste und Wissenschaften vereint und der zugleich ein religiöses Zentrum bildet. In dieser Tradition steht auch noch das museion in Alexandria.
Die Stiftung einiger bedeutender historischer Objekte durch den Papst an die Stadt Rom ist nicht mal eine Sammlung, sondern die entsteht erst in einer langen Entwicklung bis definitiv erst nach der Rückkehr von durch Napoleon nach Paris gebrachten Kunstwerken nach Rom ein Museum entsteht.
Die Villa des Gelehrten und Bischofs Paolo Giovio am Comer See enthielt einen Raum, der gelehrten Studien gewidmet war, dessen Ausstattung auf die antiken Musen anspielte und eine Galerie von kopierten Porträts ‚bedeutender Männer’. Interessant ist dieser Ort als ein frühes Besipiel für die Belebung des antiken Musenmythos, der im Mittelalter fast untergegangen war. Aber museion bedeutet hier, wie in Alexandria, ehr noch den Wissensort und nicht so sehr den Ort der Sammlung, geschweige denn der öffentlichen Ausstellung.
Mit dem British Museum scheint es eindeutig zu sein. Staatliche Trägerschaft, also auch staatliche Obsorge für eine Sammlung ohne definierten Zeithorizont und öffentliche Zugänglichkeit – das ist doch ‚unser’ Museum.
Bei genauerem Hinsehen, erweist sich aber der ‚nationale’ Charakter der Gründung als unter Museologen und Historikern umstritten und die tatsächliche Einrichtung des Museums muß eher einer jener überlebten ‚Raritätenkammern’ geglichen haben, wie es sie damals noch viele gab. Über die Unzulänglichkeit der Aufstellung gibt es aufschlussreiche zeitgenössische Quellen. Die Kritik betraf aber vor allem die extrem restriktiv gehandhabte Zugänglichkeit. Lange im Voraus notwendige Anmeldungen, Zulassung nur kleiner Gruppen und miserable Betreuung beim Besuch begleiten durch Jahrzehnte das in Montague House untergebrachte Museum.
Die vier Beispiele genügen, um ein Dilemma sichtbar zu machen. Es gibt vor allem zwei Schwierigkeiten. Das Wort Museum bezeichnet sehr unterschiedliche, untereinander kaum vergleichbare kulturelle Praktiken. Wobei ich hier gar nicht auf Wortbedeutungen eingegangen bin, die kaum oder überhaupt nicht mehr mit ‚Sammlung’ oder ‚Ausstellung’ oder ‚Haus’ in Verbindung zu bringen sind.
Die zweite Schwierigkeit liegt in einem methodischen Zirkel. Für eine historische Untersuchung bräuchte man einen Begriff, der aber wiederum nur aus einer Geschichte von Praktiken und Riten, von Zuschreibungen und Institutionalisierungen gewonnen werden könnte.
Im Grunde sind wir so gescheit, wie nach den vom neuntälteesten Museum provozierten Überlegungen. Aber doch etwas weiter, weil das Problem besser, die Aufgabe als komplexer und anspruchsvoller sichtbar geworden sind. Und weil einige Schlüsselbegriffe in den wenigen zitierten Beispielen aufgetaucht sind: Sammlung, national, Gegenstände, öffentlich...
Fortsetzung folgt.
Sonntag, 31. Januar 2010
Museen und Musen. John Updike. (Das Museum lesen 02)
„Mein erstes Museum habe ich mit meiner Mutter besucht. Es war ein Provinzmuseum, stattlicher Stolz einer drittklassigen Stadt im Landesinnern, die es zierte. Man näherte sich ihm durch ein paradiesisches Grundstück mit geharkten Kieswegen, in humusreichen Boden gepflanzter exotischer Flora und Bäumen, die Etiketten trugen, als wären sie eben erst von Adam getauft. Der Inhalt des Museums war irritierend vielfältig, seine Vitrinen waren bestückt mit allen möglichen Scherben fremder Zivilisation, je nachdem, was ihm von den anmaßenden Vermögen der Stahl‑ und Textilbarone der Provinz zugefallen war. Ein zerfetztes Kajak teilte sich einen Raum mit einem Gestell voll polynesischer Paddel. Eine Mumie, deren Schädel als Halbmaske vergoldet war, lag in einem Vorzimmer, als handle es sich um nichts anderes als eine jener Trauerfeiern am offenen Sarg, wie sie in meiner Kindheit üblich waren. Mexikanische Miniaturdörfer leuchteten auf, wenn man einen Schalter drehte, und eine Pyramide wurde von verdrießlich aussehenden braunen Puppen erbaut, die ihren Pappmache‑Stein niemals auch nur den Bruchteil eines Zentimeters fortbewegten.“
Belletristische Texte gehören nicht zum Interessensbereich der Museologen. Da entgeht ihr aber etwas – und allen anderen, die sich für Museen interessieren oder in ihnen arbeiten auch. Die feinnervige Beschreibung, der Sinn für das leicht zu Übersehende, das Mehrdeutige und Unheimliche, das Überraschende, für all das haben Schriftsteller einen anderen Blick, oder überhaupt eine, wo ansonsten Museumssoziologie oder Inventartechniken vor sich hin dorren. Wo museologische Methoden nicht hinreichen, da kann ein literarischer Text etwas auf den Punkt bringen.
Einer meiner liebsten Texte ist eine Kurzgeschichte von John Updike, Museen und Musen. Auf irgendeinem Workshop hat mir zum Abschied jemand eines dieser Mini-Taschenbücher geschenkt, die es damals eine Zeit lang gab und die nicht viel größer waren als eine Hand. 2 DM, 15 S steht auf dem Rücken, also war das vor der Eurozeit.
So lernte ich den Schriftsteller Updike kennen und schätzen und das winzige Büchlein mit fünf oder sechs ausgesucht schgönen Geschichten hält in meinem Bücherregal tapfer seinen Platz neben Updikes dickleibigen Romanen.
Die Geschichte sammelt mehrere Museumsbesuche ein, die der Autor alle mit Frauen macht, mit seiner Mutter, der Geliebten eines Freundes... Die Beziehung zwischen den Personen und die zum Museum kommen in einer Weise wie selbstverständlich ins Spiel, wo museologisch erst in jüngerer Zeit die Komplexität der Museumserfahrung anerkannt und untersucht wird und nicht alles immer vor allem auf Betrachter und Objekt fokussiert bleibt. Aber es geht mir ja gar nicht darum, die beiden unterschiedlichen Erfahrungsweisen und Rhetoriken gegeneinander auszuspielen. Sie sollen selbstverständlich friedlich koexistieren dürfen.
Eingenommen speziell für diesen Text war ich mit den ersten Zeilen (die ich seither oft und gerne zitiert habe). Ich beschäftigte mich gerade mit der Etymologie des Wortes Museum, also in gewisser Weise auch mit seiner Genealogie.
Da mussten solche Formulierungen natürlich auf mich wirken: „Nebeneinander sehen die beiden Wörter fast gleich aus, durchsichtig scheinbar. Die M und die n, die ihre Struktur rahmen und richten, können zwar nicht verhindern, daß die identischen s in der Mitte die Akzente anders tragen, das eine Mal vor sich her, das andere Mal auf dem Rücken. Dennoch, von ihrem dunklen vokalischen Kern aus klingen beide Wörter. Beide suggerieren sie Aura und Antike, Geheimnis und Pflicht.“
Dem Klang eines Wortes nachspüren und auf Strukturen einer Instution stoßen, das fesselte mich sofort, und Updike war sofort als literarische Muse beim museologischen Basteln engagiert.
Foto: John Updike im Cincinnati Art Museum
Belletristische Texte gehören nicht zum Interessensbereich der Museologen. Da entgeht ihr aber etwas – und allen anderen, die sich für Museen interessieren oder in ihnen arbeiten auch. Die feinnervige Beschreibung, der Sinn für das leicht zu Übersehende, das Mehrdeutige und Unheimliche, das Überraschende, für all das haben Schriftsteller einen anderen Blick, oder überhaupt eine, wo ansonsten Museumssoziologie oder Inventartechniken vor sich hin dorren. Wo museologische Methoden nicht hinreichen, da kann ein literarischer Text etwas auf den Punkt bringen.
Einer meiner liebsten Texte ist eine Kurzgeschichte von John Updike, Museen und Musen. Auf irgendeinem Workshop hat mir zum Abschied jemand eines dieser Mini-Taschenbücher geschenkt, die es damals eine Zeit lang gab und die nicht viel größer waren als eine Hand. 2 DM, 15 S steht auf dem Rücken, also war das vor der Eurozeit.
So lernte ich den Schriftsteller Updike kennen und schätzen und das winzige Büchlein mit fünf oder sechs ausgesucht schgönen Geschichten hält in meinem Bücherregal tapfer seinen Platz neben Updikes dickleibigen Romanen.
Die Geschichte sammelt mehrere Museumsbesuche ein, die der Autor alle mit Frauen macht, mit seiner Mutter, der Geliebten eines Freundes... Die Beziehung zwischen den Personen und die zum Museum kommen in einer Weise wie selbstverständlich ins Spiel, wo museologisch erst in jüngerer Zeit die Komplexität der Museumserfahrung anerkannt und untersucht wird und nicht alles immer vor allem auf Betrachter und Objekt fokussiert bleibt. Aber es geht mir ja gar nicht darum, die beiden unterschiedlichen Erfahrungsweisen und Rhetoriken gegeneinander auszuspielen. Sie sollen selbstverständlich friedlich koexistieren dürfen.
Eingenommen speziell für diesen Text war ich mit den ersten Zeilen (die ich seither oft und gerne zitiert habe). Ich beschäftigte mich gerade mit der Etymologie des Wortes Museum, also in gewisser Weise auch mit seiner Genealogie.
Da mussten solche Formulierungen natürlich auf mich wirken: „Nebeneinander sehen die beiden Wörter fast gleich aus, durchsichtig scheinbar. Die M und die n, die ihre Struktur rahmen und richten, können zwar nicht verhindern, daß die identischen s in der Mitte die Akzente anders tragen, das eine Mal vor sich her, das andere Mal auf dem Rücken. Dennoch, von ihrem dunklen vokalischen Kern aus klingen beide Wörter. Beide suggerieren sie Aura und Antike, Geheimnis und Pflicht.“
Dem Klang eines Wortes nachspüren und auf Strukturen einer Instution stoßen, das fesselte mich sofort, und Updike war sofort als literarische Muse beim museologischen Basteln engagiert.
Foto: John Updike im Cincinnati Art Museum
Freitag, 29. Januar 2010
Hat das Museum einen Möglichkeitssinn? (Texte im Museum 12)
Schöne Grüße aus Osnabrück.
Dort haben unsere Vorfahren bei Kalkriese (Schlacht im Teutoburger Wald) den Römern Einhalt geboten – leider!
Sonst hätten wir im Norden auch solch schöne Denkmäler.
Karin + Jürgen 1.Sept.2005
P.S.: Ganz genau wissen wir aber nicht ob die Niederlage der Römer 9 n. Chr. ein Segen oder ein Unglück war.
Ist immer alles so gekommen, wie wir es wollten? Wie hätte es anders kommen können? Dieser wunderbare Eintrag in das Besucherbuch eines kleinen archäologischen Museums in der Südsteiermark (Römermuseum Flavia Solva), höhlt nicht nur die Endgültigkeit aus, mit der Museen das was sich entwickelt hat, als Tatsache, als Ergebnisse, als Faktum präsentiert. Da kommen Zweifel auf und es werden Optionen und Alternativen sichtbar – und damit öffnet sich auch eine andere Möglichkeit, Zukunft zu denken. Wie es anders gewesen sein könnte, heißt immer auch: wie es anders werden könnte. Im Vorfeld der Errichtung des Deutschen Historischen Museums schrieb ein Kritiker, dieses Museum solle doch zeigen, warum immer alles so gekommen sei, wie es keiner wollte. Das wäre ein Museum des Möglichkeitssinns – wie es sich vielleicht auch Karin und Jürgen aus Osnabrück wünschen.
Weisse Kopfjagd. Die Naga-Vitrine in der „Götterbilder“-Ausstellung im Museum für Völkerkunde in Wien
Vorbemerkung: Das Völkerkundemuseum in Wien hat seine Dauerausstellungen vor längerer Zeit abgebaut, aber wies scheint, kann aus Geldmangel die neue Dauerausstellung nicht in Angriff genommen werden. Wer das Museum derzeit besucht, findet die jeweiligen Sonderausstellungen vor und eine 2009 eröffnete Ausstellung, die als ein Art ‚Preview‘ verstanden werden kann, als Auftakt oder Probe, als erste Etappe für die geplanten Sammlungsausstellungen. „Götterbilder“ ist den Religionen Süd- und Südostasiens sowie denen der Himalayländer gewidmet.
Wann es zur Errichtung der neuen Dauerausstellung kommen wird, ist inzwischen noch unklarer geworden. Es wird an einem Konzept zur Zusammenlegung mit dem Volkskundemuseum gearbeitet, was wohl weit reichende Auswirkungen auf die Präsentation der Bestände des Museums für Völkerkunde haben dürfte.
Der folgende Text beschäftigt sich mit einer einzigen Vitrine, einer die den Naga gewidmet ist. Zur Ausstellung insgesamt habe ich an anderer Stelle einen Text veröffentlicht.
Der Typ des Völkerkundemuseums entsteht im europäischen Kolonialismus des 19. Jahrhunderts. Kolonialmuseen, Handelsmuseen, Orientmuseen oder wie sie sonst noch anfangs heißen konnten, hatten es einerseits mit praktisch-ökonomischen andrerseits mit ideologischen Zwecken zu tun. Immer ging es dabei um die Darstellung der Überlegenheit der europäischen über andere Kulturen und um die Rechtfertigung, diese Überlegenheit wirtschaftlich und kulturell auszubeuten. Die Sammlungen einschlägiger Museen speisten sich aus Raub, Enteignung und selbst dort, wo sie durch freiwillige Gaben, Schenkung oder Kauf vermehrt wurden, war es aufgrund politischer und militärischer Überlegenheit selten ein gerechter Tausch. Völkerkundemuseen waren und sind vielfach noch immer hegemoniale Projekte, die eine europäische Sichtweise auf unterlegen und unterentwickelt geglaubt und dargestellte Ethnien durchsetzten. Dabei wurde der ‚Autor’ dieses Prozesses immer ausgeklammert. Der Autor, der über die Erzählstrategien und Repräsentationsweisen ebenso entschied, wie über die Bedeutungszuweisung und den spezifischen Blick, den man auf den ‚Anderen’ warf.
Die Vitrine ist den Naga gewidmet, einer – sehr vereinfacht gesagt – Gruppe von Stämmen, die im Nordosten Indiens lebten und die das Interesse der Ethnologie vor allem durch die von ihnen praktizierte Kopfjagd erweckten.
Die teilweise symmetrisch bestückte Vitrine zeigt links Objekte, die sich auf die Kopfjagd und darauf bezogene Handwerkskunst und sogenannte Ritualgegenstände beziehen. (Zeremonialkorb, Zeremonialdao – ein ‚Dao’ ist, wie man nachlesen kann, eine Art ‚Universalwerkzeug’ -, Zeremonialhut, Ahnenfigur, ein Acryl-Bild eines Naga-Paares, Zeremonialspeer, Kopftrophäe). Im rechten Teil der Vitrine werden – wie in der linken - acht Objekte gezeigt: eine aufgeschlagene Kinderbibel, eine weitere Bibel, ein Kreuz, ein Priestergewand (Kasel), eine Stola, ein Foto mit Papst Benedikt XVI. und dem Naga-Bischof Jose Mukala, und, in beabsichtigter Symmetrie zu zwei Ahnenfiguren links, je eine Gips-Statue von Christus und Maria. Also ausnahmslos Gegenstände die auf die christlich-baptistische Religion verweisen, die heute von der überwiegenden Mehrzahl der Bevölkerung praktiziert wird.
Die Anordnung von links / vorher und rechts / nachher lesen wir wie selbstverständlich als Erzählung und Entwicklung. Grob zusammengefasst kann man das so sagen: die köpfjägerischen Naga sind durch Christianisierung Teil der zivilen Völkergemeinschaft geworden.
Diese Lesart wird unterstrichen vom Text in der Vitrine, der die unterschwellige Kontinuität zwischen beiden kulturellen Formationen und Zeiten in einer Art sublimierter Fortwirkung der – als Opferkult - gedeuteten – Kopfjagd in der durch ihr – unblutiges – Opfer ausgezeichneten christlichen Religion. Das legt die Deutung einer zivilisatorischen Transformation nahe, die durch eine Christianisierung glücklich bewirkt wurde. Das ganze komplexe Spiel der modernen Identifizierung der Naga, die zwischen Adaption und Widerstand, Traditionsbewusst sein und materieller Modernisierung oszilliert, sowie Kampf um politische Unabhängigkeit bleibt weitgehend ausgeklammert. Vor allem aber der zweifellos selbst kolonisierende Prozess der religiösen ‚Bekehrung‘. Der Kurator der Ausstellung, Christian Schickelgruber, schreibt unmißverständlich im Begleitbuch, daß Britische Kolonisierung und die von den USA ausgehende Missionierung, der „eigenständigen kulturellen Identität der Naga ein jähes Ende“ bereitet hätten.
Im Brennpunkt des rechten Teils der Vitrine kann man das Bild sehen, auf dem zu sehen ist, wie ein Naga-Bischof dem Papst ein traditionelles Tuch um die Schulter legt. Da wird nicht nur die harmonische religiöse Assimilation beschworen, sondern eine Art Eingemeindung in eine christliche Weltgemeinschaft, in der die einst Wilden, befriedet und zufrieden, eingekehrt sind.
Dass das Wiener Völkerkunde-museum eine singuläre Sammlung von einst den Naga gehörenden Dingen besitzt, versteht man nur vor dem politisch-ideologischen Hintergrund der NS-Zeit und der Protegierung des Sammlers durch die Britische Kolonialmacht und den – man kann’s nicht anders sagen - kopfjägerischen Strategien und Interessen der Ethnologie dieser Zeit.
Der Sammler, dem das Museum seine besondere Naga-Kollektion verdankt, Christoph von Fürer-Haimendorf, wird in der Literatur eher als Reiseschrift-steller, denn als Ethnologe eingestuft. Als solcher ordnete er sich zunächst sowohl der NS-Politik und Ideologie als auch den Interessen des britischen Kolonialismus so unter, dass er ‚erfolgreich’ das Naga-Gebiet ‚ethnologisch’ bereisen konnte. Er war illegales NSDAP-Mitglied und ab 1936 Dozent am Institut für Völkerkunde, „wo er nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland im März 1938 eine wesentliche Stütze von Sturmbannführer Christian war und mit der Neuorganisation des Instituts unter den Rahmenbedingungen der Hitler-Diktatur betraut wurde.“ (Christian Schicklgruber: Christoph von Fürer-Haimendorf - Sammler und Chronist der Naga zwischen den Fronten, in: Michael Oppitz u.a. (g.): Naga Identitäten. Zeitenwende einer Lokalkultur im Nordosten Indiens. Gent 2008, S.356).
1936/37 hielt sich Haimendorf dreizehn Monate im Gebiet der Naga auf, wo er unter der Protektion und dem militärischen Schutz der britischen Kolonialmacht ‚sammeln’ konnte. Gut dokumentiert, auch mit Fotografien sowie mit von Haimendorf herrührenden Textquellen, ist eine Strafexpedition gegen das Dorf Panghsa, das von den britischen Truppen niedergebrannt wurde, nachdem zuvor Haimendorf, der „weisse Kopfjäger“, wie er sich selbst nannte, „manches Objekt für europäische museale Sammlungen vor dem Feuer retten“ konnte (C. Schicklgruber, wie oben, S.358). Die Dokumente lassen eigentlich keine Zweifel, daß es sich nicht um Sammeln sondern um Raub handelt.
Für die Ethnologie und die Museen jener Zeit war offensichtlich die ‚attraktivste’ Eigenheit der Naga ihre Kopfjagd. Es spricht aber viel dafür, dass es gerade die koloniale Verwaltung war, deren Verbot der Kopfjagd und das Interesse der Ethnologen, das diese erst recht anheizte und gewissermaßen ‚auflud’. „Ähnlich wie im Falle der ‚Skalps’ oder der ‚Schrumpfköpfe’ gilt auch hier: Was in Europa oft mit Schauer als Zeichen blutrünstiger Primitivität wahrgenommen wurde und damit die eigene europäische Überlegenheit und die Notwendigkeit des kolonialen „Zivilisationsprozesses“ unterstreichen konnte, das war so erst durch die europäische Kolonialpräsenz verstärkt hervorgerufen, verändert und weiter verbreitet worden.“ (Andre Gingrich: Gebrochene Kontexte einer prekären Ethnographie: Einführende Überlegungen zum Frühwerk von Christopf Fürer-Haimendorf, in: Hilde Schäffler: Begehrte Köpfe. Christoph Fürer-Haimendorfs Feldforschung im Nagaland (Nordostindien) der 30er Jahre. Wien 2006).
Die Präsentation der Naga in der Vitrine spart diese – hier aus Platzgründen verkürzt widergegebene - Wechselbeziehung von ethnologischem Interesse, kolonialer Politik und europäischem Begehren aus.
1939 veröffentlichte Haimendorf, der offenbar von beiden Herrschaftssystemen, Nationalsozialismus und Britische Kolonialmacht, geschickt profitierte, seinen ‚Reisebericht’, Die nackten Nagas, und im selben Jahr wurde seine Sammlung im Völkerkundemuseum in Wien ausgestellt. Zu all diesen politi-schen und ideologischen Bedingungen des Zustandekommens der Sammlung fällt kein Wort in der Ausstellung (und auch wenig im begleitenden Publikumskatalog), stattdessen finden wir – wie ein Motto – in der Vitrine ein komplett irreführendes wörtliches Zitat des Sammlers und Ethnologen Fürer-Haimendorf, aus dessen erwähntem Buch von 1939, das dessen Interessen und Sichtweisen als selbstkritisch unterfüttert darstellt, ganz konträr zu seiner tatsächlichen ethnologischen Praxis.
Die Versuchung ist groß, die Nagas als kühnes Kriegsvolk darzustellen und alles Licht auf Kopfjagd, Menschenopfer und andere aufregende Sitten zu werfen. Das Ungewöhnliche reizt ja stets besonders, und gerade die Völkerkunde hat noch nicht lange aufgehört, sich vor allem mit dem Absonderlichen und kuriosen in exotischen Kulturen zu beschäftigen. Doch wollten wir diesem Drang nachgeben und den Naga nur als den von den Leidenschaften nach Ruhm und menschlichen Köpfen besessenen Krieger schildern, so würde unser Bilde mit der Wirklichkeit wenig gemeinsames haben. Der Naga ist in erster Linie Ackerbauer. Neun Zehntel seiner Gedanken und seiner Arbeitskraft gelten seinen Feldern.
Aber alle Objekte in der Vitrine haben direkt oder indirekt mit der Kopfjagd zu tun, kein einziges mit dem Ackerbau. Deren Aussage steht im diametralen Gegensatz zum Zitat. Der Umgang mit dem Zitat, die Präsentation in der Vitrine mit ihrem affirmativen und ‚pädagogischen’ Narrativ, das Verschleiern der Herkunft und Ideologie der Sammlung lässt diesen Abschnitt der Dauerausstellung zur klassischen Unschuldskomödie werden.
Fotos: Gottfried Fliedl (2009)
Wann es zur Errichtung der neuen Dauerausstellung kommen wird, ist inzwischen noch unklarer geworden. Es wird an einem Konzept zur Zusammenlegung mit dem Volkskundemuseum gearbeitet, was wohl weit reichende Auswirkungen auf die Präsentation der Bestände des Museums für Völkerkunde haben dürfte.
Der folgende Text beschäftigt sich mit einer einzigen Vitrine, einer die den Naga gewidmet ist. Zur Ausstellung insgesamt habe ich an anderer Stelle einen Text veröffentlicht.
1
Der Typ des Völkerkundemuseums entsteht im europäischen Kolonialismus des 19. Jahrhunderts. Kolonialmuseen, Handelsmuseen, Orientmuseen oder wie sie sonst noch anfangs heißen konnten, hatten es einerseits mit praktisch-ökonomischen andrerseits mit ideologischen Zwecken zu tun. Immer ging es dabei um die Darstellung der Überlegenheit der europäischen über andere Kulturen und um die Rechtfertigung, diese Überlegenheit wirtschaftlich und kulturell auszubeuten. Die Sammlungen einschlägiger Museen speisten sich aus Raub, Enteignung und selbst dort, wo sie durch freiwillige Gaben, Schenkung oder Kauf vermehrt wurden, war es aufgrund politischer und militärischer Überlegenheit selten ein gerechter Tausch. Völkerkundemuseen waren und sind vielfach noch immer hegemoniale Projekte, die eine europäische Sichtweise auf unterlegen und unterentwickelt geglaubt und dargestellte Ethnien durchsetzten. Dabei wurde der ‚Autor’ dieses Prozesses immer ausgeklammert. Der Autor, der über die Erzählstrategien und Repräsentationsweisen ebenso entschied, wie über die Bedeutungszuweisung und den spezifischen Blick, den man auf den ‚Anderen’ warf.
2
Dass eine Trophäe gezeigt wird, ein mit Gegenständen kombinierter Totenschädel, ist erstaunlich. Warum macht ein Museum im Jahr 2009 so etwas noch, trotz aller museologischen, ethischen und rechtlichen Debatten, die seit langem zum Umgang von Museen mit menschlichen Körpern, Skeletten, Mumien usw. geführt werden? Die Überraschung über dieses Ausstellungs’objekt‘ war der Ausgangspunkt meines Interesses. Die Vitrine ist den Naga gewidmet, einer – sehr vereinfacht gesagt – Gruppe von Stämmen, die im Nordosten Indiens lebten und die das Interesse der Ethnologie vor allem durch die von ihnen praktizierte Kopfjagd erweckten.
Die teilweise symmetrisch bestückte Vitrine zeigt links Objekte, die sich auf die Kopfjagd und darauf bezogene Handwerkskunst und sogenannte Ritualgegenstände beziehen. (Zeremonialkorb, Zeremonialdao – ein ‚Dao’ ist, wie man nachlesen kann, eine Art ‚Universalwerkzeug’ -, Zeremonialhut, Ahnenfigur, ein Acryl-Bild eines Naga-Paares, Zeremonialspeer, Kopftrophäe). Im rechten Teil der Vitrine werden – wie in der linken - acht Objekte gezeigt: eine aufgeschlagene Kinderbibel, eine weitere Bibel, ein Kreuz, ein Priestergewand (Kasel), eine Stola, ein Foto mit Papst Benedikt XVI. und dem Naga-Bischof Jose Mukala, und, in beabsichtigter Symmetrie zu zwei Ahnenfiguren links, je eine Gips-Statue von Christus und Maria. Also ausnahmslos Gegenstände die auf die christlich-baptistische Religion verweisen, die heute von der überwiegenden Mehrzahl der Bevölkerung praktiziert wird.
Die Anordnung von links / vorher und rechts / nachher lesen wir wie selbstverständlich als Erzählung und Entwicklung. Grob zusammengefasst kann man das so sagen: die köpfjägerischen Naga sind durch Christianisierung Teil der zivilen Völkergemeinschaft geworden.
Diese Lesart wird unterstrichen vom Text in der Vitrine, der die unterschwellige Kontinuität zwischen beiden kulturellen Formationen und Zeiten in einer Art sublimierter Fortwirkung der – als Opferkult - gedeuteten – Kopfjagd in der durch ihr – unblutiges – Opfer ausgezeichneten christlichen Religion. Das legt die Deutung einer zivilisatorischen Transformation nahe, die durch eine Christianisierung glücklich bewirkt wurde. Das ganze komplexe Spiel der modernen Identifizierung der Naga, die zwischen Adaption und Widerstand, Traditionsbewusst sein und materieller Modernisierung oszilliert, sowie Kampf um politische Unabhängigkeit bleibt weitgehend ausgeklammert. Vor allem aber der zweifellos selbst kolonisierende Prozess der religiösen ‚Bekehrung‘. Der Kurator der Ausstellung, Christian Schickelgruber, schreibt unmißverständlich im Begleitbuch, daß Britische Kolonisierung und die von den USA ausgehende Missionierung, der „eigenständigen kulturellen Identität der Naga ein jähes Ende“ bereitet hätten.
Im Brennpunkt des rechten Teils der Vitrine kann man das Bild sehen, auf dem zu sehen ist, wie ein Naga-Bischof dem Papst ein traditionelles Tuch um die Schulter legt. Da wird nicht nur die harmonische religiöse Assimilation beschworen, sondern eine Art Eingemeindung in eine christliche Weltgemeinschaft, in der die einst Wilden, befriedet und zufrieden, eingekehrt sind.
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Vor der Vitrine rätselte ich, warum im Kontext der Ausstellung, neben Buddhismus und Hinduismus, also zwischen den großen Religionen, ausgerechnet die Naga auftauchen. Ich dachte, dass es sich um eine besondere Sammlung des Museums handeln müsste – und genauso ist es.Dass das Wiener Völkerkunde-museum eine singuläre Sammlung von einst den Naga gehörenden Dingen besitzt, versteht man nur vor dem politisch-ideologischen Hintergrund der NS-Zeit und der Protegierung des Sammlers durch die Britische Kolonialmacht und den – man kann’s nicht anders sagen - kopfjägerischen Strategien und Interessen der Ethnologie dieser Zeit.
Der Sammler, dem das Museum seine besondere Naga-Kollektion verdankt, Christoph von Fürer-Haimendorf, wird in der Literatur eher als Reiseschrift-steller, denn als Ethnologe eingestuft. Als solcher ordnete er sich zunächst sowohl der NS-Politik und Ideologie als auch den Interessen des britischen Kolonialismus so unter, dass er ‚erfolgreich’ das Naga-Gebiet ‚ethnologisch’ bereisen konnte. Er war illegales NSDAP-Mitglied und ab 1936 Dozent am Institut für Völkerkunde, „wo er nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland im März 1938 eine wesentliche Stütze von Sturmbannführer Christian war und mit der Neuorganisation des Instituts unter den Rahmenbedingungen der Hitler-Diktatur betraut wurde.“ (Christian Schicklgruber: Christoph von Fürer-Haimendorf - Sammler und Chronist der Naga zwischen den Fronten, in: Michael Oppitz u.a. (g.): Naga Identitäten. Zeitenwende einer Lokalkultur im Nordosten Indiens. Gent 2008, S.356).
1936/37 hielt sich Haimendorf dreizehn Monate im Gebiet der Naga auf, wo er unter der Protektion und dem militärischen Schutz der britischen Kolonialmacht ‚sammeln’ konnte. Gut dokumentiert, auch mit Fotografien sowie mit von Haimendorf herrührenden Textquellen, ist eine Strafexpedition gegen das Dorf Panghsa, das von den britischen Truppen niedergebrannt wurde, nachdem zuvor Haimendorf, der „weisse Kopfjäger“, wie er sich selbst nannte, „manches Objekt für europäische museale Sammlungen vor dem Feuer retten“ konnte (C. Schicklgruber, wie oben, S.358). Die Dokumente lassen eigentlich keine Zweifel, daß es sich nicht um Sammeln sondern um Raub handelt.
Für die Ethnologie und die Museen jener Zeit war offensichtlich die ‚attraktivste’ Eigenheit der Naga ihre Kopfjagd. Es spricht aber viel dafür, dass es gerade die koloniale Verwaltung war, deren Verbot der Kopfjagd und das Interesse der Ethnologen, das diese erst recht anheizte und gewissermaßen ‚auflud’. „Ähnlich wie im Falle der ‚Skalps’ oder der ‚Schrumpfköpfe’ gilt auch hier: Was in Europa oft mit Schauer als Zeichen blutrünstiger Primitivität wahrgenommen wurde und damit die eigene europäische Überlegenheit und die Notwendigkeit des kolonialen „Zivilisationsprozesses“ unterstreichen konnte, das war so erst durch die europäische Kolonialpräsenz verstärkt hervorgerufen, verändert und weiter verbreitet worden.“ (Andre Gingrich: Gebrochene Kontexte einer prekären Ethnographie: Einführende Überlegungen zum Frühwerk von Christopf Fürer-Haimendorf, in: Hilde Schäffler: Begehrte Köpfe. Christoph Fürer-Haimendorfs Feldforschung im Nagaland (Nordostindien) der 30er Jahre. Wien 2006).
Die Präsentation der Naga in der Vitrine spart diese – hier aus Platzgründen verkürzt widergegebene - Wechselbeziehung von ethnologischem Interesse, kolonialer Politik und europäischem Begehren aus.
1939 veröffentlichte Haimendorf, der offenbar von beiden Herrschaftssystemen, Nationalsozialismus und Britische Kolonialmacht, geschickt profitierte, seinen ‚Reisebericht’, Die nackten Nagas, und im selben Jahr wurde seine Sammlung im Völkerkundemuseum in Wien ausgestellt. Zu all diesen politi-schen und ideologischen Bedingungen des Zustandekommens der Sammlung fällt kein Wort in der Ausstellung (und auch wenig im begleitenden Publikumskatalog), stattdessen finden wir – wie ein Motto – in der Vitrine ein komplett irreführendes wörtliches Zitat des Sammlers und Ethnologen Fürer-Haimendorf, aus dessen erwähntem Buch von 1939, das dessen Interessen und Sichtweisen als selbstkritisch unterfüttert darstellt, ganz konträr zu seiner tatsächlichen ethnologischen Praxis.
Die Versuchung ist groß, die Nagas als kühnes Kriegsvolk darzustellen und alles Licht auf Kopfjagd, Menschenopfer und andere aufregende Sitten zu werfen. Das Ungewöhnliche reizt ja stets besonders, und gerade die Völkerkunde hat noch nicht lange aufgehört, sich vor allem mit dem Absonderlichen und kuriosen in exotischen Kulturen zu beschäftigen. Doch wollten wir diesem Drang nachgeben und den Naga nur als den von den Leidenschaften nach Ruhm und menschlichen Köpfen besessenen Krieger schildern, so würde unser Bilde mit der Wirklichkeit wenig gemeinsames haben. Der Naga ist in erster Linie Ackerbauer. Neun Zehntel seiner Gedanken und seiner Arbeitskraft gelten seinen Feldern.
Aber alle Objekte in der Vitrine haben direkt oder indirekt mit der Kopfjagd zu tun, kein einziges mit dem Ackerbau. Deren Aussage steht im diametralen Gegensatz zum Zitat. Der Umgang mit dem Zitat, die Präsentation in der Vitrine mit ihrem affirmativen und ‚pädagogischen’ Narrativ, das Verschleiern der Herkunft und Ideologie der Sammlung lässt diesen Abschnitt der Dauerausstellung zur klassischen Unschuldskomödie werden.
Fotos: Gottfried Fliedl (2009)
Donnerstag, 28. Januar 2010
Das Essl-Museum in Klosterneuburg
Das Essl-Museum in Klosterneuburg ist zehn Jahre alt geworden. Es ist eines der Museen, die ich sehr oft und regelmäßig besuche. Ich schätze sowohl die Atmosphäre des Hauses als auch die Art und Weise, wie hier Ausstellungen gemacht werden. Doch der Reihe nach.
Agnes und Karl-Heinz Essl haben irgendwann begonnen, einen Teil des Gewinnes ihres großen Baumarktunternehmens in Kunstankäufe zu investieren. Teile der Kunstsammlung wurden in der Firmenzentrale in Klosterneuburg-Weidling ausgestellt – wo auch heute noch Ausstellungen stattfinden. Kennzeichnend für die mäzenatische und altruistische Haltung des Sammlerehepaares ist, daß man schon damals versuchte, auch die Belegschaft der Firma für moderne Kunst zu interessieren.
Als das Museumsquartier in Wien in Planung und kontroverser Diskussion stand, tauchte kurz die Idee auf, die Sammlung Essl dort anzusiedeln und ihm ein Museum zu widmen. Ich weiß nicht, ob das Scheitern dieser Pläne den Ausschlag gab, aber man entschloss sich, auf eigene Kosten ein Museum zu errichten, nur wenige hundert Meter vom Firmensitz entfernt, und geplant von demselben Architekten der auch schon das Bürohaus geplant hatte: Heinz Tesar.
Das ist einer der Gründe, warum ich das Museum mag – seine unprätentiöse Architektur, die mit einem Minimum an musealem Pathos auskommt und, so nehme ich es wahr, mit Eleganz und Entspanntheit einen wunderbaren Rahmen für den Museumsbesuch bietet.
Der Museumsbesuch beginnt mit einem beispiellosen Understatement. Wo andere, moderne oder historische Museen, den liminalen Übergang vom Stadt- zum Museumsraum mehr oder wenig dramatisch akzentuieren, gibt es hier nur eine Rampe mit selbstöffneder Metalltür und dann steht man in einem Raum, der rechter Hand die Kassa und Garderobe aufnimmt, während man linker Hand Treppe und Lift findet. Die Anmutungsqualität dieses nüchternen Empfangsraumes läßt einen umso überraschter den ersten Stock, mit seinen im unregelmäßigen Rechteck angeordneten Ausstellungsräumen, entdecken. Ein begrünter Innenhof, viel Glas, Licht und Blickfreiheit vermitteln jenes Minimum an räumlicher Alterität, ohne die vielleicht doch kein Museum auskommen kann. Über einem der Ausstellungsflügel liegt dann noch der größte der Ausstellungssäle, daneben ein Cafe und ein kleiner Bookshop. Im Niemandsland zwischen Bahntrasse und Straße einerseits und Donauau andrerseits gelegen, ist der Bau mit diversen Ausblicken in der Umgebung verankert, vor allem von einer Art Belvedere aus mit der Vedute des Stiftes, die seit je her so etwas wie ein das die Stadt Klosterneuburg repräsentierendes ‚Ikon’ ist.
Das Museum habe ich am Beginn als Nachhilfeunterricht für zeitgenössiche österreichische Kunst genossen. Wie nirgends sonst, gab es hier die Möglichkeit, die Arbeiten der jüngsten Generationen kennenzulernen. Sammlungsausstellungen wechselten und wechseln bis heute mit thematischen für die gelegentlich externe Kuratoren herangezogen werden. Das Spektrum der Interessen des Sammlerehepaares hat sich inzwischen beträchtlich erweitert und Ausstellungen zur zeitgenössichen Kunst Chinas, Indiens oder Osteuropas wetteifern mit den Strategien größerer und staatlicher Kunstmuseen.
Eine Besonderheit des Museums, der Haltung von Agnes und Karl-Heinz Essl geschuldet, ist die strikte Verantwortlichkeit gegenüber Publikum und Öffentlichkeit. Von Anfang an gab es eine große Vermittlungsabteilung (meiner Einschätzung nach die größte in Relation zur Größe des Museums in Österreich), eine Abteilung, die ein breites Spektrum von Methoden, Angeboten und Projekten entwickelt hat. Das Team ist offenbar sehr gut integriert, wie kaum ein vergleichbares anderswo; die Hierachien scheinen im Haus flach zu sein, die Grenzen zwischen Kuratoren, Vermittlern und den auch kuratorisch tätigen Sammlern sehr durchlässig. Das heißt, daß die Vermittler an der Produktion von Ausstellungen beteiligt sind und auch selbst welche kuratieren.
Für Österreich ist das selbstlose Engagement der Sammler beispiellos. Dafür gibt es hiezulande kaum Tradition. Es ist ein sehr besonderer Ort entstanden, an dem man, so ist es mir oft gegangen, wunderbare Entdeckungsreisen durch die Gegenwartskunst machen kann.
Agnes und Karl-Heinz Essl haben irgendwann begonnen, einen Teil des Gewinnes ihres großen Baumarktunternehmens in Kunstankäufe zu investieren. Teile der Kunstsammlung wurden in der Firmenzentrale in Klosterneuburg-Weidling ausgestellt – wo auch heute noch Ausstellungen stattfinden. Kennzeichnend für die mäzenatische und altruistische Haltung des Sammlerehepaares ist, daß man schon damals versuchte, auch die Belegschaft der Firma für moderne Kunst zu interessieren.
Als das Museumsquartier in Wien in Planung und kontroverser Diskussion stand, tauchte kurz die Idee auf, die Sammlung Essl dort anzusiedeln und ihm ein Museum zu widmen. Ich weiß nicht, ob das Scheitern dieser Pläne den Ausschlag gab, aber man entschloss sich, auf eigene Kosten ein Museum zu errichten, nur wenige hundert Meter vom Firmensitz entfernt, und geplant von demselben Architekten der auch schon das Bürohaus geplant hatte: Heinz Tesar.
Das ist einer der Gründe, warum ich das Museum mag – seine unprätentiöse Architektur, die mit einem Minimum an musealem Pathos auskommt und, so nehme ich es wahr, mit Eleganz und Entspanntheit einen wunderbaren Rahmen für den Museumsbesuch bietet.
Der Museumsbesuch beginnt mit einem beispiellosen Understatement. Wo andere, moderne oder historische Museen, den liminalen Übergang vom Stadt- zum Museumsraum mehr oder wenig dramatisch akzentuieren, gibt es hier nur eine Rampe mit selbstöffneder Metalltür und dann steht man in einem Raum, der rechter Hand die Kassa und Garderobe aufnimmt, während man linker Hand Treppe und Lift findet. Die Anmutungsqualität dieses nüchternen Empfangsraumes läßt einen umso überraschter den ersten Stock, mit seinen im unregelmäßigen Rechteck angeordneten Ausstellungsräumen, entdecken. Ein begrünter Innenhof, viel Glas, Licht und Blickfreiheit vermitteln jenes Minimum an räumlicher Alterität, ohne die vielleicht doch kein Museum auskommen kann. Über einem der Ausstellungsflügel liegt dann noch der größte der Ausstellungssäle, daneben ein Cafe und ein kleiner Bookshop. Im Niemandsland zwischen Bahntrasse und Straße einerseits und Donauau andrerseits gelegen, ist der Bau mit diversen Ausblicken in der Umgebung verankert, vor allem von einer Art Belvedere aus mit der Vedute des Stiftes, die seit je her so etwas wie ein das die Stadt Klosterneuburg repräsentierendes ‚Ikon’ ist.
Das Museum habe ich am Beginn als Nachhilfeunterricht für zeitgenössiche österreichische Kunst genossen. Wie nirgends sonst, gab es hier die Möglichkeit, die Arbeiten der jüngsten Generationen kennenzulernen. Sammlungsausstellungen wechselten und wechseln bis heute mit thematischen für die gelegentlich externe Kuratoren herangezogen werden. Das Spektrum der Interessen des Sammlerehepaares hat sich inzwischen beträchtlich erweitert und Ausstellungen zur zeitgenössichen Kunst Chinas, Indiens oder Osteuropas wetteifern mit den Strategien größerer und staatlicher Kunstmuseen.
Eine Besonderheit des Museums, der Haltung von Agnes und Karl-Heinz Essl geschuldet, ist die strikte Verantwortlichkeit gegenüber Publikum und Öffentlichkeit. Von Anfang an gab es eine große Vermittlungsabteilung (meiner Einschätzung nach die größte in Relation zur Größe des Museums in Österreich), eine Abteilung, die ein breites Spektrum von Methoden, Angeboten und Projekten entwickelt hat. Das Team ist offenbar sehr gut integriert, wie kaum ein vergleichbares anderswo; die Hierachien scheinen im Haus flach zu sein, die Grenzen zwischen Kuratoren, Vermittlern und den auch kuratorisch tätigen Sammlern sehr durchlässig. Das heißt, daß die Vermittler an der Produktion von Ausstellungen beteiligt sind und auch selbst welche kuratieren.
Für Österreich ist das selbstlose Engagement der Sammler beispiellos. Dafür gibt es hiezulande kaum Tradition. Es ist ein sehr besonderer Ort entstanden, an dem man, so ist es mir oft gegangen, wunderbare Entdeckungsreisen durch die Gegenwartskunst machen kann.
Montag, 25. Januar 2010
Samstag, 23. Januar 2010
Interaktion mit einer Wand (Texte im Museum 09)
Wunsch und Wirklichkeit. Die Bitte und ihre Erfüllung. Völkerkundemuseum Wien, Jänner 2010. Foto: GF
To Help Think about Museums More Intensely. Stephen E. Weil. (Das Museum lesen 01)
„It's the first Saturday morning in November, bright but brisk. You pass an open field where some thirty or so sweat-streaked men and women are loading a truck with rocks. You pause to watch them at work. While you watch, a person who appears to be their leader walks over to ask if you might care to lend a hand. Before responding, you will naturally want to know why these people are making such an enormous effort to gather such a big load of rocks. And so you ask: Why are you doing this?“
So beginnt Stephen Weil eine seiner vier warm-up exercises, mit denen er die Frage nach dem Sinn des Museums aufwirft.
Ich bedaure, daß ich Stephen Weil nie kennengelernt habe. Er muß ein eloquenter Vortragender gewesen sein, ein unglaublich kenntnisreicher Kurator und Museumsleiter und sein Spektrum der Interessen und Kompetenzen ist, wenn man seine Publikationen Revue passieren läßt, ungewöhnlich breit gefächert.
Weil war in pragmatischen Fragen enorm beschlagen war – er war ein herausragender Kunstrechtsexperte-, die zur Arbeit der Organisation Museum gehören, aber einem Publikum nie beußt werden, fällt umso mehr ins Gewicht, daß er seinen Beruf und die Institution Museum so grundsätzlich infrage stellen konnte.
Bislang kenne ich keine radikaleren Texte, keine, die die schlichte, vielen wohl zu schlicht erscheinende Frage stellen, Why are you doing this?
Antworten dazu haben wir alle. Auch Weil hat welche: It's an old tradition in our community, lautet eine der Antworten die wir vom Steinesammler bekommen, aber auch This is a piece of unused land that we're hoping to transform into a public garden. Oder diese: We've got an annual contest going with the next town down the road to see which of us can hoist the most rocks in two hours.
Und so weiter. Wir ahnen schon, worauf das hinausläuft, und Weil bittet uns denn auch zu überlegen, welche der vielen Antworten uns besonders zusagt, welche weniger oder welche wir denn anzubieten hätten?
Warum wird diese Frage so selten gestellt, warum wir das tun? Ich denke, es liegt auf der Hand. Man stellt damit das in Frage, was man tut, aber auch das was die Institution tut, man läuft Gefahr, daß man eine ambivalente vielleicht sogar negative oder eine Antwort erhält, die weit von dem entfernt ist, worauf man momentan seine Arbeit gründet.
Weil verfolgt, so läßt es der Sammeltitel der vier Essays vermuten, mit seinen witzigen und heimtückischen Parabeln, genau diese pädagogische Absicht. Überlegt euch mal wozu das Museum gut ist!
Meine Erfahrungen aus Diskussionen über diese Texte spiegelt die Provokation, die in ihnen steckt. Abwehr, Verweigerung, Überforderung oder gänzliches Mißverstehen ist einer der effekte, den sie machen. Aber sie können auch differenzierte und tiefschürfende Diskussionen auslösen. Wie etikettierte Weil die Texte? To Help Think about Museums More Intensely.
Die vier unter dem Titel To Help Think about Museums More Intensely zusammengefasste Texte stammen aus dem Buch Making Museums Matter von Stephen E. Weil. Smithsonian Institution, 2002.
Stephen E. Weil war scholar emeritus am Smithsonian Institution's Center for Education and Museum Studies und langjähriger Director des Hirshhorn Museum and Sculpture Garden. Im Nachruf der Washington Post auf den 77jährig 2005 Verstorbenen, vergißt man nicht zu erwähnen: Mr. Weil, a Washington resident, learned to drive a car at age 76.
Publikationen u.a.: Making Museums Matter (2002), A Cabinet of Curiosities: Inquiries Into Museums and Their Prospects (1995), Rethinking the Museum and Other Meditations (1990) and Beauty and the Beasts: On Museums, Art, the Law and the Market (1983). A book he co-wrote, Art Law: Rights and Liabilities of Creators and Collectors (1986).
So beginnt Stephen Weil eine seiner vier warm-up exercises, mit denen er die Frage nach dem Sinn des Museums aufwirft.
Ich bedaure, daß ich Stephen Weil nie kennengelernt habe. Er muß ein eloquenter Vortragender gewesen sein, ein unglaublich kenntnisreicher Kurator und Museumsleiter und sein Spektrum der Interessen und Kompetenzen ist, wenn man seine Publikationen Revue passieren läßt, ungewöhnlich breit gefächert.
Weil war in pragmatischen Fragen enorm beschlagen war – er war ein herausragender Kunstrechtsexperte-, die zur Arbeit der Organisation Museum gehören, aber einem Publikum nie beußt werden, fällt umso mehr ins Gewicht, daß er seinen Beruf und die Institution Museum so grundsätzlich infrage stellen konnte.
Bislang kenne ich keine radikaleren Texte, keine, die die schlichte, vielen wohl zu schlicht erscheinende Frage stellen, Why are you doing this?
Antworten dazu haben wir alle. Auch Weil hat welche: It's an old tradition in our community, lautet eine der Antworten die wir vom Steinesammler bekommen, aber auch This is a piece of unused land that we're hoping to transform into a public garden. Oder diese: We've got an annual contest going with the next town down the road to see which of us can hoist the most rocks in two hours.
Und so weiter. Wir ahnen schon, worauf das hinausläuft, und Weil bittet uns denn auch zu überlegen, welche der vielen Antworten uns besonders zusagt, welche weniger oder welche wir denn anzubieten hätten?
Warum wird diese Frage so selten gestellt, warum wir das tun? Ich denke, es liegt auf der Hand. Man stellt damit das in Frage, was man tut, aber auch das was die Institution tut, man läuft Gefahr, daß man eine ambivalente vielleicht sogar negative oder eine Antwort erhält, die weit von dem entfernt ist, worauf man momentan seine Arbeit gründet.
Weil verfolgt, so läßt es der Sammeltitel der vier Essays vermuten, mit seinen witzigen und heimtückischen Parabeln, genau diese pädagogische Absicht. Überlegt euch mal wozu das Museum gut ist!
Meine Erfahrungen aus Diskussionen über diese Texte spiegelt die Provokation, die in ihnen steckt. Abwehr, Verweigerung, Überforderung oder gänzliches Mißverstehen ist einer der effekte, den sie machen. Aber sie können auch differenzierte und tiefschürfende Diskussionen auslösen. Wie etikettierte Weil die Texte? To Help Think about Museums More Intensely.
Die vier unter dem Titel To Help Think about Museums More Intensely zusammengefasste Texte stammen aus dem Buch Making Museums Matter von Stephen E. Weil. Smithsonian Institution, 2002.
Stephen E. Weil war scholar emeritus am Smithsonian Institution's Center for Education and Museum Studies und langjähriger Director des Hirshhorn Museum and Sculpture Garden. Im Nachruf der Washington Post auf den 77jährig 2005 Verstorbenen, vergißt man nicht zu erwähnen: Mr. Weil, a Washington resident, learned to drive a car at age 76.
Publikationen u.a.: Making Museums Matter (2002), A Cabinet of Curiosities: Inquiries Into Museums and Their Prospects (1995), Rethinking the Museum and Other Meditations (1990) and Beauty and the Beasts: On Museums, Art, the Law and the Market (1983). A book he co-wrote, Art Law: Rights and Liabilities of Creators and Collectors (1986).
Abb.: Mark Tansey, Robbe-Grillet Cleansing Every Object in Sight, 1981
Freitag, 22. Januar 2010
Na klar, schon wieder die Albertina
Da bemüht sich Klaus Albrecht Schröder unentwegt um wunderbare Ausstellungen, und was passiert: Undank so weit das Auge (des Zeitungslesers) reicht. Ist das nicht eine schöne Idee, von Warhol im Siebdruck festgehaltene Mercedes-Autos auszustellen? Aus der Sammlung des Autobauers?
Almut Spiegler findet (in der heutigen Presse), nein, das ist armselig, einerseits retteten sich die Museen in Sparzwangszeiten wie diesen mit einfallslosen Aussstellungen aus ihren Sammlungen, und wenn das nicht reicht, wird "zwischendurch (...) mit einer ruhmheischenden Privat- oder Unternehmenssammlung gewürzt, eine selbst in internationalen Flaggschiffen immer stärker um sich greifende Unsitte, die von museumsunwürdiger kuratorischer Feigheit, Trägheit und Einfallslosigkeit spricht."
Und Markus Mittringer im Standard ist auch böse, nicht nur zur Albertina, sondern auch zu Andy Warhol: Und das ist schon toll. Da kann man echt lernen, wie Wirtschaft funktioniert. Und Kunst. Da legt man eine Death-and-Desaster-Serie mit allerhübschesten Unfällen an und fertigt nebstbei wunderbare Car-Crash-Bilder (...) und wird dann von Mercedes-Benz beauftragt, noch einmal autobezogen nachzudenken. Und stirbt. Und kann sich dann nicht mehr dagegen wehren, dass behauptet wird: "Warhol verwandelt die Automodelle - alle Meilensteine der hundertjährigen Geschichte des Automobils - in seiner letzten Serie in schwebende Ikonen eines durch Kultobjekte geprägten Jahrhunderts."
Almut Spiegler findet (in der heutigen Presse), nein, das ist armselig, einerseits retteten sich die Museen in Sparzwangszeiten wie diesen mit einfallslosen Aussstellungen aus ihren Sammlungen, und wenn das nicht reicht, wird "zwischendurch (...) mit einer ruhmheischenden Privat- oder Unternehmenssammlung gewürzt, eine selbst in internationalen Flaggschiffen immer stärker um sich greifende Unsitte, die von museumsunwürdiger kuratorischer Feigheit, Trägheit und Einfallslosigkeit spricht."
Und Markus Mittringer im Standard ist auch böse, nicht nur zur Albertina, sondern auch zu Andy Warhol: Und das ist schon toll. Da kann man echt lernen, wie Wirtschaft funktioniert. Und Kunst. Da legt man eine Death-and-Desaster-Serie mit allerhübschesten Unfällen an und fertigt nebstbei wunderbare Car-Crash-Bilder (...) und wird dann von Mercedes-Benz beauftragt, noch einmal autobezogen nachzudenken. Und stirbt. Und kann sich dann nicht mehr dagegen wehren, dass behauptet wird: "Warhol verwandelt die Automodelle - alle Meilensteine der hundertjährigen Geschichte des Automobils - in seiner letzten Serie in schwebende Ikonen eines durch Kultobjekte geprägten Jahrhunderts."
Donnerstag, 21. Januar 2010
Kunstkommentar. Texte im Museum (08)
Hans Hollein
MAGINÄRES MUSEUM (documenta 1987)
(1987/6/10)Die Installation ist ein Kommentar zur Rezeption von Kunstwerken in unseren Museen durch ein Publikum, dem der Vollzug der Konfrontation mit einem möglichst berühmten Objekt im Vordergrund seines Interesses und Verlangens steht. Mehr Zeit wird für die befriedigende Kenntnisnahme des Identifikationstäfelchens aufgewendet als für die Betrachtung des Kunstobjektes selbst. Man hat das Erlebnis "abgehakt" und kann zum nächsten Täfelchen fortschreiten. Konsequenterweise wird daher das mühsame Herantreten und Bücken ausgeschaltet. Die Namen und Titel sind perzeptionsgerecht versammelt. Sollte penetrierendes Interesse vorhanden sein, so befindet sich links unten ein kleines Identifikationsbild, das Gebäude darstellend.
Catus Niger oder Die Entdeckung der Natur
Vielleicht ist das die älteste Darstellung einer Hauskatze, einer schwarzen, catus niger, die uns da von einem mehr als 400 Jahre alten Manuskript stumm und unverwandt anblickt...
Wer die Sammlungen der Universität Bologna aufsucht, stößt auf Reste einer der ältesten naturkundlichen Sammlungen, die der bahnbrechende Naturforscher und Arzt Ulisse Aldrovandi (* 11. September 1522 in Bologna; † 4. Mai 1605 ebenda) angelegt hat. Das erstaunlichste Vermächtnis, seine illustrierten Bände zur Naturgeschichte, bekommt man indes nicht zu sehen, jedenfalls nicht im Original. Auf einer Webseite der Universität Bologna findet man die gesamten Konvolute in exzellenten Reproduktionen – eine unglaubliche Fundgrube, die einem einen staunenden Blick in die Frühgeschichte des naturwissenschaftlichen Sammelns und Forschens erlaubt.
Bis zu Aldrovandi war die Geschichte das unentwirrbare und völlig einheitliche Gewebe dessen, was man an den Dingen und all den Zeichen sieht, die in ihnen entdeckt oder auf ihnen niedergelegt worden sind. Die Geschichte einer Pflanze oder eines Tieres zu schreiben, bedeutete, auch zu sagen, welches ihre Elemente und ihre Organe, welches die Ähnlichkeiten, die man in ihnen finden kann, welches die Kräfte, die man ihnen zuschreibt, die Legenden und Geschichten, mit denen sie vermischt werden, die Wappen, auf denen sie zu sehen sind, und die Medikamente, die man aus ihrer Substanz herstellt, die Nahrungsmittel, die sie bieten, gewesen sind. Hinzu kommt, was die antiken Autoren darüber erfahren haben. Die Geschichte eines Lebewesens war dieses Wesen selbst innerhalb des ganzen semantischen Rasters, der es mit der Welt verband. Die für uns so evidente Trennung zwischen dem, was wir sehen und dem, was die anderen beobachten und überliefert haben, was schließlich andere denken oder naiv glauben, die große Dreiteilung, die so einfach und so unmittelbar erscheint, zwischen der Beobachtung, dem Dokument und der Fabel, exisistierte nicht. (…) Die Zeichen waren Teile der Dinge, während sie im siebzehnten Jahrhundert zu Räpräsentationsweisen wurden. (…) Dieser (Aldrovandi GF) entwickelte hinsichtlich jeden untersuchen Tieres (und zwar auf gleicher Ebene) die Beschreibung seiner Anatomie und der Fangweisen; dann den allegorischen Gebrauch und seine Vermehrungsart, sein Vorkommen und die Paläste seiner Legenden, seine Nahrung und die beste Art, es zur Soße zu reichen.
Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge, Ffm 1974, S. 169f.
Wer die Sammlungen der Universität Bologna aufsucht, stößt auf Reste einer der ältesten naturkundlichen Sammlungen, die der bahnbrechende Naturforscher und Arzt Ulisse Aldrovandi (* 11. September 1522 in Bologna; † 4. Mai 1605 ebenda) angelegt hat. Das erstaunlichste Vermächtnis, seine illustrierten Bände zur Naturgeschichte, bekommt man indes nicht zu sehen, jedenfalls nicht im Original. Auf einer Webseite der Universität Bologna findet man die gesamten Konvolute in exzellenten Reproduktionen – eine unglaubliche Fundgrube, die einem einen staunenden Blick in die Frühgeschichte des naturwissenschaftlichen Sammelns und Forschens erlaubt.
Bis zu Aldrovandi war die Geschichte das unentwirrbare und völlig einheitliche Gewebe dessen, was man an den Dingen und all den Zeichen sieht, die in ihnen entdeckt oder auf ihnen niedergelegt worden sind. Die Geschichte einer Pflanze oder eines Tieres zu schreiben, bedeutete, auch zu sagen, welches ihre Elemente und ihre Organe, welches die Ähnlichkeiten, die man in ihnen finden kann, welches die Kräfte, die man ihnen zuschreibt, die Legenden und Geschichten, mit denen sie vermischt werden, die Wappen, auf denen sie zu sehen sind, und die Medikamente, die man aus ihrer Substanz herstellt, die Nahrungsmittel, die sie bieten, gewesen sind. Hinzu kommt, was die antiken Autoren darüber erfahren haben. Die Geschichte eines Lebewesens war dieses Wesen selbst innerhalb des ganzen semantischen Rasters, der es mit der Welt verband. Die für uns so evidente Trennung zwischen dem, was wir sehen und dem, was die anderen beobachten und überliefert haben, was schließlich andere denken oder naiv glauben, die große Dreiteilung, die so einfach und so unmittelbar erscheint, zwischen der Beobachtung, dem Dokument und der Fabel, exisistierte nicht. (…) Die Zeichen waren Teile der Dinge, während sie im siebzehnten Jahrhundert zu Räpräsentationsweisen wurden. (…) Dieser (Aldrovandi GF) entwickelte hinsichtlich jeden untersuchen Tieres (und zwar auf gleicher Ebene) die Beschreibung seiner Anatomie und der Fangweisen; dann den allegorischen Gebrauch und seine Vermehrungsart, sein Vorkommen und die Paläste seiner Legenden, seine Nahrung und die beste Art, es zur Soße zu reichen.
Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge, Ffm 1974, S. 169f.
Mittwoch, 20. Januar 2010
In der Krise eine Krise des Museums? Oder doch nicht?
Gibt es in der Krise eine Museumskrise? Hier ein imaginäres Gespräch zwischen Martin Roth, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und Michael Eissenhauer Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin und Präsident des Deutschen Museumsbundes, zusammengestellt aus rezenten öffentlichen Äußerungen beider.
Google kennt übrigens die Antwort: wenn man "Museumskrise" eintippt wird am gefragt, ob man nicht in Wirklichkeit nach "Museumskarte" sucht.
Google kennt übrigens die Antwort: wenn man "Museumskrise" eintippt wird am gefragt, ob man nicht in Wirklichkeit nach "Museumskarte" sucht.
Roth: Museen leisten vor allem eine unermessliche Bildungsarbeit für unsere Kinder und Enkel. Das ist nicht zum Nulltarif zu haben. Was aber ist davon zu halten, wenn der Staat sich in der Rettung bankrotter Unternehmen ergeht und die Kultur geht leer aus? Wie könnten alle Museen gemeinsam – mit nur einem geringen Teil dieser Mittel – europäische Kulturgeschichte, europäisches Wissen und Wertesystem feiern.
Eissenhauer: Die Finanzierung der deutschen Museen ist Gott sei Dank nie auf die Finanzierung der Sponsoren gegründet gewesen. Die haben uns zum Teil ein sehr üppiges Kürprogramm ermöglicht. Worauf wir uns besinnen müssen, ist, dass Museen einen fundamentierten Stellenwert in der Gesellschaft haben, Bestandteil unserer kulturellen Überlieferung sind, Bestandteil auch kultureller Bildung in Deutschland sind, und diese Finanzierung bricht im Augenblick nicht weg.
Roth: Der Staat zwingt Museen, sich an Sponsoren und Mäzene zu wenden, was dazu führen kann, daß er sich aus seiner finanziellen Verantwortung zurückzieht. (...) Deutschlands Museen sind nicht aufgestellt, alles dem Spiel der Marktkräfte zu überlassen. Denn schließlich ist nicht Wettbewerbsfähigkeit Zweck der Museen. Sie haben einen Wirtschaftswert, der sich nicht auf Besucherzahlen reduzieren oder mittels Zahlen erfassen lässt.
Eissenhauer: Ich habe nie erlebt, dass sich Sponsoren in inhaltliche Fragen eingemischt hätten oder inhaltliche Forderungen gestellt hätten. Ich habe aber eigentlich immer Verständnis dafür aufgebracht, dass Sponsoren aus ihrer Sicht ihr Interesse vertreten, das für sie der werbliche Aspekt ist des Engagements. Insofern gehören zu dieser Vermählung in den Private Public Partnerships eigentlich immer zwei dazu, und ich habe nie verstanden Kolleginnen und Kollegen, die darüber klagten, dass sie vielleicht mit Forderungen konfrontiert sind, die sie für zu weitgehend halten.
Roth: Der Staat muss als Garant für die Museen in die Pflicht genommen werden (können). Er fördert, sichert und bewahrt damit den eigenen Staatsschatz. Er ist mit seinen Steuergeldern der Hauptgeldgeber und das wird er auch künftig bleiben (müssen). Wenn der Staat es zur Bedingung macht, dass Museen private Gelder einwerben, dann stellt er seine eigene Aufgabe in Frage und führt sich selbst ad absurdum.
Eissenhauer: Dass daran sich etwas durch die Krise geändert haben sollte, kann ich nicht erkennen. Ich habe das schon vorher und früher immer propagiert und habe gesagt, zu schlechtem Verlauf von Sponsorpakten gehören immer zwei dazu, einer, der es macht, und einer, der es mit sich machen lässt. Und insofern besteht Partnerschaft eigentlich immer auf Augenhöhe, wenn sie gut ist, und zu dieser Augenhöhe gehört auch ein Selbstbewusstsein.
Roth: Wir haben hier einfach ein falsches Verhältnis zu unserer eigenen Kunst, zu unserer eigenen Kultur, in unserem eigenen Staat. Also das heißt, wir haben so ein Verhältnis zu dem Reichtum entwickelt, den wir nun mal alle gemeinsam besitzen, nämlich zu unserem enormen Kunst- und Kulturreichtum in diesem Land - weltweit beinahe einzigartig -, indem wir sagen, na ja, es halt schön, dass wir das haben, kostet aber auch eine ganze Menge und vielleicht können wir es uns ja gar nicht mehr leisten. Dabei ist das unsere Zukunft. Das ist Bildung, das ist Geschichte, das ist das, woraus man Zukunft macht, das ist das, was wir unseren Enkeln weitergeben. Da dürfen wir doch nicht drüber nachdenken, ob man sich das leisten kann oder wer dafür bezahlt, sondern das ist unsere gemeinsame Verantwortung! Und ich habe wenig Verständnis dafür, dass wir Aufgaben, die wirklich der Staat - und noch mal, der Staat ist nicht eine abstrakte Größe, sondern das sind wir, das ist sozusagen das von uns gewählte, in einem demokratischen System gewählte Repräsentantentum ... dass wir dieses zu unserer eigenen Aufgabe machen und uns auch wirklich sicher sind, dass wir das in Zukunft auch noch unterstützen und haben wollen, weil das können wir nicht an die Wirtschaft delegieren, die wenig damit anfangen kann. Und vor allen Dingen, für die Wirtschaft ist das ein Fremdgeschäft, das ist ein nettes Marketing, aber das kann nicht das ersetzen, was der Staat zu leisten hat.
Eissenhauer: Dass die Mittel nicht mehr so selbstverständlich fließen, glaube ich, daran werden wir uns gewöhnen müssen. Da müssen wir uns sicherlich mit auseinandersetzen. Aber im Augenblick bricht meines Erachtens nicht die Welt zusammen, sondern (...) wir müssen einfach klarer auch uns darin positionieren und auch klarer herausarbeiten, wofür wir stehen, was wir anbieten können, wo unsere Stärke als Partner auch für Sponsoren und aber auch als Partner des uns alimentierenden Staates sind.
Roth: Nur wenn wir gemeinsam deutlich machen, dass die Mitarbeiterzahlen jenseits des Zulässigen sind, dass die reduzierten Mannschaften sich selbst ausbeuten und dass der daraus resultierende Verlust an Kultur einhergeht mit der Zerstörung der eigenen Identität, haben wir überhaupt eine Chance.
Eissenhauer: Wir haben, um es für die Staatlichen Museen zu Berlin zu formulieren oder Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu sagen, wir haben ein Finanzierungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den 16 Ländern, die unsere Finanzierung festgeschrieben haben. Da gibt es leider, leider, leider keine Zuwachsraten, aber es gibt auch nicht die Befürchtung eines Abbaus, eines Schmälerns. Insofern ist da eine sehr verlässliche Grundlage.
Roth: Es ist nun aber an der Zeit dem Staat einmal mehr zu erklären, was er aufgibt, wenn er ihnen diese Aufgabe vollkommen überlässt. Es muss Schluss sein mit erdbodentiefen Verbeugungen und Betteleien der Museen und deren Direktoren. Museen tun sich schwer mit der Sprache der Ökonomie, und sie tun gut daran. Es ist eine Sprache, der Museen nicht unterliegen sollten und die zu sprechen von ihnen nicht vorausgesetzt werden darf. Diese Sprache geht den Museen an die Substanz.
Eissenhauer: Den Staat daran zu erinnern, dass er hier in der Verantwortung steht, das ist sicherlich gut, jeden Tag zu tun, ob Krise oder nicht Krise. Diese Verantwortung besteht. Und diese Verantwortung hat der Staat meines Erachtens auch zu keiner Phase in Zweifel gezogen oder zur Debatte gestellt.
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