Posts mit dem Label Österreich werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Österreich werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Freitag, 11. Dezember 2020

Was kann das Haus der Geschichte Österreich (nicht)? (Sokratische Frage 59)

Sind Theater mit einer besseren Handlungsmacht ausgestattet, als Museen? Ist das Theater politischer als das Museum?

Thomas Bernhards Theaterstück "Heldenplatz" hat zu einer heftigen, lange andauernden Kontroverse geführt in der viele Fragen zur österreichischen Zeitgeschichte debattiert wurden und die Geschichtskultur des Landes aufwühlte.

Heute befindet sich an dem im Stück genannten Platz das "nationale" Geschichtsmuseum, das keine Kraft hat, derartige Debatten loszutreten. Das vielleicht auch gar nicht den Mut hat, sich aus den ihm auferlegten strukturellen Fesseln zu befreien.

Liegt das nun daran, dass ein Museum (grundsätzlich, auf Grund seiner institutionellen Vefasstheit) nicht die Möglichkeiten hat, die ein Theater hat? oder liegt das daran, dass die Akteure selbst die Chancen nicht nutzende ein Museum hat.

Samstag, 21. November 2020

Die Kulturvermittlung ist weiblich (Sokratische Frage 54)

 

Der österreichische Verband der KulturvermittlerInnen hat nach einer (nicht besonders repräsentativen, aber dennoch vermutlich in diesem Punkt informativen) abefragung festgestellt: Die Kulturvermittlung ist weiblich.


Frage: Ist Kunst- und Kulturvermittlung ein Frauenberuf. Und warum?

Sonntag, 9. August 2020

Bundesmuseen-"Pleite"?

Der Corona-Schock währte nur kurz. Als plötzlich Friseurinnen "systemrelevanter" waren und früher öffnen durften als Museen, scheuchte das einige DirektorInnen der Bundesmuseen auf und wir konnten Grundsätzliches zur Lage der Museen hören: nicht bloß etwas zur finanziellen Lage sondern nun, aus der Not heraus, auch zur gesellschaftlichen Rolle und den Aufgaben der Museen.

Das war schnell vorbei. Es war nicht zu erkennen, daß die Museen ihre materielle und ideelle Situation gründlich überdenken wollten und man konnte auch nichts programmatisch Neues ausmachen. Dabei war es nicht schwer abzusehen, daß die sogenannte Corona-Krise nicht schnell beendeten sein und irgendwann die Lage der Museen enger und enger werden würde.

Nun gibt es eine Aussage des für die Museen zuständigen Ministers: "Laut Information der Bundesmuseen/ÖNB mit Stand 30.6.2020 ist trotz massiver Gegensteuerungen zu befürchten, dass die Einrichtungen bis Jahresende ihre Reserven aufgebraucht haben und somit die Gefahr besteht, dass der Fortbestand ab 2021 nicht gegeben wäre".

Es ist nicht zu erwarten, daß die Bundesmuseen ernsthaft gefährdet wären. Sie werden alle weiterbestehen, aber zu welchen Bedingungen? Wird man nicht zwingend einsparen müssen, bei Institutionen, die ohnehin unterfinanziert sind? Und zu wessen Lasten wird die Existenz der Museen weiter garantiert werden? Doch zuungunsten des Personals?

Mit der Lage der Museen in den USA ist die der österreichischen Bundesmuseen sicher nicht zu vergleichen, aber der Umstand, daß das Metropolitan Museum trotz seiner milliardenschweren Stiftungsrücklagen hunderte Mitarbeiter kündigt und daß man mit der Schließung etwa eines Drittels der US-Museen rechnet, wirft doch die Frage auf, wie sich die Situation der Bundesmuseen entwickeln wird - und nicht nur der.

Worum es geht, beziehungsweise worum es gehen könnte, wird gerade in Berlin deutlich. Die Evaluation der Stiftung Preussischer Kulturbesitz, in der die Auflösung der bisherigen Stiftungskonstruktion empfohlen wird, hat zu einer öffentlich geführten Kontroverse geführt, in der sich nun auch die LeiterInnen der einzelnen Stiftungsmuseen sehr deutlich geäußert haben. Unbestritten ist auf allen Seiten, der Politik, der Evaluierungskommission und bei den Museen, daß es um nicht bloß eine organisatorische Reform gehen kann, sondern daß ein neues Selbstverständnis der Museen entwickelt werden muß.

Diese Diskussion hätte nach dem erwähnten "Schreckschuss", der die Bundesmuseen traf, eigentlich losgehen können, wurde aber nicht genutzt. Die damalige Versicherung, wie wichtig denn die Museen nun einmal seien, wird nicht genügen, nicht, wenn sich die Krise vertieft, was zu erwarten ist. Die Chance, die Krise offensiv für die Entwicklung eines neuen Leitbildes (im übertragenen Sinn) der Museen zu nutzen, hat man verstreichen lassen.

Dienstag, 9. Juni 2020

Heeresgeschichtliches Museum. Es kommt etwas in Bewegung. In Richtung wie bisher oder Erneuerung, bleibt offen.

"Mit dem HGM verfügen wir neben einem großartigen Museum auch über viel Verantwortung gegenüber unserer Geschichte, der Geschichte unseres Militärs und der dunkelsten Stunden unserer Zeit. Die kritische und differenzierte Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Dritten Reichs ist mir hierbei ein besonderes Anliegen" sagt via Austria Presseagentur die für das Heeresgeschichtliche Museum zuständige Ministerin. Das Museum werde weiter Teil des Verteidigungsminsteriums bleiben. Und die vorgesehene weitere Evaluierung des Museums werde es geben.

Offen bleibt, welche "Teile" denn nun geändert werden und vor allem von wem. Wird der bisherige Direktor wiederbestellt und bleibt das bisherige Museumsteam unverändert? Gegen das waren ja Vorwürfe rechtsetremistischer Betätigung laut geworden, die aus den diversen Evaluierungen inzwischen verschwunden sind. Und der bisherige Leiter bemühte sich eher um die Relativierung der Vorwürfe. Sich selbst als Autor künftiger Erneuerung zu empfehlen ist angesichts jahelanger Duldung des nun kritisierten Status Quo eher eine Drohung.

Ungelöst bleibt auch, warum in einem Heeresmuseum ein bestimmter Abschnitt der Zeitgeschichte überhaupt eine eigene Ausstellung bekommen soll, warm es eine ungeklärte Doppelgelisisgkeit mit dem Haus der Geschichte Österreich (und anderen zeigeschichtlichen Museen) weiter geben soll.

Diskussionswürdig sind Überlegungen, die z.B. Wolfgang Muchitsch, Leiter der Evalierungskommissiion angestellt hat, beiden Museen, dem Haus der Geschichte Österrreich und dem Heeresgeschichtlichen Museum den vollen Status eines Bundesmuseums zu geben und dadurch die überfällige Kooperation zwischen beiden Museen möglich zu machen. Der mutigere Schritt, der politisch wohl kaum durchsetzbare, wäre der, das Kozept beider Museen gründlich zu überdenken und unter Umständen ein einziges Museum der österereichisvchen Geschichte zu etablieren. Von mr aus in einem Neubau aber, warum nicht, im derzeitigen Gebäude, dem Arsenal.

Überfällig wäre auch die Herstellung voller Transparenz bei der Bestellung von ExpertInnen und Einrichtung von Kommissionen und, endlich einmal, die Einbindung jener zivilgesellschaftlichen Gruppen, die sich bei der Krtitik am Museum verdient gemacht haben und sie überhaupt erst ins Rollen brachten.

Zur jüngsten Entwicklung der Diskussion um das Museum seit der Anfrage der "Grünen" im Parlament im Februar 2020 siehe diesen Link.

Und grundsätzliche Anmerkungen zum Museum sowie weiterführende Links finden sich unter diesem Link.

Donnerstag, 30. April 2020

Die Herausforderungen der Museen in der Corona-Krise. Ein Text von Helmut M. Bien

Inspiriert von einer Petition von Helmut M. Bien habe ich eine Replik auf seien Text geschrieben. Dabei ging es um die frage, ob und wie sich Museen in und nach der Coronakrise andern müssten und sollten. Auch wenn wir, Helmut Bien und ich, unterschiedlicher Meinung sind - gerade die Unterschiede interessieren mich-, wir gehen beide davon aus, dass die Situation die Museen grundlegend herausfordert.

Nun hat auf meinen Text Helmut Bien geantwortet:

Lieber Herr Fliedl,

herzlichen Dank für die freundliche Aufnahme meiner Petition an uns selbst, die Kulturschaffenden. Denn retten müssen wir uns vermutlich selbst...

Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie als Museologe und Museumshistoriker mit großer Erfahrung bei meinen optimistischen Einschätzungen Fragezeichen machen. Aber so ist es, wenn man wie ich der weit verbreiteten Verliebtheit ins Scheitern etwas entgegensetzen möchte. Da steht man schnell als naiver Optimist da, während Bedenkenträger auf sich selbst erfüllende Prophezeiungen setzen und sozusagen von der kulturpessimistischen sicheren Seite aus anstrengungslos recht behalten können. Damit meine ich natürlich nicht Sie sondern eine aktuelle Stimmung in Deutschland, die von anderen alles und von sich selbst kaum etwas erwartet und sich in der Opferrolle einrichtet. Gerade deshalb bin ich Ihnen so dankbar, mich noch ein wenig klarer artikulieren zu können zumal das vordergründige Ziel des Aufschließens der Museen erreicht zu sein scheint.  

Die augenblicklich kursierenden Utopien und Dystopien über den Untergang des Abendlandes und das Ende der Menschheit verfolgen weit weniger den Zweck, dass sie Wirklichkeit werden. Es sind Warnungen an die Handelnden, dass Gefahr besteht und dass die Voraussagen möglichst nicht eintreffen mögen. Insofern ist der Irrtum der Propheten kein Unglück und spricht auch nicht gegen sie. Sie sollen das Problembewusstsein schärfen und Handlungsbedarf signalisieren, wenn wir auf eine Wegscheide zusteuern. Das ist die paradoxe Situation in unserer auf Kommunikation basierenden Gesellschaft.

Und es gehört zur Dialektik der augenblicklichen Diskussionen von Wirtschaft gegen Gesundheit, Jung gegen Alt, Fressen gegen Moral dazu, dass sich so trefflich Freund-Feindschafts-Verhältnisse herstellen lassen, es aber in Wirklichkeit darum geht, möglichst viel unter einen Hut zu bekommen. Auch da gehört es zu den systemischen Merkwürdigkeiten von Rollenverteilungen, dass ein Virologe als Virologe erläutert, das vom Standpunkt seiner Wissenschaft aus der Shutdown möglichst lange aufrechterhalten bleiben muss, derselbe aber als verantwortungsbewusster Bürger genau diese seine Haltung für komplett absurd halten müsste.

Meine Petition an uns selbst versucht nichts weiter als relativ pragmatisch das aktuelle Geschäftsmodell des Museums auf seine Haltbarkeit hin zu bedenken und nicht darüber zu klagen, dass es so wie bisher vielleicht kaum mehr weitergeht sondern zu überlegen, welche Chancen bisher nicht genutzt wurden, vielleicht auch weil der Erfolg des Museums in den letzten Jahren nicht in Frage stand.

Die Fragmentierung unserer Gesellschaft hat die Museumslandschaft mitgemacht und eine kaum überschaubare Vielfalt von Institutionen geschaffen. Viele der Neu-, Um- und Ausgründungen verdanken sich der kulturellen Identitätspolitik, die darin bestand das Einzigartige und Unverwechselbare beispielsweise einer Stadt in Gestalt von Museumsanlagen erlebbar und vorzeigbar zu machen. Museen wurden zu Ankerinstitutionen des Stadtmarketings und der touristischen Aufwertung von Innenstädten, die von Verödung bedroht sind. Diese Problemlage wird sich durch die Coronakrise noch weiter verschärfen, weil der stationäre Einzelhandel ebenso bedroht ist wie die Gastronomisierung der Stadtzentren. Kulturinstitutionen werden da neben den Stadtbild beherrschenden Kirchen eine Rolle spielen. Kirchen und Sportstadien stehen mit den  Museen in einer Reihe, als diejenigen die den Stoff für die Selbstverständigung der Gesellschaft bieten. Natürlich auch die Konzerthäuser und Theater, Bibliotheken und Universitäten. Aber durchgehend geöffnet haben vor allem die Museen. Und sie sind voraussetzungslos zu besuchen und können jetzt schnell betriebsfähig gemacht werden.

Sie beschreiben sehr schön, wie die Quotenorientierung der Museumsausstellungen das Problem schafft, als dessen Lösung sie sich anbietet. Wenn viel Geld für Transporte und Versicherungen der Block-Busterausstellungen ausgegeben werden muss, dann müssen auch viele Besucher kommen. Es ist eine Art von Finanzialisierung des Kulturellen, bei dem viel viel kostet und viel viel bringt. Nur sollte das Angebot möglichst flach sein, damit es niemanden überfordert (Highlight, Weltpremiere, geniale Werke). Letztlich vielleicht doch ein Nullsummenspiel und angesichts der Tatsache, dass wir langfristig mit reduzierten Besucherzahlen klar kommen müssen, auch ökonomisch ohne Perspektive. Anstelle der Quote müssen die Qualität und die Tiefe des Bildungserlebnisses treten. Das lässt sich mit der Einbindung der Kreativszene und neuen Angeboten erreichen. Und mit der Entdeckung des lokalen/regionalen Publikums. Der Service, den man den Touristen angedeihen lässt, der lohnt sich auch für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort, wenn die das Gefühl bekommen, dass sich der Museumsbesuch immer und immer wieder lohnt und nicht nur etwas ist, das man in seiner Jugend ein Mal hinter sich bringt. 

Sie haben völlig recht, auch über das Selbstverständnis der Museumswissenschaftler und Mitarbeiter sollte neu nachgedacht werden. Museen sind keine Universitäten, die der freien Forschung und Lehre zugedacht sind. Manche Museen benehmen sich zwar so. Museen haben meistens einen Auftrag, so allgemein er auch formuliert sein mag. Forschen, Sammeln und Bewahren gehören ebenso dazu wie das Zeigen und Erklären. Letzteres ist eine in Deutschland eher unterentwickelte Qualität etwa im Vergleich zur angelsächsischen Welt, die viel marktkonformer um Besucher buhlen muss, um die Grundfinanzierung zu sichern. Klaus Biesenbach (Kurator, New York) ist aktuell der Meinung, dass 30 Prozent der amerikansichen Museen nach dem #Shutdown erstmal nicht wieder aufmachen werden.  Eine ‚Marktbereinigung’, die sich in unserem öffentlich-rechtlichen System so nicht stellen wird, die aber sicherlich neue Fragen nach Relevanz und effizienter Organisation aufwerfen werden, auf die man sich in seinem aktuellen Handeln schon einstellen sollte. Denn werden diese Fragen erst in den Gremien und der Öffentlichkeit gestellt, dann sind sie vielfach schon beantwortet und in der Regel negativ. Hier wäre also eine vorauseilende Relevanz-Evaluation sinnvoll und damit die Frage, welche inhaltlichen Brücken sich von den aktuellen Problemen der Gesellschaft schlagen lassen zu den Sammlungsbeständen und den Ausstellungsprojekten der Vergangenheit und Zukunft.

Sie haben recht. Dabei brauchen die Museen auch die Zusammenarbeit mit Externen, die aus anderen Wissensbereichen Erkenntnis und Erfahrung beisteuern. Hier läge das Potenzial, die transdisziplinäre Arbeit zu stärken.

Die Frage nach der Systemrelevanz wird im Augenblick gestellt, um zu begründen, dass die eigene Arbeit nicht schlechter gestellt werden dürfte als die anderer. Es ist eine die auf Gleichheit und gleiche Rechte zielt. Die Systemrelevanz ist theoretisch leicht zu begründen, praktisch muss sie sich in der Krise darin erweisen, dass die Institution sichtbar ist und bleibt und Beiträge leistet, das Gemeinwesen in Gang zu halten. Mein Vorschlag zielt darauf ab, dass die Museen Arbeit schaffen, indem sie sich neu positionieren und ihre implizite Rolle als herausragende Einrichtungen der Selbstverständigung auch explizit machen. Das können die Museen, indem sie ihre Räume nicht nur als Lager- und Schauräume sondern als Arbeitsräume neu erfinden. Das wäre das Neue gegenüber den Roosevelt-Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in der Großen Depression der 1930er Jahre.

Die Museumswissenschaftler müssten ihr Rollenverständnis erweitern. Sie sind nicht nur kompetente Fachleute und versierte Kustoden ihres Sammlungsgebietes, sie könnten auch die Rolle von Kuratoren und Moderatoren übernehmen, die Menschen miteinander verbinden und nicht nur unerbittlich auf hohem Niveau senden. Signale empfangen und Akteure vernetzen wäre ebenso wichtig. Resonanzräume schaffen, nicht nur Echokammern. Auch das ist als eine Kritik an manchem Social-Media-Enthusiasmus der Institutionen zu verstehen, die jetzt einfach nur den Taktschlag und die Intensität ihrer Zielgruppenansprache erhöhen ohne die Augenhöhe mit den Angesprochenen zu suchen und interaktivität anzustreben. 

Die Museen haben ihre Gäste in den Rollen von Konsumenten fixiert, Rundgänge ähneln den Verhaltensmustern beim Window-Shopping. Die Besucher goutieren das Gezeigte, erkennen Bekanntes wieder, repetieren Kontexte, lassen sich ein wenig überraschen und bewerten wie Kunde König: gefällt/gefällt nicht. Ein eher statisches Wahrnehmungsmodell mit narzistischen Zügen.

Aus der Rezeptions-Ästhetik etwa eines Bazon Brock wissen wir, dass vielmehr möglich ist. Kunstwerke brauchen professionalisierte Besucher, die sehen können, was sie wissen oder auch nicht. Die in der Lage sind, Exponate als Vorschläge der Problemstellung zu identifizieren und die selbst eine Haltung dazu entwickeln können.

Inzwischen gibt es noch andere Ebenen der Rezeption. Damit meine ich nicht nur Instagram-Trophäen-Schnappschüsse sondern auch Malkurse oder auch eigne Forschungsprojekte etwa in Natur- und Technikmuseen oder auch Maschinensprach-Kurse in Museums-Labs wie der Ars Electronica oder dem ZKM Karlsruhe, bei denen Besucher zu Usern und selbst produktiv werden.

Alle diese Aktivitäten zielen darauf, den Museumsbesuch zur Gewohnheit zu machen und in den Alltag zu integrieren ganz unabhängig davon, ob die jeweilige Ausstellung interessant ist oder nicht. Dazu gehören auch Vortragsangebote, Film- Performance- und Musikdarbietungen, Festivals oder Restaurant- und Cafe-Besuche.

Museen, das wäre die Anforderung, müssten Menschen um ein Thema herum versammeln und nicht nur Objekte. Und Museumswissenschaftler sind nicht nur Sender von Botschaften sondern auch Empfänger, die Anregungen in Kommunikationsangebote verwandeln können. 

Mir ist schon klar, dass diese Qualifikationen bisher eher die Ausnahme als die Regel sind, aber darin bestände gerade die Notwendigkeit und der Reiz, dass die Museen in der Krise die Mittel bekommen, diese Leute einzubinden und damit die Museen vielfältiger und auch resilienter zu machen.

Und es gibt den Faktor Zeit. Ich glaube wir sollten die kommenden Monate als eine Zeit der Improvisation sehen, in der es auf ein Learning by Doing ankommt. Die Älternen könnte das auch an die Zeit der Wiedervereinigung in Deutschland erinnern. Einer verrückten Zeit, in der das Gelingen vom Machen abhing und sich die Verliebtheit ins Scheitern niemand leisten konnte. Für eine Selbstverständigung  als Voraussetzung zum Handeln bleibt da nicht allzuviel Zeit. Beides könnte parallel und am praktischen Beispiel erfolgen  

Die Frage der Systemrelevanz ist auch eine der Konkurrenz der Begehrlichkeiten. Die entscheidet sich nicht nach Plausibilität und Prestige sondern im Wettbewerb und in der machtvollen Artikulation der Interessen. Es kann auch sein, dass systemrelevante Institutionen unter die Räder kommen. Davor schützt auch Systemrelevanz nicht. Denn die ist nur bedingt einklagbar und immer auch eine Frage der Konsensfindung: Systemrelevant ist das wofür Geld da war…

So hat Angela Merkel vor einem Zuviel an Künstlerprogrammen gewarnt, weil dann die Italiener und Spanier noch viel weniger verständen, warum Deutschland und die anderen Calvinisten ihnen die erbetenen EU-Mittel vorenthalten. So schnell kanns gehen. Und es gibt immer jemanden, dem es schlechter geht. Deshalb verbieten sich alle Klagen.

Wir werden uns also warm anziehen müssen und schnell eine Vernetzung in der Gesellschaft hinkriegen müssen, damit nicht nur die Big Player den Kassensturz glimpflich überstehen sondern auch die Museumslandschaft in ihrer Vielfalt.

Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. Davor schützen auch keine Verträge und Gesetzesklauseln. Im Ausnahmezustand ist vieles Verhandlungssache. Und auch Jens Spahn, der Gesundheitsminister, hat schon mal vorgebaut. Im Nachhinein werde man sich für vieles entschuldigen müssen. 

Das ist die unbequeme Wahrheit

Herzliche Grüße

Samstag, 25. April 2020

Wie „systemrelevant“ sind eigentlich Museen? Eine Replik auf Helmut M. Biens Petition „Öffnet die Museen!“

Wie „systemrelevant“ sind eigentlich Museen? Eine Replik auf Helmut M. Biens Petition „Öffnet die Museen!“

Der Text von Helmut M. Bien (der vor der Ankündigung geschrieben wurde, dass Museen wieder geöffnet werden können und der hier nachzulesen ist) ist mehr als nur eine Petition, in der das Aufschliessen gefordert wird. Bien verknüpft seinen Appell mit der Einforderung gesellschaftspolitischer Verantwortung der Museen. Mit praktischen Konsequenzen, für die er Beispiele gibt. Museen sollen einen Beitrag leisten zur Bewältigung und Verarbeitung der Krise und auch an Zukunftsentwürfen mitwirken.

Der Text gehört damit in ein derzeit weiterverbreitetes Genre von Krisen-Texten, in denen die Krise mit der Hoffnung auf Lernprozesse und daraus resultierend Veränderungen verknüpft wird. Das kann die Hoffnung auf mehr solidarisches Handeln sein, auf Verbesserung des Gesundheitssystems, auf Stärkung des Sozialstaates oder gar auf eine komplette Umwälzung des Wirtschaftssystems, wenn nicht gar auf das „Ende des Kapitalismus“. Kontrastierend dazu grassieren selbstverständlich auch Dystopien. Eben lese ich in einer Zeitung vom „Tod des Kinos“, vom Hotelsterben oder dem Zugrundegehen des Buchhandels. Und in Österreich wird eine hinsichtlich der Unterstützung Kulturschaffender und einschlägiger Institutionen zaudernden Politik, eine Ende der Kultur und damit der „Kulturnation“ überhaupt vorhergesagt. Noch heftiger sind Phantasien vom Überwachungsstaat oder dem Ende der Demokratie. 

Von einem Ende des Museums redet niemand. Deren finanzielle Krise scheint vorerst zumindest bewältigbar. Von der öffentlichen Hand alimentierte Museen brauchen ohnehin kaum etwas zu befürchten, aber möglicherweise werden kleinere, etwa von Vereinen oder finanzschwachen Gemeinden getragene Museen ähnliche wirtschaftliche Probleme bekommen wie viele andere Betriebe auch. Bei alledem wird die Bedeutung der Museen nicht in Frage gestellt. Die steht schon lange ausser Frage. 

Tut das den Museen gut, gerade jetzt, wo sie länger „verschwunden“ sind? Ich habe an anderer Stelle gefragt, warum die Museen nicht selbst radikal ihre Funktion und Bedeutung angesichts der Krise überdenken, warum sie die „Auszeit“ der Krise nicht nutzen, um ihre Aufgabe und ihre Arbeit zu überdenken. (Hier kann man den Text nachlesen). Wenn sie schon mit der von ihnen selbst veranlassten hyperventilierenden Digitalisierung implizit ihre Ersetzbarkeit als materiellen Überresten verschriebene Institutionen beweisen, warum denken sie die Krise nicht mal von der extrem negativen Utopie her: was wenn eine Gesellschaft ihre Museum „verliert“? Stellen Museen mit der vielfach problematischen Übertragbarkeit ins Netz, nicht sich selbst grundlegend in Frage? Wirken Museen damit nicht gerade an der Abschaffung dessen, was sie einmal waren mit? 

Der US-Museologe Stephen Weil hat vor vielen Jahren in einigen sehr witzigen und rabiaten Parabeln, genau diese Frage aufgeworfen und das Denkunmögliche probeweise durchgespielt - was ist, wenn die Existenzberechtigung der Museen in Fragte steht. (Hier der seiner Texte, der auf verblüffende Weise zur aktuellen Krise „passt) Ich hätte nie gedacht, dass seine Texte mehr sein könnten als ein Probehandeln im Denken. Jetzt wird seine Frage plötzlich praktisch: die Frage nach der Existenzberechtigung der Museen. Wozu braucht es sie?

Das ist die Frage, auf die ein Text, den Helmut M. Bien jüngst via Facebook veröffentlicht hat, hinausläft. Bien geht, wie viele andere, wie wohl die meisten, vom selbstverständlichen Existenzrecht des Museums aus. Es ist wichtig, weil es da ist und es ist da weil es wichtig ist. Zum Unterschied dieser gängigen, diskreten und zentralen Legitimation des Museums, das die am wenigsten und eigentlich nie in Frage gestellte unter den kulturellen Institutionen ist, wirft Biens „Petition“ aber die ausgesparte Frage auf: wozu brauchen wir Museen? Und das ist der Punkt, der mich an der Petition interessiert.

Dabei gibt Bien eine Antwort vor, die mir widersprüchlich erscheint, aber gerade darum produktiv für eine Diskussion. Das Museum soll als Speicherort des Wissens, eine Art von Gedächtnis, das historisches Lernen im kollektiven Massstab ermögliche. Die wichtigste Passage dazu lautet: "Alle, die Entscheidungen für sich und andere treffen müssen, brauchen Zugang zu den Wissensspeichern der Gesellschaft. Deshalb war es eine kontraproduktive Entscheidung, die Museen zu schließen. Dieser Fehler muss umgehend korrigiert werden. Öffnet sofort die Museen! Dort findet sich all das, was wir bisher an Wissen gesammelt haben über den Umgang mit Krisen und Seuchen, ihren Folgen und zu ihrer Bewältigung. Geschichte ist die beste Zukunftswissenschaft, die wir haben. Weil wir im Rückblick auf die Vergangenheit sehen können welche Zukunftsoptionen, Szenarien und Entwicklungspfade wir wählen können, wollen oder sollen.“

Ich teile diese Idee vom Museum, aber nicht den Optimismus, den Bien in die Institution setzt und, weit allgemeiner, auch nicht das Vertrauen in die historisch fundiertere Lernfähigkeit von Gesellschaften. Wo und wann haben je Museen solche grossen gesellschaftlichen Fragen aufgeworfen und wo haben sie je die nötigen Lernprozesse moderiert? Wenn ich meine Erfahrungen mit Museen in Österreich Revue passieren lasse, komme ich auf ganz wenige Museen oder Ausstellungen, die auch nur annähernd solchen Ansprüchen gerecht geworden sind oder heute und aktuell gerecht werden.

Ein Beispiel, um das Gegenteil zu vermuten: Es gibt grade eine in dieser Dichte einzigartige Welle von Dokumentations-Projekten zur Corona-Krise von vielen österreichischen Museen in nahezu allen Bundesländern. Es wird zur Einsendung von Objekten (materiellen Dingen, Fotos, Digitalisaten usw.) aufgerufen. Nirgendwo habe ich einen Hinweis darauf gefunden, wie dieses (unkoordinierte) Sammeln in solche Lernprozesse eingebunden werden sollen, von denen Bien spricht. Es fehlt dort an nahezu allem, an Einbeziehung der „Geber“, also an durchdachter Partizipation, die ihren Namen verdient, selbst an minimalen rechtlichen Regelungen, vor allem aber an formulierten Zielen und Strategien für dieses - wie mir scheint ziemlich überhastete und kopflose - Sammeln. Und es scheint beim Repräsentieren zu bleiben, beim nachträglichen „Bebildern“. Was dieses Sammeln zum Verständnis der Krise, zu ihrer Reflexion, ihrer Verarbeitung im Individuellen wie im Kollektiven beitragen soll, bleibt unklar. Das ist wohl sehr weit entfernt von dem, was Bin vorschwebt.

Praktisch bin ich sehr skeptisch. Als Museumshistoriker und Museologie bin ich allerdings ganz auf der Seite von Helmut Bien. Das Museum der Moderene wird als Agentur gesellschaftlicher Selbstauslegung und Selbstvergewisserung etabliert. Seit dem letzten Drittel des 18.Jahrhunderts entstehen in europäischen Staaten nach und nach Museen, die sich an das Gesamt der Bürger wenden und einem emphatischen Bildungsbegriff verpflichtet sind, der die Wohlfahrt aller zum Ziel hat, auch die materielle, nämlich dort, wo es um sehr praktische Konzepte technischer, naturkundlicher oder kunstgewerblicher Museen geht. Bei Kunstmuseen drehte es sich um an das Individuum adressierte Bildung, die damit aber kollektiv so etwas wie politische Sozialisation bewirken sollte. Teilhabe der Staatsbürger an ihren Angelegenheiten, an der res publica.

Der Philosoph Hermann Lübbe hat das Schinkelsche Museum am Lustgarten in Hinblick auf die Ideale der von Wilhelm von Humboldt geleiteten Kommission eine Einrichtung genannt, die nicht weniger als die „Humanisierung der Nation“ zum Ziel gehabt hätte. Aber das war eine nie realisierte Utopie. Die aufklärerische, frühbürgerliche Phase in der in Europa die Idee des Museums entwickelt und realisiert (und schnell auch auf alle Kontinente exportiert) wurde, war rasch vorbei und was damals als produktive, am Gesellschaftlichen arbeitende Öffentlichkeit vom Museum aktiv ausging, ist so gründlich verschwunden und auch vergessen, dass heute wieder - unter kulturökomischen und verwertungslogischen Gesichtspunkten - von der „Publikumsorientierung“ gefaselt wird, so als ob man völlig vergessen oder verdrängt hätte, was bürgerliche Öffentlichkeit als sich „zum Publikum versammelnde Privatleute“ eigentlich einmal war und was sie heute wieder sein könnte. 

Ein anderer Einwand, den ich gegen eine gesellschaftspolitische Instrumentalisierung von Museen habe, betrifft die Professionalität des Museums. Ich erläutere das an einem Beispiel: Vor wenigen Jahren hatte ich Gelegenheit, auf Einladung der Herausgeber einer museologischen Publikation (Museum und Gegenwart. Verhandlungsorte und Aktionsfelder für soziale Verantwortung und gesellschaftlichen Wandel. Bielefeld 2015) mit dem Präsidenten des englischen Museumsverbandes Mark Taylor ein längeres (schriftliches) Gespräch zu führen. Auch da ging es um die Krise der Museen und um einen „turn“ hin zu gesellschaftlich praktischem und eingreifenden Handeln, den sich der Museumsverband selbst verordnet hatte. Hintergrund war das politisch verursachte Ausbluten der britischen Museen, von denen sie in einem bei uns (noch) nicht denkbarer Weise existentiell betroffen waren. Der genannte „turn“ war eine Reaktion auf diese durch neoliberale Politik ausgelöste wirtschaftliche Krise der Institution und sollte den Museen frische Legitimation verschaffen. 

Meine Skepsis bezog sich damals auf die Kompetenz der Museen. Wieso sollten die plötzlich im Sozialbereich, in kultureller Altenbetreuung, in der Sozialarbeit und was auch immer, kompetent agieren können und sollen - und das in Konkurrenz zu etablierten und professionellen Einrichtungen? Woher käme denn plötzlich die Kompetenz des kunsthistorischen Kurators, der sich mit Zuschreibungs- und Datierungsfragen italienischer Renaissancemalerei beschäftigt, plötzlich zur Kulturgeschichte der Pest zu forschen und zu vermitteln? Und das nicht bloss retrospektiv, wie das historische Wissenschaften nun mal machen, sondern so, dass daran kontroverse aktuelle Diskurse praxisnahe anschliessen könnten?

Das Verdienst der Bienschen Petition sehe ich darin, dass überhaupt die Frage aufgeworfen wird, wozu wir Museen brauchen. Wie in den erwähnten wunderbaren Texten von Stephen Weil wirft auch Bien die - verwenden wir mal einen aktuell zirkulierenden Begriff - Frage nach der Systemrelevanz auf. Das gefällt mir. Wie auch sein Festhalten und Anknüpfen an aufklärerische Konzepte (aus denen ja das Museum entsteht). Solche Fragen werden sehr selten gestellt, noch seltener debattiert. Museen haben es normalerweise nicht nötig sie zu stellen, weil sie in aller Regel durch staatliche Gelder abgesichert sind und ihre Anerkennung stabil ist und nicht durch „gute“ oder „schlechte“ Arbeit infrage gestellt wird. Ein schlechter Film wird aus dem Programm genommen, eine missglückte Theaterinszenierung abgesetzt. Eine Ausstellung läuft so lange, so lange sie eben programmiert ist. Diesen Vorteil geniesst Das Museum, weil es gerade nicht marktkonform agieren muss. (Nebenbei: diesen Vorteil verspielen gerade grosse Museen dadurch, indem sie sich immer stärker marktkonformen Regel und Konkurrenzen aussetzen, deren verheerendste und dümmste, die Dauer-Schlacht mit den sogenannten Besucherstatistiken ist. Doch das ist einen andere Frage).

Sind also Museen systemrelevant? Helmut Bien geht davon aus und er möchte, dass Museen in diesem Sinn aktiv werden, weitaus aktiver als bisher. Ich glaube, dass die Systemrelevanz bei Museen möglicherweise woanders liegt, als er vorschlägt, nämlich als Medien und Agenturen einer politisch-sozialen Intervention und als Wissensort und Gedächtnisspeicher. Wichtig sind Museen (und all das andere, was wir unter „Hochkultur“ summieren) als „ideologische Staatsapparate“, als hegemoniale Praktiken im Feld der Kultur. Das wirkt sozial integrativ und zugleich Herrschaft sichernd (demokratische Herrschaft oder welche sonst auch immer). Die Selbstauslegung und Selbstvergewisserung, die Museen als „zivilisierende Rituale“ (Sabine Offe) ermöglichen, sind immer auch hegemoniale Strategien, Strategien von Eliten, ihren Status und ihre Macht und ihre kulturellen Präferenzen und ihr Geschichtsbild zu sichern und zwar so, dass diese partikulare Interesse immer hinter dem Anspruch ein Allgemeines zu sein, verschwindet. (Pierre Bourdieu und andere haben das eindrücklich und auch empirisch abgesichert gezeigt).

Ich erläutere es an einem Beispiel: Ich beschäftige mich aktuell aus Anlass des 150-Jahr-Jubiläums mit der Gründungsgeschichte des Metropolitan Museums oft Art. Es wird in den 1860er-Jahren von einer kleinen Gruppe von New-Yorker Bürgern ins Leben gerufen, die alle einer gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Elite angehörten und die in der Krise nach dem Bürgerkrieg an der Stabilisierung der staatlichen Einheit und der Erziehung zu einschlägiger Bürgerlichkeit mitwirken wollen. Mit „Metropolitan“ in der der Namensgebung erhebt das Museum gleichzeitig einen Anspruch auf Konkurrenzfähigkeit im Feld der Kultur mit europäischen Metropolen. Auf der einen Seite steht also das sozialintegrative „nationale“ und städtische Projekt, auf der anderen ein „Erziehungsziel“, das keineswegs an der Humanisierung einer Nation oder dergleichen ausgerichtet war, sondern an der Reproduktion einer herrschaftsfähigen Elite. An die wandte sich das Bildungsideal des Museums. Die soziale und politische Integration war dabei, und das entwickelte England in seinen Museumsgründungen, etwa der der National Gallery, schon viel früher, etwa ab den 1820er-Jahren, die Grundlage der Schaffung stabiler Marktverhältnisse und das im nationalen Massstab.

Wenn ich mich mit Helmut Bien über eine wünschbare Zukunft des Museums verständigen sollte, dann müsste meiner Meinung nach erst einmal eine theoretische wie praktisch Selbstreflexion der Museen selbst einsetzen und dann eine von den Museen, der Zivilbevölkerung und deren politischen Repräsentanten gemeinsam getragene tiefgreifende Änderung einsetzen.
Da sind wir wieder bei den aus der gegenwärtigen Krise heraus generierten Hoffnungen auf ein besseres „Danach“. Warum also nicht hoffen? Es gibt ja tatsächlich zaghafte Ansätze einer Besinnung: Die paradoxe Abhängigkeit von Blockbuster produzierenden Museen von Drittmitteln, die Abhängigkeit von touristischem Publikum bei gleichzeitiger breiter Absenz der einheimischen Bevölkerung oder die ganz zart sich anbahnende Skepsis gegenüber dem Messen der Bedeutung von Museen am „Besucherumsatz“. Doch alle diese Entwicklungen wurden über Jahrzehnte von den Museen selbst vehement vorangetrieben (hier als Beispiel die Wiener Albertina) und die Politik hat nicht eingegriffen und das Publikum ist sowieso von jeglicher Teilhabe ausgeschlossen. Reden wir also von einer Revolution der Museumsverhältnisse? Und wer würde sie tragen? Und würden Museen die Repolitisierung der Institution, die das Wahrnehmen der gesellschaftspolitischen, der wohlfahrtsstaatlichen und demokratischen Aufgabe bedeuten würde, mittragen?  

Dienstag, 21. April 2020

Öffnet die Museen! Eine Petition zur Situation der Museen von Helmut M. Bien

Der Text geht weit über eine aktuellen Appell an die Politik hinaus, doch endlich die Museen wieder zu öffnen. Helmut Bien spricht über gesellschaftliche Aufgaben, die Museen übernehmen sollten, also über eine wie mir scheint auch neue Aufgabenstellung. Während Museen während der Coronakrise überwiegend auf Digitalisierung setzten, auf oft nicht mehr als eine Transformation schon vorhandener Informationen ins Netz, wird hier eine weitaus umfassendere und anspruchsvolle Rolle der Museen diskutiert. Das interessiert mich und deswegen stelle ich den Text in meinen Blog. GF
Und hier meine Replik

Helmut M. Bien

Öffnet die Museen! Eine Petition

Der #Shutdown, diese Vollbremsung des Alltagslebens, war nötig. Auch die Letzten müssen begreifen, dass es in der Krise auf alle ankommt. Besonders in Gesellschaften, in denen man zuerst an sich selbst denkt, geht es nur so. Das Soziale kann sich kaum anders als durch Regeln effizient zur Geltung bringen. Das war auch schon 1973 bei den autofreien Sonntagen inmitten der Ölkrise so. Seit diesen Tagen hat uns die Energiefrage nie wieder verlassen. Dass jetzt und künftig die persönliche Gesundheit auf dem Spiel steht, haben alle kapiert. Auch diese Sorge wird nicht wieder verschwinden wie eine Grippe. Das ahnen wir. Und weiter?
Wir sehen, dass die Politik ‚auf Sicht’ durch die Krise navigiert, dass selbst die beratenden Experten vor allem wissen, dass sie zu wenig wissen oder sich sogar wechselseitig Unwissen vorwerfen. Alle, die Entscheidungen für sich und andere treffen müssen, brauchen Zugang zu den Wissensspeichern der Gesellschaft. Deshalb war es eine kontraproduktive Entscheidung, die Museen zu schließen. Dieser Fehler muss umgehend korrigiert werden. Öffnet sofort die Museen! Dort findet sich all das, was wir bisher an Wissen gesammelt haben über den Umgang mit Krisen und Seuchen, ihren Folgen und zu ihrer Bewältigung.
Geschichte ist die beste Zukunftswissenschaft, die wir haben. Weil wir im Rückblick auf die Vergangenheit sehen können welche Zukunftsoptionen, Szenarien und Entwicklungspfade wir wählen können, wollen oder sollen. Der Kulturhistoriker Egon Friedell hat seine ‚Geschichte der Neuzeit’ 1348 mit der Pest in Florenz beginnen lassen und die Seuche als einen Treiber für Literatur, Philosophie und Technologie identifiziert, aber auch als Anlass für Hexenverfolgung und Antisemitismus. Die Muster und Mechanismen haben sich viel weniger geändert als uns lieb wäre. In der Geschichte sehen wir welcher Weg wohin geführt hat. Aus dieser Erfahrung ergibt sich keine Zwangsläufigkeit für das Heute aber zumindest eine Warnung zu Risiken und Nebenwirkungen.
Das betrifft auch die Kunstgeschichte, die Beispiele zeigt, welche Strategien Künstler gewählt haben, um heil durch Krisen zu kommen. Claude Monet malte seine Seerosenbilder in Giverny, um mit der Verzweiflung über den ersten Maschinenkrieg 1914 – 1918 fertig zu werden. Das sind Geschichten der Krisenerfahrung, die nur die Museen im Angesicht ihrer Exponate erzählen können. Natürlich sind dabei auch digitale Wahrnehmungshilfen dienlich, aber immer auch ein wenig fahl und flau gegenüber den analogen Objekten. Deshalb öffnet die Museen und zeigt in den Sammlungen Objekte, die verstehen helfen. Beschäftigt Künstler nicht dafür, dass sie nichts tun sondern beispielweise Führungen machen, in denen sie ihre Sichtweisen und Strategien veranschaulichen. In der großen Depression in den USA gab es ein Künstlerprogramm, das Photographen beauftragte das Leben in der Krise zu dokumentieren. Aus diesem Programm gingen künftige Weltstars wie Walker Evans hervor, es entstand überhaupt erst etwas, das man als amerikanische Kultur bezeichnen konnte.
Öffnet auch die archäologischen Sammlungen und zeigt die Cloaca Maxima der Römer, ohne die eine Millionenstadt wie Rom niemals möglich gewesen wäre. Denn diese Cloaca schuf die Voraussetzung für die ungeheuere Verdichtung von Menschen an einem Ort. In Hamburg brauchte es erst einen Robert Koch, der 1892 zur Bekämpfung der Cholera in der Stadt engagiert wurde und den Zusammenhang von Seuche und fehlender (Abwasser)Infrastruktur aufdeckte.
Öffnet die Museum! Schöne Idee, aber wie soll das praktisch gelingen? Für den kommerziellen Raum gibt es die Regel, dass 1 Kunde auf 10 qm zulässig sein soll. Eine übliche Sonderausstellungsfläche im Museum hat 800 qm und damit Platz für 80 Besucher gleichzeitig. Für die meisten Museen in Deutschland dürfte das nicht wenig sein. Mundschutz-Benutzung und Hygienekonzept lassen sich leichter umsetzen als in jedem Geschäft. Sanitäre Anlagen werden sowieso penibel gewartet. An der Kasse lassen sich Plexiglashauben installieren wie an der Supermarktkasse. Selbst Führungen über Headphones sind machbar, weil die Zuhörer nicht dicht gedrängt um einen Guide herum stehen müssen.
Blockbuster-Ausstellungen arbeiten mit einem digitalen Ticketsystem, das online Karten verkauft und Zeitslots für den Besuch zuweist, damit nicht unnötig Warteschlangen entstehen. In kleineren Häusern ließe sich leicht eine Rezeption einrichten, die man telefonisch kontaktieren kann, um Karten und Besuchszeiten je nach Kapazität zu buchen. Jedes Restaurant macht es so mit seinen Reservierungen.
In Krisenzeiten erweist sich was Sonntagsreden wert sind. Systemrelevanz und Unverzichtbarkeit sind da wohlfeil, um dann in der Krise die Kultureinrichtungen sofort und reflexartig dichtzumachen und den hilfesuchenden Künstlern Einmal-Zahlungen anzubieten mit der impliziten Empfehlung, sich ein anderes Geschäftsmodell zu suchen.
Es wäre gut, wenn die Kulturverwaltungen eher Arbeit organisieren würden als Unterstützungsbedürftige zu betreuen. Niemals zuvor seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges war die Kultur wichtiger als im Augenblick. Die Bedeutung der Kultur wird genau in dem Augenblick unterschätzt (übrigens auch von vielen Künstlern) wo die Gesellschaft dringend auf sie angewiesen wäre.
Die phantasievollen Streaming-Aktivitäten im Internet sind nur dann eine nachhaltige Lösung, wenn sie mit Bezahlmodellen verknüpft sind und nicht weitere Selbstausbeutungsinstrumente der Künstler, denen bei der nächsten Vertragsverhandlung nach der Krise vorgehalten wird, sie wären ja auch damals für umsonst aufgetreten.
Lasst die Museen vorangehen, sie sind für das #PersonalDistancing bestens geeignet im Unterschied zu den darstellenden Künste, die ihr Publikum in Raum und Zeit konzentrieren. Lasst 2020 zum Museumsjahr werden!

Helmut Maternus Bien
westermann kulturprojekte

Studium der Philosophie, Psychologie und Pädagogik in Berlin. Redakteur, Autor, Zeitschriften- und Katalogmacher. Ausstellungskurator. Seit 1976 publizistisch tätig für Tageszeitungen wie die WAZ, Fernsehsender wie SAT 1, Zeitschriften-Legenden wie Transatlantik oder das FAZ-Magazin. Schwerpunkte: Kunst und Kultur, Kulturgeschichte des Alltags (Tourismus, Werbung, Esskultur) und wirtschaftsnahe Themen wie Unternehmens- und Produktkarrieren, Design, Marketing und Messewesen. Seit 2002 Animator und Kurator der Luminale.

Inzwischen hat Helmut Bien, der den Text geschrieben hat, ehe der Öffnung der Museen angekündigt wurde (in Deutschland und in Österreich Mitte Mai bzw. Anfang Juni), auf diese Ankündigung reagiert: Die Berliner Museen gehen voran und eröffnen am 11.Mai ! DANKE an alle, die mitgeholfen haben, die Petitition 'ÖFFNET DIE MUSEEN" zu verbreiten. Die Resonanz (nicht nur auf FB) war nachhaltig. Bitte verbreitet die Petition weiter. Denn die Öffnung ist nur der erste Schritt. Die Museen können jetzt die Rolle annehmen, zu Orten der Selbstverständigung unserer Gesellschaft zu werden. Sie haben die Lage in der Stadt, die Multirfunktions-Räume, die Kontakte in die Stadtgesellschaften. Die Museen können Kerne eines öffentlich geförderten PUBLIC ART PROGRAM bilden, das Beschäftigung für Kulturschaffende aus allen Sparten schafft und vor allem dafür sorgt, dass #PersonalDIstancing nicht zu #SocialDistancing mutiert...

Dienstag, 17. März 2020

Der Präsident des Museumsbundes fordert bessere Absicherung der prekär Beschäftigten

Wegen der klaren Aufforderung, für bessere Anstellungsverhältnisse an Museen zu sorgen, übernehme ich aus dem Newsletter des Museumsbundes den Appell von Wolfgang Muchitsch.
Liebe Museumskolleginnen und -kollegen,
wir stehen nun vor unseren verschlossenen Museumstüren und vor einer für uns alle neuen Situation.
Uns erscheint es in dieser Zeit vor allem wichtig, dass wir im Kunst- und Kulturbereich jetzt alle zusammenhalten und Solidarität beweisen. Die geschlossenen Türen treffen uns alle, aber nicht alle im gleichen Ausmaß. Für Museen sind Ausstellungen (und damit einhergehend Veranstaltungen und Vermittlungsprogramme) nur eine, wenn auch natürlich eine sehr wichtige und öffentlichkeitswirksame Säule der Museumsarbeit, aber nicht die einzige.
Wir alle haben in den letzten Jahren vieles darangesetzt, Einnahmen und Drittmittel zu steigern, doch trotzdem wird unsere Tätigkeit überwiegend durch öffentliche Mittel finanziert. 
Andere Kulturveranstalter – Theater- und Konzertveranstalter, Festivals und Kinos bspw. – sind wesentlich abhängiger von diesen Einnahmen; viele Berufsgruppen, die mit dem Museum verbunden sind – u. a. Künstlerinnen und Künstler, Veranstaltungstechniker/innen, Grafiker/innen, Gestalter/innen uvm. –, sind weniger gut abgesichert. Auch innerhalb der Museumsorganisationen gibt es Berufsgruppen, die nicht abgesichert sind: In vielen Museen sind die Kulturvermittlerinnen und -vermittler prekär über Werkverträge oder als freie Dienstnehmer/innen beschäftigt und stehen derzeit für eine noch nicht abschätzbaren Zeit ohne Einkommen da. 
In Zeiten von Krisen werden viele Probleme deutlich sichtbar. Wir sollten diese Krise daher als Chance sehen, in unseren Museen für klare Verhältnisse zu sorgen. Fixe Anstellungen für die Vermittlung sowie ein Kollektivvertrag, in dem für alle Berufsgruppen im Museum Anstellungsverhältnisse ordentlich geregelt sind, würden die vielfach herrschende Ungleichheit beseitigen helfen. Der öffentlichen Hand sollte daran gelegen sein, den Wert der Kulturarbeit auch entsprechend zu honorieren, den Museen wiederum sollte daran gelegen sein, Gerechtigkeit und Fairness herzustellen.
Wir sollten die augenblickliche (zwangs-verordnete) Gedankenpause nutzen, darüber nachzudenken, in den großen Häusern das Programm zugunsten von #fairpay zu reduzieren; in den Regionen wiederum wird sichtbar werden, wie wesentlich die oftmals ehrenamtliche betriebenen Heimat- und Regionalmuseen als Kulturträger sind. Es wird eine Gedankenaufgabe für die Kulturpolitik sein, wie diese wichtige Museumsszene in Zukunft besser unterstützt werden kann.
Achten Sie auf Ihre Gesundheit! Wir freuen uns schon jetzt mit Ihnen, wenn wir alle die Türen unserer Museen wieder öffnen können.
Ihr
Wolfgang Muchitsch

Dienstag, 3. März 2020

Der junge Hitler und wie Stefan Weiss ihn sieht

In der Tageszeitung „Der Standard“ vom 3.3.2020 schreibt der Mitarbeiter der Kulturredaktion Stefan Weiss über die Ausstellung im Haus der Geschichte in St. Pölten „Der junge Hitler“. 
Die Überschrift gibt der neutralen Bezeichnung der Ausstellung eine überdeterminierte Bedeutung: „Hitlers Jugendjahre: Der Wagnerianer mit dem ‚Nicht genügend.‘“
Da werden zwei Dinge zusammengezogen, die weder sachlich noch chronologisch etwas miteinander zu tun haben - eine schlechte Schulnote im Fach Deutsch und ein späterer Opern-Besuch - und deren Beziehung ohne jede Bedeutung ist.
Der Untertitel des Ausstellungsberichtes attestiert der Ausstellung ein Aufklärungspotential, als ob dieses noch nie genutzt worden wäre und zum ersten Mal gelungen sei, es auszuschöpfen: „Die Ausstellung ‚Der junge Hitler. Prägende Jahre eines Diktators’ im Haus der Geschichte Niederösterreich legt die Wurzeln des NS-Gedankenguts offen.“ 
Dieser Titel legt ja nahe, daß einerseits die Darstellung und Analyse der Jugend Hitlers geeignet sei, das NS-Gedankengut als Ganzes zu erläutern aber zweitens, daß die Person Hitler und der Nationalsozialismus so etwas wie eine Gleichung ohne Rest gewesen seien. Etwa so: Wenn man Hitler erklärt, erklärt man den Nationalsozialismus. 
Das hat schon oft in eine triviale Personalisierung und zu einer sehr schlichten Psychologie geführt, die so gut wie nichts erhellt oder schlimmer noch, mit der Konzentration auf die Person, viele wesentlichen Fragen zum Nationalsozialismus verschleiert. 

Der Autor der Ausstellungsbesprechung stolpert denn auch gleich zu Beginn seines Textes in die Falle der trivialisierenden Personalisierung und scheitert fürchterlich an seiner Exegese einer Fotografie. Dem Text vorgeschaltet ist nämlich ein Foto einer Schulklasse, das sofort ein „gespenstisches Dokument“ sein muss. Denn es zeigt Hitler in seiner Volksschulklasse, in der letzten Reihe, und das „mit verschränkten Armen, starrem Blick und hochgerecktem Kinn in der Mitte der obersten Reihe – Zufall oder nicht: Genau so wird sich Hitler als späterer Diktator häufig inszenieren.“
Es fällt sofort auf und es ist auch vielen Postern aufgefallen, daß viele andere Schüler genau so wie der "zukünftige Diktator" posieren - was möglicherweise einer disziplinierenden Order beim Fotografieren geschuldet ist - und daß der stechende Blick und das hochgereckte Kinn eher Projektionen als objektivierbare Tatsachen sind.
Gespenstisch ist weniger das Klassenfoto als die dieser "Bildanalyse" zugrundeliegende Psychologie, derzufolge der „Diktator“ schon im Kind angelegt und sichtbar gewesen sei.

Einer der Kuratoren der Ausstellung weiß dazu, als ob er persönlich dabeigewesen wäre: "Er hat die Menschen nie auf Augenhöhe angesprochen. Er sah sich immer entweder neben oder über der Gesellschaft.“ 
Das Gegenteil war der Fall. Hitler hat seinen Blick bewusst genutzt und zu Requisiten ausgefeilter Selbstinszenierung gemacht. Albert Speer berichtet z.B.: „Seine Augen waren starr auf die Angetretenen gerichtet, er schien jeden durch seinen Blick verpflichten zu wollen. Als er zu mir kam, hatte ich den Eindruck, daß mich ein Paar weit geöffnete Augen für unermeßbare Zeit in Besitz nahmen." 

Muß ein Ausstellungsrezensent so etwas bemerken? Einen derartigen Widerspruch von historischen Fakten und kuratorialer Interpretation? Muß ein Kulturredakteur nicht vorsichtig werden, wenn - zum wievielten Mal eigentlich - Hitlers „künstlerische Ambitionen“ aufgetischt werden? Sollte man nicht grundsätzlich skeptisch sein, gegenüber einem Ausstellungskonzept, das den Nationalsozialismus aus der Biografie einer einzigen Person heraus zu deuten versucht und noch dazu aus deren Jugendjahren? 

Als „optisch gepolter Mensch“, berichtet Stefan Weiß von der Ausstellung, hätte Hitler früh ein Sensorium für die Ästhetisierung der Politik gehabt und sich (auch das ist schon lange bekannt), von sozialistischen Ritualen inspirieren lassen. Aber was bitte ist ein „optisch gepolter“ Mensch?

Die altbekannte, durch Wiederholung in ihrer Schlichtheit nur noch aufdringlichere entwicklungspsychologische These vom verhinderten oder gescheiterten Künstler, der in die Politik geht, ist sogar eine fettgedruckte Zwischenüberschrift wert: „Vom Maler zum Politiker“. Ja, ja, wie wir wissen hätte uns die Wiener Akademie der Bildenden Künste den Nationalsozialismus erspart, hätte sie Adolf Hitler die Aufnahmeprüfung bestehen lassen...

Das eigentliche Erweckungserlebnis war der Ausstellung zufolge aber nicht die Bildende Kunst, sondern die Oper, genauer gesagt Wagners Opern. Leider läßt uns der Autor der Ausstellungsbesprechung, wie meist bei Rezensionen üblich, über das Spezifische der medialen Vermittlung im Ungewissen. Und das gerade dort, wo es doch ganz interessant hätte sein können zu erfahren, nicht was, sondern w i e es mitgeteilt wird. 
„Mittels Tonaufnahmen und Originalmodellen der damaligen Bühnenbilder lässt die Ausstellung erahnen, welche Wirkung die oft völkisch motivierten Inszenierungen auf Hitler gemacht haben müssen.“
Das hätte mich doch interessiert, wie eine Ausstellung die historische affektive und ideologische Wirkung auf eine bestimmte Person uns heutigen Zusehern vermittelt haben will?
Aber die Ausstellung kann noch mehr. Sie läßt uns an „den künstlerischen Ambitionen“ Hitlers „Größenwahn bei gleichzeitiger Selbstüberschätzung“ erkennen, was, hier wird Mussolini zitiert, nur in eine Auffassung von Politik als „größte Kunst“ münden konnte weil sie mit "lebendigem Material" arbeite: „dem Menschen.“

Diese Ausstellung muß großartig sein, ich muß sie mir ansehen

Dienstag, 25. Februar 2020

Koloniales Raubgut in Bundesmuseen

Es ist den Neos zu verdanken, daß man nun ziemlich genau Bescheid weiß, was an sogenannter kolonialer Beute in Bundesmuseen vorhanden ist. Der Standard berichtet verdienstvoller Weise ausführlich dazu. (hier der Link). Nun ist die Frage, ob der Rückgabe von NS-Raubgut analoge Verfahren eingerichtet werden.
Nicht ganz unerheblich Scheiben mir die derzeit über 150 Posts zum Standard-Artikel von Olga Kronsteiner. Sie sind mehrheitlich aggressiv und gegen jegliche Rückgabe formuliert und reproduzieren uralte Klischees, wie das von der konservatorischen Leistung europäischer Museen, die damals wie heute allein das sachgerechte Überdauern der Sammlungen garantieren könnten.

Donnerstag, 23. Januar 2020

Gerhard Roth geht ins Heeresgeschichtliche Museum

Den mit Abstand noch immer besten Text zum Verständnis des Heeresgeschichtlichen Museums verfasste Gerhard Roth 1991. In Eine Reise ins Innere von Wien (Frankfurt am Main. Fischer Verlag 1991) spürt der Autor der Repräsentation des Mythos Habsburgerreichs und Kaiserlicher Armee in einem langen Essay. Ich habe aus dem Essay eine Passage ausgesucht, in der Roth eine Führung durch das Haus beschreibt, die vor dem wahrscheinlich wichtigsten und merkwürdigsten Objekt des Museums Halt macht: der blutigen Uniform des Throfolgers Franz Ferdinad, der in Sarajewo ermordet wurde. Kein anderer Text vermittelt einem die bis heute ungebrochene Athmosphäre des Museums. GF

»Der Aufenthalt in diesem Raum«, sagt der Auskunftsoffizier im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien, Oberst Krach, »zählt zu den Höhepunkten jeder Führung. Wir stehen vor den stummen Zeugen des Mordes von Sarajewo ... stumme Zeugen nenne ich sie: die Uniform, die der Thronfolger zum Zeitpunkt seiner Ermordung getragen hat und das Auto, in dem der Doppelmord geschah ... Damit Sie gleich den Stellenwert dieses Ereignisses einschätzen können: Die Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgerpaares in Sarajewo war der unmittelbare Anlaß zum Ersten Weltkrieg.« Der Oberst, ein hagerer, großer Mann in Zivil mit der Frisur eines römischen Senators und dem Habitus eines Don Quichottes, der sich auf Abenteuersuche in das Märchenland der österreichischen Geschichte begeben hat, hat die Augenlider halb geschlossen und trägt in einer Hand eine Teleskopantenne als Zeigestab, mit der er »Tick-Tick« und »Pin-Pin« abwechselnd auf den Holzrahmen und die Glasscheibe der Vitrine klopft. Der rote Saal mit Spitzbögen an der Decke, hohen Fenstern und knackenden Parketten, riecht nach Bodenwachs. Auf der rechten Seite, an der Wand, steht das viersitzige Cabriolett der Marke Gräf & Stift, Baujahr 1910, in dem Franz Ferdinand und seine Frau erschossen wurden, in der Mitte des Saales die schwarz gerahmte Vitrine mit der Hose, dem blutigen Uniformrock und dem Stulphut des Thronfolgers, die auf schwarzem Tuch ausgebreitet liegen, wie die Reliquien eines Märtyrers. Der Thronfolger begriff die politischen Gegebenheiten der k. u. k. Monarchie zwar besser als Kaiser Franz Joseph, war aber bei aller Bigotterie ein Mann, der mit dem Giftzahn der Gewalt ausgestattet war. Als er eine Ausstellung mit Werken Oskar Kokoschkas sah, soll er das zukunftsweisende Urteil abgegeben haben: »Dem Kerl sollte man die Knochen im Leibe zerbrechen.«. Er war jähzornig und sein Ungarnhaß sprichwörtlich. Seine Zeitgenossen sahen den »guten Familienvater« und »Oberbefehlshaber der Bewaffneten Armee« als »Meisterschützen«. Während seiner Erkrankung an Lungentuberkulose im Frühjahr 1895 stutzte er von einer Liege aus einen in der Nähe stehenden Baum durch Pistolenschüsse so zurecht, »wie es ein Gärtner nicht hätte besser schaffen können«. Schon mit neun Jahren erlegte er »sein erstes Tier« und die vollständig erhaltenen Schußlisten weisen auf eine ins Gigantische verzerrte Jagdleidenschaft hin. Während seines einundfünfzigjährigen Lebens schoß er 274 88g Stück Wild aller Art. Seine »Jahresbestleistung« erzielte er 1911 mit 18 799 Stück, die höchsten »Tagesleistungen« bestanden in der Regel aus Hasen, Fasanen und Rebhühnern, sein Tagesrekord, am 17.6. 1908, waren 2763 Lachmöwen. Auf seiner Brust hatte Franz Ferdinand einen Drachenkopf tätowiert. Der Oberst dreht sich zu dem mit einer geflochtenen Schnur umzäunten Wagen und weist mit der rechten Hand und gestrecktem Zeigefinger auf den Rücksitz. »Es war Sonntag, der 28. Juni 1914, 10 Uhr, da wurde auf das Thronfolgerpaar anläßlich seines Besuches das erste Attentat verübt. Es verlief glimpflich. Das zweite jedoch, um 10.45 Uhr, das entscheidende, werde ich Ihnen kurz beschreiben. Der zwanzigjährige Student Gavrilo Princip, gab aus allernächster Entfernung, etwa so wie ich hier zum Wagen stehe, rasch hintereinander zwei Schüsse auf das Thronfolgerpaar, das auf dem Rücksitz des Wagens saß, ab. Der erste Schuß durchschlug die rechte Bordwand und tötete die Gemahlin des Thronfolgers durch einen Bauchschuß. Gleich aber krachte der zweite, traf den Thronfolger in den Hals und zerfetzte ihm die rechte Schlagader. Was der erste Schuß angerichtet hat, können Sie sich mit einiger Phantasie vorstellen.« Der Oberst macht eine Pause, schließt kurz die Augen und fährt dann, mit dem Zeigestab auf die Glasplatte der Vitrine klopfend, fort: »Wir suchen den zweiten Treffer auf der Uniform, der ihren Gemahl Franz Ferdinand von Osterreich tötete. In Verlängerung meines Zeigestabes blicken Sie bitte auf die Uniform ... Da sehen Sie unter der rechten Kragenstelle ein ganz kleines Einschußloch. Dort trat das tödliche Projektil in den Körper ein. Das Blut rann aus der Wunde in einem dünnen Strom, unter der Uniform von rechts nach links hinunter, sickerte auf der linken Brustseite, also ganz wo anders durch den Stoff und färbte die Uniform dunkelrot. Zwei rasch herbeigerufene Ärzte nahmen irrtümlicherweise an, der Treffer müsse hier sitzen« — »Pin-Pin« macht der Zeigestab — »und schnitten die Uniform mit einer Schere in dieser Richtung auf, um sich das zeitraubende Offnen der acht Knöpfe auf der rechten Seite zu ersparen, aber jede Hilfe war vergeblich ... Und nun zum Schnitt hinter dem Kragen« — wieder klopft der Oberst mit dem Zeigestab auf die Glasplatte...

Zur Geschichte und Architekturgeschichte sowie zur ursprünglichen Funktion des "Arsenals" als gegenrevolutionäre Anlage siehe hier.
Zur aktuellen Debatte um das Museum und Vorwürfe und Kritik an ihm siehe hier.

Dienstag, 21. Januar 2020

Das Heeresgeschichtliche Museum hat "Braune Flecken"? Wenn es nur das wäre. Es gehört geschlossen


1

ORF.at berichtet heute (Online seit heute, 5.00 Uhr 21.1.2020, hier der Link) unter dem Titel „Braune Flecken in HGM?“ über eine Ausweitung der, nun sagen wir mal „Prüfung“ des Heeresgeschichtichen Museums. Mehrere Zeitungsberichte hatten im September des Vorjahres über NS-affine Literatur und Shopartikel im Museumsshop sowie merkwürdig militaristische Veranstaltungen berichtet. In zwei Blogs waren diese und andere, aber erhebliche erweiterte Vorwürfe erhoben worden. Das Verteidigungsministerium kündigte eine Untersuchung an. Jetzt soll sogar das ganze Museum überprüft werden. Es wurde eine externe Kommission zur Prüfung des Museumsshops eingesetzt und dann noch eine zweite im November, die den Ausstellungsteil, der die Zeit zwischen 1918 und 1945 zeigt, überprüfen sollte. Noch im Dezember hat der Minister der sogenannten Übergangsregierung, Starlinger, dann „die Untersuchung auf das gesamte Museum samt Außenstellen ausgeweitet“.

Bei der Prüfung, berichtet der Ort, gehe es grundsätzlich nicht um die Zeit des Nationalsozialismus. Es solle, so teilt der Sprecher des Ministeriums mit, „ob man museumsdidaktisch auf dem letzten Stand ist“ und „ob man den richtigen Zugang hat.“ Zusätzlich prüft die die Disziplinarabteilung des Museums Vorwürfe, wonach die Besucherzahlen des Museums verfälscht worden sein könnten.

Andere Vorwürfe richten sich gegen den genannten Ausstellungsteil, der vom früheren Direktor des HGM, Manfrede Rauchensteiner konzipiert wurde. Demnach seinen in diesem Abschnitt Objekte nicht kontextualisiert, es werde zu wenig erklärt. Wehrmachtssoldaten würden etwa nicht als Täter der NS-Vernichtungsmaschinerie erwähnt.

In den seinerzeitigen Medienberichten war außerdem auch von der Existenz eines rechten Netzwerk im Museum die Rede und daß mehrere Mitarbeiter Burschenschaften angehörten.

2

So. Es gibt jetzt also zwei oder gar drei Kommissionen, die etwas untersuchen. Wünschen wir diesen Kommissionen das Beste. Aber fragen wir uns, ob nicht schon das ganze ministerielle Procedere dazu geeignet ist, die Probleme kleinzureden. Es ist eine Leistung von Bürokratien, durch ihre Verfahren so etwas leisten zu können. Da ist zuerst einmal die Aufteilung der Kritik in mehrere Kommissionen, die eine Konzentration auch der öffentlichen Aufmerksamkeit auf Teilbereiche lenkt und verhindert, daß das Museum als Ganzes in den Blick kommt, die Frage nach seiner Berechtigung in der jetzigen Form, die Frage nach seiner ideologischen und seiner geschichtswissenschaftlichen Ausrichtung und die Frage nach seiner Organisation als Bundesmuseum das dem Landesverteidigungsministerium unterstellt ist.
Schwerer wiegt, daß die Formulierung der Frage- und Problemstellungen, die als aufklärungswürdig gelten, ebenfalls die zentralen Fragen einengen und auf Teilaspekte so beschränken, daß die Komplexität der Institution, ihrer Dauerausstellung mit allen ihren Aspekten (Gestaltung, Texte, Objektdisposition, Narrativ etc.) gar nicht mehr sichtbar werden. „Ob man den richtigen Zugang“ habe, ist eine völlig schief gestellte Frage, denn einen richtigen Zugang git es nicht und ob man museumsdidaktisch auf dem letzten Stand ist, läßt sich auch als rein methodische Spezialfrage unter Ansehung aller Inhalte abhandeln. In der fragwürdig eingestuften „zeithistorischen“ Abteilung fehlt nicht einfach die Kontextualisierung oder ausreichende Erklärung, hier geht es um ein schiefes und fragwürdiges Geschichtsbild und seine Umsetzung als Ausstellung.
Das Museum selbst aber auch das Ministerium - und man wird sehen, ob die Kommission dieser Haltung folgt -, macht auf Unschuldskomödie. Kritik am Museum, Kritik an den genannten Vorfällen und Ausstellungsteilen - nie gehört, gibt es nicht. Es wird schlicht ignoriert, was es schon an Kritik am Museum - Revisionismus ist ja kein kleiner Vorwurf -, gibt.

3

„Braune Flecken?“ Wenn es nur das wäre! Das Museum hat eine uralte, in jeder Hinsicht dringendst veränderungswürdige Dauerausstellung. Es huldigt einem überholten patriotisch-monarchischen Bild österreichischer Geschichte, in dem der Geschichte der Armeen folkloristisch-patriotisch gehuldigt wird. Die spät(er) hinzugefügte Ausstellung - ich kenne nur kritische bis vernichtende Urteile von HistorikerInnen und MuseologInnen, niemand verteidigt die Ausstellung -, entstand mit dem Ehrgeiz, so etwas ein österreichisches Geschichtsmuseum angesichts der fruchtlosen Endlosdebatte um ein „Republikmuseum“. Der Ehrgeiz von Herrn Rauchensteiner, aus dem Heeresgeschichtlichen Museum so etwas wie ein Haus der Gesichte werden zu lassen, hat seinerzeit auch das Wohlwollen eines Standard-Chefredakteurs gehabt (vgl. Gerfried Sperl am 16. August 2015) - man darf nicht vergessen, wie viel Ahnungslosigkeit, Desinteresse und Oberflächlichkeit in solchen Debatten zirkuliert.

4

Wenn sich nicht eine gewichtige zivilgesellschaftliche Kritik herausbildet, die die fachliche Kompetenz von HistorikerInnen, MuseologInnen usw. einzubinden versteht, wird man im Schachspiel der Politik und Verwaltung - mal lese mal dazu Wolfgang Zinggls (hier der Link zum Anfragetext) parlamentarische Anfrage und den Antworttext des Ministers (hier der Text)  - wenige Züge machen können. Deshalb ist die geplante Tagung am 24.1 () so wichtig und interessant, auch wegen der Multidisziplinarität.

* Zur Geschichte und Architekturgeschichte sowie zur ursprünglichen Funktion des "Arsenals" als gegenrevolutionäre Anlage siehe hier.

* Zur aktuellen Debatte um das Museum und Vorwürfe und Kritik an ihm siehe hier.

* Endlich gibt es Kritik am Heeresgeschichtlichen Museum. Ein Post (hier der Link) zum Beginn der Debatte ums Museum vom September 2019 und Links zu den Quellen und Initianten, die die Debatte mit ihren Recheerchen angestoßen hatten.

* Gerhard Roth hat vor vielen Jahren einen wunderbaren Text zum Museum verfasst. Hier ein Appetithäppchen - als Anregung, den ganzen Text zu lesen: Link


Sonntag, 5. Januar 2020

Warum es keine staatliche Museumspolitik in Österreich gibt und wohl auch weiterhin keine geben wird

Das Kulturkapitel in der Regierungserklärung 2020 hat rasch Reaktionen hervorgerufen, die meisten skeptisch bis abwehrend, etwa was eine Museumsholding betrifft. Überraschend sind aber weder ideologisch-politische Ablehnung noch der Text selbst. Wie schon in früheren Regierungspapieren werden diverse Massnahmen angekündigt, die untereinander kaum Verbindung haben und auch keinerlei leitender Vorstellung folgen. Was immer dann von den angeführten Massnahmen umgesetzt werden wird, einer kulturpolitischen Idee folgt die Regierungserklärung nirgends. 
Es lohnt sich also nicht einmal Gegenargumente zu sammeln, zu vage sind die einzelnen Punkte, zu zusammenhanglos, zu offen, was deren Umsetzung in die Praxis betrifft. Und es sind durchweg technische Massnahmen, jedwede inhaltliche Positionierung wird vermieden. Dass das Volkskundemuseum in Wien saniert gehört, baulich und finanziell, das wird niemand bestreiten. Aber ist ein Volkskundemuseum in der bisherigen Form inmitten einer urbanen Umgebung noch zeitgemäss? Zu solchen Fragen schweigt sich das Papier aus. 

Schon bisher gab es keine kohärente Kulturpolitik. Was nun wieder beklagt wird, dass innerhalb der Aufteilung der Regierungsagenden Kultur einen marginalen Platz einnimmt, ist nicht neu. Was an diesem Katalog «grün» sein soll, kann ich nicht sagen – gab es denn je so etwas wie eine grüne Kulturpolitik? Immerhin hatten die Grünen lange Zeit den prominentesten Kulturpolitiker, Wolfgang Zinggl, der sich aber als ein Art kultureller Korruptionsanwalt verstand und ebenfalls nie, mangels politischen Einflusses der Grünen, nie so etwas eine leitende, in der Parte der Grünen verankerte Idee verfolgte. Immerhin legte er 2016 ein beachtliches Papier zur Situation der Museen vor. (Sie die weiterführenden Links am Ende des Textes).

Deshalb lohnt es sich auch nicht, auf Details einzugehen oder Fehlendes zu beklagen. Man sollte sich zwar nicht gleich fürchten müssen, aber skeptisch sein: Die Massnahmen, die der Staat für die von ihm finanzierten Museen in den letzten Jahrzehnten getroffen hat, waren meist eher nachteilig und wurden den Eigentümlichkeiten der Institution nicht gerecht. Die Bundesmuseen als «wissenschaftliche Anstalten» gesetzlich zu verankern, verfehlt schlicht den gesellschaftlichen Sinn und Auftrag, den diese Einrichtungen haben und die Museumsfinanzierung via Ausgliederung am niederländischen Vorbild auszurichten, scheiterte daran, dass das Finanzministerium auf der Deckelung der Finanzierung bestand. Mit den bekannten gravierenden Folgen.

Eher kann man die Prognose wagen, dass es auch künftig so etwas wie Kultur- oder Museumspolitik nicht geben wird. Dafür gibt es vor allem zwei starke Gründe. Der eine liegt darin, dass dieses Politikfeld für Parteien in jeder Hinsicht unattraktiv ist - für Machterhalt, Klientelismus, Wählermobilisierung uninteressant. Hier verbrennt sich niemand die Finger. Der andere Grund ist der, dass Parteien ohnehin über einen beispiellosen vielfältigen Einfluss verfügen – über Finanzierung, Personalpolitik, Entsendung von Aufsichtsorganen u.a.m. Die Gründung eines Republikmuseums aus dem Büro eines Ministers heraus (die Folgen dieser undurchdachten, überhasteten Museumsgründung werden kaum zu reparieren sein) oder die Abberufung Sabine Haags als Direktorin mögen als Beispiele genügen. 

Meine Skepsis stützt sich aber nicht nur auf diese beiden Aspekte. Es gibt zwei weitere Umstände, die eine Hypothek für jede Ambition darstellen, so etwas wie staatliche Museumspolitik zu betreiben. Es gibt für das (kleine) Politikfeld (staatliche) Museen vier Akteure. Politik/Verwaltung; Museen/Museumsmanager; Besucher; und (v.a. bei Kunstmuseen) Sammler/Galerien. Museumspolitik müsste das Beziehungsgeflecht zwischen den vier Akteuren und den unterschiedlichen Interessen neu gestalten. Da aber die Politik aus den genannten Gründen kaum ein Interesse an einer kohärenten, langfristigen Museumspolitik hat; da die Institutionen und ihre Leitung auf ihrer Autonomie beharren (was das Beharren einer ziemlich unzeitgemässen hierarchisch-autoritativen Leitung inkludiert); da das Publikum nahezu komplett aus dem Diskurs ausgeschlossen ist und keinen Einfluss auf Museen hat; da das Interesse von Sammlern/Galerien/Stiftern ziemlich eng und vorwiegend ökonomisch motiviert ist – wer sollte dann eigentlich der Akteur einer Museumspolitik sein? Von wem sollte eine diesen Positionen und Interessen übergeordnete Museumspolitik kommen? 

Und: Soll man es sich denn überhaupt wünschen, dass die Politik die leitenden Ideen formuliert, an denen sich Museen ausrichten sollten? (Das kann sie auch gar nicht). Es geht um eine gesellschaftliche Aufgabe, die nicht kleinen politischen, strukturell fachlich inkompetenten Eliten überlassen werden dürfte, sondern Formen der Partizipation auf allen Ebenen erforderte. Andere Länder sind da schon weiter, kennen Praktiken und Methoden so etwas zu gewährleisten und leisten sich Entwicklungspläne und evaluierte Zielformulierungen. Also stellt sich eine zweite Frage, die anders als die eben geschilderte, sehr besonders österreichisch ist und etwas mit der Geschichte und Soziologie des staatlichen Museumswesens zu tun hat. Der Grossteil der vom Bund verwalteten und finanzierten Museen ist in der Donaumonarchie entstanden, z.T. aus habsburgischen Sammlungen. Im Vergleich zu Deutschland, England, Frankreich oder der Schweiz spielte hier bürgerliches Engagement eine geringere Rolle (das gilt nicht für die Museen in den Ländern und Städten). Das Museum, das heute als bedeutendstes Österreichs gilt, das Kunsthistorische, wurde als Hofmuseum geplant und gebaut, als ein Museum, das den Glanz der Habsburgermonarchie und die Sammelpolitik des Hauses Habsburg feiern sollte, während andere Staaten schon Jahrzehnte ihre nationalen Institutionen als bürgerlicher Ideologie verpflichtete Bildungseinrichtungen gegründet hatten.

Der Versuch, die «Republikanisierung» der Museen nach 1918 zu betreiben scheiterte. Der Staat Österreich war gezwungen, das riesige «Erbe» der Monarchie zu übernehmen und zu transformieren. Bei den Museen fand dieser Prozess nicht statt. Hans Tietze, ein bedeutender Kunsthistoriker, Historiker und Denkmalpfleger versuchte als Leiter des Unterrichtsamtes und zuständig für die Museen, eine durchdachte Politik der Transformation einzuleiten. Eine, die der Republik ihr adäquate Institutionen geben sollte. Er scheiterte mit seinem Konzept am konservativen Widerstand. Seither wurde nie wieder versucht, so etwas wie eine Museumspolitik des Bundes auch nur zu denken und die Versäumnisse von damals sind die Probleme von heute (etwa die unnötig durch Sammlungsüberschneidungen verschärfte Konkurrenzsituation).
Man könnte einwenden, dass eine «Republikanisierung» nun nicht mehr nötig sei. Die Popularisierung des Museums, der Museumsboom, die Steigerung der Besuchszahlen, das alles sei ja als ein Prozess der Demokratisierung zu verstehen. Hier teile ich aber die Skepsis eines Walter Grasskamp, eines Museologen und Kunsthistorikers, dessen Urteil ich sehr schätze. Er analysiert die Museumsentwicklung der letzten Jahrzehnte, die Wandlung zum Freizeitort, die Eventisierung, die Übernahme sozialpolitischer Aufgaben u.a.m. als «Vergessen» dessen, was Museen ausmacht und historisch ausgemacht hat.
Genau hier tauchen Fragen auf nach dem, was man sich von Museen eigentlich erwartet. Wozu brauchen wir Museen? Welchen Ansprüchen sollen sie gerecht werden? Welchen gesellschaftlichen Sinn sollen sie (mit)tragen? Welcher «Wohlfahrt» sollen sie, die als steuerfinanzierte Institutionen Teil des Wohlfahrtsstaates sind, dienen? Braucht man Museen eher als Orte des folgenlosen ästhetischen Genusses, der zerstreuenden Schaulust oder als Medien von Reflexions- und Orientierungswissen, mithin als Zukunft aufschliessend und nicht bloss Tradition hortend? (Das was (Musik)Theater, Kino, Literatur sehr wohl können).
Diese Fragen wurden, wenig überraschend, auch diesmal nicht gestellt (im Regierungsprogramm) und sie werden auch künftig, denke ich, nicht gestellt werden. 

Verwandte Themen: Es gibt keinen "Fall Eike Schmidt". Hier findet sich etwas Ausführlicheres zur seinerzeitigen Abberufung von Sabine Haag und der ErnennungEike Schmidts zum Leiter des Kunsthistorischen Museums. Der "Fall" hat sich zwar erledigt, aber als symptomatisch für staatliches, parteipolitisches Handeln soll die Geschichte in Erinnerung gehalten werden. Hier der Link.
Von 2017 stammt ein Blogeintrag, der wiederum das Kunsthistorische Museum ins Zentrum rückt und die "Genealogie" seiner Leitungen - als Versuch, das Fehlen, und etwa schon von Hermann Fillitz eingeforderte Museumskonzept - "hsitorisierend" verständlich zu machen. Hier der Link
An der Übernahme der Sammlung Esel durch die Albertina gab es seinerzeit massive Kritik. Sie bezog sich sowohl auf die Planlosigkeit des Umganges des Bundes mit Sammlungen als auch auf die Konterkarieren einer mit dem von der Regierung in Auftrag gegeben "Weissbuch" angebahnten grundsätzlicheren Museumsreform. Hier der Link
Ein schon eine gute Weile zurückliegendes Interview mit Martin Fritz im Standard erinnert daran, wie sehr sich - was Fritz schon damals feststellte - Die Diskussion im Kreis dreht. Hier der Link
Mit der Frage, ob es so etwas wie eine "Grüne" Museumspolitik gibt, habe ich mich schon mal beschäftigt, anlässlich der Veröffentlichung eines umfangreichen und beachtlichen Papiers, das Wolfgang Zinggl verfasst hat. Hier der Link mit dem weiterführenden Verweis auf das Online-Dokument.