Der Kulturressortchefin der "Kleinen Zeitung", Ute Baumhackl, muß der Geduldsfaden schnalzend gerissen sein.
In mehreren kurz hintereinander erscheinenden Artikeln machte sie darauf aufmerksam, daß die beiden Leitungspositionen des ehemaligen Landesmuseums, jetzt: Universalmuseum in Graz längst feststünden (ich ergänze aus eigenem Informationsstand: mindestens seit dreieinhalb Monaten), aber dennoch ein Hearing stattfinde, Eine "Farce" (U.B.), an der sich eben darum auch kaum wer beteilige.
Der Ärger von Frau Baumhackl wird schließlich so groß, daß sie Namen nennt und den parteipolitischen Deal. Der sieht so aus: "...die kaufmännische Geschäftsführerin stand angeblich schon lange vor den Hearings fest. Es ist die Ex-SP-Kultursprecherin im Landtag, Alexia Getzinger. Ursprünglich sollte sie nach halber Legislaturperiode die VP-Landesschulratspräsidentin Elisabeth Meixner ablösen. Die will nun aber 2018 Bildungsdirektorin werden, für die ausgebildete Kulturmanagerin Getzinger gab es einen Deal zwischen SPÖ und ÖVP – was die „rote“ Doppelspitze“ im UMJ erst möglich machte." (U.B. in der Kleinen Zeitung, 19.10.2017)
Und weiter: "Die schönen Worte über die historische und kulturelle Bedeutung des Joanneums kann sich die steirische Politik jetzt aufzeichnen: Sie verliert jede Glaubwürdigkeit, wenn sie zum Schein Hearings zur dessen künftiger Leitung durchführt und ihr Ausgang längst feststeht."
Während es ehedem einen wissenschaftlichen Leiter gab (Wolfgang Muchitsch) und einen Intendanten (Peter Pakesch), gibt es jetzt neben dem wissenschaftlichen einen kaufmännischen Leiter. Aus eigener Wahrnehmung füge ich hinzu, daß in Wirklichkeit diese Aufteilung wenig bedeutet hat, beide Leiter agierten eigentlich immer in fast allen Aufgabengebieten, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität.
Eine Doppelspitze gab es ja seit 2003 nicht wegen der Aufgabenfülle und -teilung, sondern als "großkoalitionäre" Leitung, die ÖVP und SPÖ unter sich ausmachten. Daß nun der ÖVP ihre "Parteisoldatin" (U.B.) so viel wert ist, daß sie zuläßt, daß das Museum von zwei "Roten" regiert wird, pardon, geleitet, ist schon beachtlich. Dabei macht die Bestellung zweier Leiter m. M. nach in diesem speziellen Fall, keinen Sinn. Man könnte sich die teure Stelle buchstäblich ersparen.
Der Deal ist ein rein parteipolitischer, deshalb bedarf er der Camouflage, die aber endgültig mit der Aufklärung in den Artikeln von Frau Baumhackl zur Farce geworden ist, und wie! Denn in der Auswahlkommission sitzt niemand, der je ein Museum geleitet oder eine Ausstellung produziert hat, niemand aus Restösterreich und schon gar niemand aus dem Ausland. Wozu auch?
Mit diesem Agieren signalisieren beide Parteien, daß die einzige Maxime ihres Handelns die Platzierung "ihrer" Funktionäre auf lukrative und repräsentative Positionen ist. Und daß es keine inhaltlichen und strategischen Kriterien mehr gibt. Damit bringt man eine Kulturinstitution wie ein so großes Museum um. Es gibt keine Ansprüche mehr seitens der Politik, keine Vorstellung davon, wozu dieses Museum gut ist. Das schlägt voll in die Institution durch: Mit der unglücklichen Entscheidung, sich "Universalmuseum" zu nennen (weltweit nennt sich - wohlweislich - kein Museum so), kassierte man die Agenda "Landesmuseum". Man kann es an vielen Orten des Museums sehen, was das bedeutet, in der identitätspolitischen Ausrichtung eine Leerstelle zu lassen, etwa am jüngst eröffneten sogenannten Geschichtsmuseum.
Das ist in Wirklichkeit das diametrale Gegenteil, ein Depot ohne Beschriftung, Kontextualisierung, mit hinter Gittern gefangengesetzter Objekte, noch dazu von überwiegender bescheidener regionaler Qualität. Vor allem aber ohne jede zeitliche Dialektik und Differenzerfahrung, ohne die keine Geschichtserfahrung entstehen kann, und ohne Deutungsabsicht und ohne Reflexion. Schon jetzt ein klinisch toter Ort.
Ute Baumhackl: "Das Üble an solchen Deals ist ja (...) dass sie die wirklich wichtigen Fragen verdrängen. Etwa die, was das Joanneum als kulturhistorische Schatzkammer des Landes künftig leisten muss. Stattdessen wird das Haus zum Symbol für Parteienschacher und Postenproporz. Und wir dachten, die sind schon lang vorbei im Museum."
Vor Jahren habe ich einen ironischen "Lebenshilfe-Text" veröffentlicht, der großes Echo hatte: "Wie ruiniert man ein Museum?". Ich denke, ich kann jetzt diesen Text um ein anschauliches Beispiel erweitern.
Ergänzung am späten Nachmittag desselben Tages.
Offenbar auf der Basis einer Agenturmeldung wird nun in verschiedenen Medien die Berufung von Wolfgang Muchitsch und Alexandra Getzinger gemeldet. Und folgender Kommentar des für das Berufungsverfahren (und das Museum) zuständigen Landesrat Drexler: Getzinger sei mit einem männlichen Bewerber gleichauf gelegen und aufgrund der Gleichstellungsregel vorgezogen worden. Dass beide Kandidaten der SPÖ nahestünden, zeige, dass es keinen Proporz-Deal gegeben habe.
Der Kulturlandesrat weiß, daß es anders ist, daß er Beteiligter an einem schon vor Monaten ausgehandelten Deals ist. Und er weiß, daß "wir" es wissen, das heißt, diejenigen, die so etwas verfolgen, lesen. Und er weiß, daß "wir" es u.a. aus der Zeitung wissen, also daß eine größere Öffentlichkeit weiß, daß er "es" weiß.
Also: Der Kulturlandesrat besitzt die Kultiviertheit, sich nicht damit zu begnügen, das Ergebnis des sogenannten Berufungsverfahrens mitzuteilen. Nein, er macht uns auch noch auf den Kopf, verhöhnt uns, und zwar detailliert und maximal zynisch. Er beschädigt nicht nur jeden qualifizierten Bewerber, der ausgebremst wurde, er beschädigt nicht nur das Museum, indem er (mit anderen) signalisiert, daß es nur um parteipolitische Rochaden geht, nein er macht sich auch noch über die Idee und Praxis der Gleichstellung lustig, bringt sich indirekt als gläubiger Gleichstellungsfan und als Anti-Korruptionist ein.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen