Mittwoch, 28. April 2010

Partizipation. Call for Papers des Historischen Museum Frankfurt

Ich bin von Mitarbeiterinnen des Historischen Museums Frankfurt gebeten worden, diesen Call for Papers zu verbreiten - was ich hiemit gerne tue. GF

// Call for Papers //
Arbeitstagung vom 18.-19.11.2010 

Gegenwartsthemen ausstellen
Zwischen Partizipation und user generated content – eine Herausforderung für das
Stadtmuseum des 21. Jahrhunderts


Das historische museum frankfurt plant im Rahmen seiner Neukonzeption neben einer stadtgeschichtlichen Dauerausstellung einen Ausstellungsbereich zu Gegenwart und Zukunft der Stadt Frankfurt. Das Stadtlaboratorium wird in Zusammenarbeit mit seinen Besuchern bzw. Benutzern erarbeitet.
Die Arbeitstagung richtet sich an Experten und Kollegen, die Gegenwarts-und Zukunftsthemen in Kooperation mit Communities erarbeiten und ausstellen bzw. an Vertreter verschiedener Wissenschaftsdisziplinen, deren Forschungsarbeiten das im Titel umrissene Themenspektrum beinhalten.

Partizipativ ausstellen
Während der Arbeitstagung wird das „partizipative Museum“ sowohl in theoretischer Perspektive als auch an Hand von vielfältigen Praxisbeispielen erörtert werden.
Ihre Wurzeln findet die Idee der „Bevölkerungsbeteiligung“ bereits im 19. Jahrhundert und setzt sich schließlich in den 1970er Jahren unter Einbezug des lebensweltlichen Kontextes durch
(z.B. im Écomusée, Georges Henri Rivière).
Für ein Stadtmuseum einer kleinen Metropolregion zu Beginn des 21. Jahrhunderts stellen sich jedoch manche Fragen anders, denen wir in einer ersten Themeneinheit nachgehen wollen: Wie gelingt der Anspruch, eine reale und nachhaltige Teilhabe und Mitbestimmung im Ausstellungsprozess umzusetzen? Welche Haltung kann, soll oder muss das Museum (auch als städtische Institution) einnehmen, wenn es mit gesellschaftlichen und politischen Konfliktthemen umzugehen hat, die von seinen Kooperationspartnern eingebracht werden? Wie gelingt die Balance zwischen einer kooperativen Ausstellungskonzeption und dem gleichzeitigen Qualitätsanspruch der Bildungsinstitution? Versprechen solche Co-Creation-Prozesse weitere Mehrwerte, als jene, Reflexionen über eigene soziokulturelle Praxen anzustellen und Identitätsangebote in der unsicheren Moderne zu schaffen? Ist es ein Marketinginstrument? Wie können Museumsbesucher aktiv Ausstellungsinhalte mitbestimmen und erarbeiten, ohne dass die Museumskuratoren zu reinen Facility Managern werden? Laufen wir Gefahr, wie Udo Gösswald, Leiter des Berliner Bezirksmuseums Neukölln, auf der Tagung der Berliner Stadtmuseen im April 2009 warnte, durch eine unnötige „Amateurisierung“ die Museumsarbeit zu entwerten? Oder verändern sich die Rollen dahingegen, dass der Kurator zu einem „Vermittler, Moderator und Übersetzer“ und der Besucher zum „Lernenden, Lehrenden, Betrachter und Betrachteten“ wird (Beat Hächler, Co-Leitung Stapferhaus Lenzburg)? Schließlich sind in diesem partizipativen Anspruch die Forderungen nach der interkulturellen Öffnung einer deutschen Bildungsinstitution sowie nach einem niedrig schwelligen Zugang für bildungsferne Milieus verwoben.
Praktisch möchten wir den Austausch anregen: Welche Erfahrungen wurden bereits mit partizipativen Ausstellungsprojekten gemacht und welche Resümees können daraus für die konkrete Umsetzung gezogen werden? Welche Partizipationsformen und -methoden wie z. B. „open space“ und „world café“ haben sich bewährt, welche sind als problematisch zu bewerten?
Gegenwart ausstellen

In einer zweiten Themeneinheit wird der Blick auf das Ausstellen von Gegenwartsthemen in einem Stadtgeschichtlichen Museum gerichtet. Das Stadtlabor, in dem über die Gegenwart und Zukunft des alltäglichen Lebens in der Stadt reflektiert und verhandelt werden soll, fordert ähnliche aber auch andere Ausstellungsweisen sowie Kommunikations-und Interaktionformen heraus, als es kultur-und sozialgeschichtliche Ausstellungen tun. Der Begriff der „sozialen Szenografie“ will den offenen Interaktionsprozess zwischen Besucher, Ausstellungsmacher, Personal, Objekt und Raum auf neue Weise fassen und die Handlungen der Besucher selbst als Ausstellungsinhalt und -bestandteil nutzbar machen. Innerhalb des diskursiven Stadtlabors gilt es, sich mit soziokulturellen und politischen Gegenwartsthemen der Stadtgesellschaft auseinanderzusetzen, um die Gegenwart zu gestalten und die Zukunft anzudenken. Es geht also um Alltagsthemen der Gegenwart, die in die individuelle oder kollektive Vergangenheit in Form von Erinnerung und Geschichte als auch in das Zukünftige eingebettet sind, in dem sich persönliche als auch gesellschaftlich geteilte Visionen und Entwicklungsoptionen zeigen. Es sind Themen, die sich in einem aktuellen Diskurs befinden, möglicherweise aber in ihrem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess begrifflich noch nicht gefasst sind.
Welche Themen als relevant zu betrachten sind, gilt es zu klären. Sie sind nach Entscheidungskriterien zu bestimmen, die zu entwickeln Gottfried Fliedl als „nicht auflösbares Dilemma“ bezeichnete. Möglicherweise ist auch dies nur in Form eines partizipativen Aushandlungsprozesses und einer sensiblen Aufmerksamkeit für aktuelle Themen denkbar – vergleichbar mit Arbeitsweisen der Szene-Scouts.
Fragen, die Anlass geben über Gegenwartsausstellungen nachzudenken, sind außerdem: Was leisten Ausstellungen über Gegenwartsthemen im Vergleich zu der alltäglichen medialen Berichterstattung? Wie kann die Gegenwart diskursiv verhandelt werden? Welche theoretischen Positionen greifen hierfür? Wie lassen sich kulturgeschichtliche Ausstellungen mit gegenwartsbezogenen Ausstellungsräumen verschränken? Welche Folgen für die Museen hat das Konzept der partizipativen Gegenwartsausstellung für die klassischen Funktionen sammeln, bewahren, ausstellen, vermitteln?
Für 2011 ist eine Folgeveranstaltung in der Schweiz angedacht. Beide Tagungen sollen in einem Tagungsband dokumentiert werden.

Call for Papers: Einsendeschluss 15. August 2010
Detailprogramm ab Mitte September 2010
Für Fragen und Anregungen
Susanne Gesser (susanne.gesser@stadt-frankfurt.de, Tel: 069 212 35633) und Katja Weber (katja.weber@stadt-frankfurt.de, Tel: 069 212 33814)
historisches museum frankfurt
Saalgasse 19 (Römerberg) 60311 Frankfurt am Main Tagungsseite: http://www.historisches-museum-frankfurt.de/index.php?article_id=190&clang=0
Bitte schicken Sie Ihre Exposés (1-3 Seiten) an:
katja.weber@stadt-frankfurt.de

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