Das Buch Mr. Wilsons Wunderkammer von Paul Weschler stellt das Museum of Jurassic Technology in Los Angeles vor. 'Vorstellen' ist der falsche Ausdruck: in einer Mischung von Essay, Biografie und investigativem Journalismus versucht der Autor einem der merkwürdigsten und bemerkenswertesten Museen, jedenfalls einem Museum mit einem sehr merkwürdigen Titel, Tage auf die Spur zu kommen.
Dieses Museum ist aus der obsessiven Beschäftigung mit den Grenzen und Widersprüchen der musealen Repräsentation geboren, und ist als solches vor allem bei Museumsleuten und Museologen belibt. Man darf vermuten, weil hier etwas passieren darf, was im musealen Normalbetrieb nicht passieren soll. Die spielerische, experimentelle Überschreitung von Grenzen, das Arbeiten mit Verrätselungen und dem Staunenswerten, mit Authentizität und Fiktion.
Hat es Madalena Delanie, die in die USA emigrierte Liedsängerin aus Rumänien wirklich gegeben, und hat sie Mr. Sonnabend wirklich je getroffen? Vor allem aber: gibt uns die Delanie/Sonnabend-Hall des Museums darüber wirklich Auskunft? Der Museumsgründer schreibt dazu: The Delani/Sonnabend Halls which occupy the entire rear quarters of the Museum's original building house a sequential array of exhibits which, when taken together, detail the lives and work of Madelena Delani, a singer of art songs and operatic material and Geoffery Sonnabend, a neurophysiologist and memory researcher who's three volume work Obliscence: Theories of Forgetting and the Problem of Matter stands a milestone in the field.
Weschler beschreibt das Museum of Jurassic Technology in einer ähnlich elliptischen Bewegung, wie sie das Museum selbst operiert. Er breitet zunächst erzählerisch einige der Wundergeschichten des Museums aus, so daß es einem den Boden unter den Füßen wegzieht, dann lenkt er in einer Art Recherche auf die Quellen und Anregungen in der Museumsgeschichte, die für Mr. Wilson wichtig waren und sind. Ehe man zu fürchten beginnt, Paul Weschler würde mit seiner peniblen Aufarbeitung entzaubern, dreht er noch mal in eine andere Richtung und läßt uns so erst recht neugierig zurück.
Er findet einen Stil, der das Museum weder abschildert noch erklärt, sondern der in die Ideenwelt hineinschlüpft, um sich dort verwundert zu verirren, wie wir uns in diesem Buch – und auch im Museum – verirren dürfen. Was erwartet man denn von einer Abteilung des Museums mit dem Titel Lives of Perfect Creatures. Dogs of the Soviet Space Program? Oder vom GARDEN OF EDEN ON WHEELS mit den Selected Collections from Los Angeles Area Mobile Home and Trailer Parks?
Weschler, Lawrence: Mr. Wilson's Cabinet of Wonder. Pronged Ants, Horned Humans, Mice on Toast, and Other Marvels of Jurassic Technology. New York (Panther Books) 1995. Dt.: Mr. Wilsons Wunderkammer. Von aufgespießten Ameisen, gehörnten Menschen und anderen Wundern der jurassischen Technik. München Wien 1998
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