Sonntag, 21. Dezember 2014

Ansichtssachen. Das nagelneue Musée des Confluences. Teuer und was eigentlich außerdem noch?

2001 wurde das Siegerprojekt ermittelt, dreizehn Jahre später wurde es nun eben eröffnet, das Musée des Confluences, nach Plänen des österreichischen Architektenbüros Coop Himmelb(l)au und ungleich teurer als veranschlagt.
Wieder mal ein Museum, das einer Großstadt an einem ihrer problematischen Punkte (Autobahn, Eisenbahn, Flußlandschaft, ziemlich häßliche Umgebung...) "stadträumliche und volkswirtschaftliche Schubkraft" verleihen soll. Wieder mal ein Wissenschaftsmuseum. Mit möglichst beträchtlicher Tourismusattraktivität. Vielleicht. Dafür also, weils in Bilbao ja geklappt hat, oder?, ein "Signature-Building im Dienste der Stadtreparatur". Reparatur heißt, die Stadt soll nicht mehr ganz so hässlich aussehen wie vorher.
"Du hast einen Gehry? Wir kriegen einen Prix. Baust du eine Hadid, besorgen wir uns einen Nouvel. Das sind nicht nur gute Architekten. Es sind auch Renditeversprechen."
Die Rendite wirds geben. Irgendwer muß ja schließlich an der Kostenexplosion verdient haben, statt 60 Millionen Euro fünf Mal so viel. Nicht schlecht. Und jahrelange Bauverzögerung.
Der Rezensent ist angetan einerseits, von der Architektur, andrerseits wundert er sich über so viel investiertes Geld, die exorbitante Kostensteigerung und die Melange aus "Staunen-Wollen (Stadt Lyon) und Staunen-Liefern (Coop) (...) also aus Profilierungssehnsucht, Bauherrenambition und Politikerehrgeiz. Aus Architekturkönnen obendrein."
Und warum wird so etwas eigentlich dermaßen teuer? "Gründliche Voruntersuchungen und Kostenkalkulationen hat es vorab kaum gegeben. Unberücksichtigt blieb zum Beispiel die an einem solchen Bauplatz unabdingbare Baugrunduntersuchung. Auch wurde das Verfahren zur Bauleitplanung mehrfach geändert, die Zuständigkeiten wechselten - dann wurde das Ganze auf Eis gelegt. Für Jahre. Dann wurde das Raumkonzept geändert. Dann kamen weitere Sonderwünsche hinzu. Dann wurden die Sicherheitsrichtlinien verändert - versicherungstechnisch."
Was mir aufgefallen ist (der ich nur Fotos sehe und Texte lese, aber das Museum klarerweise nicht kenne). Es gibt jede Menge an Ansichten von Außen, Pläne, Skizzen, Animationen, Fotos, einige sehr wenige von Innenräumen (die extra trostlos aussehen, aber wer weiß?) und kein einziges (ich habe keines gefunden, das Auskunft über das Zusammenspiel von Exponaten und Architektur gibt. Der Rezensent, den ich hier zitiere, erwähnt auch mit keinem Wort, worum es denn nun geht im Museum, was es denn zu sehen, zu erfahren, zu "lernen", zu "wissen" gilt. Nichts.
Und. Wie sehr ich mich - mit Hilfe der zahllosen Fotos auch um das Museum herumbewege, die diversen Ansichten studiere, mich drehe und wende, ansprechend ist es nicht. 

Alle Zitate aus dem Bericht von Gerhard Matzig in der Süddeutschen Zeitung vom 20.12.2014, "Wunder gewünscht, Fiasko bekommen". (Hier)











Mittwoch, 17. Dezember 2014

verstörend (Texte im Museum 503)


Sterbebegleitung fürs Weltmuseum

"Wir werden redimensioniert". "Cover" des Weltmuseum-Blogs

In einer Kultursendung des ORF Fernsehens wurde über den Baustopp berichtet, der genau in dem Moment von Minister Ostermeyer verhängt wurde, als das Museum eben geschlossen hatte, um seinen "Relaunch" zu beginnen. Bislang galt als zentrale Begründung für den Stopp, daß künftige Betriebskosten eines erweiterten Weltmuseums in den Planungen nicht enthalten und nicht finanzierbar seien.
In der TV-Sendung wollte Minister Ostermeyer offenbar das Bild eines visionären Machers präsentieren. Ich bin hingegangen (ins Museum), sagt er, habe mir die Räume angesehen. Und da sei ihm die Erleuchtung einer Win-Win-Situation gekommen.
Wir, in Verschleierungs-Politspeak geschulte Staatsbürger, wissen inzwischen, daß eine Win-Win-Situation etwas wirklich Herrliches sein muß. Warum - ich fahre in der Schilderung des Erweckungserlebnisses von Herrn Minister Ostermeyer fort -, warum sollte man in den mit ministeriellem Besuch nobilitierten Räumen nicht zwei statt bloß einem Museum errichten? Fragt uns der Minister. Eine rhetorische Frage, denn die Antwort ist sonnenklar. Das versteht jeder. Ein Museum ist gut, aber zwei sind natürlich viel besser. Noch dazu, wenn man zwei zum selben Preis bekommt. Denn, so der Minister, um die für den Ausbau vorhandenen Mittel ginge sich auch noch "Haus der Geschichte" aus. In den Räumen, die für die Erweiterung des Weltmuseums geplant seien.
Der Direktor des betroffenen Museums wird - in derselben Sendung - so deutlich wie bisher noch nie. Österreich macht sich lächerlich, sagt er in die Kamera hinein.
Aber da gibt es nun den Sog, der ansonst kluge und besonnene Menschen zur Idee eines "Hauses der Geschichte" zieht und die nicht nur diese Idee an und für sich und ohne jeden Gedanken an Zweck, Sinn, Inhalt, Form, Autorschaft, Interessen, Machtverhältnisse gutheissen, sondern auch den Standort als zentralen Ort der österreichischen Geschichte (ein Historiker) für ideal halten. Daß - einmalig in der Geschichte der Bundesmuseen - zwei Institutionen offen gegeneinander ausgespielt werden, ist eine Sache, eine andere, daß mit dem "Halt" für das Weltmuseum dieses in eine schwierige Lage gebracht wird. Man kann ja nicht einfach jetzt irgendwie an den alten Plänen herumbasteln und die implizite und gewünschte "Redimensionierung" in Angriff nehmen (was Sabine Haag, Direktorin des Kunsthistorischen Museums andeutet. Denn so lange weder ein realisierungsreifer Plan für ein Haus der Geschichte vorliegt, also Raumbedarf, Kosten usw. feststehen, kann im Grunde am Weltmuseum gar nichts getan werden außer die Schließung zu verwalten. Hätte man die Schließung vor dem Stopp bekanntgegeben, hätte das Museum eine Chance, wenigsten in dem provisorischen Rahmen, also mit einem schon veralteten, halbherzig realisierten Daueraustellungs-Fragment und diversen Sonderausstellungen und Veranstaltungen sozusagen am Leben zu bleiben. Ohne Perspektive zu schließen, das Museum mit verstreichender Zeit von seinem Stammpublikum abzukoppeln, schickt es aber auf den Weg in ein langsamen Siechtum. Und auch das ist einmalig. Noch nie ist ein staatliches Museum indirekt mit der "Abwicklung" bedroht gewesen.

Hier der Link zur ORF-Sendung: http://tvthek.orf.at/…/Kulturmont…/1303/Kulturmontag/8947109

Dienstag, 16. Dezember 2014

Der einzige Überlebende (Objet trouvé)



"Comanche, Pferd von Captain Myles Keogh. In der Schlacht bei Little Big Horn 1876, die mit einer der wenigen Niederlagen einer Amerikanischen Militäreinheit im Kampf gegen indianische Stämme endete, wurden etwa zweihundert Soldaten getötet. Die Indianer nahmen alle Pferde mit, nur dieses eine, vielfach verwundet, blieb am Schlachtfeld zurück. Es blieb im Militätrdienst, mit der Auflage, daß es nie mehr geritten werden dürfe und diente als Maskottchen. Nach seinem Tod 1891 wurde es für die Weltausstellung in Chicago 1893 präpariert. Comanche wird heute im University of Cansas Natural History Museum gezeigt.



Montag, 15. Dezember 2014

Text als Distinktion. Insidersprech (Texte im Museum 502)

Universalmuseum Joanneum/Bruseum. Ausstellung Damage Control 2014 Foto GF

Kunstraubland Deutschland?

Na das ist ja mal eine Neuigkeit! Jedenfalls für mich. Deutschland hat einen Spitzenplatz als Drehscheibe internationalen Handels mit geraubtem Kulturgut. Sagt DIE WELT in einem Artikel, in dem sich schriller Alarmismus breitmacht. Aber auch Fakten geliefert werden. 2016 soll es ein neues einschlägiges Gesetz geben. Der Kunsthandel ist eher untröstlich. Aber: Nach Waffen und Drogen gilt Kunst als der drittgrößte illegale Markt. Mit derzeit Irak und Syrien als hauptsächlich betroffene Länder. Und Deutschland ist ganz vorne mit dabei.

Werner Bloch: Kampf um die DNA der Menschheitsgeschichte, In: Die Welt. 15.12.2014

Samstag, 13. Dezember 2014

Ein weithin unbekanntes Sammelgebiet


Quelle: Internet/Magazin "Girl Watcher" 1959

Ein Dokument des Versagens. Die staatliche Verwaltung des "Weltmuseums" (Völkerkundemuseums) in Wien als Sterbebegleitung.

Vorbemerkung: Mit Ausnahme eines vor vielen Jahren erschienen Rechnungshofberichts habe ich noch nie ein anderes Dokument zu lesen bekommen, das derart tiefe Einblicke in die Verfasstheit eines Bundesmuseums ermöglicht. Der Text zirkuliert anonym bzw. unter verschiedenen Psedonymen und muß in den letzten Tagen verfasst worden sein, weil er sich bereits auch auf den ministeriell verfügten Planungs- und Baustopp bezieht.
Matthias Beitl, der Leiter des Volkundemuseums, hat diesen Text innerhalb der Online-Enquete zur Zukunft von Weltmuseum, Haus der Geschichte, Neuer Hofburg und Heldenplatz zugänglich gemacht. Mit seiner Zustimmung veröffentliche ich ihn auch hier (er verdient wirklich möglichst weite Verbreitung) und mit seiner Einleitung.

Matthias Beitl: Jemand hat sich die Mühe gemacht, die Schließungsgenese recht genau zu recherchieren. Dabei wurde im Bereich des Jahres 2010 der Entschließungsantrag von Rot, Grün und Schwarz an Ministerin Schmidt vergessen, der besagt: "Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, alle rechtlichen, organisatorischen, personalrechtlichen und finanziellen Vorkehrungen zu prüfen, die eine Zusammenführung des Museums für Völkerkunde und des Österreichischen Volkskundemuseums zum Museum NEU (Arbeitstitel) als eigenständige Einrichtung ermöglichen und dem Nationalrat darüber zu berichten." Irgendwie war damals aber keine Lust vorhanden, das auch nur anzudenken. Noch eine Anmerkung zu dem nun folgenden Text: Die Fakten sind gut gelistet, inhaltliche Fragen wie etwa am Schluss zum Namen etc. sind zu diskutieren. Wichtig aber die Frage: Von welchem Beobachtungshorizont weg startet rezente Museumspolitik - und da kann die folgende Aufstellung in Form eines Briefes an BM Ostermayer von Unbekannt etwas beitragen, nach dem Motto von Mitterauer "Damit es nicht verloren geht...":

Anonymus (Peter Heger, bzw. Michael Haberlandt)

Sehr geehrter Herr Bundesminister Josef Ostermayer,

Ihre Argumente zur Redimensionierung des Projekts "Weltmuseum Wien" sind nachvollziehbar. Leider hat man Ihnen zur Beurteilung dieser Angelegenheit ganz sicher nicht alle Fakten zur Vorgeschichte dieses Projekts vorgelegt. Diese Vorgeschichte, nämlich die Geschichte der letzten 15 Jahre des "Museums für Völkerkunde", sollte jedoch nicht in Vergessenheit geraten. Das was man Ihnen zur Entscheidung auf Ihren Schreibtisch gelegt hat, ist ja vermutlich auch ein Teil dieses Versuchs die historische Wahrheit zu verschleiern, sie zu vergessen bzw. sie nur "etwas einseitig" darzustellen. Was auch immer sie in den kommenden Monaten oder Jahren mit diesem Museum vorhaben ist Ihre alleinige Entscheidung als zuständiger Bundesminister, aber vielleicht wäre es für Sie doch nicht ganz unwichtig diese Vorgeschichte zu kennen. Vielleicht finden Sie die Zeit sich auch die andere Seite der Münze bzw. der Wahrheit anzuhören.
Dies ist die Geschichte:

Die Generalsanierung des Museums für Völkerkunde

Aufgrund zweier Ministerratsbeschlüssen von 1987 und 1990 wurde in der 1990er Jahren ein Bauinvestitionsprogramm für die Bundesmuseen im Gesamtumfang von ATS 3,3 Milliarden Schilling in die Wege geleitet ("Museumsmilliarde"). Mit diesem Investitionsprogramm sollte auch eine Generalsanierung des Museums für Völkerkunde erfolgen, da seit dem Einzug des Museums für Völkerkunde in das Corps de Logis der Neuen Hofburg (1928) keine Investitionen in die bereits stark sanierungsbedürftige Bausubstanz erfolgt waren. In den Kulturberichten des BMUKK (jetzt im Bundeskanzleramt) steht 1998 zu lesen: "Die bis in die 80er Jahre in vielen Bereichen vernachlässigte Gebäudeerhaltung bzw. fehlende Investitionen in museumstechnischer Hinsicht … haben einen gewaltigen Nachholbedarf mit sich gebracht…"
In den Kulturberichten des Bundesministeriums lässt sich (fast) die ganze Entwicklung der letzten beiden Jahrzehnte des MVK und seiner "Generalsanierung" nachvollziehen. Im Kulturbericht 1998 steht weiters zu lesen:
"Die Generalsanierung des Museums für Völkerkunde hat 1991 mit der Neugestaltung von Ausstellungsälen im Mezzanin (Altertum der Neuen Welt, Polynesien, Indianer Nordamerikas) begonnen und fand ihre Fortsetzung mit der Trockenlegung der Fundamente und somit zur Stabilisierung des Klimas in den Depots im 1. Keller.
Ab dem Jahre 1999 werden wesentliche Sanierungsmaßnahmen eingeleitet, im Zuge derer ein völlig neu gestaltetes, zeitgemäßes, lebendiges Museum für Völkerkunde mit ganz neuen Möglichkeiten entstehen wird."
Der Kulturbericht gibt (nach einer Aufzählung der detaillierten Sanierungs- und Bauvorhaben) die konkreten Eckdaten der Sanierung des Museums für Völkerkunde bekannt:

Baubeginn: Herbst 1999
Bauzeit: Fertigstellung voraussichtlich 2003
Baukosten: ATS 156 Mio. (=11.3 Mio. Euro) Planer: Arch. Sepp Müller
Bauträger: Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten
Burghauptmannschaft in Wien
Einrichtungskosten: BMUK ATS 130 Mio. (Presseunterlage von Dir. HR Dr. Peter Kann).
(Die Schaufläche [Ausstellungsfläche] des Museums wird mit 4.550 m2 ausgewiesen.

Der Kulturbericht 1999 vermerkt, dass in der ersten Bauphase die Generalsanierung der Lichtkuppel über der Eingangshalle vorgenommen wird, sowie dass in den Kellergeschoßen neue Depoträume geschaffen werden. Zur Vorbereitung wurde 1999 ein Zwischendepot für die Auslagerung der gesamten Sammlungsbestände des Museums während der Bauarbeiten angemietet.
Im Jahre 2000 wurden die Bauvorhaben im Museum für Völkerkunde zwar planmäßig weitergeführt, aber sie werden im Kulturbericht nicht weiter erwähnt, da in diesem Jahre im von Frau Ministerin Elisabeth Gehrer geleiteten BMUK beschlossen wurde, das Museums für Völkerkunde (sowie das Theatermuseum) in das Kunsthistorische Museum einzugliedern.

"Die Überleitung der beiden Häuser in das KHM erfolgte per 1. 1. 2001 auf Basis von Einbringungsbilanzen. Dabei wurden die Vermögensgegenstände bewertet und den Passiva gegenübergestellt. Die Saldogröße aus diesen Positionen wurde als Eigenkapital ausgewiesen". Diese Eingliederung wurde mit einer Reihe von angeblichen Vorteilen begründet, wobei "Synergieeffekte im Sinne von Kosteneinsparungen" im Mittelpunkt standen. Auch das Argument, dass die Kosten der Umsetzung der Vollrechtsfähigkeit eingespart werden konnten sind unzutreffend, da jede kleine Firma vollrechtsfähig ist und dafür keineswegs einen aufgeblähten Verwaltungsapparat benötigt. Weshalb hätte das MVK das nicht schaffen sollen, was jeder kleine Greissler oder Wirt ums Eck kann?

Dass der eigentliche Grund dieser "Eingliederung" (mit der das Museum für Völkerkunde seine Unabhängigkeit als eigenständiges Museum verlor) in der angeschlagenen finanziellen Lage des KHM gelegen hatte, lässt sich aus den folgenden Passagen unschwer erkennen:
"Das Budget und die Verwaltung des KHM wurden im Jahr 2001 durch die Eingliederung des Museums für Völkerkunde und des Österreichischen Theatermuseums wesentlich beeinflusst … Das Gesamtbudget des KHM einschließlich MVK und ÖTM wurde für einen vierjährigen Zeitraum aufgestellt und geht von einer ausgeglichenen Gebarung aus … Gegenüber dem Vorjahr konnte die Eigenmittelquote von 48,86% auf 49,7% erhöht werden. Diese Erhöhung resultiert aus der Einbringung des Museums für Völkerkunde und des ÖTM…"
Mit anderen Worten: Das durch die Betriebsführung des damaligen Generaldirektors Wilfried Seipel schwer verschuldete Kunsthistorische Museum, sollte durch die Einbringung des Völkerkundemuseums als Aktivposten die Finanzlage des KHM (ohne direkte Geldzuwendungen des Ministeriums) sanieren. Das Geschenk der Frau Ministerin Elisabeth Gehrer an ihren Parteifreund Seipel war auch eine "feindliche Übernahme", da der damalige Direktor der Museums für Völkerkunde Dr. Peter Kann (im Gegensatz zu Seipel) in den Entscheidungsprozess nicht nur nicht eingebunden war, sondern auch noch vom Beschluss der Übernahme aus den Zeitungen erfahren musste. Als Konsequenz verabschiedete sich Direktor Kann in die Frühpension und das Seipel-Imperium konnte nun ungehindert das MVK als Cash-Cow verwerten.

Der erste Abschnitt der Generalsanierung des Museums für Völkerkunde wurde mit der Fertigstellung der Kellerdepoträume (mit dem Einbau von Rollregalanlagen) im Sommer 2001 noch abgeschlossen. Die in den Kulturberichten 2001 und 2002 folgende Behauptung, dass die "bauliche Generalsanierung des MVK planmäßig weitergeführt wurde" entsprach jedoch schon nicht mehr den Tatsachen.

Die wichtigste Veränderung war, dass ab 2001 alle Gelder aus Bundesmitteln (sowohl die für den laufenden Betrieb als auch jene für die bauliche Generalsanierung des MVK bewilligten und budgetierten Gelder) zur alleinigen Verfügung des KHM ausgezahlt wurden. Der Generaldirektor der Kunsthistorischen Museums Hr. Wilfried Seipel und seine Kaufmännische Leiterin Frau Mag. Gabriele Zugay entschieden nun de facto alleine über alle staatlichen Gelder die für das Museum für Völkerkunde vorgesehenen waren. Dem MVK wurde ab diesem Zeitpunkt jeder Einblick in die Verwendung seines eigenen Budgets verwehrt, es wurde im nunmehrigen "Gesamtbudget der Wissenschaftlichen Anstalt KHM" anonymisiert und nach den wirtschaftlichen Notwendigkeiten und Interessen des KHM-Gesamtverbundes (aber nicht mehr nach jenen des MVK) eingesetzt. Das war der zentrale "Synergieeffekt". Das Museum für Völkerkunde aber musste ab nun buchstäblich um jeden neu anzuschaffenden Bleistift ins KHM betteln gehen.

Im Juli 2002 wurde Frau Dr. Gabriele Weiss von der Generaldirektion als interimistische Leiterin des Museums für Völkerkunde eingesetzt. Dem mit der Generalsanierung des Völkerkundemuseums beauftragten Architekt Sepp Müller war aber zu diesem Zeitpunkt (mit nicht sehr kultivierten Mitteln) bereits der Auftrag zur Fortführung der baulichen Sanierungsmaßnahmen entzogen worden. Damit war die ursprünglich für 2003 geplante Fertigstellung der Generalsanierung des Museums für Völkerkunde (und die Eröffnung eines "völlig neu gestalteten, zeitgemäßen, lebendigen Museums für Völkerkunde mit ganz neuen Möglichkeiten") schon alleine aus diesem Grund nicht mehr möglich. Stattdessen wurde 2002 ein neuer Auftrag zur "Generalsanierung u. Erweiterung des Museums für Völkerkunde" (im Wert von 20 Mio. €) an den Architekten Dipl. Ing. Martin Bachner vergeben. Der Termin der Fertigstellung der Generalsanierung des MVK wurde damit von 2003 um vier Jahre auf 2007 verschoben. Die eigentlichen Ursachen, Umstände und Konsequenzen dieser neuen Auftragsvergabe und der damit verbundenen zeitlichen Verschiebung wurden jedoch nicht nach außen kommuniziert, der Kulturbericht des Bundesministeriums übergeht diese Fakten mit der irreführenden Bemerkung "Die bauliche Generalsanierung des MVK wurde planmäßig weitergeführt". Für 2002 wurde lediglich vermerkt, dass die Sammlungsobjekte vom Außendepot Korneuburg in die neuen Kellerdepots des Corps de Logis der Neuen Hofburg rückgeführt wurden und eine Konzeptionierung der neuen Dauerausstellungen erfolgte, bauliche Maßnahmen werden jedoch nicht erwähnt; lediglich die vage Absichtserklärung "Die nächsten großen Sanierungsabschnitte umfassen das Dachgeschoß und in weiterer Folge die Schausammlungen".

Im Kulturbericht 2003 wird berichtet, dass "Im Vorfeld der Generalsanierung des MVK … als erste Bauphase" ein Lastenlift eingebaut wurde. Das heißt, im geplanten Jahr der Fertigstellung und Neueröffnung des MVK ist man auf einmal wieder in einem "Vorfeld der Generalsanierung" und einer "ersten Bauphase" angelangt. Der Bericht erwähnt noch einmal, dass die "im Herbst 1999 begonnene Generalsanierung … voraussichtlich bis 2007 abgeschlossen" sein wird und die neuen Ausstellungsflächen (wie schon vor 1999) unverändert 4.550 m2 groß sein werden. Außer dem Einbau des Lastenlifts erfolgten 2003 keine Baumaßnahmen.

Im Kulturbericht 2004 wird bekannt gegeben, dass das Museum am "1. 3. 2004 zur Vorbereitung der Generalsanierung für die Öffentlichkeit geschlossen" wurde. Die 2003 genannte "Vorbereitungsphase" dauert also auch noch 2004 ohne jede konkrete Baumaßnahme an. Für das geschlossene Museum wird jedoch mit 1. 4. 2004 ein neuer Direktor bestellt, Hr. Dr. Christian F. Feest.

Nach der erfolgten Museumsschließung scheinen die Baufirmen unter dem neuen Architekten Dipl. Ing. Martin Bachner allmählich doch von der Planungsphase zu konkreten Bauarbeiten übergegangen zu sein, der Kulturbericht 2005 weist die Fertigstellung des Dachbodenausbaus (Büroarbeitsplätze) mit Ende Oktober 2005 aus. Mit November 2005 wurde mit dem Umbau der Restaurierwerkstätten im Mezzanin begonnen. Unter der neuen Direktion Christian F. Feest wurden die museumsinternen Planungen für die Neuaufstellung der Schausammlungen und Sonderausstellungen für 2007 und 2008 weiterentwickelt, die Museumsbibliothek war (wegen der nun wieder in Gang gekommenen Umbauarbeiten) geschlossen.

Der Kulturbericht 2006 vermerkt, dass die neuen Büroräumlichkeiten im Dachgeschoß der Neuen Burg vom wissenschaftlichen Personal des MVK bezogen wurden und dass die Bibliothek des MVK an ihrem neuen Standort in den Burggartensälen wieder geöffnet wurde. Für 2006 werden keine Baumaßnahmen erwähnt.
Nicht erwähnt wird die Tatsache, dass auf Veranlassung des KHM Generaldirektors Wilfried Seipel beim Dachbodenausbau von den ursprünglichen Bauplänen abgewichen worden war: es wurde weitaus mehr Dachbodenfläche in Büroräume ausgebaut als das MVK eigentlich benötigt hätte. Damit schuf Hr. Seipel zusätzliche Büros für einige Mitarbeiter des Kunsthistorischen Museums. Die damit verbundene Budgetüberschreitung alleine war aber nur ein kleinerer Teil des Budgets der Generalsanierung und erklärt bei weitem nicht den Stillstand der Baumaßnahmen durch Budgeterschöpfung und leere Kassen. Die Frage, inwieweit es seit der "Eingliederung" des MVK 2001 zu zweckentfremdeter Verwendung der für das Museum für Völkerkunde vorgesehenen Bundesmittel gekommen war, wurde nie öffentlich gestellt und schon gar nicht glaubwürdig beantwortet.

Da aber die Finanzgebarung des Kunsthistorischen Museums offensichtlich nun auch die Schmerzgrenze für das (seit 11. Jänner 2007 von Claudia Schmied geleitete) Ministerium überschritten hatte, wurde mit 1. April 2007 dem KHM-Generaldirektor ein kaufmännischer Geschäftsführer zur Seite gestellt (Dr. Paul Frey). Dieser sollte von nun an die Kontrolle über die Finanzen das KHM übernehmen. Diese Teilentmachtung des Generaldirektors führte in der Folge auch prompt zur fristlosen Entlassung der bisherigen kaufmännischen Leiterin Frau Mag. Gabriele Zugay.
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Der Kulturbericht 2007 verzeichnet zwar die Einrichtung eines neuen Shops im Eingangsbereich des Museums, sowie am 8. Mai die Eröffnung einer Sonderausstellung "Benin. Könige und Rituale" im Völkerkundemuseum, dieses wird aber im Anschluss daran, am 3. September 2007, sofort wieder geschlossen. Es wird weiters vermerkt, dass "Die bauliche Erneuerung 2008 abgeschlossen sein soll. Der Zeitpunkt der endgültigen Einrichtung der Schausammlungen sei allerdings noch nicht absehbar." Gleichzeitig erfolgt der Hinweis "Eines der wichtigsten Vorhaben des KHM in den kommenden Jahren ist die Wiedereröffnung der seit 2002 geschlossenen Kunstkammer", nicht jedoch das MVK. Allerdings erfolgte im November 2007 für die Wiedereinrichtung eines einzigen Saales der Schausammlung (Süd-, Südostasien und Himalajaländer) die Ausschreibung und Beauftragung eines Architekten.

Im Jahre 2008 nutzte Generaldirektor Seipel noch einmal die Sonderausstellungsräume des MVK (in denen das Völkerkundemuseum im Vorjahr die Sonderausstellung "Benin" zeigen durfte) für die KHM-Ausstellung "Tutanchamun und die Welt der Pharaonen" (9. März bis 28. September), mit Jahresende musste Wilfried Seipel dann endgültig seine Funktion als Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums zurücklegen. Vorher konnte er noch (am 18. November) die Eröffnung des einen Sales im Mezzanin ("Götterbilder. Südasien, Südostasien, Himalayaländer") als "Teileröffnung des Museums für Völkerkunde" bekannt geben.
Der Kulturbericht vermerkt ferner, dass sich die Leitung des KHMs um "die erforderliche Finanzierung der Neueinrichtung der Kunstkammer bemüht, und Fragen hinsichtlich der weiteren Finanzierung der Neuaufstellung der Schausammlungen im Museum für Völkerkunde zu klären versucht.
Weshalb die mit Baubeginn (1999!) budgetierten Finanzmittel für die Generalsanierung des Corps de Logis der Neuen Hofburg und die vollständige Wiedereröffnung des Museums für Völkerkunde nicht ausreichend gewesen waren, sowie die damit verbundene Frage weshalb das Museum noch immer nicht wiedereröffnet werden konnte, wurde im Kulturbericht 2008 nicht erwähnt.
Bei einer Pressekonferenz anlässlich des 80-jährigen Bestehens des Museums für Völkerkunde bedauerte der scheidende KHM-Generaldirektor, dass sich das Kulturministerium an die ursprünglichen Finanzierungspläne (9,8 Millionen Euro) "klammere" und er von diesem "keine zusätzliche Mittel lukrieren" könne. Der Pressesprecher von Kulturministerin Claudia Schmied meinte, dass man "die neue Leitung der KHM-Gruppe" abwarte. (DER STANDARD vom 27.05.2008). Und so blieb das Museum für Völkerkunde (bis auf einige Sonderausstellungen) auch in den darauf folgenden Jahren de facto geschlossen.

Auf der Suche nach einem Ausweg aus der bereits fast hoffnungslosen Situation des MVK, wurde seitens der Direktion des MVK (Christian F. Feest) nun Überlegungen vorangetrieben, durch eine Fusion des Völkerkundemuseums mit dem Volkskundemuseum ein neues Museum zu schaffen. Die Idee der historischen Überwindung der Trennung von europäischer und außereuropäischer Ethnologie auf musealer Ebene war verknüpft mit der Hoffnung, sich als neues Museum aus dem finanziellen Würgegriff des Kunsthistorischen Museums zu lösen.
Der Kulturbericht 2009 vermerkt, dass die vom Bundesministerium geförderten Gespräche zur Fusion von Volks- und Völkerkundemuseum weitergeführt wurden. Bauliche Maßnahmen zur Fertigstellung der vor mittlerweile zehn Jahren begonnenen Generalsanierung des Corps de Logis der Neuen Hofburg wurden keine durchgeführt. Sabine Haag wird ab 1. Jänner 2009 Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums.

Im Kulturbericht 2010 erklärt das KHM, dass das vorrangiges Ziel des KHM die Wiedereröffnung der Kunstkammer bleibt, sowie in der Folge der Umbau des zweiten Stockwerks des KHM. Dafür gab es im Sommer 2010 eine Finanzierungszusage des Bundesministeriums, jedoch wieder nicht für das Museum für Völkerkunde.

Die Gespräche zur Fusion von Volks- und Völkerkundemuseum zu einem neuen Bundesmuseum sind gescheitert: Die kaufmännische Geschäftsführung des KHM hatte sich mit dem Argument, dass sich "das KHM eine Loslösung des MVK aus dem KHM-Verbund finanziell nicht leisten könne" gegen diese Loslösung und die Schaffung eines neuen, unabhängigen Bundesmuseums gestellt. Diese Position wurde von Kulturministerin Claudia Schmied übernommen, worauf das Volkskundemuseum letztlich eine Eingliederung in die Oberhoheit des KHM-Verbundes (ein Schicksal ähnlich jenem des MVK) ablehnte. Margot Schindler, die Direktorin des Volkskundemuseums sagte "Wir werden unsere ohnedies nicht gute Position nicht noch weiter verschlechtern."

Um ein Scheitern der Bemühungen der letzten Jahre im letzten Moment zu verhindern, wandte sich der Direktor des Völkerkundemuseums, Christian F. Feest , in einem offenen Brief an das Ministerium und an die Kultursprecher des Parlaments um "seiner Sorge um die Zukunft des Hauses" auszudrücken. Das führte dazu, dass die Ministerin im Parlament Stellung zu dieser Angelegenheit nehmen musste, sie äußerte sich dort dahingehend, dass sie sich "die Gründung eines neuen Bundesmuseums wegen der finanziell angespannten Situation nicht vorstellen könne". Darüber hinaus äußerte sie im parlamentarischen Kulturausschuss auch ihren Unmut über Feests Brief und sprach von "Konsequenzen", die dieses Verhalten nach sich ziehen könnte (Der Standard, 14.10.2010).

Diese angedeuteten Konsequenzen ließ sie bereits Tags darauf durch die Geschäftsführung des KHM einleiten: Der Direktor wurde in die Generaldirektion zitiert und ihm mitgeteilt, dass sein Brief einen Grund für eine fristlose Entlassung darstellt. Er habe den Dienstweg nicht eingehalten und einen schweren Vertrauensbruch begangen, da die Vertretung des Völkerkundemuseums nach außen hin alleine in der Kompetenz der Generaldirektion liege. Unter der Auflage sich jeder weiteren öffentlichen Stellungnahme zu enthalten, wurde die fristlose Entlassung dann jedoch in eine einvernehmliche Auflösung seines Dienstverhältnisses abgemildert. Allen Mitarbeitern des MVK wurden im gleichen Atemzug derselbe "Maulkorb" verpasst, sodass von nun an nur mehr die offizielle Position des KHM kommuniziert werden durfte.

Damit war das Museum für Völkerkunde 9 Jahre nach seiner finanziellen Entmündigung (Eingliederung in den KHM-Museumsverbund) im Jahre 2010 endgültig verstummt. Die alleinige Vertretung bzw. Verwertung des MVK obliegt nun alleine der Geschäftsführung des KHM, wobei dessen Generaldirektorin Sabine Haag zunächst die interimistische Leitung des finanziell ausgebluteten und nun auch enthaupteten Museums übernahm. Von einer Fertigstellung der Generalsanierung und der Wiedereröffnung der Ausstellungssäle wurde nicht mehr gesprochen.

Der Kulturbericht 2011 verzeichnet außer zwei Sonderausstellungen ("Mao" und "Wald") keinerlei Maßnahmen zur Wiedereröffnung des Museum für Völkerkunde.

Im Kulturbericht 2012 wird die Berufung des Holländers Dr. Steven Engelsman als neuer Direktor des MVK mit 1. Mai 2012 bekannt gegeben. Mit ihm soll für das MVK "eine neue Periode anbrechen, in deren Zentrum die Neukonzeption des Hauses innerhalb von fünf Jahren steht". Neben dieser weiteren Verschiebung der Wiedereröffnung um einige weitere Jahre wird auch noch mitgeteilt, dass das Mitarbeiter-Team des Museums "durch einen grundlegenden Reorganisationsprozess strukturiert wird", wobei man sich eine gänzlich neue Abteilung "Marketing und Kommunikation" insbesondere für einen neuen "Markenauftritt" leisten wollte. Für dessen Leitung wurde ein Herr Nikolaus Putnik angestellt, die Notwendigkeit dieser neuen Marketingabteilung für ein großteils geschlossenes Museum wurde jedoch vom KHM nicht erläutert. Jedenfalls wurde im November 2012 dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur ein Konzept zur Neuausrichtung des Hauses als "WeltmuseumWien" präsentiert. Weiters wird noch mitgeteilt, dass die Umsetzung des Konzepts 2013 beginnen und bis Ende 2016 abgeschlossen sein soll. Bauliche Maßnahmen zur Wiederherstellung der Ausstellungssäle wurden auch 2012 keine gesetzt.

Der Kulturbericht 2013 dokumentiert gleichzeitig mit der Eröffnung der Sonderausstellung "Getanzte Schöpfung" im April 2013 die Bekanntgabe des neuen Markennamen "Weltmuseum Wien". Die Folge dieser unnötigen und unglücklichen Umbenennung: das Museum für Völkerkunde mit seiner langen Geschichte und den letzten 10 Jahren seines Siechtums wird vergessen. Und je mehr Marketing für dieses neue "Weltmuseum Wien" gemacht wird (von dem aber keiner so genau weiß, was das eigentlich ist), desto weniger wird man sich an das alte Museum für Völkerkunde erinnern. Jedenfalls wurde in einem groß angelegten Auswahlverfahren ein internationales Architektenteam ausgewählt, das nun um 27 Millionen Euro das Corps de Logis der Neuen Hofburg noch einmal (!) zu einem neuen "Weltmuseum Wien" umbauen soll. Weshalb es nun nicht mehr genügen sollte, einfach nur die seit vielen Jahren im Baustellenzustand leer stehenden Ausstellungsräume fertig zu sanieren und mit neuen Ausstellungsinhalten zu füllen, wurde weder von der KHM-Generaldirektion noch von dem von ihr bestellten neuen holländischen Direktor plausibel erklärt. Die logische Variante des Fertig-Sanierens hätte vermutlich nur einen Bruchteil gekostet.

Im November 2014 wird auch dieses Projekt vom neuen Kulturminister Josef Ostermayer gestoppt. Der Stopp wurde nicht nur wegen der neuerlichen Umbaukosten verfügt, sondern auch deshalb, weil laut KHM für den laufenden Betrieb des fertig gestellten Museums eine Erhöhung der Basisabgeltung von mindestens zwei Millionen Euro pro Jahr nötig gewesen wäre. Diese Zahlenspielerei des KHM basiert auf einer irrigen Grundannahme: das KHM geht von den jährlichen Beträgen aus, die es zur Zeit (bzw. in den letzten Jahren) für den Betrieb des (geschlossenen bzw. großteils geschlossenen) MVK aufwenden muss, nicht jedoch von den Beträgen, die das MVK vor seiner Eingliederung für seinen Normalbetrieb zur Verfügung hatte. Diese Betriebskosten waren (und wären es vermutlich auch heute noch) durch die Basisabgeltung für das MVK gedeckt! Ein geschlossenes Museum ist natürlich ein billiges Museum. Das KHM hat 13 Jahre lang mit einem großteils geschlossenen Völkerkundemuseum seine eigenen Finanzen aufgebessert, da ist es ja nur nahe liegend bei einer künftigen Wiedereröffnung nicht auf das lieb gewonnene Zubrot aus der MVK-Basisabgeltung zu verzichten, sondern einfach gut 2 Mio. Euro mehr vom Bund zu verlangen. Dann ist die KHM-Welt wieder in Ordnung und es kann den im Jahre 2001 erlangten Völkerkunde-Bonus auf ewig weiter für seine eigenen Projekte verwenden. Soweit der Stand der Dinge bis heute.
Es ist nur zu hoffen, dass der jetzige Bundesminister den Wert des geschundenen "Museums für Völkerkunde" in der österreichischen Kulturlandschaft erkennt und sich nicht von der Geschäftsleitung des Kunsthistorischen auf der Nase herumtanzen lässt. Das "Weltmuseum Wien" braucht niemand. Aber es ist vielleicht die letzte Chance, das "Museum für Völkerkunde" wieder in seine Rechte einzusetzen.

Freitag, 12. Dezember 2014

Weltmuseum "Bitte warten".

Die aktuelle Eröffnungsseite des Weltmuseum im Internet

Asche zu Asche (Objet trouvé)

Reste von John Baldessaris Werk. Kekse, gebacken aus der Asche aus der Verbrennung seiner bis dahin entstandenen Werke. "Cremation project". 1970.

Lesefolter

Kunsthaus Graz 2014 - Hier hat sich jemand ausgedacht, wie man Lesen möglichst ungemütlich macht. Die Bank ist hart und die beiden Tablets sind fix montiert, zwar drehabr, aber nur wenig, so daß man sich verrenken muß, wenn man lesen will. Preisverdächtig

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Steven Engelsman. Direktor des Wiener Weltmuseums. Von der Politik im Stich gelassen

Über Martin Fritz und die eben von ihm und Kolleginnen und Kollegen gestartete Online-Enquete „Zur Zukunft von Weltmuseum, Haus der Geschichte, Neuer Hofburg und Heldenplatz“ bin ich auf einen interessanter Clip (hier, auf YouTube: http://youtu.be/xClJY5jlmxI) aufmerksam geworden. Ein sichtlich angezipfter aber professionell Haltung bewahrender Direktor des Weltmuseums, Steven Engelsman sagt einerseits klar, unter diesen politischen Umständen, dem Stopp durch Minister Ostermeier, müssen wir zurück an den Start. Eben hätte der Umbau, also die Erweiterung und Neugliederung wie Neuaufstellung des Museums beginnen sollen. Nun, man kann sich ja wirklich nicht vorstellen, einfach ein paar Quadratmeter aus den Plänen zu radieren, also heißt das ja noch mal Überarbeiten des Konzepts und das heißt wiederum, daß Zeit verstreicht und sich alles wiederum hinausschiebt.
Was aber darüber hinaus das eigentliche Dilemma ist, dass das Wiener Museum genau das Potential von dem er spricht nicht ausschöpft. Aus der niederländischen Perspektive, wo er manches Museum im Auge haben kann, das in der Tat moderne Museumsarbeit macht, mag er auf die Diskrepanz von Wien zur übrigen Welt hinweisen dürfen, wie er es in dem Interview macht und auf die dringende Notwendigkeit einer Neupositionierung bestehen. Nur so stimmt der Vergleich leider auch nicht. Was ich in Frankreich, der Schweiz oder Deutschland kennengelernt habe, zeugt eher vom Dilemma eines letztlich kolonialen und paternalistischen Museumstyps, kann also mehrheitlich nicht gerade als vorbildlich oder als alternativ zu Wien hingestellt werden. Die derzeit große Ausnahme ist Frankfurt. An ihm könnte man ermessen, wenn jemand den Vergleich überhaupt anstellte, wie groß die Kluft der Ausstellungspraxis des Wiener Museum zu einem Museum wie Frankfurt ist, das in seiner Forschungs- und Ausstellungstätigkeit rabiat neue Wege geht. Schade ist es um die großartige Sammlung, schade um das Potential, von dem der Direktor spricht, angesichts der langen Schließzeit (die kaschiert wird durch die Sonderausstellungen eine Art Preview-Fassung einer künftigen Dauerausstellung, die so nie weiter entwickelt werden wird). Ein zweiter Clip, einer vom Juli 2013, zeigt Direktor Engelsmann noch wesentlich entspannter. Da stellt er das neue Konzept vor und stellt unmissverständlich klar, daß er den herkömmlichen Typ des Völkerkundemuseums für obsolet hält. (Dieser Clip hier: https://www.youtube.com/watch?v=GhefMJWqKeo). Es ist bitter, daß so jemand nicht nur nicht die nötige Unterstützung durch die Politik erfährt, sondern jetzt - mit ungewissem Ausgang - regelrecht ausgebremst wird.

Mittwoch, 10. Dezember 2014

Weltmuseum Wien. Zu wenige Besucher um Investitionen zu rechtfertigen?

Der Stopp des Ausbaues des Weltmuseums (ehemals Völkerkundemuseum) wird nicht nur mit den höheren Betriebskosten des auf das etwa Dreifache der bisherigen Fläche erweiterten Museums begründet. In der Kronzeitung wird, so weit ich sehe, erstmals Quote gegen Investition hochgerechnet. Für 110 Besucher im Durchschnitt lohnten sich 27 Millionen nicht. Die Quotendiskussion nimmt eine neue Qualität an.

Montag, 8. Dezember 2014

Museumsszene. La realitat

MACBA Barcelona. 2014. Foto: GF

Kriterien für ein neuartiges Museumsranking

Spielregeln: Man denke von dem Land aus, in dem man wohnt (Australier nehmen Europa, s.u.) und versuche ein Museum oder mehrere zu den jeweiligen Anforderungen zu finden.

Ein Museum, für das ein befreundetes, an innovativen Museen interessiertes Ehepaar die teure und weite Reise von Australien nach Europa auf sich nimmt.  

Ein Museum, in dem sie ein Zwillingspaar (eineiig, twitteraffin, spätpubertär) zwei Stunden lang von ihren iPhones ablenken können. 

 Ein Museum, das an einem Wochenendtag einer Drei-Generationen-Familie (12-köpfig) Spaß machen würde.

Ein Museum, in das sie selbst gehen würden, selbst dann, wenn freundliches, sommerliches Badewetter herrschte. 

Ein Museum, das eine patriotische Lehrerin (man denke etwa an Gabi Teichert in Alexander Kluges "Patriotin") als geschichtsarchäologisches Feld der subversiven Erforschung der Landesgeschichte nutzen könnte. 

Ein Museum, das ein Attac-Betriebsausflug mit dem Gefühl verläßt, etwas dazugelernt zu haben. 

Ein Museum, dessen Besuch erfreulich verläuft, obwohl es verkehrstechnisch sehr ungünstig liegt, das Wegleitsystem sehr mangelhaft, das Gebäude abweisend, das Personal schlecht gelaunt ist und zu allem Überfluss die Preise überhöht sind.  

Ein Museum, von dem sie beschließen, es unbedingt noch in derselben Woche zu besuchen, obwohl sie es mit Rücksichtnahme auf desinteressierte Begleitung nur eine knappe dreiviertel Stunde sehen konnten.

Ein Museum, von dem sie ziemlich sicher sind, daß sie Freunde, die sie hinschicken, ihnen noch Jahre später von ihrem Besuch erzählen werden. 

Ein Museum, für dessen Besuch sich der Schriftsteler und Schöpfer des "Museums der Unschuld", Orhan Pamuk, der viel Inspiration aus europäischen Museen für sein Museum gezogen hat, anschließend sehr herzlich bedankt. 

Ein Museum, das einen Museologen dazu inspirierten würde, sofort einen gutgelaunten Beitrag für seinen Blog zu schreiben. 

Ein Museum, in dem eine Gruppe politisch aktiver Feministinnen nicht wuterfüllt gegen die Wände treten würden. 

Ein Museum, das für wenigstens kurze Zeit einer Gruppe älterer Menschen, die einen Ausflug aus ihrem Heim gestattet bekommen haben, ihre kleinen und nicht so kleinen Gebrechen vergessen läßt.

Ein Museum, dessen kostenlosen und geführten Besuch sie als Preis für einen Kochwettbewerb von Bäurinnen ausloben könnten. 

Ein Museum, das weder von ICOM Österreich noch vom Österreichischen Museumsbund eine Museumsplakette erhalten würde, dennoch aber viele Besucher erfreut. 

Ein Museum, in dem eine Gruppe eines Volkshochschulkurses vergisst, daß sie anschließend eigentlich noch Töpfern wollten. 

Ein Museum, das dreieinhalb Stunden so vergnüglich ist wie Stefan Herheims „Xerxes“-Inszenierung an der Grazer Oper. 

Ein Museum, das drei befreundete türkische Mittelschülerinnen (17) bei knappem Taschengeld ausnahmsweise einem Discobesuch vorziehen würden. 

Ein Museum, durch das eine Gruppe von vierzig männlichen Mitarbeitern des mittleren Managements einer Großbank geführt werden ohne daß es später am Pissoir zu blöden Sprüchen über den Museumsbesuch kommen würde. 

Ein Museum, das Durchreisende bei einem insgesamt eindreiviertel Stunden dauernden Aufenthalt in einer Mittelstadt zufällig und weil ihnen nichts besseres einfällt, aufsuchen und darüber den Anschlusszug versäumen.

 

Wird fortgesetzt 

Neue Kriterien werden gerne entgegengenommen

Entdeckerlust durch Texte (Texte im Museum 500). Fünf Jahre "Museumsblog" und 500 "Texte im Museum"


Eine Ausstellung mit Gemälden Paul Cézannes sehen zu können, mit erstrangigen Werken in einem angesehenen Museum, Thyssen-Bornemisza in Madrid (2014), ist eine schöne Überraschung, wenn man touristisch in der Stadt ist und mit dieser Schau nicht gerechnet hat. Noch schöner ist, es wenn man feststellt, daß die Ausstellung einer bemerkenswerten Gliederung folgt, die sparsam und intelligent von Texten unterstützt wird.
Der oben abgebildete Text war der am Eingang, er exponiert eine Frage. Das ist schon einmal bemerkenswert, meist beginnt es doch mit einer Würdigung, Affirmation, Unterstreichung der Bedeutung des Künstlers. Und das gekleidet in kunsthistorisches Fachwissen. Nicht hier. Hier steht zuerst die Auseinandersetzung eines Gegenwartskünstlers mit Cézanne. Aus seinen Beobachtungen werden weitere Entwickelt und dem Besucher als eine Möglichkeit vorgeschlagen, sich die Gemälde anzusehen. Es wird weder etwas behauptet noch bewertet, man bekommt eineige Werkzeuge mit, die man anwenden kann oder nicht. Es wird nicht Wissen vermittelt, sondern eine Ermunterung, selbst zu sehen, ausgesprochen.
Auch die räumliche Ordnung unterstützte diese Vorgangsweise. Der erste Raum war den Wegbiegungen gewidmet - an und für sich schon eine witzige Idee. Wegbiegungen? Warum in aller Welt jetzt das? Noch einmal, aber dann immer sparsamer, unterstützte in diesem Raum ein Text und einoriginales Zitat von Cézanne. Mehr braucht es auch nicht. Die Fragen potenzieren sich, wenn man mal anfängt, sie anzuwenden.
Hier also noch der Text über Wegbiegungen.


Fünf Jahre "Museologien"-Blog

Am 8. Dezember 2009 habe ich meinen ersten Post veröffentlicht. "Jüdisches Museum der Stadt Wien - Ein Opfer populistischer Kulturpolitik?" beschäftigte sich mit der Bestellung von Daniel Spera zur Leiterin des Jüdischen Museums der Stadt Wien. Ich konnte natürlich nicht ahnen, daß viele Monate später das Jüdische Museum monatelang ein zentrales Thema des Blogs wurde. Als nämlich mehr oder weniger über Nacht die Dauerausstellung des Museums abgebrochen wurde und sowohl dieser Abbruch als auch die fadenscheinigen Begründungen durch Frau Spera empörten und heftige Reaktionen auslösten. Der Post vom 8.12.2099 wird, wie andere zum Jüdischen Museum, immer noch abgerufen und hält sich in den "Top ten" der am meisten abgerufenen Texte.

Erst gestern Abend bin ich zufällig auf das "Jubiläum" des Blogs gestoßen. Die Anregung, einen museologischen Blog zu starten kam von einer Kollegin in Deutschland, Nina Gorgus, die schon länger ihren Blog betrieb (und auch noch betreibt). Ich startete ins Unbekannte, hatte weder Ahnung von technischen Möglichkeiten noch praktischen Effekten. Es läßt sich nicht mehr feststellen, wie viele "Leser" der Blog in diesem ersten Monat Dezember 2009 hatte. Jedenfalls steigt die Zahl der Besuche zwar nicht stetig aber insgesamt immer weiter an und zuletzt sogar weit überproportional. Wo überall der Blog gelesen wird, kann ich mangels statistischer Daten, die Google zur Verfügung stellt, nur ahnen, jedenfalls ist es erstaunlich, daß - bei einem deutschsprachigen Blog -, an der Spitze abgesehen von den erwartbaren, Länder wie Norwegen, Russland, Schweden, Belgien dabei sind und neuerdings, für mich in keiner Weise durchschaubar - die Ukraine, ausgerechnet.

"Getragen" wird der Blog vom Spaß am kurzen, manchmal zugespitzten, polemischen Schreiben, der Bemühung, möglichst auch visuell zu informieren und argumentieren und der Überzeugung, daß es viel zu wenig analytischer und kritischer Auseinandersetzung mit den Museen und mit Ausstellungen gibt. Manchmal ist mir der Spaß vergangen und einige Male habe ich auch an Beendigung des Bloggens gedacht. Vielleicht passiert das ja auch mal, bald oder nicht so bald. Noch einmal fünf Jahre? Keine Ahnung!

Typische Schaffensphase eines Bloggers



Samstag, 6. Dezember 2014

Museumspolitik in der Globalisierung. Am Beispiel Parthenon-Fries

Er bewegt sich doch! Der Parthenonfries. Wenigstens Stückweise. Unter strengster Geheimhaltung, so kann man lesen, wurde eine Figur von London nach St. Petersburg in die Eremitage gebracht. Warum? Weil, so die Frankfurter Allegmeine Zeitung, das "Petersburger Museum die Ideale der Aufklärung [verkörpert], die das gemeinsame europäische Erbe geprägt haben. In diesem Sinne ist auch die Reise des Ilissos zu sehen, zumal vor dem Hintergrund der neuerlichen Spannungen zwischen Moskau und dem Westen."

Die zaristische Kunstsammlung ein Inbegriff der Aufklärung? Und was meint genau dieses Raunen aus dem Hintergrund der Spannungen...? Ausgeliehen wird das Objekt aus Anlaß des 250ten Jubiläums der Eremitage. Neil McGregor bringt dieses Datum mit dem Gründungsdatum des British Museum in einen zeitlichen und damit ideellen Zusammenhang. Beide Museen seien frühe bedeutende Institute der Aufklärung. Er weiß es natürlich besser. (1) Dem British Museum liegt ein Parlamentsbeschluss zugrunde, aus einer privaten Sammlung eine staatlich erhaltene Institution zu machen, das "Jubiläumsdatum" der Eremitage bezieht sich auf das Entstehen einer kaiserlichen, exklusiven und privaten Sammlung, die erstmals erst in den 1850er-Jahren öffentlich zugänglich wurde, und auch da sehr restriktiv.

Absolutely not amused zeigt man sich in Griechenland, das ja nach wie vor auf der Rückführung des Frieses besteht. Da geht dann schon mal der Ministerpräsident persönlich vors Mikrophon und empört sich.

Dass ausgerechnet in Zeiten der ökonomischen und politischen Drangsalierung Griechenlands durch die EU den kopflosen Flußgott Illissos verschickt, ist schon seltsam. Es ist außerdem das erste Mal, daß ein Objekt aus dem Fries das British Museum verlassen hat.

Der Direktor löst das Problem gegenüber der Öffentlichkeit so auf: hier ginge es um eine kuratoriale Entscheidung im Rahmen der üblichen Usancen, mit der sich Museen wechselseitig Objekte ausleihen, um die politischen Streitigkeiten müsse man sich dabei nicht kümmern.

Der Flußgott mit Zwiebelgemüse in der Eremitage (Foto: The Guardian)

Laut BBC hatte der Direktor des Museums noch etwas Feinsinniges in Richtung Griechenland zu sagen, was man dort sicher sehr erfreut aufgenommen haben mag: "I hope that they'll be very pleased that a huge new public can engage with the great achievements of ancient Greece. People who will never be able to come to Athens or to London will now here in Russia understand something of the great achievements of Greek civilisation."

Und auf die Frage, ob man denn Objekte auch an Griechenland ausleihen würde: Sie haben nicht angefragt. Das wird Griechenland angesichts der aufrechten Rückgabeforderung auch nicht tun, und man kann schwer um eine Leihgabe bitten, wenn man das Eigentumsrecht des British Museum anfechtet. Da hat Herr MacGregor schon seinen sehr eigenen Humor. Und (nicht zum ersten Mal) ein imperales paternalistisches Verständnis vom British Museum: "The British Museum is a museum of the world, for the world and nothing demonstrates this more than the loan of a Parthenon sculpture to the State Hermitage Museum in St Petersburg to celebrate its 250th anniversary."

(1) Cultural Property: "By the way, Catherine the Great's keep-up-with-the-Enlightenment kunstkabinett in the Small Hermitage was a private collection in 1759. The museum only "opened its doors" by Nicholas I in 1852, a century later. McGregor is making up history here." Der Guardian berichtet ausführlich vom intensiven Bemühen Griechenlands um eine Mediation, für die international besetzte Gremien bereitstehen. Seit 18 Monaten sei eine Antwort Englands auf das Ersuchen Griechenlands ausständig.

Freitag, 5. Dezember 2014

Der Alpenverein hat ab sofort kein Museum mehr. Die Ausstellung "Berge. Eine unverständliche Leidenschaft" hat geschlossen



Ende Oktober schloß die Ausstellung "Berge. Eine unverständliche Leidenschaft". Eine weitere Verlängerung der Ausstellung war nicht mehr möglich, weil die Hofburg die Räume für andere Ausstellungen benötigt. Der Alpenverein, in dessen Auftrag de Ausstellung entstand und dessen Sammlung den Grundstock bildete, hat ab sofort keine Ausstellung mehr, keine Nachfolge für sein Museum, das anlässlich der Übersiedlung der Zentrale aus der Stadtmitte aufgelöst wurde und das gewissermassen auf Zeit durch die Ausstellung "ersetzt" wurde. Es gibt auch keine konkreten und vor allem keine kurzfristig realisierbaren Pläne für ein neues, anderes Museum und auch eine neue Ausstellung dürfte sich nicht schnell und wenn nur mit Kompromissen realisieren lassen. Der Alpenverein ist zwar eine große Organisation, aber sein Hauptaugenmerk gilt natürlich nicht dem Museum. Trotz vorhandener Entscheidungsgrundlagen hat der Vorstand des Vereins keine Entscheidung gefällt und es verabsäumt, rechtzeitig nach der Schließung für etwas Neues zu sorgen. So könnte es dazu kommen, daß der große Verein zwar eine Sammlung besitzt, die anlässlich der Übersiedlung ein modernes Depot erhielt und nun besser denn je (im Zuge der Ausstellung) aufgearbeitet wurde, aber dass es eben beim Deponireren bleibt.

Parallelaktion ums Haus der Geschichte/Republikmuseum

Kann ja kein Zufall sein, oder? Zeitgleich mit dem Planungsstopp, das Minster Ostermeyer übers Weltmuseum verhängt, der als Rechtfertigung einen Untoten aus der Gruft zerrt, den Plan eines Hauses der Geschichte, wird eben dieses, ein Haus der Geschichte, aus den Reihen einer Forschergruppe lanciert, mit einem Standort, Überraschung, in der neuen Hofburg. Einen, den, Überraschung! auch Minsiter Ostermeyer genannt hat. Noch ist es nur ein Raunen und ein Ausstreuen von Gedankenbröseln, aber schon demnächst solls mehr geben. Wir spitzen inzwischen unsere Ohren.

Dienstag, 2. Dezember 2014

Vom Vormund Pubertierender zum Universalarrangeur der Lebenswelt: Der Kurator

Eine Breitseite, aber eher eine harmlose, läßt Joachim Güntner in der Neuen Zürcher Zeitung vom 18.11.2014 los. Ja, es ist schon wahr, "kuratiert" wird nahezu alles und manchmal hat man den Eindruck, das ist ein neuer Schlüsselberuf.
Güntner macht sich weidlich über die Epidemie des Kuratierens lustig aber er steuert auch Historisches bei: "Das Verb ist ganz jung, das Nomen alt. Kuratoren kannten schon die Römer, und zwar in grosser Zahl und Zuständigkeit. Unter Kaiser Augustus waren es mit Machtfülle ausgestattete Aufsichtsbeamte, denen das Regiment über Wege und Landstrassen übertragen war und die sich darum kümmerten, dass der Tiber nicht verdreckte. Auch mit Erhaltung und Ausbesserung der Wasserleitungen, Brücken, Tore, Mauern waren curatores beauftragt. Ihnen oblag die Kontrolle aller öffentlichen Gebäude, namentlich der Tempel, Gerichte und Theater. Curatores überwachten Versteigerungen und vertraten Dritte in Rechtsangelegenheiten. In Zedlers «Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste» von 1733 füllt die Aufzählung ihrer Metiers drei Spalten. Dem voran stellt Zedler den Hinweis auf den Curator als Vormund, «der eines in die Pubertät getretenen Jünglings Güter und Geschäfte zu administrieren auf sich nimmt".
Was ist er heute? Die Bundesagentur für Arbeit informiert uns: Kuratoren und Kuratorinnen betreuen Sammlungen in Museen und organisieren Ausstellungen sowie Sonderaktionen. Kuratoren und Kuratorinnen arbeiten in Museen und bei Betreibern historischer Stätten, in Kultur- und Freizeitämtern, bei Landes- oder Stadtverwaltungen oder in Bibliotheken und Archiven. Auch bei Kulturvereinen können sie tätig sein.

Die Kuratoren-Epidemie kommt also durch eine Ausweitung der Anwendung zustande. Kuratiert wird alles, Modescahuen oder Parkanlagen, so Güntner, Literaturhäuser und Festivals. "Rhetorischer Quark." (Güntner).
Der Autor hat auch eine These, warum das so ist. "Die chaotische Fülle des Netzes ruft nach Pflege (cura) via Smartphone und Selfies. Na ja.

Montag, 1. Dezember 2014

Neulich im Kunsthistorischen Museum. Velazquez im Blindflug

Gäste bitten mich, Sie in die Velazquez-Ausstellung zu begleiten. Mache ich gerne und mit Neugier, war ich dich erst vor wenigen Monaten im Prado und habe einige Velazquez-Gemälde noch in stärker Erinnerung.
Überraschung im Wiener Museum: Velazquez aber wenig Licht. Der Restauratorinnen Vorbehalt gegen das Herzeigen von Kunstwerkrn treibt immer seltsamere Blüten. So finster habe ich ein Museum nur noch im gegenüberliegenden Naturhistorischen Muśeum gesehen. In einer Ausstellung, in der man nachvollziehen können sollte, wie es Blinden geht, wenn sie sich orientieren und fortbewegen...

Viel Vealzquez aber wenig Licht. Unglücklicherweise waren manche Gemälde von den wenigen Lux trotzdem so stark überstrahlt, dass man sie nur teilweise erkennen konnte. 

Kunst im Blindflug. Auch eine Erfahrung.


Entrée

Musée d'Art moderne Paris

Museumsszene. Plötzlich diese Übersicht


Sonntag, 30. November 2014

Das "Weltmuseum" scheitert zum zweiten Mal

Minister Ostermeyer ist ein kluger Mann. Er stoppt ein Museumsprojekt, dessen Mehrkosten mittelfristig nicht finanzierbar sind. Kluger Mann. Endlich einmal ein Politiker, dem ein nachhaltig gesichertes Vorhaben wichtiger ist, als seine Eröffnungsrede und das Lächeln in die Kameras.
Minister Ostermeyer ist ein unfähiger Politiker. Er stopp ein Projekt, das seine Vorgängerin im Amt auf den Weg gebracht hat und das längst konzipiert ist und in etwas mehr als zwei Jahren fertiggestellt sein sollte. Er stoppt es, weil er nach Monaten der Vorbereitung draufkommt, daß Teile der Finanzierung nicht im vorliegenden Konzept enthalten sind. Er gefährdet die Neuaufstellung eines Museums, das seit vielen Jahren nur einen Bruchteil seiner Sammlung zeigen kann.

Die Rede ist vom Weltmuseum in Wien.

Ja, man kann es so oder so sehen. Kluger Minister & unfähiger Minister. - "Wir sperren das Völkerkundemuseum nicht zu" sagt er. Es ist aber zu. Seit 3. November. Wegen der anstehenden Umbauarbeiten. Jede Verzögerung, die jetzt eintritt, bedeutet eine Verlängerung der Schließzeit des kompletten Hauses. Das ist für jedes Museum eine unangenehme Situation. Es verliert den Kontakt zu seinem Publikum und tritt in der öffentlichen Aufmerksamkeit nach hinten.

Damit es noch unübersichtlicher wird bringt der Minister zwei andere Projekte ins Spiel, die man "seit langem diskutiert" - den Tiefspeicher für die Nationalbibliothek (für die Ortsunkundigen: sie befindet sich im selben Gebäude wie das Weltmuseum) und das Haus der Republik. Das ist die Idee eines Historischen Museums der Geschichte Österreichs seit etwa 1914, das im Regierungsprogramm enthalten ist.

27,5 Millionen sind für den Umbau des Völkerkundemuseums vorgesehen. Die nicht einbezogenen Mehrkosten für den Betrieb sollen 2,8 Millionen betragen. Pro Jahr. Frage: wie soll sich eine Einsparung ergeben, aus der ein Republikmuseum finanzierbar wäre. Ein Museum, bei dem nichts existiert, keine Räume, kein Personal, keine Sammlung. Und der Tiefspeicher muss gebaut werden. Irgendwann, aber in nicht zu ferner Zeit. Man kann die Bücher künftig ja nicht in den Parkanlagen um die Neue Burg stapeln.

Zwischen den Zeilen wird angedeutet, daß überlegt wird, wie zwischen dem Weltmuseum und dem Haus der Geschichte Verbindungen hergestellt werden könnten. Abgesehen von vereinzelten Aspekten fällt mir dazu nicht viel ein, aber vielleicht bin ich dafür blind. Nur: das hatten wir schon mal. Um das Volkskundemuseum zu retten, sollte es mit dem Völkerkundemuseum, wie es damals noch hieß, zusammengelegt werden. Das erarbeitete Konzept dokumentierte das folgende Scheitern. Beide Institutionen wollten unangetastet nebeneinander bestehen bleiben und gemeinsame Projekte verwirklichen.

Minister Ostermeyer fordert vom "Weltmuseum" eine "Kurskorrektur". Was er damit meint, läßt er offen. Das Wort "Kurskorrektur" ist freilich rein pragmatisch gemeint. "Redimensionierung" lautet der Ausdruck, den die Direktorin des Kunsthistorischen Museums, dem das Weltmuseum unterstellt ist, verwendet. Also Verkleinerung. Trotzdem. Der Baubeginn wird nicht verschoben, die Eröffnung möglichst auch nicht. Wie geht so etwas, ohne neuerlich am Konzept des Weltmuseums nachzubessern? Und: es wird der "Business-Plan" an die "Basisabgeltung" angeglichen. Übersetzung: Man wird - wo? - streichen und kürzen, um mit der seit Jahren bekannten und "gedeckelten" (begrenzten) Finanzierung durch den Staat auszukommen.

"Kurskorrektur", das Wort gefällt mir. Vor allem in Zusammenhang mit dem "Weltmuseum". Denn was dieses Museum (dringendst) nötig hat, sind nicht mehr Ausstellungsfläche und neues Design und eine mehr Aufmerksamkeit weckende Gestaltung der Flächen vor dem Museum, sondern eine inhaltlich-konzeptionelle Kurskorrektur.

Das Völkerkundemuseum, das nun Weltmuseum heißt, hat also einen neuen Namen. Aber die alte Ideologie. In diesem Blog sind mehrere Ausstellung ausführlich kritisiert worden. Das kann man nachlesen, ich kann das hier nicht alles noch einmal aufrollen. Was dem Museum hautsächlich fehlt, ist Selbstkritik, Prüfung seiner Rolle, seiner Aufgabe. Es zeigt sich in vielen, in nahezu allen seinen wichtigen Ausstellungen tief unfähig zur Selbstreflexion, Was andernorts längst an ethnologischen Museen kritisiert wird und an manchen namhaften Häusern auch praktisch umgesetzt wurde, hat in Wien nicht stattgefunden. Eine Aufarbeitung der Geschichte der Völkerkundemuseen, des eigenen Hauses, die Überprüfung des eigen Standortes wie des eigenen Blicks auf "die Anderen".

Steve Engelsman, der Direktor des Hauses, kommt aus den Niederlanden und hat an leitender Position große Erfahrung auch mit Fragen der Neupositionierung der Völkerkundemuseen mitgebracht. Er kommt aus einem Land, das mit seiner kolonialen Vergangenheit in vielen einschlägigen Museen reflexiv, selbstkritisch, um Aufarbeitung und Vermittlung bemüht umgeht. Dieses Bemühen kommt dort aus den Museen selbst und wird von der Kulturpolitik unterstützt. Als ich zuletzt in Amsterdam war, erzählten mir Kuratoren des Tropenmuseums (wie dort das Ethnologische Museum heißt), daß gegenwärtig unter den Museen eine Grundsatzdebatte geführt werde bis hin zur möglichen Auflösung des Typs "Völkerkundemuseum".

Ich habe von Engelsmann manches über die Veränderung des Marketing, den Umbau, gestalterische Maßnahmen um das Museum herum und anderes mehr gehört. So gut wie nichts zu Zielen und zur Veränderung von Zielen und Arbeitsweisen. Die Ausstellungspolitik hat sich nicht geändert. Und es gibt kein Anzeichen dafür, daß sie sich ändern wird.

Und es ist wie immer (wie immer?). Niemand, wirklich niemand, diskutiert darüber. Business-Pläne, ja. Budgetabgeltung, ja. Eröffnungsdatum, ja. Sonst nichts.


Mittwoch, 26. November 2014

Das Imperial War Museum London neu

Den Eindruck einer ambitionierten aber eher fragwürdigen Neugestaltung und - Inszenierung vermittelt ein Bericht von Marion Löhnsdorf in der NZZ zur Neugestaltung des Imperial War Museum in London mit der Schlussfolgerung, das Museum habe sich mit eher mäßigem Erfolg bemüht, Chaos und Schrecken des Krieges zu vermitteln.
Hier der Link: http://www.nzz.ch/feuilleton/kunst_architektur/die-helden-werden-zur-fussnote-1.18431264

Die kunstsinnige Schweiz oder Die Kunst des Erbens

Der Anwalt des verstorbenen Kunsterben Cornelius Gurlitt, Hannes Hartung, ist ziemlich unzufrieden mit der Rolle des Kunsmuseums Bern, das sich von jeglicher historischer Verpflichtung entlasten ließ, bevor es so nett war, das Gurlitt-Erbe anzunehmen. "Wenn man die Berichterstattung in den Schweizer Medien seit Mai aufmerksam betrachtet, wird schnell klar, dass es in der Eidgenossenschaft nur um ein Thema ging: das liebe Geld. Auf keinen Fall wollte man nur einen einzigen Cent in die Aufarbeitung der Erbschaft stecken. Das Geld und nicht etwa die Moral war der wesentliche Diskussionspunkt im politischen und kulturellen Bern bis zur Annahme der Erbschaft."

Nachdem die Geld- und Moralprobleme gelöst sind, freuen sich Museumsdirektor Matthias Frehner und Stiftungsratspräsident Christoph Schäublin aus Bern im Interview mit dem Tages-Anzeiger über die Qualität der Sammlung: "Jetzt dürfen wir es ja sagen. Zu den Glanzstücken zählen eine großformatige, 1847 datierte 'Montagne Sainte-Victoire'-Landschaft von Paul Cézanne und eine 'Waterloo Bridge im Nebel' von Claude Monet von 1903, ferner eine sehr schöne 'Marine' von Manet, ein sehr bedeutendes Werk aus der frühpointillistischen Periode von Paul Signac sowie mehrere Bilder vonCourbet."

Via "Perlentaucher"

Sonntag, 9. November 2014

Das Museum brennt

Ed Ruscha: Das Los Angeles County Museum on Fire. 1965–68, Oil on canvas. 53 1/2 x 133 1/2 in. Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution, Washington, D.C., Gift of Joseph H. Hirshhorn


The Los Angeles County Museum on Fire, 1965–68, Ed Ruscha. Oil on canvas. 53 1/2 x 133 1/2 in. Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution, Washington, D.C., Gift of Joseph H. Hirshhorn, 1972. - See more at: http://blogs.getty.edu/pacificstandardtime/explore-the-era/worksofart/the-los-angeles-county-museum-on-fire/#sthash.fU8xEjkd.dpuf
The Los Angeles County Museum on Fire, 1965–68, Ed Ruscha. Oil on canvas. 53 1/2 x 133 1/2 in. Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution, Washington, D.C., Gift of Joseph H. Hirshhorn, 1972. - See more at: http://blogs.getty.edu/pacificstandardtime/explore-the-era/worksofart/the-los-angeles-county-museum-on-fire/#sthash.fU8xEjkd.dpuf
Das Museum brennt. Wenn man das Bild (oder das Museum) schon mal gesehen hat, kann man sich erinnern, daß es das Los Angeles County Museum ist. Aber vielleicht kommt es darauf gar nicht so an.
Ruscha hat ja kein Katastrophen- oder Historienbild gemalt. Weder wurde das Museum Opfer eines Missgeschicks oder Unfalls, noch hat jemand es in Brand gesetzt.
Er, der Künstler, legt Feuer ans Museum.
Und er ist nicht der erste, der die Idee hatte, aber vielleicht der erste, der sie umsetzte, wenngleich nur ästhetisch. Verbale Angriffe auf das Museum, aggressive Äußerungen bis hin zum Wunsch es anzuzünden gibt es nachweislich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. 1871 wäre aus den Phantasien fast Realität geworden. Eine Brandlegung im Louvre während der Commune wurde verhindert, aber das anschließende Tuilerienschloß brannte tatsächlich ab, so gründlich, daß es abgebrochen werden musste.
Vermutlich galt der Anschalg auf den Louvre gar nicht in erster Linie dem Museum sondern seiner historischen Bedeutung als Herrschaftssitz und seiner Aktualisierung als Residenz des Kaisers.

Warum die Aggression gen das Museum als Institution? Für nicht wenige Künstler waren (und sind) Museen Totenhäuser einer verstaubten Tradition, und was Sammlungen jahrhundertelang für sie waren, Ausbildungs- und Inspirationsstätten, waren sie kaum noch, stattdessen wurden sie verantwortlich gemacht für das Verschwinden der Kunst aus der Lebenspraxis. Nicht nur im Museum wurde sie museal. Und außerdem bildete der Kanon der großen, der bewunderten Kunst eine Last, die schwer abzuschütteln war.

In einer Äußerung zu seinem Bild spricht denn auch Ruscha von der Autorität des Museums als etwas Negativem. Seine Autorität zurückzuweisen, läuft auf eine Zurückweisung der herrschenden Kultur hinaus. Diesen Generalverdacht hegten Künstler immer wieder und forderten seine Abschaffung und Zerstörung, wie die italienischen Futuristen, oder machten es lächerlich wie Chris Burden, der die Frage nach dem Sinn des Museums beantwortete: Should the rain keep off.

Das Los Angeles County Museum ist eines der größten Museen der USA, ein komplexes Museum mit großen Sammlungen vieler, nicht nur der europäischen Kulturen. Schon 1910 ist es entstanden, als Naturmuseum. Auf dem Bild ist der Bau zu sehen, der in den 60er-Jahren entstand, inzwischen ist das Museum wesentlich größer geworden und bildet fast so etwas wie einen Stadtteil. Die Gebäude von damals sind genau wiedergegeben, aus einer Aufsicht, die Ruscha möglicherweise nach einer Fotografie malte (eine zeitgenössische Ansichtsakarte gibt ziemlich genau diesen Blickwinkel und -ausschnitt wieder).
Aber authentisch ist die Ansicht nicht. Nicht nur daß die Gebäude in einer Vereinfachung gemalt sind, die sie wie Modelle ihrer selbst erscheinen läßt, schon damals lagen sie in einem Park und in einem zwar lockeren aber den Gebäuden naherückenden urbanen Umfeld. Nichts davon sieht man hier. Keine Stadt, kein Los Angeles, selbst das was Ruscha uns im Gespräch als sorgfältig getrimmten Rasen versuchsweise wahrzunehmen anbietet, ist ein diffuser in einem unbestimmten Nirgendwo übergehender Farbraum. Das Museum erscheint ganz isoliert, ohne Verortung. Welche Tageszeit ist es? Welche Jahreszeit ist es? Auch das ist unbestimmt. Und etwas fehlt gänzlich: Menschen. Passanten, Besucher. So als ob das Museum schon preisgegeben worden wäre und nun auch noch abbrennt.

Zeitlosigkeit ist etwas, was wir mit Museen assoziieren, aber positiv, wenn auch ambivalent. Das Museum entzieht die Objekte der Zeit, d.h. in materieller Hinsicht ihrem Verbrauch, Verschleiß oder Verfall. Und: das Museum sammelt in einen offenen, unbestimmten Zeithorizont hinein.
Ist das hier gemeint? Ich denke eher nicht. Die Ort- und Zeitlosigkeit hier, im Bild, ist etwas unheimlich, beklemmend. Das Museumsbild vermittel etwas Totes in einem umfassenden Sinn. Ist es also eine Art Allegorie auf das Museum als Mausoleum?

Ed Ruscha hat in einem Interview, in dem er einige Sätze zum Bild fallen läßt, etwas gesagt, was mich auf die Idee gebracht hat, eine zum Befund des Musealen, also Abgestorbenen konträre Lesart zu versuchen. Es raucht heftig aus dem Dach oder Innehof des einen Gebäudes und die Flammen scheinen so mächtig, als wäre Rettung nicht mehr denkbar. Aber seltsamerweise ist das Gebäude noch vollkommen intakt, nicht ruinös, wie es ein anderer, verbreiteter Topos der Museumsadarstellung (von Hubert Robert bis Komar und Melamid) zeigt. Vieleicht gehts nicht (nur) um die Darstellung eines Brandes, sondern eines Feuers. Es ist das einzig Lebendige im Bild, das einzige, was Zeitlichkeit vermittelt. Es wird sich ausbreiten oder ermatten, es wird das Gebäude beschädigen oder vollkommen vernichten...

Ich weiß, es ist weit hergeholt, aber diese eigentümliche Leere und Abgestorbenheit der Architektur gibt es in der revolutionsklassizistischen Architektur (des späten 18.Jahrhunderts, in Frankreich. Ich argumentiere keineswegs, daß dies ein Modell für Ruscha war), und da gelegentlich auch mit gespenstischen (Opfer)Feuern, Brandaltären oder sehr profanen Schloten für Fabriken, freilich nicht rund und hoch, sondern in Form von Pyramiden.

Wie in den Ruinenbildern, wo die Natur über das zivilisatorischen Menschenwerk siegt, aber die Ruine weiter Zeugnis der einstigen Größe und Kultur ablegt, so könnte man das Feuer hier auch als einen Triumph über die aufgestapelte Zeit und versanmmelte Kultur verstehen. Allerdings: triumphal ist das Bild nicht. Ed Ruscha hat zwar nach den Zündhölzern gegriffen, aber es beim Bild belassen, also beim Erstarren, bei dem offen bleiben muß, ob das Museum wirklich zerstörbar ist. Das Bild als Provokation? Sagen wir so: als jedenfalls ambivalente, manchen Museumsliebhaber nervös machende, den pedantischen Museologen irritierende, vielleicht auch ironische Versuchsanordnung.

Freitag, 31. Oktober 2014

Jagdszene


Award

Vielleicht sollte ich einen Preis für den besten Ausstellungstitel des Jahres ausloben? Für 2014 hätte ich da schon einen Anwärter. "Haut ab". Jüdisches Museum Berlin. Titel einer Ausstellung über Beschneidung. Kleiner Scherz? Oder doch nicht?!

Mittwoch, 29. Oktober 2014

Und schon wieder ein Museum in Paris

Bernard Arnault, in Begleitung, vor "seinem" Museum, Louis Vuitton-Museum, erbaut von Frank Gehry und via geschickter Stiftungskonstruktion so etwa zur Hälfte aus Steuergeldern berappt. Noch ein Grund nach Paris zu fahren, oder?
Humorlos wie der vielgerühmte Französische Intellektuelle nun mal ist, giftet er sich in Gestalt des Professors in Le Monde unter dem alles sagenden Titel "Fondation Louis Vuitton : le mécénat d’entreprise sans la générosité."