Sonntag, 6. Juni 2010

Samstag, 5. Juni 2010

Das "Humboldtforum" im Berliner Schloss als "Kolonialzoo" und "permanenter Kirchentag"

Nur zwei Tage, nachdem ich diesen Post verfasst habe, findet sich das Berliner Schloss - und damit das Humboldt-Forum - auf der "Sparliste" der Regierung, nicht gestrichen, aber aufgeschoben. Das könnte wohl, wenn es zum Beschluss kommt, das Ende des Projektes sein.

Der wohl größte museumspolitische Brocken, an dem die deutsche Politik würgt, ist die Wiedererrichtung des Berliner Schlosses und die Einrichtung eines Humboldt-Forums in dem teilrekonstruierten Gebäude. Jetzt droht der Erstickungstod, nicht den beteiligten Politikern, aber dem Projekt. Der Staat will nicht die Kosten für eine Rekonstruktion der Fassaden und der Kuppel aufgebürdet haben, und die Stiftung (Link zur Webseite Stiftung Berliner Schloss - Humboldt-Forum), die die Idee des Wiederaufbaus betreibt, Bauherr und Betreiber werden soll, kann die nötigen privaten Mittel bis jetzt nicht auftreiben. Wie es aussieht, könnte auch Schloßrekonstruktion und 'Humboldt-Forum' ein 'Opfer' der Wirtschaftskrise werden.

Wer die Leserbriefe zum heute in der FAZ erschienen Artikel liest, sieht schnell, daß kaum jemand für ein so teures, zerredetes und vielfach in Frage gestelltes Projekt angesichts der wirtschaftlichen Situation - des Landes und Berlins - argumentiert. Im Gegenteil: die zu dem Projekt nie gefragten Stimmbürger sind ganz schön giftig. Und giftig ist auch der Artikel von Patrick Bahners Humboldt-Forum - Wollen wir uns das Berliner Schloss noch leisten? FAZ, 5.Juni 2010.

Die Idee, die völkerkundlichen Sammlungen von Dahlem hierher zu übersiedeln, "Buschmänner, Derwische und Schamanen nach Berlin zu laden, um sie im Angesicht der erhabenen Zeugen ihrer Vergangenheiten über die Zukunft des Planeten 'verhandeln' zu lassen…laufe auf einen intellektuellen Neokolonialismus hinaus." Die diskutable Idee, die im Begriff des 'Forums' steckt, museale Sammlungen mit wissenschaftlichen Einrichtungen zu kombinieren und zu Orten des urbanen wie globalen Diskurses zu machen, die mag Bahners aber schon gar nicht: Diskurs ist für ihn "so eine Formel des eventmagischen Denkens."

Die Vorstellung vom Museum als Ort des Diskurses kommt hier als Argument der (kultur)politischen Durchsetzung des Projekts ins Spiel, riskant voraussgesetzt wird, daß Sammlungen sowieso "tot" seinen. Das ist ein Spiel mit dem Museumsfeuer, denn das Dilemma, der performativen "Lazarisation" der Dinge nicht einfach durch Ausstellungen, sondern durch eine neue Form des Museums herstellen zu sollen, stellt sich ja nicht nur für die Sammlungen, die im "Forum" ihren Platz haben sollen. Das Argument läßt sich populistisch ausschlachten, in politisches Kleingeld wechseln oder aber in schlüssige museologische Konzepte fassen. Letzteres ist, so viel ich sehe, nicht - noch nicht - geschehen. Wenn man, wie Bahners berichtet, leitende Vertreter wissenschaftlicher Institutionen dazu befragt, wird man für diese komplexe und besondere Anforderung keine befriedigende Antwort erhalten. Wissenschaften, die vielleicht erst vor ein paar Jahren den Slogan science goes public entdeckt haben, hätten, wenn sie überhaupt Erfahrung in der öffentlichen, medialen Transformierung des Wissens Erfahrung hätten, wenig bis gar keine, die auf den wirklich besonderen Fall 'Museum' zugeschnitten ist.

Die zentrale Idee, die alle Institutionen, Funktionen und Sammlungen verklammert ist die des 'Forums', also die Vorstellung des Museums als permanenter Konferenz (Beuys). Doch scheint es bisher nicht gelungen zu sein, die Wiederbelebung der dem Museum durchaus angemessenen Idee als zivilisatorischem Ort plausibel zu konkretisieren und dafür handhabbare Formen zu finden. Es scheint mir auch kein existierendes Beispiel dafür zu geben, nicht in dieser Größenordnung und nicht mit derartigen historischen Konnotationen. Es mag da und dort so etwas wie gelungene partizipative Museen geben oder - so ist mein Eindruck - in postkolonialen Situationen tatsächlich so etwas wie eine soziale Re-Definition des Museums. Aber wie soll das in diesem Fall denn aussehen, organisiert werden, museumspolitisch umsetzbar sein?

Die weit offene Flanke wird denn auch von der Kritik aus vollen Rohren beschossen. So hat Patrick Bahners (Was soll ins Berliner Schloss? FAZ vom 29.8.2009) gegen das anvisierte Modell des diskursiven Museums leicht zu argumentieren: "Wer dazugehört und wer ausgeschlossen wird, wer bleiben darf und wer nur zu Gast ist: Das sind die harten Fragen, durch die Völker über ihre Identität entscheiden. In Berlin sollen sie unter der Prämisse erörtert werden, dass alle Grenzen künstlich und vorläufig sind. Der zentrale Raum des „Forums“ ist als „Agora“ ausgewiesen, als Raum für grenzenlose politische Debatten. Die hauptberuflichen Debattenveranstalter unter den Gründern verlangen, das ganze „Forum“ solle als „Agora“ genutzt werden. Dem können die Museumsleute kaum widersprechen. Sie können noch Latein und Griechisch und wissen, dass das eine Wort die Übersetzung des anderen ist."

Wie akademische Eliten mit dieser Idee umgehen, das zieht Bahners im aktuellen Artikel sowieso ins Lächerliche, aber auch der Präsident der Stiftung Preussischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, kriegt seine Breitseite ab. Dass, wie er sagt, die "Realisierung des Humboldt-Forums…ein starkes Zeichen hinsichtlich der Gleichberechtigung der Weltkulturen in einer längst globalisierten Welt“ und das „Kunst- und Kulturzentrum gänzlich neuen Zuschnitts“ ein „völlig neues Miteinander der Kulturen erlebbar“ machen werde, als die große Chance, „um die uns die Welt heute schon beneidet“, das kontert Bahners trocken mit: "Es ist betrüblich, dass der Präsident der SPK solche Phrasen des kulturlosen Wunschdenkens verwendet."

Man könnte noch hinzufügen, daß es gerade die Museen sind, namentlich die Völkerkundemuseen des deutschsprachigen Raums, die wenig Ermutigendes und Innovatives genau in Hinblick auf den von Parzinger pathetisch beschworenen Tugendkatalog geleistet haben und die meilenweit davon entfernt sind, ein völlig neues Miteinander der Kulturen zu ermöglichen.

Schon vor längerer Zeit hat Andreas Kilb (ebenfalls in der FAZ: Auf dem Weg zum Louvre von Berlin) das Fehlen stimmiger und plausibler Pläne beklagt: "Das Forum der Weltkulturen wäre ... zur einen Hälfte ein mit Texttafeln aufgemotztes Remake der Dahlemer Völkerkundemuseen, zur anderen ein Mischmasch von Schaumagazinen, Multimedia-Sälen und Seminarräumen unter dem pompösen Etikett der 'Laboratorien des Wissens'. Diese geschichtspolitische Nullnummer kann niemand wünschen."

Grundsätzlicher formulieren die einzigen organisierten Gegenr des Projektes, die mir bekannt sind, eine studentische Gruppe unter dem Slogan "Anti-Humboldt" die Implikationen der Übersiedlung der ethnologischen Sammlungen: "Alle bisherigen Verlautbarungen der Federführenden lassen erkennen, dass es bei dem Humboldt-Forum nicht um eine Reflexion der Gewalt geht, die im Zuge des Kolonialismus von Europa aus auf den Rest der Welt ausgeübt wurde. Vielmehr wird Andersheit ontologisiert, die zur Souveränitäts- und Kosmopolitismusdemonstration der Ausstellernation dient. Die Schlossfassade steht symbolisch für die verlorene und rückgewonnene Einheit Deutschlands, sowie für das „goldene Zeitalter“ des Preußentums, das nun zum nachteilungsgeschichtlichen Lückenfüller wird. Ausgerechnet in einem solchen Zusammenhang sollen nun „Kulturschätze“ aus aller Welt zur Demonstration von Weltoffenheit der selbsternannten „Kulturnation“ dienen. Eine derartige Rekontextualisierung an diesem symbolisch aufgeladenen Ort in direkter Nachbarschaft zur Museumsinsel mit ihren Sammlungen „klassischer Hochkulturen“ nennen wir eine Instrumentalisierung nichteuropäischer Künste und Kulturen." (zitiert von der Webseite)

Institutionell ist das „Humboldt-Forum“ ein Mix aus Museums- und Forschungseinrichtungen: der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Berliner Landesbibliothek und der der Humboldt-Universität. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übersiedelt die völkerkundlichen Sammlungen von Dahlem ins Zentrum der Stadt. Die Legitimation dieser städtebaulichen und damit auch ideologischen Neupositionierung der ethnologischen Sammlungen wird, ähnlich wie anlässlich des Musée du Quai Branly in Paris, mit der "Gleichwertigkeit aller Kulturen" formelhaft beschrieben. Dazu genügt aber nicht der ostentative Akt einer Verschiebung ihres symbolischen Ortes, dazu braucht es einen tiefgreifenden Wandel des Konzepts Völkerkundemuseum - wenn nicht dessen Aufgabe zugunsten von etwas Neuem, noch kaum Geahnten.

Gemeinsam mit den Museen der Museumsinsel, dem Deutschen Historischen Museum und der museal genutzten Friedrichwerderschen Kirche würde ein riesiger Museumskomplex entstehen und es fällt, als ob das nationalpolitische Konkurrenzdenken wie im späten 19.Jahrhundert (bei dem Museumsgründungen eine große Rolle spielten) ein Revival erlebte, als Bezugspunkt für diesen megalomanen Museumskomplex als Referenzprojekt nicht mehr und nicht weniger als der Name Louvre.

Eine 2009 gezeigte Ausstellung, "Anders zur Welt kommen", (hier zur Webseite) sollte modellhaft vorzeigen, was vom Humboldt-Forum einst geleistet werden könnte. Aber die mediale und öffentliche Resonanz auf die Ausstellung war verhalten und hat der Idee als Ganzes nicht zum Durchbruch verholfen. Die zentralen Widersprüche des Konzepts sind offensichtlich. Der politisch-symbolische Akt, das Schloss der Preussischen Könige wieder aufzubauen und seine Fassade zu rekonstruieren, ist als - immerhin auch finanziell aufwendiges - Vorhaben demokratischer (Kultur)Politik kaum zu argumentieren. Noch dazu hat der Architektenwettbewerb ein angefochtenes und umstrittenes, keineswegs neue architektonische und städtebauliche Akzente setzendes Resultat gebracht. Nicht nur die Wiedererrichtung eines - freundlich formuliert - ambivalenten Herrschaftsbaues unter dem Prätext des pfleglich-respektvollen Umgangs mit dem kulturellen Erbe, ist ein fragwürdiger symbolpolitischer Akt; auch die buchstäbliche Revision einer Epoche der jüngsten Geschichte: auf einem Teil des Geländes stand der Staatsbau der DDR, der Palast der Republik (erst 2008 definitiv abgebrochen).

Und davon solte das neue Projekt nicht kontaminiert werden? - Das ist aber nicht alles. Museumssammlungen, zum Beispiel solche der Humboldt-Universität, aber auch die völkerkundlichen Sammlungen in Dahlem, in das Schloss zu transferieren, ist schon auf einer ganz pragmatischen museologischen Ebene problematisch. Und schließlich: wie werden sich diese Sammlungen in die vorhandene museale Megastruktur der Museumsinsel eingliedern oder an sie anbinden? Und auf die Frage nach der Funktion der völkerkundlichen Sammlungen an diesem Ort, hat bisher über die genannten Gemeinplätze noch nicht im entferntesten jemand schlüssig Auskunft geben können.

Bahnerts Ingrimm ist also angesichts der langen Dauer der Debatten und ihrer Ergebnislosigkeit nicht zu Unrecht ziemlich heftig. "Wenn man festhält an der Vision, dass weiland als Wilde abgestempelte Andersdenker unter den Augen der Berlintouristen grübeln sollen, dann wäre für diesen modernen Kolonialzoo Christoph Schlingensief der perfekte Direktor. Und sonst? Ein 'Humboldt-Forum' mit Schaufenster der Akademien wäre eine Mischung aus interaktivem Schulfernsehen und permanentem Kirchentag."

Abbildungen: Berliner Schloß, historische Fotografie. Das Schloß als Kriegsruine. Abbruch des Palastes der Republik. Rekonstruiertes Schloß. 'Wunderkammer' der Ausstellung 'Anders zur Welt kommen'.

Gesang der Ozean-Familien (Texte im Museum 59)



Text verfasst aus Anlass der Abteilung Ozeanien des Völkerkundemuseums München 2005

Fundsache: "Museumsordnung"



Geordnet Sitzen. Völkerkundemuseum München

Mittwoch, 2. Juni 2010

Kleines Museumskrisenbeispiel - Kurz & schmerzlos

Ein Kunstverein in einer Kleinstadt. Eine bezahlte Leiterin, sonst nur Ehrenamt. Die Kommune streicht die Subvention. Ende.
Nicht ganz. Die Kommune streicht die Subvention nicht einfach nur des "Sparzwangs" wegen, sondern weil das Programm des Kunstvereins zu wenig populär ist, zu wenige Leute in die Ausstellungen lockt.
Das alles geschieht in Glückstadt.
Nachzulesen in der heutigen taz.

Mit diesem Foto wirbt das Palais für aktuelle Kunst für seine Rettung.

12. Internationale Sommerakademie Museologie - Ausschreibung und Programm

Museumstexturen
Lesarten des Museums





7. bis 14. August 2010
Schloss Retzhof, Leibnitz (A)

Im Museum geht es um das Zeigen und nicht um das textliche Erklären („Was zu sehen ist“). Dennoch nähern wir uns dem Museum dieses Mal vom Text her, quasi hinterrücks.
Denn: Text wird gebraucht. Vor der Ausstellungs- und Museumspräsenz hilft er, durch Sprachbilder und Formulierungen die Ausstellungsräume vorab im Kopf entstehen zu lassen. Text wird in Raum übersetzt. Text wird üblicherweise gebraucht, um bei einer stehenden Ausstellung Evidenz zu erzeugen, um die Exponate und die Präsentation zu erklären, um Vorstellungen zu erzeugen, um die Ausstellung, das Museum zu vermitteln, zu verkaufen, interessant zu machen. Die Textebene ist v.a. der dokumentarischen Seite des Museums zugeordnet und dem Text haftet per se eine stärkere Glaubwürdigkeit und Objektivität an als den Objektarrangements.

Aber die Sommerakademie ist nicht als Schreibwerkstatt gedacht, sondern als Wahrnehmungsschule und Museumswerkstatt, in der wir den Fokus auf die Bedeutungsdimensionen und Konstellationen von Texten im Ausstellungs-KonText richten, auf die Texturen des Museums.

Das Museum, das der Verständigung über Geschichte, Identität, über Werte und Bedeutungen dient, betreibt eine Spurenlese und fordert gleichzeitig selbst verschiedene Lesarten seiner Struktur und Funktion heraus. Es ruft bestimmte Interpretationen hervor, kann sie geradezu erzwingen oder zu verhindern und zu blockieren versuchen.

Als Einstieg in die sommerliche Reflexion über das Museum werden wir uns damit beschäftigen, wie man ein Museum/eine Ausstellung ‚liest‘ – im Sinne der Analyse und Kritik. Wir fragen insbesondere nach der Funktion von Texten im Verhältnis zu Bildern und Objekten innerhalb des Narrativ Museum. Das Museum changiert zwischen Dokumentation und Fiktion. Über die Auseinandersetzung mit Texten (z. B. Literatur) als Ausstellungsgegenstand werden wir uns der Frage nach dem Museum als Ort der Illustration zuwenden. Illustrieren die Objekte/Bilder die erzählte(n) Geschichte(n) oder geben die Texte vor, was und wie etwas zu sehen ist? In der diesjährigen Sommerakademie werden wir uns zudem mit der Frage beschäftigen, wie eine Geschichte/Erzählung erzeugt, gefunden wird, die dann in der Ausstellung ‚aufgeführt‘‚ inszeniert‘ wird bzw. ob und welche Erzählungen von den Objekt-Raum-Konstellationen ausgehen können.

Schließlich wenden wir uns Texten/Literatur im Museum zu und werden auch literarische Texte über das Museum einbeziehen.

Während über das Museum oft unter organisatorischen Gesichtspunkten gesprochen und nachgedacht wird – inventarisieren, sammeln, konservieren, restaurieren, verleihen, schützen, deponieren –, werden wir uns in der Sommerakademie ganz auf die museologische Reflexion konzentrieren. Wie immer werden wir das mit unterschiedlichsten Arbeitsweisen tun, Arbeiten in Gruppen, Ausstellungsanalysen, der Erarbeitung einer Ausstellung, der Recherche auf Exkursionen, dem Vergleich von sachlichen und poetisch/künstlerischen Zugangsweisen zum Museum.

Die Internationale Sommerakademie Museologie ist seit 1999 ein anerkanntes Forum zum Erfahrungsaustausch über das Arbeitsfeld Museum und Ausstellung und will die Reflexion der musealen Praxis anregen, aktuelle museologische Inhalte vermitteln und in einem werkstattartigen Kontext zum Erproben der neu gewonnenen Einsichten ermutigen.











In einer konzentrierten einwöchigen Klausur in der wunderbaren Atmosphäre von Schloss Retzhof gelingt die Verknüpfung des Angenehmen mit dem Nützlichen. Die Diskussion der Museumspraxis auf der Grundlage aktueller museologischer Theorie mit den eingeladenen Referenten/innen und dem begleitenden Team sowie der Teilnehmer/-innen untereinander ermöglicht eine neue Stufe reflektierter Museumspraxis.

Mit
Renate Flagmeier, Leitung der Sommerakademie. Leitende Kuratorin Werkbundarchiv - Museum der Dinge Berlin (D)
Monika Flacke, Sammlungsleiterin Deutsches Historisches Museum Berlin (D)
Gottfried Fliedl, Museumsakademie Joanneum, Graz (A)
Heike Gfrereis, Leiterin Literaturmuseum der Moderne, Marbach (D)
Ursula Gillmann, Prof. für Ausstellungsdesign Hochschule Darmstadt (D)
Beat Gugger, freier Ausstellungskurator, Basel (CH)
Roswitha Muttenthaler, Kuratorin am Technisches Museum Wien und Museologin (A)
Thomas Thiemeyer, BMBF-Projekt wissen&museum, Marbach/Tübingen (D)
Till Velten, Künstler & Leiter des Masterstudiengangs Master of Arts in Fine Arts, Luzern (CH) (angefragt)

Organisation
Theresa Zifko, Museumsakademie Joanneum, Graz (A). Sie steht Ihnen unter sommerakademie@museum-joanneum.at für Ihre allfälligen Fragen zur Verfügung.

Kontakt
Museumsakademie Joanneum
Schloss Eggenberg, Eggenberger Allee 90, 8020 Graz
E-Mail: museumsakademie@museum-joanneum.at
Tel.: 0316 / 8017-9805
Fax: 0316 / 8017-9808

Veranstaltungsort
Schloss Retzhof, Leibnitz (A)

Zertifikat
Im Anschluss an die Teilnahme an der Sommerakademie 2010 wird ein Abschlusszertifikat verliehen.

Kosten
Teilnahmegebühr: € 900,- plus € 270,- Unterkunft & Vollpension, ermäßigt € 580,- plus € 270,- Unterkunft & Vollpension für Studierende und Arbeitssuchende.
Inklusivleistungen: 7 Tage Seminar, schriftliche Unterlagen und sonstige Materialien, Eintritte, Unterkunft und Vollpension in Schloss Retzhof an der Südsteirischen Weinstraße, Exkursion mit Busfahrt und Eintritt sowie Besuch einer steirischen Buschenschank.

Bewerbungsmodalitäten
Das Bewerbungsformular finden Sie hier.

Ihre Bewerbung richten Sie bitte an sommerakademie@museum-joanneum.at oder Fax +43-316/8017-9808 oder senden Sie per Post.
Teilnehmer/innen vorangegangener Sommerakademien sind herzlich willkommen.

Ende der Bewerbungsfrist
Dienstag, 15. Juni 2010


Programm

SA 7. August
ANKOMMEN


17:00 Vorstellungsrunde & Organisatorisches
Einführung: Museum in der Literatur
18:00 Abendessen
19:30 Vorstellung der „Wochenaufgabe“
Das Ausstellungsprojekt
Renate Flagmeier


SO 8. August
MUSEUM 3D/ IN ECHT/REAL > EXKURSION GRAZ

09:00 Abfahrt Retzhof nach Graz
10:00–12:00 Ausstellungsbesuch der Alten Galerie,
Schloss Eggenberg, Graz
Führung mit Astrid Edlinger

12:00–14:00 Picknick im Garten der Museumsakademie
14:00–16:00 Ausstellungsbesuch des Archäologiemuseums
Schloss Eggenberg, Graz
Führung mit Barbara Porod

16:30 Abfahrt Eggenberg nach Leibnitz
18:00 Abendessen
19:30Ausstellungsprojekt


MO 9.August
EINFÜHRUNG IN DIE MUSEUMSANALYSE
R. MUTTENTHALER -SCHWERPUNKT NARRATIV

09:00–10:00 Resümee der Exkursion
10:00–12:00 Roswitha Muttenthaler -Mit dem Auge denken Ausstellungsanalysen -Teil1
12:00–14:00 Mittagspause
14:00–17:00 Roswitha Muttenthaler -Mit dem Auge denken Ausstellungsanalysen -Teil 2
18:00 Abendessen
19:30 Ausstellungsprojekt

DI 10. August
GESCHICHTE/N IM MUSEUM (DIE KURATORENPOSITION)

09:30–10:30 MonikaFlacke -Historisches Museum
10:30–12:00 Renate Flagmeier -Objekte und Text
12:00–14:00 Mittagessen

14:00–17:00 Beat Gugger -Geschichten im Museum
18:00 Abendessen
19:30 Ausstellungsprojekt

MI 11. August
TEXTE ÜBER DAS MUSEUM

09:00 -12.00 Gottfried Fliedl -Funktion und Ideologie von Museumstexten
12:00–14:00 Mittagessen
14:00–16:00 Zur freien Verfügung

17:30Abfahrt Buschenschank -Weingut Pichler-Schober
ca. 22:00 Rückkehr zum Schloss


DO 12. August
LITERATUR/TEXTE ALS AUSSTELLUNGSGEGENSTAND

09:00–12:00 Heike Gfrereis -Das Literaturmuseum der Moderne
12:00–14:00 Mittagessen

14:00–17:00 Thomas Thiemeyer –Wissen und Museum
18:00 Abendessen
19:30 Ausstellungsprojekt

FR 13. August
GESTALTERISCHE & KÜNSTLERISCHE ARBEIT MIT TEXTEN

09:00–12:00 Ursula Gillmann -Text als Aufgabe der Ausstellungsgestaltung
12:00-14:00 Mittagessen

14:00–17:00 Till Velten -Das Gespräch als Forschungsmittel und Basis künstlerischer Arbeit
17:00 Vernissage der Ausstellungsprojekte
19:00 Abendessen

SA 14. August
ABSCHLUSSDISKUSSION

09:00–10:30 Schlusspunkt: Museumstexturen /
Lesearten des Museums
10:30 Brunch und Zertifikatsverteilung
12:00 Verabschiedung

Montag, 31. Mai 2010

Das wahre Museum. Le Corbusier (Das Museum lesen 12)

Stellen wir uns ein wahres Museum vor, in dem alles enthalten ist, in dem ein komplettes Bild dargestellt werden kann, nach dem Ablauf der Zeit, nach der Zerstörung der Zeit. (Und wie vollständig sie zu zerstören weiß! So gründlich und komplett, daß fast nichts übrigbleibt, nur die Objekte von großer Extravaganz, von großer Eitelkeit, die Katastrophen immer überdauern und somit die unzerstörbaren Kräfte der Eitelkeit bezeugen). Um unsere Vorstellung zu konkretisieren, sollten wir uns ein Museum der heutigen Zeit errichten, in dem Gegenstände der heutigen Zeit ausgestellt sind; zum Beispiel: eine einfache Jacke, eine Melone, ein gut gearbeiteter Schuh. Eine elektrische Glühbirne mit Bajonettverschluß; ein Heizkörper; ein Tischtuch aus weißem Leinen; unsere alltäglichen Trinkgläser und Flaschen verschiedener Form, in denen wir unsere Weine aufbewahren, vom edlen Mercurey über den Graves bis zum einfachen Tafelwein; eine Reihe von Kaffeehausstühlen mit Rattanauskleidung, wie die von Thonet aus Wien – und dann noch eine Waschschüssel, eine Uhr, ein Koffer, ein Aktenregal und ein Bild von einer Pfeife.

Le Corbusier 1924

Fundsache - "Bayrische Identität"



Alpines Museum München

Besser schlafen mit guten Texten... (Texte im Museum 58)



Ausstellung "Zimmer frei", Alpines Museum Bern (2010)

Freitag, 28. Mai 2010

Saurier und Forschung. Noch einmal: Wie sich der Direktor des Naturhistorischen Museums Wien die Aufgaben eines Museums erklärt

In zwei Dingen ist sich der designierte Direktor des Naturhistorischen Museum Wien, Christian Köberl, sicher: warum die Dinosaurier ausgestorben sind und was ein Museum ist. Nämlich eine "Bühne". Und zwar wofür? Für die Darstellung von Forschung. Denn: "Grundsätzlich ist das Museum ja vor allem auch eine Forschunginstitution, und nicht nur ein Ort, an dem man ausgestopfte Tiere zeigt." Heißt? "Ich möchte die Naturwissenschaften ausstellen, die an dem Museum betrieben werden - und dabei ihre hohe gesellschaftliche Relevanz vermitteln. Ein Beispiel wären etwa die Rohstoffe in der mineralogischen Sammlung: Da kann man Teile so reorganisieren, um zu zeigen, welche Rohstoffe für was nötig sind, vom Auto bis zum Handy." Diese - nicht ganz neue Einsicht (s. Post vom 9. Mai 2010) - vermittelt uns der Direktor in einem Interview, das Klaus Taschwer führte. Der Standard 25. Mai 2010. Und wenn er sich mit den Sauriern doch irrt? Würden wir daran zweifeln, daß das Museum ein Ort der Popularisierung von Forschung ist?
PS.: Bei meinem Handy interessiert mich eigentlich weniger, aus welchen Rohstoffen es besteht, als vielmehr die Frage, wie man dem verdammten Ding beibringen kann, die Tastatursperre völlig willkürlich außer Dienst zu stellen.

Donnerstag, 20. Mai 2010

Sicher ist sicher (Texte im Museum 57)



Museum Meerseburg. Bildspende von Andreas Grünewald Steiger

Museumskrise? - Die Hamburger Kunsthalle schließt ihre Galerie der Gegenwart für ein halbes Jahr

Museumskrise? Das war hier schon öfter die Frage. Gibt's eine, oder gibt's keine?! Vielleicht ist das die Krise, daß sich keiner traut, die Frage energisch zu stellen, oder klar zu beantworten? Oder daß sich aus der Nähe die Symptome so mehrdeutig zeigen...
Da hätten wir nun die Hamburger Kunsthalle. Vor einiger Zeit kam sie in die Schlagzeilen, als - wahrscheinlich übereilt - behauptet wurde, die Kunsthalle würde ihre finanzielle Gesundung mit einem Verkauf eines ihrer Gemälde finanzieren.
Und jetzt schließt ein Teil des Museums. Zwar nur auf Zeit und aufgrund eines entdeckten Bauschadens. Sagt die Kulturbehörde.
Dem widerspricht der Direktor des Hauses aus dem Urlaub. Selbstverständlich - eine Teilschließung ist eine Kostenersparnis.

Niklas Maak reibt sich die Augen: wieso wird der Direktor bei einer solchen Entscheidung nicht zugezogen? Oder hat man seinen Urlaub abgewartet, um ihn vor vollendete Tatsachen zu stellen?
Doch das ist die Nahsicht. Maak schreibt in der heutigen FAZ die Krise des Museums einer langfristigen Entwicklung zu, der Expansion dieses (und, kann man hinzufügen, vieler anderer Museen), die in besseren Zeiten begonnen wurde und die nun nicht mehr so ohne weiteres zu finanzieren sei.

"In den achtziger Jahren, als sich in den Kulturetats der Städte der geballte Wohlstand der alten Bundesrepublik spiegelte, wurden gigantische Neu- und Anbauten finanziert, die mit den geschrumpften Etats nicht mehr haltbar sind, und in einer Krise, in der Politiker allen Ernstes Krippenplätze und Schulausstattungen infrage stellen, wächst der Druck auf Kulturinstitutionen gewaltig."
Da klemmt es dann auch bei den Wechselausstellungen. Attraktive, überregional beachtete, die viele Besucher anziehen, könnten nicht mehr finanziert werden, Private Sammler und Museumsgründer wären inzwischen in einer besseren, 'konkurrenzfähigeren' Position.

Ein Teil der Probleme ist hausgemacht und die Überführung eines statalichen Instituts in eine Stiftung möglicherweise nicht geschickt gemanagt worden. Aber dass nun einfach das staatlich-öffentliche Museum wie ein Auslaufmodell behandelt würde, und auf kompensatorische private Alternativen verwiesen werde, das ist, so Maak, eine bedenkliche Entwicklung: "Gerade angesichts der Refeudalisierung der Kunstwelt ist, im Sinne der guten alten Res publica, ein Ort um so nötiger, an dem eine demokratische Gesellschaft sich ihrer selbst jenseits von Sponsoreninteressen und Privatgeschmack vergewissert und diskutiert."
Der Druck wird größer werden, es zeichnet sich ab, daß im Bildungsbereich, bei Schulen, Universitäten, Einrichtungen für Kinder uvam. mehr und mehr gespart werden wird.  


Der befragte Leiter der Kunsthalle, Hubertus Gaßner, rückt auch die Konkurrenz in den Mittelpunkt und ein zusätzliches Argument - den Zerfall burgerlichen Engagements, dem die Kunsthalle ihre Existenz verdankt. "Früher wollten Sammler ihre Kunst im Museum sehen, jetzt bauen sie sich die Häuser selbst. Die Kunsthalle wurde 1868 als bürgerliche Institution gegründet. Wenn sich jetzt die bürgerliche Gesellschaft auflöst, kann es durchaus sein, dass sich auch die Museen auflösen. Eine gedächtnislose Gesellschaft lässt auch ihre Museen verschwinden. Vielleicht bekommen wir dann wieder den alten Typus der Wunderkammer, die man besuchen darf."

Was auf dem Spiel steht, hat Hubertus Gaßner in einem schon früheren Interview (Hamburger Abendblatt) differenzierter und nachdrücklicher so beschrieben: "Im Wesentlichen sind Museen Gründungen bürgerlicher Nationalstaaten. Wenn man beobachtet, wie der Nationalstaat nach und nach verschwindet und sich das Bürgertum transformiert, dann kann man darüber spekulieren, ob das Museum in seiner ursprünglichen Funktion der Repräsentation bürgerlicher Kultur und Gesellschaft noch auf Dauer Bestand haben wird. Für mich wäre das ein höchst bedauerlicher Fall, ich begrüße das nicht, sondern kämpfe dagegen. Natürlich werden die Häuser und die Sammlungen bestehen bleiben, aber schon jetzt stellen wir ja fest, dass die Besucher nur zu 20 Prozent der Sammlungen wegen kommen und zu 80 Prozent, um sich Wechselausstellungen anzusehen. Wenn Museen sich zu reinen Ausstellungshallen entwickeln, verlieren sie ihren ursprünglichen Charakter."
 
Ich verstehe ihn so: was auf dem Spiel steht, nicht nur bei der Hamburger Kunsthalle, ist nicht in erster Linie eine Frage des Budgets oder der Konkurrenz mit anderen kulturellen und privaten Einrichtungen; es geht darum, ob einer bestimmten Idee des Museums noch Existenzberechtigung zugeschrieben wird oder nicht. Zur Lösung dieser Fragen wird kaum das Klein-Klein der punktuellen tagespolitischen Auseinandersetzungen beitragen, die schnellen und halben Kompromisse, die eine schwierige Situation überbrücken, sondern nur ein grundsätzliche Auseinandersetzung darüber, in welcher Form man das Museum noch wünscht oder auch nicht. Aber wer ist "man"?
Ich denke, "man" das sind alle, die ein interesse an der Existenz und der Arbeit der Museen haben, die Museumsleiter und Kuratoren, dann die Besucher und Nutzer, diejenige bürgerliche Öffentlichkeit an deren Standing nicht nur Hubertus Gaßner zu zweifeln beginnt, und Beamte und Politiker, die sich als Treuhänder eines Auftrags und einer Idee begreifen müssten, und nicht nur als Organe eines etatistischen Zwangsvollzugs.

Erinnerung... (Texte im Museum 56)













Jüdisches Museum der Stadt Wien

Mittwoch, 19. Mai 2010

Museumskrise? Schließt das Freilichtmuseum in Stübing?

In ihrer heutigen Ausgabe berichtet die "Kleine Zeitung", daß das Freilichtmuseum in Stübing 300.000.- Euro zur Finanzierung fehlen. Da das Museum von einer Stiftung getragen wird, würde das die Auflösung der Stiftung bedeuten, wenn das Geld nicht aufgetrieben würde. Die Zeitung nimmt dabei den Bund in die Pflicht, mit der Argumentation Stübing sei ein Bundesmuseum.
Da der Artikel einen Tag vor der Kuratoriumssitzung erscheint, darf man annehmen, daß er lanciert wird, um die Verhandlungsposition des Museums und der Stiftung zu stärken.
Andrerseits wird von einem Besucherschwund um fast 50% berichtet, ohne daß ein Anhaltspunkt für Gründe gegeben wird und von einem kostenintensiven raschen Wachstum des Museums. Also doch eine strukturelle Krise, in der ein Museum in "Sparzwangszeiten" an seine "Grenzen des Wachstums" kommt?
Stübing wurde 1962 gegründet und 1970 eröffnet, in einer einmaligen Konstruktion. In der Stiftung sind alle Bundesländer vertreten und der Bund. Das Museum widmet sich auch nicht nur der ländlichen Baukultur der Steiermark, sondern der ganz Österreichs - einschließlich Südtirols. In dieser Kombination von Konstruktion und Inhalt kann man Stübing als das einzige Nationalmuseum Österreichs bezeichnen - auch wenn das so niemand tut. Ein Nationalmuseum, das, bezeichnend für die konservative Kulturpolitik der 60er-Jahre (der damalige Unterrichtsminister Heinrich Drimmel war treibende Kraft bei dem Projekt), das ländlich-bäuerliche, vorindustrielle Bild Österreichs propagierte und bis heute pflegt. Also dann doch eher ein Gesamtheimatmuseum als ein Nationalmuseum...