Mittwoch, 30. März 2016

Museumskrise 3: Holt die Wirtschaftsprüfer!

"Einem der renommiertesten Häuser für Gegenwartskunst in Nordrhein-Westfalen droht das Aus: Wirtschaftsprüfer schlagen in einem Gutachten die Schließung des Museums Morsbroich vor, damit die verschuldete Stadt Leverkusen ihre Sparvorgaben erfüllen könne."
So stehts in der Zeitung.
Natürlich gibt es Proteste. Die das Prüfgutachten vorausgesagt hat.
Aber Leverkusen ist eine unter vielen Kommunen, die schwer unter den Belastungen leidet, die etwa die Sozialpolitik Städten und Gemeinden aufhalst. Also sucht diese und suchen andere Städte und Gemeinden nach "Einsparungspotential".
Wie findet man das: Nun, indem man Wirtschaftsprüfer ins Museum schickt, die finden, was sie in Museen nahezu immer finden werden. Daß es "nicht rentabel" ist. In diesem Fall: 3000 zahlende Besucher, 16.000 insgesamt. Das "rechnet sich nicht."
Für Image, Kultur, Soziales ist eine Wirtschaftsprüferkanzlei nicht zuständig. Deswegen hat man sie ja geholt.
Rezpet für weitere Schließung: Man nehme aus dem Museum seinen sozialen Sinn heraus, unterschlage seine Funktion als öffentlicher Einrichtung, qualifiziere es stattdessen als Unternehmen al la privater Natur, lasse Wirtschaftsprüfer auf das Geschäftsmodell los. Und bingo! Schon ist wieder ein Museum totgeschlagen!

Museumskrise 2: Das Universalmuseum Joanneum

Am Universalmuseum Joanneum überlegt man, sich ein Bein zu amputieren.
Die Volkskunde soll geschlossen und die Liegenschaften an das Land zurückgegeben werden. Auslöser für solche Überlegungen kann eigentlich nur der vom seit Jahren maroden Landesbudget ausgehende Sparkurs und -druck sein. Da muß es schon gewaltig knirschen, wenn man nach Jahren der Expansion und Erneuerung einen solchen drastischen und einmaligen Schritt setzt. Der überdies ein prekäres Beispiel für andere Museen sein könnte, über den Einzelfall hinaus.
Als offizielle Begründung habe ich nur ein Argument gehört: der Standort sei zu ungünstig gelegen, um ausreichend wahrgenommen zu werden. Nun, für eine Stadt, die es auch für andere Joanneumsstandorte nicht schafft, eine Beschilderung und ein Leitsystem zu etablieren ist das ebenso ein Armutszeugnis, wie für das Museum, das ja auch von sich aus einschlägige Maßnahmen im öffentlichen Raum hätte setzen können.
Und hat der Mangel an Anziehungskraft tatsächlich nichts mit dem Gebotenen zu tun?
Offenbar denkt man an eine Auflösung der Volkskunde in die Kulturhistorische Abteilung, die aber seit der Übersiedlung unter dem Titel Museum im Palais selbst mit ziemlichen Schwierigkeiten kämpft.
Ich verschenke eine Idee: Man legt die beiden Sammlungen und das Stadtmuseum (das auch Probleme mit seiner Attraktivität hat und permanent unter dem Druck des übermächtigen Konkurrenten Joanneum leidet) zuusammen (unter getrennter Leitung und unter Beibehaltung der städtischen Verantwortung für das Stadtmuseum) und verkauft die beiden Palais in der Sackstraße und bastelt am alten Standort der Volksunde ein modernes Museumszentrum und -labor, das man aus den Erlösen finanziert, und das, salopp gesagt, alle (moderne) Stückeln spielt.
Die Idee der Schließung ist schon eine Krise. Aber daß es offenbar weder museumsintern, noch in der Politik, noch medial noch zivilgesellschaftlich zu absolut keiner Resonanz auf die Auflösungspläne gekommen ist, das ist die wahre Krise.
Eine Museumsschließung, die niemandem hinter dem Ofen hervorlockt, ist ein Indiz, daß zumindest dieser Ast des Museumsbaumes tot ist.

Museumskrise 1: Das Kärntner Landesmuseum

Mit Ende 2016 beendet der Direktor des Kärntner Landesmuseums seine Tätigkeit.
Was ist passiert?
Die Antwort hängt davon ab, welche Sichtweise man sich zueigen macht - die des Direktors, oder die mancher MitarbeiterInnen und der KLEINEN ZEITUNG.
Für letztere war es seine Unfähigkeit, sein Führungsstil, für ersteren waren es widerständige Mitarbeiter, unklare Verwaltungsstrukturen und Probleme im nicht absehbaren Ausmaß.
"Man hat mir täglich die Karawanken vor die Füße geworfen".
Für eine Wahl, wer nun (ganz oder teilweise) Recht hat, gibt es wenig Anhaltspunkte außer die eines teilweise vorveröffentlichten Rechnungshofberichtes, wo dem Museumsleiter eine unrechtmäßige Zulage, die err sich gestattete, vorgeworfen wird und wo, so man der erwähnten Zeitung glauben darf, die Ehefrau des Direktionsassisten Rasenmähen ging, in einer Museumsdepandence, entgeltlich blöderweise.
Daß der Führungsstil rabiat war, das dementiert der Herr Direktor gar nicht, daß es zahlreiche Klagen gegen und unter MitarbeiterInnen gibt, ist länger schon bekannt.
Wenn man aber liest, daß die Ausgliederung dilletantisch und kostensteigernd durchgeführt wurde und wenn man sich erinnert, daß das zentrale Qualifikationsmerkmal bei der Berufung der Leitung eher offiziös als stilschweigend, die Zugehörigkeit zu einer Burschenschaft war, könnte man auf die Idee kommen, daß eine ehemalige Landesregierung auch eine Verantwortung hat, vielleicht sogar die am allerehesten.
Das alles passiert in einem Jahr, in dem die finanzielle Lage des Landes dramtisch und unsicher ist und Gläubigern der pletegegangenen Landesbank von Rechtsberatern attestiert wird, sie kömnten sich am Tafelsilber des Landes schadlos halten. Auf diesem Weg könnte die Lösung liegen: Lindwurm, Wörthersee und Landesmuseum - ab in die Konkursmasse....

Montag, 29. Februar 2016

Wer spricht worüber?


Ein schönes Beispiel für den Umgang mit Autorschaft (der an einer Ausstellung, Hängung usw. wie der der Texte). Die überraschende Schlusspointe verneint etwas, was gar nicht thematisiert wurde, aber das aus den unsichtbaren Tiefen des kunsthistorischen Diskurses heraus - und mit viel Bildungshuberei. Der Besucher weiß - na klar, oder hat zu wissen - wie das mit der Alpenüberquerung des Herzogs von Alba war... Reines Kunsthistorikerglück im Kunsthistorischen Museum, deshalb vermutlich das Gold des Textuntergrundes?

Reale Wirklichkeit in scharf abgegrenztem Farbauftrag. Neulich in der Albertina (3)



Klaus Albrecht Schröder in Höchstform oder: Neulich in der Albertina (2)



Ein Sturm, der fegt schon mal was weg, egel ob es zaristische Herrschaft oder verlorene Frauen (ein Spezialgebiet des Herrn Direktor? Wir wissen es nicht) sind.  Übrig belibt der für den zukünftigen Staat durchdrungene Suprematismus. Wir sind erleichtert.

Neulich in der Albertina

  
Wurde das langjährige Glück nicht durch die - möglicherweise unerwartete - kubistische Formzerlegung gestört. Und ach ja: immer diese Wirren der Kriegszeit. Ärgerlich.

Der undurchschaute Museumsbesucher

Odoardo Borrani
Incontro agli Uffizi
Einem Zeitungsartikel entnehme ich, daß eine Untersuchung zum Publikum des Victoria and Albert-Museum zweimal wiederholt wurde, weil man nicht glauben wollte, daß so viele Besucher angaben, nicht der Kunst wegen, sondern um der Geselligkeit Willen gekommen waren. - Wo hatten die Museumssoziologen bloß ihre Augen?

Donnerstag, 18. Februar 2016

Der Sammler

Guimet in his Museum (1898). Ferdinand Jean Luigini (French, 1870-1943). Émile Étienne Guimet (1836-1918) was a French industrialist, traveler and connoisseur who founded the Musée Guimet. He studied the religions of the Far East, and the museum contains many of the fruits of this expedition, including a fine collection of Japanese and Chinese porcelain and many objects relating not merely to the religions of the East but also to those of Ancient Egypt, Greece and Rome.


Dienstag, 16. Februar 2016

Museumsbesuch/ohne Titel

Francis Alÿs: ohne Titel. 2000-01

Auch eine Zukunft des Museums

Das Art Institute of Chicago stellt drei Fassungen eines Gemäldes von van Gogh aus. Sein Schlafzimmer in Arles. Van Gogh hat mit Farbpigmeneten experimentiert, die neu und unerprobt waren, in diesen Gemälden besonders exzessiv. Manche der Farben haben sich seither verändert.
Die Ausstellung dokumentiert Untersuchungen dazu und die Veränderung von Farben, z.B. vom Violett zum Blau der Wand - die in Wirklichkeit weiss war.
Das Museum aus Chicago bietet passend dazu Airbnb-Übernachtungen in einem Nachbau des Zimmers an. Sie sind ausgebucht. Die Wände sind aber blau gestrichen.

Samstag, 13. Februar 2016

Ja eh ... (Texte im Museum 540)

Ja eh, österreichisch für: stimmt ja, aber mir ist es trotzdem egal und ich werde mich nicht dran halten...



"...konnte nicht nachvollzogen werden". Die Kritik des Finanzministeriums am Projekt "Haus der Geschichte Österreich" (Begutachtungsverfahren)

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Die hier vollständig wiedergegebene Stellungnahme des Finanzminsteriums zum Projekt "Haus der Geschichte Österreich" im Zuge des parlamentarischen Begutachtungsverfahrens der nötigen Änderung des Bundesmuseengesetzes ist beachtlich.
Es ist eine schneidende Kritik, die finanztechnische, verfahrenstechnische und museologische und damit insgesamt indirekt auch politische Aspekte miteinschließt.
Hier der Text:

Das „Haus der Geschichte“ ist ein Teilprojekt des Vorhabens „Infrastrukturprojekte Neue Burg/Heldenplatz“. In diesem Zusammenhang wurde mit MRV vom 24.3.2015 (MR 54/22) zur ressortübergreifenden Vorbereitung dieser Vorhaben und zur Sicherstellung des reibungslosen Ablaufes eine interministerielle Arbeitsgruppe eingesetzt.

Da bis dato kein Abschlussbericht dieser Arbeitsgruppe, sondern lediglich ein Bericht der Vorsitzenden vorliegt, wird zu diesem Zeitpunkt die gesetzliche Festlegung dieses Einzelprojektes ohne endgültige Klärung der weiteren im o.a. MRV genannten Projekte (des Gesamtvorhabens „Heldenplatz“) sowie – und vor allem – ohne endgültige Klärung der finanziellen Bedeckung nicht für sachgerecht und sinnvoll erachtet.

Eine unkoordinierte und nicht alle Teilprojekte des Vorhabens „Infrastrukturprojekte Neue Burg/Heldenplatz“ gesamthaft betrachtende Vorgangsweise führt aus Sicht des Bundesministeriums für Finanzen, zu Ineffizienzen und folglich zu sehr hohen Kostenüberschreitungen.

Für eine abschließende Bewertung des Projektes müssen daher vorab noch einige offene Fragen geklärt werden. Insbesondere muss die Finanzierung des Gesamtprojekts vor dem Projektstart gewährleistet und auch nachvollziehbar im Bundesbudget bzw. der WFA dargestellt sein. Die WFA ist aus mehreren Gründen nicht nachvollziehbar. Die dargestellten Aufwendungen weichen von der Darstellung der Projektkosten in dem dem Bundesministerium für Finanzen zur Kenntnis gebrachten Zwischenbericht der AG-Vorsitzenden ab. In die WFA müssten auch die Kosten der Neupositionierung der „Sammlung alter Musikinstrumente“ des Kunsthistorischen Museums einfließen. Diese geplante Neupositionierung ist aus haushaltsrechtlicher Sicht ein Teil des Vorhabens „Haus der Geschichte“; die beiden Projekte bedingen einander und sind daher nicht voneinander zu trennen (ohne das Vorhaben „Haus der Geschichte“ ist die Umstrukturierung der Sammlung alter Musikinstrumente nicht notwendig, was auch dem Zwischenbericht der AG-Vorsitzenden zu entnehmen ist). Die Aufwendungen in der WFA wären um die im AG-Bericht angeführten KHM-Projektkosten incl. einer Aussage zur Bedeckung zu ergänzen.

Die Erläuterungen der finanziellen Auswirkungen in der WFA sind - ungeachtet der Tatsache, dass das KHM-Projekt ins Zahlengerüst nicht eingeflossen ist - nicht nachvollziehbar: zwischen 2016 und 2018 werden in der Tabelle Aufwendungen in einer Gesamthöhe von 43,124 Mio. Euro dargestellt, erläutert werden lediglich 36,625 Mio. Euro. Wenn die Differenz, wie die Darstellung im Anhang der WFA vermuten lässt, die Aufwendungen für die Vorbereitung des laufenden Betriebs darstellt (6,5 Mio. Euro), dann entsprechen diese Kosten nicht den im AG-Zwischenbericht für den laufenden Betrieb ab 2016 angeführten 7,2 Mio. Euro für 2016-2018. Aus Sicht des Bundesministeriums für Finanzen kann die Aussage, dass „…die sich aus der Novelle ergebenden Aufwendungen nur für die Vorbereitung, den Umbau der Räumlichkeiten und die Präsentation der Ausstellungsgegenstände erforderlich [sind]…“ nicht nachvollzogen werden. In diesem Zusammenhang wird mit dem Wort „nur“ suggeriert, dass es weitere nicht dargestellte Kostenpositionen gibt. Ob dies jedoch der Fall ist, bleibt offen.

Seitens des Bundesministeriums für Finanzen kann nicht nachvollzogen werden, wie die Bedeckung aus dem aktuellen „Bundesmuseenbudget“ (DB 32.03.01 „Bundesmuseen“) angesichts der finanziellen Volumina der bereits jetzt aus den sogenannten „§ 5-Mitteln“ zu bedeckenden Projekte anderer Bundesmuseen und der im gegenständlichen Novellenentwurf nicht vorgesehenen Erhöhung der Basisabgeltung (die Thematik der Basisabgeltung wäre ab der geplanten Eröffnung 2018 schlagend) sichergestellt werden kann. Es ist widersprüchlich bzw. zumindest erklärungsbedürftig, wenn einerseits der aus der Basisabgeltung zu finanzierende laufende Betrieb im Jahr 2019 mit 3,6 Mio. Euro in der WFA dargestellt wird, andererseits aber die hierzu geplante Erhöhung der Basisabgeltung in entsprechender Höhe nicht im Gesetz verankert wird.

Im Zusammenhang mit der vorliegenden WFA (finanzielle Auswirkungen, finanzielle Bedeckung), aber auch im Hinblick auf den Vorbereitungs- und Umsetzungsprozess des gegenständlichen Vorhabens ergeben sich daher insbesondere folgende konkrete Fragen:

- Weshalb weichen die dargestellten Aufwendungen in der WFA von der Darstellung der Projektkosten im Zwischenbericht der AG-Vorsitzenden ab?

- Wie ist vor dem Hintergrund der Tatsache, dass kein Endbericht der eingerichtetenArbeitsgruppe, sondern lediglich ein Bericht der Vorsitzenden bzw. ein Zwischenbericht vorliegt, die Aussage in der WFA „… diese Kostenschätzungen basieren auf den Ergebnissen der eingerichteten Steuerungsgruppe…“ zu verstehen? Auf welchen Parametern beruhen diese Kostenschätzungen? Es fehlt ein Gesamtkonzept für das Haus der Geschichte, insbesondere ein Raum- und Funktionsplan, auf dessen Basis entsprechende valide Kostenschätzungen durchgeführt werden können. Wann werden diese Pläne vorgelegt?
- Weshalb werden die Kosten des KHM-Projekts („Neupositionierung der Sammlung alter Musikinstrumente“) in der WFA nicht berücksichtigt, obwohl sich diese beiden Projekte bedingen und u.a. haushaltsrechtlich somit als ein Vorhaben zu betrachten sind? Findet eine Akkordierung mit dem Kunsthistorischen Museum betreffend die Sammlung alter Musikinstrumente statt?
- Wie ist die Aussage zu verstehen, dass „…die sich aus der Novelle ergebenden Aufwendungen nur für die Vorbereitung, den Umbau der Räumlichkeiten und die Präsentation der Ausstellungsgegenstände erforderlich [sind]…“? Welche weiteren Aufwendungen kann es darüber hinaus geben? Wird es entgegen früherer Festlegungen eine eigene Sammlungstätigkeit des Hauses der Geschichte geben? Wenn ja, wie wird sie finanziert? Aus welchen Gründen hat sich der wissenschaftliche Beirat entgegen den Vorgaben im MRV vom 24.3.2015 doch für eine Sammlungstätigkeit entschieden? Worauf basieren die derzeit veranschlagten Kosten für die Sammlung in Höhe von 0,1 Mio. Euro p.a.?

- Ist das betroffene Detailbudget tatsächlich ausschließlich das DB 32.03.01

- Wie soll die Bedeckung aus dem aktuellen „Bundesmuseenbudget“ erfolgen, wenn aktuell alle veranschlagten Mittel verplant sind bzw. im Gesetz keine Erhöhung der Basisabgeltung vorgesehen ist (die Thematik der Basisabgeltung wird ab der Eröffnung 2018 schlagend)? Wie kann die Bedeckung auf Basis des aktuellen BFG bzw. BFRG erfolgen, ohne dass andere Bundesmuseen eine entsprechende Reduktion ihrer finanziellen Mittel (insbes. Investitionsmittel) erfahren? Ist geplant, dass von anderen Bundesmuseen finanzielle Mittel für das Haus der Geschichte abgezogen werden? Wenn ja, welche Konsequenzen hat dies für die allfällig betroffenen Museen?

- Wieso fehlt in der WFA bei einem so komplexen Vorhaben komplett die Erläuterung der Bedeckung? Hat das Vorhaben tatsächlich keine wesentlichen Auswirkungen auf die gesetzlich festgelegten WFA-Wirkungsdimensionen?

- Im MRV vom 23.11.2015 wird die Steuerungsgruppe mit weiteren Agenden beauftragt, insbesondere der Vertiefung der bisherigen Ergebnisse und der Planung und Koordination betreffend das „Haus der Zukunft“ und den Bücherspeicher. Warum soll mit dem Gesetzesentwurf den Arbeiten der Steuerungsgruppe vorgegriffen werden? Existieren konkrete Vorgaben für die ergänzenden Arbeiten der Steuerungsgruppe?

- Wie soll die Gesamtkoordination des Projekts - abgesehen von den Arbeiten der Steuerungsgruppe - in der praktischen Umsetzung erfolgen? Wird es eine zentrale Planungseinheit geben? Wie hoch werden die Kosten für diese Koordination sein? Wird mit dem kolportierten Betrag von 250.000 Euro das Auslangen gefunden werden?

- Wird die Tätigkeit und Funktionsfähigkeit des Parlaments durch die Umbauarbeiten für das Haus der Geschichte in irgendeiner Art und Weise eingeschränkt, wenn dieses ab 2017 in der Hofburg seine Arbeit aufnehmen wird? - Sind zusätzliche Planstellen für das Haus der Geschichte erforderlich? Wenn ja, wie viele? „Bundesmuseen“?

Weiters wäre zum Wortlaut des vorliegenden Novellenentwurfs seitens des Bundesministeriums für Finanzen Folgendes festzuhalten:


§ 15 Bundesmuseen-Gesetz ist für die gesetzliche Festlegung bzw. Sicherstellung der Finanzierung des Hauses der Geschichte ungeeignet. Es ist eine reine sogenannte „Escape- Klausel“ für Ausnahmefälle, wenn das betreffende Bundesmuseum mit der im § 5 leg. cit. festgelegten Basisabgeltung nicht auskommt. Die Festlegung der Basisabgeltung (zur nErfüllung des jeweiligen kulturpolitischen Auftrags, d.h. laufender Betrieb, Sammlung, Forschung etc.) für das Haus der Geschichte gehört wie für alle anderen Museen und die Österreichische Nationalbibliothek in den § 5 Bundesmuseen-Gesetz , der in diesem Entwurf jedoch nicht entsprechend adaptiert wird.
Zu 22 Abs. 10: „…ab diesem Zeitpunkt sind alle notwendigen Maßnahmen zu setzen, damit das Haus der Geschichte Österreich so rasch als möglich entsprechend der budgetären Bedeckung seine Tätigkeit aufnehmen kann…“: eine derart allgemeine und unbestimmte gesetzliche Bestimmung ist nur schwer exekutierbar, aber abgesehen davon auch nicht notwendig. Das Bundeskanzleramt ist als Fachressort für die Vollziehung des Bundesmuseen- Gesetzes zuständig, es kann also ohnehin immer die Intensität seiner eigenen Vollziehungsmaßnahmen (sofern die finanzielle Bedeckung hierfür vorhanden ist) bestimmen. Eine derartige „Absichtserklärung“ ist in einem Gesetz (hier in einer Inkrafttretensbestimmung) nicht notwendig.

Schließlich wird im Hinblick auf die Vorgangsweise des Bundeskanzleramtes bei dem Prozess der Entscheidungsfindung betreffend den Standort, den thematischen Umfang sowie die Art und Weise der konkreten Präsentation der Inhalte angemerkt, dass dieses Procedere im Widerspruch zu den aktuellen internationalen museologischen Standards steht. Angesichts der gesellschaftlichen Relevanz dieses Vorhabens wäre eine breitere und intensivere Einbindung von Experten (insbesondere im Zusammenhang mit museologischen Fragestellungen) aber auch der Öffentlichkeit geboten. Als internationales best practice- Beispiel im Hinblick auf eine zeitgemäße museologische Planung dient etwa das Vorgehen beim Projekt der Errichtung eines Guggenheimmuseums in Helsinki (Guggenheim Helsinki Design Competition). In diesem Fall wurde seitens der Guggenheim-Stiftung (Solomon R. Guggenheim Foundation) ein offener, anonymer, internationaler und mehrstufiger Wettbewerb ausgelobt (mit insgesamt rund 1.700 Bewerbern/Architekten aus fast 80 Ländern!), der einem Projekt dieser Größenordnung und gesellschaftlicher Relevanz sowie den heutigen museologischen Standards gerecht wird.

Das Bundesministerium für Finanzen ersucht um entsprechende Berücksichtigung der vorliegenden Stellungnahme.


Freitag, 12. Februar 2016

Museums-Wunschland Katar

Derzeit (Jänner 2016) laufen die Vorbereitungsarbeiten für das - flächenmäßig - größte Museum -  The Art Mill,  der Welt, fast doppelt so groß (80.000 qm) wie das derzeit größte sein wird, das in Planung befindliche Guggenheim-Museum Abu Dhabi und das Museum of Islamic Art (in Doha selbst).
Katar besitzt schon einige und einige sehr große Museen, die die Kunstgeschichte repräsentieren, aber, so vermutet Wolfgang Kemp in einem kürzlich erschienen Essay in der Neuen Zürcher Zeitung, vermutlich sei man über das Ende des Gründungs- und Baubooms ebenso überrascht wie von der Konkurrenz zu den spektakulären Museen in Abu Dhabi angestachelt: „So schreibt nun Katar das finale Bauvorhaben aus, das Hyperprojekt, zu dem keine eigene Bestimmung oder gar Sammlung gehört – ausser dass es den (bildenden) Künsten gewidmet ist. Es folgt nicht dem Franchise-Konzept der Konkurrenten in Abu Dhabi. Sein Bau wurde auch nicht gleich an einen Stararchitekten vergeben, sondern als freier Wettbewerb ausgelobt, an dem in Phase eins 489 Büros teilnahmen. In die zweite Runde gehen jetzt 26 Bewerber; unter ihnen David Chipperfield, Renzo Piano oder Eduardo Souta de Moura.“
Mangels Vorgaben für das Megaprojekt - es gibt weder Sammlung noch Konzept -, wird es derzeit vor allem als ikonische Architektur mit zeichenhafter und memorabler Prägnanz propagiert. Wobei memorabel relativ ist. Qatar ist ein sehr junger Staat, erst 1971 gegründet, und die Gebäude, die die Skyline am Meer bestimmen und die teilweise in das Riesenmuseum einbezogen werden, sind ebenso jung.

Rechts im Hintergrund das bereits existierende Islamische Museum, im Vordergrund der Hafen mit einem riesigen Mühlen- und Speichergebäude, das in das Art-Mill-Projekt eingeliedert werden soll.

Wie auch für andere Golfstaaten werden hier Museen im Rückgriff einerseits auf die eigene islamische wie die europäische kulturelle und künstlerische Tradition in einer Tabula-Rasa-Situation errichtet, nahezu ohne jede genuine langfristige lokale Tradition im Hintergrund. Kemp zitiert I.M. Pei: „Es gibt da keinen wirklichen Kontext (in Doha; GF), kein nennenswertes Leben, ausser man geht in den Souk. Ich musste meinen eigenen Kontext kreieren.“
Soll man vermuten, daß es wieder einmal um das Problem (staatlicher) Identität geht, auf das mit Museen geantwortet wird? Es scheint so zu sein, und das unter sehr besonderen Bedingungen. Diese Großstadt Doha (etwa 500.000 Bewohner) nennt Wolfgang Kemp mit dem französischen Historiker Marc Augé einen Nicht-Ort, Non-Lieu, einen „Ort ohne Identität, Beziehung und Geschichte“. Dazu kommt, daß in dem Land mit etwas mehr als 2 Millionen Einwohnern nur 17% Katarer sind.
Einige kleinere Museen, die in der Öffentlichkeit nicht so sehr im Vordergrund stehen, sind bereits der Archäologie und Geschichte der Halbinsel gewidmet und ein Stadtentwicklungsprojekt im älteren Teil Doha beherbergt nun auch gleich vier Museen, die im „wiederbelebten“ historischen Zentrum unter anderem die Geschichte der Sklaverei thematisieren.
In einer Website zu dem Stadtentwicklungsprojekt wird an dem Anspruch des nation building kein Zweifel gelassen: „ Msheireb Museums celebrate the history of four historic heritage houses in the heart of Msheireb Downtown Doha. Located within the oldest part of the capital, they form an important part of Qatar’s national history. They reveal unique aspects of Qatar’s cultural and social development.“
Die nationale Museumsorganisation ist eine der wichtigen Instanzen der programmatischen Entwicklung der Identität des Landes wie sie (ich zitiere hier aus Texten der Qatar Museums Authority) im National Vision 2030 program niedergelegt ist und wo es unter anderem heißt: „Heritage-led developments play a key role in this program, for among its challenges is the wish to mold modernization around local culture and traditions by maintaining Arab and Islamic identity, while showing openness towards other cultures.“
Ein anderer Baustein für den Ausbau der internationalen Reputation Katers ist der Sport sein, unter anderem mit der Ausrichtung der Fußball-WM 2022 sein, das Katar in die globalen Schlagzeilen brachte. Und zwar sowohl wegen des Vorwurfs der Bestechung innerhalb der FIFA als auch den Arbeitsbedingungen an den WM-Baustellen. Jedenfalls setzt Katar auch hier ein Museumsprojekt als Zeichen - ein Olympia-Museum.
Was ich mich vor allem in Hinblick auf die vielen und besonders beworbenen Kunstmuseen frage ist, warum man den Mangel einerseits mit der eigenen kulturell-religiösen Tradition kompensieren möchte, was naheliegend und nachvollziehbar ist, aber mindestens ebenso so stark mit europäischer (Hoch)Kunst. Und das mit der Wahl der überall vertretenen must sees wie Serra, Hirst, Bourgeoise, Rothko usw. und nicht etwa einer globalisierten Vorstellung von Kultur. Dies schlägt sich auch in der Wahl der Architekten nieder, die aus dem Kreis der „üblichen Verdächtigen“ der Welt-Stars kommen - etwa Jean Nouvel, Ieoh Ming Pei. Auch pragmatisch leuchtet das nicht ein: wer wird nach Doha fliegen, wenn er dort sehen kann, was er in näherer Umgebung auch sehen kann, aber sonst kaum etwas - außer er geht, wie I.M. Pei, in den Souk?
Selten wohl ist eine identitätsstiftende „Bildpolitik“ so rasant nahezu aus dem Nichts auf- und ausgebaut worden.
Wo eine spannungsvolle Beziehung von Gegenwart und Vergangenheit zwangsläufig weitestgehend fehlen muß, existiert aber eine beachtlich spannungsvolle Gegenwart, auf die ebenfalls Wolfgang Kemp - und nicht nur er - hinweist, von der man auf den diversen katarischen Informationsseiten im Internet klarerweise keine Spur findet: Der Golfstaat gilt als Hort einer bilderfeindlichen Religion, in der aber die Mehrzahl der Museen Kunstmuseen sind, als stärkste Militärbasis der USA der Region (und war daher Basis der Operationen im Irak), als Sitz von Al Jazeera und - für viele Kritiker - als Financier des IS und des Jihad.
All das läßt sich im Land mit dem höchsten pro Kopf-Einkommen der Welt, dessen Reichtum aus den schon in den 1930er-Jahren entdeckten Ölfeldern und den später entdeckten größten Gasvorkommen weltweit stammt.
Zwar versichert die kanarische Museumsbehörde, daß man dabei sei, ein von Europa unabhängiges, eigenes Museumsmodell zu entwickeln und läßt sich das auch von europäischen Kuratoren wie Hans Ulrich Obrist bestätigen, aber ohne daß es für mich nachvollziehbar wäre, worin der Unterschied bestünde. Bis auf die Tatsache, daß in den Architekturen der Museen auf lokales Formenreservoire zurückgegriffen würde, was für katarische Architektur schon länger gilt. Fotos zeigen den derzeit üblichen Standard an Medien, Informationsdesign und Szenografie.
Den Museen stehen allein für Kunstankäufe  eine Milliarde Euro per anno zur Verfügung. So ist also Quatar, genauer gesagt die Präsidentin des dortigen Museumsverwaltung, der Qatar Museums Authority, Scheicha Al Mayassa bint Hamad bin Khalifa Al Thani, der big player in der Kunstszene und auf dem Kunstmarkt. Und damit wirkt die kanarische Museumspolitik auch auf zumindest den europäischen Kunstmarkt und indirekt vielleicht sogar auf manche Museen zurück.


Montag, 8. Februar 2016

Plachutta, Pröll, Sisi und das Glück des patriotischen Erbens

Die "Kaiserhaus-Sammlung Plachutta“, die „weltweit größte private Habsburg-Sammlung“ weiß Georg Markus im Kurier hocherfreut zu berichten, „besteht aus mehr als 2000 Objekten.“
In dieser Sammlung findet sich unwiederbringlich Wertvolles und Bedeutsames wie "Sisis" Fächer und Porzellanservice, Kleidungsstücke des „alten Kaisers“, eine "Gedenkschrift", die Mary Vetseras Mutter nach der Tragödie von Mayerling verfasst hat. „Ein Glanzstück“ in den Augen von Georg Markus. Aber was soll man erst zu Kaiser Franz Josephs Hausrock sagen oder gar zu seinen Barthaaren bis zu "Sisis berühmtem Porträtbild mit den Sternen im Haar“, dem cremefarbene Spitzenfächer, den Erzherzogin Marie Valerie ihrer Mutter, der Kaiserin, zu deren 47. Geburtstag gebastelt hat oder den Bestellscheinen der Kaiserin Elisabeth für kosmetische Artikel aus dem April 1875? Gerade letztere Objekte scheinen besonders geeignet, die „Historie der K.-u.-k.-Monarchie, aber auch die Alltagskultur der kaiserlichen Familie lebendig“ werden zu lassen (Mario Plachutta zum KURIER).
3,1 Millionen Euro waren diese Zimelien dem Herrn Landeshauptmann Erwin Pröll wert, der, so hört man, diesen Kaiserschatz persönlich von Mario Plachutta übernommen hat. Der ist zwar nur König, nämlich „Rindfleischkönig (NÖN.at), dafür „versorgt die Familie Plachutta im Zivilberuf in Wien ausgesuchte Gäste mit bestem Rindfleisch.“ Plachutta ist aber nicht nur wegen seiner Preisgestaltung bekannt, wenngleich mehr bei den nicht ausgesuchten Gästen, sondern durch seinen kreativen Umgang mit MitarbeiterInnen. Der Arbeiterkammer ist er, wie sie sagt, „bekannt“, unter anderem wegen der Entlassung eines slowakischen Kellners, weil dieser seine selbst mitgebrachten Erdbeeren mit Plachutta-Zucker versüßt hat. (trend vom 15.05.2014, hier der Link mit weiteren Details zu Plachuttas Kreativität im Umgang mit Angestellten und zu seiner Sammlungstätigkeit)
Mit diesem Überraschungscoup eines Sammlungsankaufs (der sicher nach sorgfältiger Expertise durch Fachleute, Schätzung auf Grund eines Inventars und Prüfung der Privenienzen erfolgte) aus dem Rindfleischparadies bremst der Herr Landeshauptmann von Niederösterreich das - noch völlig sammlungslose - Haus der Geschichte Österreich aus, das in der Neuen Hofburg errichtet werden soll und um dessen Profilierung in Sachen Habsburg man bangen muß, wo es doch sowohl ohne das Tee und Kaffeeservice auskommen muß, „das“ - überraschenderweise - „auf allen Teilen einen plastischen kaiserlich-goldenen Doppeladler trägt“, aber auch ohne den Behälter der ungarischen Krönungserde (?) aus dem Jahr 1867, den Rosenkranz „der sterbenden Kaiserin Elisabeth“ (NÖN.at; hatte sie noch andere Rosenkränze?), das Picnic-Set von Kronprinz Rudolf (in Mayerling verwendet?), oder das Feldschreibzeug von Franz Joseph (war er im Krieg?).
Was Landeshauptmann Erwin Pröll zum Erwerb dieser und zwei weiterer Sammlungen sagt, weist ihn als vorausschauenden, historisch verantwortungsvollen Landesvater aus (warum will so jemand nicht Bundespräsident werden?), der weiß, was und warum er erbt: „Das Land erfüllt damit seinen Auftrag, das kulturelle Erbe Niederösterreichs zu bewahren, die Geschichte des Landes zu dokumentieren und sie ab 2017 im Haus der Geschichte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“
Das volle Ausmaß von Prölls Geistesgegenwart zu würdigen ist erst möglich, wenn wir zur KRONE greifen und zu Günter Traxler Glosse im Standard vom 7.2.2016 (hier): „Historiker wissen“ zitiert Traxler das Kleinformat, „– es sind oft Zufälle, die den Lauf der kleinen und größeren Geschichte bestimmen … Mit der Sammlung des Wiener Topgastronomen Mario Plachutta war das nicht anders. Denn Landeshauptmann Pröll war mit seiner Frau Sisi“ - schon wieder eine (GT) "in der Wollzeile zum Dinner beim Koch-Maestro geladen, als die Sprache" nicht auf die Rechnung (GT), "sondern auf die Kaiserhaus-Sammlung kam. Und jetzt Hochspannung! Patriot Pröll zögerte keine Sekunde, mitten im Dinner mit seiner Frau Sisi, das kostbare kulturelle Erbe für Österreich zu bewahren und vor asiatischer Gier zu retten. Denn es gab auch schon Angebote aus China."