Mittwoch, 4. November 2015

Auch das noch! Francesca verlässt uns!

"Österreich ist doch nicht meins. Ich bin dort nicht zuhause." So wird die 57-jährige Kunstsammlerin, die den Beinamen "Peggy Guggenheim des 21. Jahrhunderts" trägt, zitiert. So berichtet ORF.at schreckensbleich über die doppelte Kränkung, die uns Francesca Habsburg, ehemals Thyssen, zufügen wird. 
Schon seien die Vorbereitungen zur Übersiedlung gediehen, und zwar nach Zürich. Denn, der Schrecken nimmt kein Ende, "Zürich befindet sich in einem interessanten Veränderungsprozess und ist gerade dabei, sich kulturell neu zu definieren. Wien hingegen ist als Kunststandort sehr statisch." Da ich die BWAG-Foundation und die Generali Sammlung Wien abhanden gekommen seien, kann ORF nur noch kulturpessimistisch in die Wiener Zukunft blicken. Und vergisst dabei, dass alle drei Sammlungen private sind und daher recht flüchtig. Und im Fall der im Text reichlich behuldigten fürstlichen Sammlerin, vergisst man auch darauf, dass Francesca - "die gebürtige Schweizerin aus dem Thyssen-Bornemisza-Clan, die heute unsere Kaiserin wäre, lebten wir noch in der Monarchies" (Almut Spiegler in der PRESSE vom 5.1..2015) sich einer staatlich-öffentlichen Einrichtung als eines privaten Spielzeuges bedienen konnte. 
Muss jetzt womöglich Agnes Husslein den Augarten wieder selbst bespielen? Und was ist da überhaupt passiert? Liegt es nur an der Statik von Wien und nicht auch an der Statik der Beziehung zwischen Agnes Gräfin Arco und Francesca Habsburg-Lothringen, die doch erst kürzlich mit der Patrnschaft erster für Ferdinand Zvonimir eine so innige Verbundenheit verriet? Wir bleiben am Ball.

Beute (Objet trouvée)


Heeresgeschichtliches Museum Wien

Frage und Antwort (Texte im Museum 524)

Völkerkundemuseum Basel

Orientierungswissen (Texte im Museum 523)


Vergegenwärtigung (Texte im Museum 522)

Historisches Museum Basel

Sitzen im Museum mit Aussicht

Fondation Beyeler

Kunstselfie


Montag, 2. November 2015

Ein "Nein" zum "Haus der Geschichte" - in Frankreich (Texte im Museum 521)

--> Francoise Hollande, der französische Staatspräsident, gab 2012 bekannt, daß man das von seinem Amtsvorgänger Nikolas Sarkozy seit 2007 lancierte Projekt eines Maison de l’Histoire de France aufgibt. Zahllose Historiker hatten die Pläne wegen der starken ideologischen Färbung und der offenkundig geschichtspolitischen Absichten stark kritisiert. Als Standorte waren die Archives nationale und das Hotel Soubise vorgesehen gewesen. 

Sonntag, 1. November 2015

Ist alles schon einmal dagewesen? Eine historische Fußnote zum "Haus der Geschichte" in der Neuen Hofburg

Ein Zufallsfund, der mich an allerlei erinnerte...

Je näher die Hundertjahr-Feier der Revolution rückte, desto mehr verstärkte sich dieses Engagement, wobei aber weniger künstlerische als historische Aspekte favorisiert wurden. Der städtische Bericht über das Budget des Musee Carnavalet für das Jahr 1888 bestätigt, dass es der jungen Institution gelungen war, ihre Existenzberechtigung zu beweisen. "Le musee a acquis une valeur inestimable depuis que la Révolution a reconquis son auréole et que les collectionneurs se disputent les rares épaves de cette glorieuse époque. Il nous fera grand honneur lors de la célebration du centenaire." Das hinderte aber die Historiker nicht daran, von 1886 an ein "Musee de Ia Revolution aux Tuileries" zu forcieren, das von Ch.-L. Chassin konzipiert wurde.
Dabei handelte es sich um die Organisation einer großen, dauerhaften Ausstellung zur Hundertjahrfeier der Revolution, welche die patriotische und republikanische Erziehung fördern sollte. Man plante ein Museum als Teil einer An Mediathek, die eine Bibliothek, einen großen Konferenz-, Konzert- und Theatersaal sowie didaktische Ausstellungsräume umfassen sollte, welche der Geschichte des französischen Volkes und der Menschheit gewidmet werden sollten. Die wenigen Informationen, die über dieses Museum auf uns gekommen sind, sind allerdings zweideutig: Man sollte darin Kuriositäten der revolutionären Epoche ebenso wie "les principaux objets d'art consacres ä son souvenir" finden, was vermuten lässt, dass die Revolution thematisierende Historienbilder aus der Zeit der Dritten Republik das spektakulärste Element dieser Sammlung ausgemacht hätten.
Es war vorgesehen, in ganz Frankreich und Europa "les tableaux, statues, bustes, medaillons, etc." auszuleihen "relatifs aux événements et aux hommes de la Révolution francaise."
Als man mit den sorgfältigen Recherchen zur Lokalisierung der Ausstellungsstücke begann, wurden zwar Manuskripte, Drucke und Erinnerungsstücke ins Zentrum gestellt, eigentümlicherweise aber die Kunstwerke vernachlässigt, denn es wurde nicht bei den Konservatoren der städtischen Museen angefragt, sondern bei den Verantwortlichen der Archive in den Departements.
Als sich der Zeitpunkt der Jahrhundertfeier näherte, waren die Politiker von dem Projekt wenig begeistert, sondern sorgten sich vor allem um die Finanzierung und um den Erfolg der Weltausstellung.
Das ging so weit, dass sie verlangten, den Bezug auf das Jahr 1789 abzuschwächen, um nicht die europäischen Monarchien zu verärgern. Überhaupt zögerten sie, das Ausmaß der Erinnerung an die Revolution im Rahmen der Weltausstellung festzulegen, während andererseits
die Verantwortlichen des Carnavalet-Museums sich über das Konkurrenz-Projekt Chassins beschwerten.
Schlussendlich wurde eine temporäre Ausstellung in einem Pavillon des Louvre von der Dauerausstellung des Paris-Museums in den Schatten gestellt.

Samstag, 31. Oktober 2015

Das Kunstmuseum von Ein Harod


Eine der erstaunlichsten "Entdeckungen " meiner (bisher einzigen) Israel-Reise war das Kunstmuseum des Kibbuz Ein Harod. Inmitten eines landwirtschaftlichen Großbetriebes mit seinen schon recht verbrauchten Gebäuden, abgenutzten Maschinenpark, karger Landschaft einen eleganten ingeniös gegliederten und belichteten Bau zu finden,das hatte ich ganz und gar nicht erwartet.
Eine resolute Kuratorin führte uns durch die Dauerausstellung, zeigte uns witzige und sehr ansprechende feministische Kunst, die man unter die ehrwürdigen historischen Objekte "geschmuggelt" hatte, und in einem anderen Teil des Museums gab es Spielzeug zu sehen, das die Bewohner des Kibbuz einst mit eigenen Händen für ihre Kinder gebastelt hatten.
Die Architektur lud zum Flanieren und entdecken ein, kein Raum wiederholte sich, es gab überraschend gestaltete Übergänge, Rampen, Treppen, Symmetrien, ohne eine einzige Wiederholung, einen Blick nach Draußen, in einen Binnenhof und ein wunderbares kleines Cafe - mit Lesecke und schlichter, einladender Möblierung auf dem untersten Niveau, das sich in ganzer Breite auf eine durch das natürliche ansteigende Gelände begrenzte und geschützte Terrasse öffnete.

Foto GF 2012

Foto GF 2012
Foto GF 2012

Jeder Raum hatte angenehme Proportionen, also keinerlei monumentale Attitude sieht man von einem links und rechts mit Säulen ausgestatteten Raum ab, den man nach Passieren von Kassa und Garderobe unmittelbar vom Eingang her betrat. Das Angenehme der Architektur kam aber nicht allein von der Proportion der Räume, der vertikalen und horizontalen Verschachtelung, sondern auch von ihrer Belichtung. Das Museum nimmt für sich in Anspruch dabei eine Pionierrolle zu spielen. Wie auch immer, durch abgehängte Decken, hinter Wandteilen verborgene Öffnungen kommt natürliches Licht ausreichend, aber nie direkt in die Räume. Ideal für das Ausstellen von Kunst, sehr angenehm für das Wohlgefühl des Besuchers.

In die Dauerausstellung "eingeschmuggelt" - eine von zahllosen Küssen bedeckte Thorarolle (Foto GF 2012)





Ein (Braut)Kleid, das die Künstlerin Andi Arnovitz aus hunderten Fetzchen zerrissener (fotokopierter) Ehekontrakte genäht hat. Das Kleid ist den "chained women", "agunot", gewidmet, die sich den israelischen Ehegesetzen entsprechnend, ohne Einwilligung des Ehemannes nicht scheiden lassen können.Foto GF 2012
Das Erstaunen über das Museum wird nicht kleiner, wenn man sich seine Gründungsgeschichte vergegenwärtigt. Das Kunstmuseum Ein Harod, “Mishkan Le'omanut", wurde etwa 10 Jahre nach der Gründung des Kibbuz Ein Harod im Jahre 1921 in den 30er-Jahren gegründet, in einem aus Holz erbauten Haus. Ein Harod (hebräisch עין חרוד), auf deutsch „Quelle Harod“, war eine der ersten großen Kibbuz-Gründungen. Der Ort, dessen Name aus biblischer Zeit stammt, liegt am Fuß des Berges Gilboa, nahe der Harod-Quelle, im Norden Israels. Ein Harod wurde am 22. September 1921 von jungen, aus Russland stammenden Arbeiterinnen und Arbeitern. Kurz vor der Staatsgründung Israels hatte das Kibbuz über 1100 Bewohner. 1953 kam es wegen ideologischer Differenzen zur Aufspaltung in die benachbarten Siedlungen En Harod Ihud und En Harod Meuchad.



1948 wurde das heutige, aus Stein errichtete Museum nach Plänen von Samuel Bickels eröffnet. Damit ist es der erste Museumsbau im Staat Israel. Es besitzt heute 16.000 Kunstwerke, macht laufend Ausstellungen, publiziert eifrig und last but not least bewahrt es, wie ich grade entdeckt habe, den Nachlass aus einem überaus merkwürdigem Projekt, dem Meir Agassi Museum, das nach seinem Gründer benannt ist, der, in Israel geboren, dieses eigentümliche und interessante "Museum" in Bristol, wo er an die zwanzig Jahre wohnte, in seinem Wohnhaus installiert hatte.

Zwei Fotos aus den 40er-Jahren, die das erste, hölzerne Museumsgebäude zeigen

Kinderspielzeug aus dem Kibbuz, Ausstellung 2012 (Foto: GF)

Kinder des Kibbuz im Museum, um 1950





Freitag, 30. Oktober 2015

Die Situation der Museen. Ein gordischer Knoten?



Ich schätze die Bücher und Essays des in München arbeitenden Kunsthistorikers Walter Grasskamp zu Museumsfragen sehr und manche seiner Texte haben mich buchstäblich ein Arbeitsleben lang begleitet und immer wieder beschäftigt. Unter dem Titel „Chamäleon im Kulturbetrieb“ in der gestrigen FAZ (29.12.2015; derzeit nicht online) fasst er in stilistisch eleganter Manier Krisensymptome des Museums zusammen. So kurz der Artikel ist, so anregend ist er für mich.

Grasskamp spricht zunächst von der Erfolgsgeschichte der Institution und vom Museum als weltweit erfolgreichem europäischen Exportartikel. „Die Karriere des Museums liegt in einer Eigenschaft begründet, die sein Erfolgsgeheimnis ist: Es kann als Begriffsrahmen und Bauhülle für praktisch alles dienen, nobilitiert aber zugleich jeden Gegenstand, dessen es sich annimmt. Dabei ist es polyglott und polymorph: Es kann das Fremde eingemeinden und das Alltägliche verfremden, und das in jeder Architektur - gibt es eine interessantere Kulturinstitution?“

Allerdings erweist sich die Erfolgs- und Expansionsgeschichte als immer weniger finanzierbar, was die Museen unter Druck setzt ihre Aufgaben neu zu gewichten aber damit seine institutionelle Identität in Frage zu stellen. Die Maßnahmen, die Museen wie Strohhalme ergreifen, fasst Grasskamp im schönen Bild des Stresswachstums zusammen: „Als seien diese seit Jahren heranwachsenden Probleme nicht schon gravierend genug, kamen zuletzt Depotverkäufe und sogar Museumsschließungen ins Spiel. Schon als es um die Scheinlösung der Depotverkäufe ging, ließ sich für viele der kleineren und mittleren Kunstmuseen diagnostizieren, dass sie im Zustand einer Konkursverschleppung gehalten werden, die in der Wirtschaft strafbar ist, in der Kulturpolitik aber leider nicht (…) Trotzdem ist es immer noch einfacher, ein Museum zu gründen, als eines zu schließen. Und es werden immer noch so viele gegründet, dass es an das Stresswachstum gemahnt, in das Pflanzen sich zu retten versuchen, wenn sie merken, dass die Ressourcen knapp werden.“

Die Diagnose der Krankheit? Es handelt sich um Amnesie. Die Museen hätten ihre „vier Gründungsaufgaben“ (es sind die vier der ICOM-Definition: Sammeln, Bewahren, Erforschen, Vermitteln) vergessen: „Von seinen vier Gründungsaufgaben hat nur noch eine richtig Konjunktur: das Ausstellen. Fragt man einen Reisenden, ob er auch das Kunstmuseum der Zielstadt besuchen wird, kommt prompt die Gegenfrage: Welche Ausstellung läuft denn da gerade? Nur in den ganz großen Häusern kann die Schausammlung noch als alleinige Attraktion bestehen, alle anderen müssen sich dem Wanderzirkus der Wechselausstellungen anschließen oder ständig eigene Glanznummern erfinden. Meinte die Gründungsaufgabe des Ausstellens ursprünglich nur die ständige Schausammlung, so geht es heute nicht mehr ohne Wechselausstellung.“

Die anderen Aufgaben würden nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr wahrgenommen. Den Schluß, den Grasskamp aus der Situation zieht, ist pessimistisch. Die Situation gleiche einem gordischen Knoten. Denn was hülfe denn angesichts dieser verzwickten Lage? „Bessere Lobbyarbeit, sagen die Politikberater - aber das machen wir doch bis über die Grenzen der Selbstachtung hinaus, antworten die promovierten Klinkenputzer. Bessere Nachfrageorientierung, sagen die Kulturanalysten - aber wo bleibt dann der Bildungsauftrag?
fragen die Veteranen der "Kultur für alle". Noch mehr Wechselausstellungen, sagen die Tourismusmanager - aber was wird dabei aus den Werken? knurren die Restauratoren. Dann bestückt doch mehr Ausstellungen aus dem Depot, sagen die Sparkommissare - aber wie soll man damit die geforderten Besucherquoten erreichen? seufzen die Direktoren. Macht noch mehr Events, sagen die Wirtschaftsprüfer - vielleicht einen Selfiewettbewerb? stichelt die Pressestelle. Saniert euch durch Verkäufe aus dem Depot, sagen die verkappten Insolvenzverwalter der Stadtverwaltung - lernt erst mal richtig rechnen, denkt sich da selbst der Volontär. Schließt die Kleinstadtmuseen, sagen die Metropolenbewohner - wollt ihr denn noch mehr Rollkoffer in Berlin? staunt der Provinzler. Legt Sammlungen zusammen, sagen die Bestandsretter - aber was soll daran letztlich billiger werden, als es jetzt schon gehandhabt wird? brummt der Kustos. Diese Argumentation kennt man nun schon seit langen Jahren und vielleicht gehört sie inzwischen längst selbst in ein Museum. In eines für gordische Knoten.“

Das klingt in der Tat gordisch! Aber vielleicht versperrt eine problematische Annahme den Blick auf Auswege, auf potentiell andere Entwicklungen, als die geschilderten. Ich meine die „vier Gründungsaufgaben“, die Grasskamp aus einer ursprünglich als Definition (ICOM) gemeinten Aufzählung von Aufgaben des Museums macht. Aber es sind eben nur Aufgaben, Methoden, Praktiken und nicht schon Ziele im gesellschaftlichen Sinn. Abgesehen davon, daß deren Aneinanderreihung nicht minder widersprüchlich hinsichtlich Reihenfolge, Zusammenhang und Gewichtung sind wie die berühmte revolutionäre Parole „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, sie sagen nichts über den Zweck aller dieser praktischen musealen Tätigkeiten aus.

Der Gründungsauftrag des Museums liegt nicht in seiner Operationalisierung identisch. Er liegt in einer emphatisch formulierten Zwecksetzung, mit der der aus Aufklärung und Revolution heraustretende republikanische Nationalstaat (erstmals in Frankreich) Museen als Ort der Selbstdeutung und -auslegung definierte und damit auf die Krise der gesellschaftlichen Desintegration reagierte, die in der Revolution genau in den Jahren kulminierte, in denen die großen Pariser Museen (und in der Folge in den französischen Provinzen und dann im okkupierten Europa) entstanden.

Dieses „neue Museum“ (das Wort ist ja sehr alt und seine Verknüpfung mit dem Sammeln, Konservieren und der Gewinnung von Wissen entsteht in den Kabinetten und Galerien des 16.Jahrhunderts) hatten aber nicht nur eine kompensative Funktionen, sondern auch eine konstruktive: das Museum war einer jener Orte, an denen sich in der Dialektik von Verbürgerlichung zum Cityoen und Vergellschaftung zur Nation das ideal einer freien und demokratischen Gesellschaft entfaltete, in der die Nutzung oder der Genuss (ein Wort der Revolution) der kulturellen Überlieferung ein Element der gesellschaftlichen Wohlfahrt insgesamt war.

Entdeckte man den radikal politischen Kern des Museums wieder und seine umfassende gesellschaftliche Aufgabe, würde sich nicht nur die Analyse der Misere oder Krise des Museums anders gestalten, es würde sich der Blick für andere Wege, Optionen und Entwicklungen öffnen. Und: dabei müsste nicht bei Null begonnen werden, denn es gibt, gerade nicht immer an den Flaggschiffen und Triumphburgen der Hochkultur, längst vielfältige Praktiken, an die man anknüpfen könnte.

Schließlich würde das Museum nicht, wie es Grasskamp ja ganz richtig und anschaulich beschreibt, vor allem in seinen immanenten organisatorischen Zwängen (Finanzierung, Management, Vermarktung usw.) stecken bleiben, sondern könnte freier atmen und sich tiefer als je gedacht im Gesellschaftlichen verankern und damit auch materiell und symbolisch rückversichern.

Frisch eingetroffen aus Wien: "41 Tage. Kriegende 1945"




41 Tage. Kriegsende 1945. Verdichtung der Gewalt. Joanneumsviertel Graz. Bis. 11.11.2015

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Privatisierung, Politik und Ideologie an einem Beispiel aus der Schweiz

Die nationale Rechte lässt die Bären tanzen, wo und wann sie will. Was die Schweiz von Ländern wie Frankreich und Österreich unterscheidet, sind die 3,6 Milliarden Privatvermögen, über die der Extremismus hierzulande verfügt. Geld in den Händen eines chemischen Industriellen, Christoph Blocher, der seit Jahr und Tag das Land mit seinen obskuren Ideen inspiriert. Kunstsinnig wie immer, ist er auf seine alten Tage zudem großzügig geworden. Der Mann besitzt nicht nur Milliarden, er scheint mehr und mehr gewillt, sie auch auszugeben.
Zum Frühstück spendiert er sich die erste öffentliche Ausstellung seiner privaten Gemäldegalerie in einem respektablen Kunstmuseum, dem Oskar Reinhart Museum in Winterthur, das des Industriellen Sammlung hiesiger Genremaler ausstellen darf und ihn dafür mit dem Glanz des Gönners salbt. Und weil ein rechtsnationaler Sammler mit Sendungsbewusstsein ein paar Selbstporträts veröffentlicht sehen will, kauft sich der Mäzen gleich die passende Publikation dazu. Das „Du“-Magazin, über Jahrzehnte das Zentralorgan des honorablen, kunstbeflissenen Bürgertums, hat praktischerweise sein Konzept gewechselt. Nun kann jeder, der sechzigtausend Schweizer Franken zu zahlen bereit ist, das Blatt komplett buchen, und niemand stört sich daran, dass eine Zeitung, die einmal bekannt war für die Arbeiten von Werner Bischoff und Hugo Lötscher, eine Woche vor den nationalen Wahlen den politischen Extremismus mit den Weihen der Kunst bemäntelt und rechtfertigt.
Das bunte Blatt im Hochformat reiht sich damit ein in die neue mediale Front, die von der „Zürcher Weltwoche“ über die „Basler Zeitung“ alle jene verbindet, die bereit sind, ihre journalistischen Standesregeln zu verhökern...
Aus: Lukas Bärfuss, Die Schweiz ist des Wahnsinns, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.2015 (online)

Lassnig I + II (Texte im Museum 520)