Wohnmuseum Lenzburg / Geschichtswerkstatt und leitsystem |
Mittwoch, 26. September 2012
Acht Prozent. Wer geht / wer geht nicht ins Museum?
Unlängst, ein museologischer Vortrag.
Die Hälfte der deutschen Bevölkerung geht nicht ins Museum.
Nie.
Das ist nicht neu, diesen Prozentsatz kenne ich, seit ich mich mit museologischen Fragen beschäftige.
Und er gilt auch für andere Länder.
Neu ist eine andere Zahl. Acht Prozent der Bevölkerung sind regelmäßige Nutzer.
Regelmäßige Nutzer sind Personen, die mindestens zwölf mal im Jahr in ein Museum gehen.
Einmal im Monat durchschnittlich.
Klingt wenig und elitär.
Die gute - oder schlechte - Nachricht ist: in dieser Hinsicht steht das Museum besser da als Konzert, Oper oder Theater.
Aber. Unter den acht Prozent sind alle die, die aus beruflichen Gründen das Museum besuchen, Wissenschafter, Museumsleute, Gestalter, Künstler, Vermittler, Lehrer...
Die fünfzig Prozent, die nicht ins Museum gehen werden gerne als Nichtbesucher bezeichnet.
Damit werden sie einerseits ein wenig stigmatisiert, denn ein Museum nicht zu besuchen, ist für den Bildungsbürger ein wenig verzeihlicher Mangel. Andrerseits bindet man sie begrifflich ans Museum. Zwar negativ aber doch. Die sind die, die nicht ins Museum gehen.
Tatsächlich haben wohl die meisten dieser Menschen "recht".
Denn für sie existiert das Museum nicht.
Und zwar deswegen, weil es nichts mit der von ihnen gelebten Kultur zu tun hat.
Deswegen sollte man auch sehr vorsichtig sein mit allen Absichten, wenigstens einen Teil davon ins Museum zu bringen (locken, verführen, bewirtschaften, entwickeln usw.).
Es sind eben weder Museumsnichtbesucher noch Kulturabstinente.
Sie teilen nur nicht "unsere Kultur".
Montag, 24. September 2012
Ein Museum: Bergsturzmuseum Goldau
„Schwyz, 5. Sept. Der 2. Sept. war für den Bezirk Schwyz ein
trauriger, jammervoller Tag. Nach einem vier und zwanzig stündigen
ausserordentlich heftigen Platzregen borst um 5. Uhr Abends an dem Berge
Spitzebüol, ob dem Dorfe Röthen, dessen oberste Felsenspitze. Zugleich
trennte sich, durch unterirrdisches Wasser von dem Kern des Berges
gelöset, eine ungeheure bey 300. Ellen tiefe Erdmasse in einer Breite
von 100. Fuss vom Gebürg. Diese fürchterliche Errdlauwe, riss Wohnungen,
Menschen und Vieh mit sich, über den Rücken des Bergs, und stürzte mit
unbeschreiblicher Gewalt in das unten gelegene Thal. Viele
Centnerschwere Steine vor sich her durch die Luft auf eine unglaubliche
Weite schleudernd, trieb der viele Ellen hohe Erdstrom mit
Blitzesschnelle über die eine Stund breite, fruchtbare und mit Wohnungen
übersäete Ebene an den gegenüber liegenden Rigi-Berg, drückte den
Schutt mehrere tausend Fuss hoch den Berg hinauf, zersprengte da die
dickesten Bäume in Splitter, weit herum alles verheerend und
überschüttend. Ein kleiner Theil der schrecklichen Masse hatte schon
beym Anbruche eine von der Hauptmasse verschiedene Richtung genommen;
diese drehte sich links, wälzte sich aufwärts gegen den Lauwerzer-See,
trieb ihn aus seinem Bethe, und nöthigte die Fluth 150. Schuh hoch über
das zu springen. Die Gewalt des Wassers riss alle Gebäude rings um den
See mit sich fort, zerstörte die Landstrasse, und bedeckte den See mit
Trümmern und Ruinen." (Neue Zürcher Zeitung 9.9.1806)
An der Südflanke des Rossberges im Kanton Schwyz setzten sich beinahe 40 Millionen m³ Nagelfluhgestein von der Gnypenspitze auf einer circa 20° talwärts geneigten Gleitbahn über stark durchfeuchteten tonigen Zwischenschichten in Bewegung und stürzten ungefähr 1000 Meter ins Tal hinab. Der Rutsch breitete sich unten fächerförmig aus, brandete an der gegenüberliegenden Rigikette hundert Meter empor, überschüttete insgesamt eine Fläche von rund 6,5 km² und zerstörte die Dörfer Goldau, Röthen sowie Teile von Buosingen und Lauerz. [2] 457 Menschen kamen ums Leben, über 100 Häuser, 220 Ställe und Scheunen sowie zwei Kirchen und zwei Kapellen wurden zerstört. Die Dörfer Goldau und Röthen waren verschwunden, und der Lauerzersee verkleinerte sich um ein Siebtel seiner Fläche.
An der Südflanke des Rossberges im Kanton Schwyz setzten sich beinahe 40 Millionen m³ Nagelfluhgestein von der Gnypenspitze auf einer circa 20° talwärts geneigten Gleitbahn über stark durchfeuchteten tonigen Zwischenschichten in Bewegung und stürzten ungefähr 1000 Meter ins Tal hinab. Der Rutsch breitete sich unten fächerförmig aus, brandete an der gegenüberliegenden Rigikette hundert Meter empor, überschüttete insgesamt eine Fläche von rund 6,5 km² und zerstörte die Dörfer Goldau, Röthen sowie Teile von Buosingen und Lauerz. [2] 457 Menschen kamen ums Leben, über 100 Häuser, 220 Ställe und Scheunen sowie zwei Kirchen und zwei Kapellen wurden zerstört. Die Dörfer Goldau und Röthen waren verschwunden, und der Lauerzersee verkleinerte sich um ein Siebtel seiner Fläche.
Im Jahre 1956 errichtete der initiative Goldauer
Bahnhofbuffet-Wirt Edwin Simon in einer selbst finanzierten
Militärbaracke, die er neben den Tierparkeingang stellen liess, eine
Ausstellung der Fundgegenstände aus dem 150 Jahre zuvor verschütteten
Dorf Goldau.
1965 wurde eine Stiftung gegründet, welche im
folgenden Jahr einen Museumsneubau eröffnete, um dem Publikum die
Dokumente der Katastrophe zu präsentieren.
Die bestehende Sammlung wird seither laufend
erweitert. 1994 wurde das Museumsinnere umgestaltet, um das restaurierte
Messgewand, welches die Katastrophe vollkommen unbeschadet überlebte,
sowie das grosse Ölgemälde von David Alois Schmid - Goldau vor dem
Bergsturz darstellend -, das bis zur Renovation der Pfarrkirche unter
der Empore derselben hing, besser zu präsentieren. Kürzlich wurden
plakatgrosse und drehbare Schautafeln angebracht, welche die Entwicklung
Neu-Goldaus besser dokumentieren. So sind zum Beispiel sämtliche
Baudaten der Häuser zwischen 1806 und 1934 aufgelistet. Auch die
geologischen Erklärungen sind verbessert worden.
Dienstag, 18. September 2012
Wenn es Museumscafés gibt, dann muß es eigentlich auch Cafémuseen geben. Ein Beispiel
Proteste vor allem der Gemeinde haben zur Änderung der Pläne geführt. Der größte Teil der Grabung wurde tatsächlich zugeschüttet und der Verlauf der Mauern markiert, wichtige Teile wurden erhalten, teilweise überdacht.
Und das Museum wurde tatsächlich zur Vitrine, die man auf einem Steg umrunden kann. In der diaphanen Glaswand finden sich Objekte und Informationen.
Das Museum wurde im Inneren zum Café und Eissalon. Das Museum spart sich Personal(kosten) und verdient womöglich durch die Verpachtung. Das Café-Museum ist erfunden!
Montag, 17. September 2012
"Social Inclusion" oder hegemoniale Museumspolitik? Die "Vermittlungsoffensive" von Ministerin Claudia Schmied
Die für die Bundesmuseen zuständige Ministerin Claudia Schmied hat unlängst Bilanz nach drei Jahren "Vermittlungsoffensive" gezogen. Gemeint ist der von ihr eingeführte Gratiseintritt in Museen für unter 19jährige. Da es an Vergleichszahlen zur Zeit vor der Regelung fehlt, nimmt sich statistisch der Effekt des Gratiseintritts eindrucksvoll aus.
Dabei bleibt es nicht. 400.000 Euro werden für neue Vermittlungsprojekte ausgeschrieben.
Social inclusion auf Staatskosten?
Man darf nicht zu viel nachdenken und nachhaken.
Die Theoretikerin Carmen Mörsch hat vier Typen von Vermittlung ausgemacht: eine affirmative Funktion, „wenn sie“, wie sie schreibt „Institutionen der Hochkultur und das was sie produzieren, möglichst reibungslos an ein entsprechend initiiertes und bereits interessiertes Publikum vermittelt.“ Eine reproduktive Funktion hat sie dann, wenn es ihr und dem Museum in erster Linie um die Rekrutierung eines Publikums der Zukunft geht.
Die dritte Funktion nennt sie „kritisch – dekonstruktiv“, sie reflektiert die strukturellen Voraussetzungen des Museums und der Vermittlung und legt ihren Standpunktes offen, was Besuchern ermöglicht, sich an dieser Reflexion eigenständig zu beteiligen.
Die vierte Möglichkeit liegt darin, gesellschafts- und institutionenverändernd wirken zu wollen. Das geht aber nur dann, wenn man auf die Inhalte und die Rahmenbedingungen unter denen sie produziert und vermittelt werden selbst Einfluss nimmt und nehmen kann. Dies nennt Carmen Moersch transformativ.
Liege ich falsch, wenn ich vermute, daß die Mehrzahl der Vermittlungsprojekte diese beiden ersten Funktionen erfüllt? Die Propagierung und Initiierung in vorab beglaubigte kulturelle Werte um ihrer selbst willen mit dem Ziel das künftige Publikum heranzuziehen?
Das wäre ein Praktizieren kultureller Hegemonie, sozialen Machtverhältnissen entsprungen aber diese verschleiernd. Am Spiel von Kultur und Macht nehmen Bevorrechtete teil, die ihre Interessen als allgemein gültige ausgeben, und die ihre Werte durchzusetzen versuchen.
Der bildungspolitische Glanz, den die ministerielle Strategie (als einzig erkennbare museumspolitische) ausstrahlt, verblasst nicht nur angesichts dieser Vermutung. Sozialdemokratische Kulturpolitik war selten mehr als Affirmation und Adaption bürgerlicher Werte und das berühmte "Kultur für Alle" ebnete einer dienstleistungs- und marktorientierten Kulturpolitik Tür und Tor.
Claudia Schmied kann man die Lektüre von Karl Kraus' "Nachträgliche Republikfeier" empfehlen, ein Text in dem der Autor feststellt, daß "dem Proletarier Eingang (in das bürgerliche Theater GF) zu ermäßigten Preisen verschafft zu haben man für eine revolutionäre Errungenschaft hält." Und fortfährt: "Sollten sie wirklich dazu Revolution gemacht haben, um in der Kultur schließlich auf den leeren Plätzen der Bourgeoisie zu sitzen, die sie nicht etwa geräumt hat, weil sie sich vom Nachdrängen der Arbeiterklasse bedroht fühlt, sondern nur weil sie von den Leistungen ihres eigenen Kunstgeschäfts gelangweilt ist?"
Dabei bleibt es nicht. 400.000 Euro werden für neue Vermittlungsprojekte ausgeschrieben.
Social inclusion auf Staatskosten?
Man darf nicht zu viel nachdenken und nachhaken.
Die Theoretikerin Carmen Mörsch hat vier Typen von Vermittlung ausgemacht: eine affirmative Funktion, „wenn sie“, wie sie schreibt „Institutionen der Hochkultur und das was sie produzieren, möglichst reibungslos an ein entsprechend initiiertes und bereits interessiertes Publikum vermittelt.“ Eine reproduktive Funktion hat sie dann, wenn es ihr und dem Museum in erster Linie um die Rekrutierung eines Publikums der Zukunft geht.
Die dritte Funktion nennt sie „kritisch – dekonstruktiv“, sie reflektiert die strukturellen Voraussetzungen des Museums und der Vermittlung und legt ihren Standpunktes offen, was Besuchern ermöglicht, sich an dieser Reflexion eigenständig zu beteiligen.
Die vierte Möglichkeit liegt darin, gesellschafts- und institutionenverändernd wirken zu wollen. Das geht aber nur dann, wenn man auf die Inhalte und die Rahmenbedingungen unter denen sie produziert und vermittelt werden selbst Einfluss nimmt und nehmen kann. Dies nennt Carmen Moersch transformativ.
Liege ich falsch, wenn ich vermute, daß die Mehrzahl der Vermittlungsprojekte diese beiden ersten Funktionen erfüllt? Die Propagierung und Initiierung in vorab beglaubigte kulturelle Werte um ihrer selbst willen mit dem Ziel das künftige Publikum heranzuziehen?
Das wäre ein Praktizieren kultureller Hegemonie, sozialen Machtverhältnissen entsprungen aber diese verschleiernd. Am Spiel von Kultur und Macht nehmen Bevorrechtete teil, die ihre Interessen als allgemein gültige ausgeben, und die ihre Werte durchzusetzen versuchen.
Der bildungspolitische Glanz, den die ministerielle Strategie (als einzig erkennbare museumspolitische) ausstrahlt, verblasst nicht nur angesichts dieser Vermutung. Sozialdemokratische Kulturpolitik war selten mehr als Affirmation und Adaption bürgerlicher Werte und das berühmte "Kultur für Alle" ebnete einer dienstleistungs- und marktorientierten Kulturpolitik Tür und Tor.
Claudia Schmied kann man die Lektüre von Karl Kraus' "Nachträgliche Republikfeier" empfehlen, ein Text in dem der Autor feststellt, daß "dem Proletarier Eingang (in das bürgerliche Theater GF) zu ermäßigten Preisen verschafft zu haben man für eine revolutionäre Errungenschaft hält." Und fortfährt: "Sollten sie wirklich dazu Revolution gemacht haben, um in der Kultur schließlich auf den leeren Plätzen der Bourgeoisie zu sitzen, die sie nicht etwa geräumt hat, weil sie sich vom Nachdrängen der Arbeiterklasse bedroht fühlt, sondern nur weil sie von den Leistungen ihres eigenen Kunstgeschäfts gelangweilt ist?"
Sonntag, 16. September 2012
Freitag, 14. September 2012
Museumspolemik - das Darwineum in Rostock
In der heutigen TAZ darf man (hier) etwas sehr seltenes bestaunen: eine Museumskritik, und noch dazu eine polemische. Sie gilt dem eben eröffneten Darwineum in Rostock, das eine Mixtur aus Museum und Zoo ist. Colin Goldner läßt an beidem kein gutes Haar, nicht am Museum, mit seiner "Vielzahl an Schautafeln und musealen Staubfängervitrinen, die tatsächlich zu allem anderen taugen, als 'die Geburt des Universums bestaunen, explodierende Sterne sehen und die Entstehung der Erde erleben' zu können" und nicht am Zoo, wo die "Frage, ob es ethisch überhaupt noch vertretbar ist, Menschenaffen in Zoos gefangen zu halten, wird im Darwineum nicht gestellt" werde. Das alles sei so spannend "wie ein Yps-Heftchen der 70er-Jahre" und "der prinzipiell aufklärerische Wert des Darwineums wird allein dadurch (durch die Haltung von Menschenaffen) in sein Gegenteil verkehrt: der Mensch wird nicht als Teil der Evolution dargestellt, sondern – wie Religionen jeder Art dies seit je verkünden – als gottgleiche 'Krone der Schöpfung', befugt, mit Tieren zu verfahren, wie es ihm beliebt."
Samstag, 8. September 2012
Ein Museum: Fiji-Museum, Suva
Located in the heart of Suva's botanical gardens, the Fiji Museum holds a remarkable collection which includes archaeological material dating back 3,700 years and cultural objects representing both Fiji's indigenous inhabitants and other communities that have settled in the island group over the past 100 years. (Webseite)
Dienstag, 4. September 2012
Soll das Konzentrationslager Buchenwald kulturelles Welterbe werden?
Die Stadt Weimar bemüht sich, unterstützt vom Leiter der Gedenkstätte, das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald als Weltkulturerbe anerkennen zu lassen. Es wäre das erste Mal, daß ein Ort massenhafter Verbrechen in den Rang eines Weltkulturerbes erhoben würde.
Es gibt auch Gegenstimmen. Orte des Verbrechens könnten und dürften niemals eine solche Anerkennung finden, denn Verbrechen solchen Ausmaßes seien "nicht Kultur".
Das ist eine riskante Argumentation, weil sie darauf hinausläuft, Gewalt und Verbrechen aus dem Kulturbegriff auszuschließen. Unterschlagen würde damit eine Dialektik, von der das Konzept des Welterbes selbst zehrt: alles was an dieser kulturellen Überlieferung von Barbarei kontaminiert ist, wird durch seine Kulturalisiserung verdrängt und gleichsam unsichtbar.
Eine unter Schutz gestellte Stahlfabrik sollen wir als Kathedrale der Industrialisierung und nicht als Ort entfremdender Arbeitsbedingungen und etwa Produktion von Rüstungsgütern wahrnehmen. Die Fragen nach den Quellen des Reichtums und der Macht, die einem indischen Mogul die Errichtung eines märchenhaftes Mausoleums (Taj Mahal) erlaubt, soll nicht gestellt werden.
Genau diese Kulturalisierung der Barbarei ist aber ein Effekt der Unterschutzstellung im Namen eines sogenannten Welterbes. Es soll ein Kanon global gültiger kultureller Werte geschaffen werden, der eine positive (vor allem ästhetische) Anerkennung erheischt. Und das durchaus im Sinne des Konzepts der Sehenswürdigkeit, deren Wert und Bedeutung schon vorab postuliert und verbrieft ist und somit jedem sich immer wieder erneuernden Diskurs entzogen, der diese Bedeutung befragen und infragestellen könnte.
Die Verantwortlichen der Stadt Weimar und der Leiter der Gedenkstätte betonen, daß es genau um diese Dialektik von Hochkultur (Stadt) und Verbrechen (Lager) ginge. Machte man Ernst damit, machte es nur Sinn, wenn es Konsequenzen für das - vielfach problematische - Konzept des Welterbes hätte. Aber in dessen Praxis ist eine reflexive Problematisierung des kulturellen Erbes nicht vorgesehen.
Und: So fragwürdig die Attitude ist, mit der sich eine hand voll von Kulturbürokraten zum globalen Erblasser ernennt, so fragwürdig wäre der Effekt, der nun auch ein in Deutschland liegendes NS-Konzentrationslager einem globalen Erben überantwortet und damit auch die Frage nach Schuld und Verantwortung verschieben würde.
Es gibt auch Gegenstimmen. Orte des Verbrechens könnten und dürften niemals eine solche Anerkennung finden, denn Verbrechen solchen Ausmaßes seien "nicht Kultur".
Buchenwald, ehemaliges Barackengelände. Foto GF |
Eine unter Schutz gestellte Stahlfabrik sollen wir als Kathedrale der Industrialisierung und nicht als Ort entfremdender Arbeitsbedingungen und etwa Produktion von Rüstungsgütern wahrnehmen. Die Fragen nach den Quellen des Reichtums und der Macht, die einem indischen Mogul die Errichtung eines märchenhaftes Mausoleums (Taj Mahal) erlaubt, soll nicht gestellt werden.
Genau diese Kulturalisierung der Barbarei ist aber ein Effekt der Unterschutzstellung im Namen eines sogenannten Welterbes. Es soll ein Kanon global gültiger kultureller Werte geschaffen werden, der eine positive (vor allem ästhetische) Anerkennung erheischt. Und das durchaus im Sinne des Konzepts der Sehenswürdigkeit, deren Wert und Bedeutung schon vorab postuliert und verbrieft ist und somit jedem sich immer wieder erneuernden Diskurs entzogen, der diese Bedeutung befragen und infragestellen könnte.
Die Verantwortlichen der Stadt Weimar und der Leiter der Gedenkstätte betonen, daß es genau um diese Dialektik von Hochkultur (Stadt) und Verbrechen (Lager) ginge. Machte man Ernst damit, machte es nur Sinn, wenn es Konsequenzen für das - vielfach problematische - Konzept des Welterbes hätte. Aber in dessen Praxis ist eine reflexive Problematisierung des kulturellen Erbes nicht vorgesehen.
Und: So fragwürdig die Attitude ist, mit der sich eine hand voll von Kulturbürokraten zum globalen Erblasser ernennt, so fragwürdig wäre der Effekt, der nun auch ein in Deutschland liegendes NS-Konzentrationslager einem globalen Erben überantwortet und damit auch die Frage nach Schuld und Verantwortung verschieben würde.
Sonntag, 2. September 2012
Ein Museums(nicht)liebhaber (Das Museum lesen 28)
Ich
liebe Museen nicht sonderlich. Es gibt viele, die man bewundern kann,
es gibt keines, das einem Wonnen schenkte. Was an Vorstellungen über
Ein- und Zuord-nung, Erhaltung und Nutzen für die Allgemeinheit umläuft,
ist richtig und einleuchtend, hat aber mit Spendung von Wonnen wenig zu
tun.
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Freitag, 31. August 2012
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