Mich hat es selbst überrascht, was dabei herauskommt, wenn man über viele Jahre gesammelte Fotos von Museumstexten nach und nach zusammensucht und, wenn man sie, wie hier im Blog geschehen, veröffentlicht, wieder genauer liest und anschaut. Aus der Versammlung springen allerlei Beobachtungen heraus, die - jedenfalls ich - nicht alle in den konventionellen Rahmen einordnen konnte, in dem über Texte gesprochen, in dem mit Texten gearbeitet wird. Allein schon die Fülle der Funktionen und Orte von Texten geht weit über das hinaus, was mir bis jetzt bewußt war. Interessant sind zum Beispiel die Texte (von denen es mehr gibt, als ich annahm), die der 'Habituierung' der Besucher dienen: Einstimmung in die Würde des Ortes, Anmahnung eines einschlägigen Verhaltens, ostentatives Vorzeigen der Kultiviertheit der Dinge bis hin zu regelrechten Verhaltensge- und verboten.
Wie selten sind dagegen Texte, die den buchstäblich (be)herrschenden Diskurs unterlaufen oder wenigstens relativieren und wie extrem rar der regelrechte Einspruch, der dann schon als Intervention gelten könnte.
Jetzt also eine neue Sammlung. Ohne viel darüber nachzudenken und ziellos (die Textsammlung war immerhin brauchbar bei der Lehrtätigkeit und beim praktischen Arbeiten) habe ich Eintrittskarten aufgehoben, kleine Bildengramme oder Texbotschaften, mit denen Museen wie nebenbei und scheinbar absichtslos auch etwas über sich sagen.
So wie die jetzt grade flottierende Weihnachtspost etwas über die Institutionen aussagt, über ihren Geschmack, ihre Haltung, ihren Witz oder ihre Phantasielosigkeit, so sind auch Eintrittskarten kleine symptomatische Gucklöcher ins institutionelle Seeleneleben.
Wer immer was beitragen mag - Beispiele oder Kommentare, ist herzlich willkommen!
Donnerstag, 23. Dezember 2010
Noevers Muttertag oder Wieviel Besucher hat ein Museum eigentlich?
Der heutige Standard (hier) berichtet über die Beantwortung einer Anfrage der Grünen an die für die Museen zuständige Ministerin Claudia Schmied. Es geht um Vorwürfe, die dem Direktor des Museums für Angewandte Kunst, Peter Noever, in den vergangenen Wochen gemacht wurden.
Jetzt ist es bestätigt, ja, Peter Noever hat den Geburtstag seiner Mutter im Museum auf Staatskosten ausgerichtet, und ja, er hat Mitarbeiter des Museums bei dieser Feier verwendet.
Normalerweise interessiert mich Klatsch und Tratsch hier gar nicht, wer immer für so etwas zuständig ist wird reagieren, in diesem Fall das Kuratorium, das feststellen soll, um wieviel Geld es geht und veranlassen wird, daß es zurückbezahlt wird.
Interessant ist ein Nebenergebnis der Anfrage-Beantwortung. Peter Noever soll, so schreibt die Zeitung, das Publikum der Feiernden in seine Besuchsstatistik eingerechnet haben - und auch Besucher anderer, externer Veranstaltungen.
Peanuts? Mitnichten.
"2009 waren es 63.230 Personen. Das Museum hatte daher nicht 183.520 Besucher, wie von Noever angegeben, sondern nur 120.290." (Der Standard).
Um ein Drittel weniger.
PS.: Museumsleute reden untereinander sehr freimütig darüber, wo und wie Besuchszahlen, nun sagen wir mal, 'optimiert' werden. Sie beklagen sich gleichzeitig darüber, daß die Medien mit der Veröffentlichung von Besuchszahlen die Museen unter Druck setzten und einen unnötigen Wettbewerb, noch dazu auf einer partiell irrelevanten Ebene, betreiben und antreiben. Aber sie nehmen an diesem Wettbewerb teil, indem sie ihre Zahlen veröffentlichen und indem sie sich auf den Wettbewerb einlassen. Offenbar auch unter Zuhilfenahme von 'Doping'...
PPS.: In Zeiten der freimütigen Veröffentlichung von allem und jedem bietet sich auch hier die Möglichkeit, Anfrage und Beantwortung im Wortlaut kennzulernen, bei "artbackstage" (hier).
Jetzt ist es bestätigt, ja, Peter Noever hat den Geburtstag seiner Mutter im Museum auf Staatskosten ausgerichtet, und ja, er hat Mitarbeiter des Museums bei dieser Feier verwendet.
Normalerweise interessiert mich Klatsch und Tratsch hier gar nicht, wer immer für so etwas zuständig ist wird reagieren, in diesem Fall das Kuratorium, das feststellen soll, um wieviel Geld es geht und veranlassen wird, daß es zurückbezahlt wird.
Interessant ist ein Nebenergebnis der Anfrage-Beantwortung. Peter Noever soll, so schreibt die Zeitung, das Publikum der Feiernden in seine Besuchsstatistik eingerechnet haben - und auch Besucher anderer, externer Veranstaltungen.
Peanuts? Mitnichten.
"2009 waren es 63.230 Personen. Das Museum hatte daher nicht 183.520 Besucher, wie von Noever angegeben, sondern nur 120.290." (Der Standard).
Um ein Drittel weniger.
PS.: Museumsleute reden untereinander sehr freimütig darüber, wo und wie Besuchszahlen, nun sagen wir mal, 'optimiert' werden. Sie beklagen sich gleichzeitig darüber, daß die Medien mit der Veröffentlichung von Besuchszahlen die Museen unter Druck setzten und einen unnötigen Wettbewerb, noch dazu auf einer partiell irrelevanten Ebene, betreiben und antreiben. Aber sie nehmen an diesem Wettbewerb teil, indem sie ihre Zahlen veröffentlichen und indem sie sich auf den Wettbewerb einlassen. Offenbar auch unter Zuhilfenahme von 'Doping'...
PPS.: In Zeiten der freimütigen Veröffentlichung von allem und jedem bietet sich auch hier die Möglichkeit, Anfrage und Beantwortung im Wortlaut kennzulernen, bei "artbackstage" (hier).
Mittwoch, 22. Dezember 2010
Montag, 20. Dezember 2010
Eine Ausstellungskritik gibt es nicht. Ein Beispiel dafür, warum das schade ist und was es gewinnen gäbe.
Daß es das Genre Ausstellungskritik - fast - nicht und das der Museumskritik gar nicht gibt, bedaure nicht nur ich. Stattdessen begnügen sich Medien mehr und mehr mit unsinnig atemlos knapp nach Eröffnungen und Vernissagen erscheinenden Kurzberichten. Eine Form, die der Theaterberichterstattung abgeschaut ist, wo man ja bis zur Absurdidät vorgedrungen ist, einen sichtlich ergriffenen Kritiker in den Schlussapplaus hinein direkt vom Ort des Geschehens seine Urteilsverkündung ins Mikrophon hecheln zu lassen.
Das ohnehin 'langsame' Medium Museum und Ausstellungen, der Laufzeit selten unter einigen Monaten liegt, böten Gelegenheit zu Sorgfalt und Gründlichkeit, statt 'Aktualität'. Besonders schmerzlich ist aber das Fehlen der Auseinandersetzung mit den spezifischen Ausdrucksmitteln und Erzählweisen, das das Ausstellen auszeichnet. Damit fehlt auch eine begleitende Analyse von Entwicklungen, Moden, Gattungen und Genres weg, wie sie eine gute Filmkritik auszeichnen und Auch eine Beschäftigung mit Produktionsbedingungen, gesellschaftlicher Resonanz, gesellschaftspolitischer Relevanz.
Für Filmkritik gibt es eine derart die Ebenen verschränkende Kritik längst und im glücklichen Fall ist sie immer mehreres zugleich: Orientierung, Explikation von Qualität, in die die Erläuterung der Maßstäbe mit einfließt, und im Idealfall sogar eine eine gattungsgeschichtliche Reflexion eingebettete Reflexion der Beziehung des Werks mit seiner gesellschftlichen 'Umwelt'. (Wobei der Filmkritiker den unbestreitbaren Vorteil hat, daß er die Grundlage seiner Erfahrung, die Aufführung, - heute, angesichts der technischen Möglichkeiten, nahezu beliebig - reproduzieren kann).
So gut wie unentdeckt ist Ausstellungskritik als Ferment der eigenen Ausstellungsproduktion. In einem eben in Lettre International (Nr.91/Winter 2010) erschienen Interview von 1984 erwähnt Francois Truffaut, daß er etwa 3000 Filme gesehen habe, aberhunderte, ehe er seinen ersten Film gesehen habe und an mehreren Beispielen im Laufe des Gesprächs erläutert er die enorme Bedeutung der subtilen Kenntnis vieler Filme und der Methoden vieler Regisseure für die praktische Lösung kniffliger Probleme.
Welches Potential Kritik haben kann, ist mir beim Lesen einer Kritik wieder sehr bewußt geworden, die sich auf eine besondere Art des Dokumentarfilms, des Tierfilms bezog. Georg Seeßlen, einer der namhaften deutschen Filmkritiker, benötigte im Mai dieses Jahres nur ein Drittel einer Seite der Wochenzeitung DIE ZEIT, um eine Edition der Dokumentarfilme von Bernhard und Michael Grizmek zum Anlass eines kleinen Kabinettstücks der Kritik zu machen (12. Mai 2010, Nummer 20, hier online).
Da geht es um die Haltung des Nachkriegs-Tierfilmes, der nach den rassistischen der NS-Zeit eine Ideologie der Behütung und Beheimatung verbreitet. Elf Minuten lang ist ein früher Film, den Seeßlen nennt, "Ein Fabeltier fliegt nach Deutschland (1954) (…), der den Transport eines Okapi aus Afrika und die Ankunft im Frankfurter Zoo schildert. Sehr wichtig ist die immer wieder auftauchende Debatte um den Gefängnischarakter eines Zoos. Die Grzimeks werden nicht müde, wie in Tiere ohne Feind und Furcht (1953), das Glück solcher Beschränkung für die Tiere zu betonen, die nun aller Sorgen und Gefahren ledig und »unter sich« leben dürfen. Sieht man die Grzimek-Filme heute im Zusammenhang (…), ergibt sich beinahe so etwas wie eine große Erzählung für eine Nachkriegsgesellschaft. Egal, ob im Frankfurter Zoo oder in der Serengeti, im heimatlichen Fluss oder im Wildpark: Immer geht es um das Heimat-Schaffen, um die Aufteilung der Welt in chaotisches Durcheinander und wohlgeordnete Paradiese, friedvolles Zusammenleben im Blick des guten Wildhüters."
Dann geht es aber um den Wandel des Tierfilmes, hin zu einem postkolonialen Menschenbild und einem leidenschaftlichen ökologischen Engagement, wobei Seeßlen noch Platz hat, die Vater-Sohn-Beziehung der Grizmeks in die Analyse hineinzunehmen und die verglichen mit heutigen Tierfilmen noch distanzierte und dezente Haltung der Filmer. In der nächsten Generation hat sich nicht nur das verändert, sondern das Genre gespalten. "Tierbilder, so scheint es, dienen nun nicht mehr der Einigung, sondern der Entzweiung, Eisbären-Knuts und Schimpansen-Charlys geistern als fauler Trost durch die Bildermaschinen, wo anderswo gestrandete Wale und von Ölpest gezeichnete Vögel wenig Hoffnung lassen."
Schade, daß es keine auf solchem Niveau und mit vergleichbar substantiellen Fragen operierende Ausstellungskritik gibt.
Das ohnehin 'langsame' Medium Museum und Ausstellungen, der Laufzeit selten unter einigen Monaten liegt, böten Gelegenheit zu Sorgfalt und Gründlichkeit, statt 'Aktualität'. Besonders schmerzlich ist aber das Fehlen der Auseinandersetzung mit den spezifischen Ausdrucksmitteln und Erzählweisen, das das Ausstellen auszeichnet. Damit fehlt auch eine begleitende Analyse von Entwicklungen, Moden, Gattungen und Genres weg, wie sie eine gute Filmkritik auszeichnen und Auch eine Beschäftigung mit Produktionsbedingungen, gesellschaftlicher Resonanz, gesellschaftspolitischer Relevanz.
Für Filmkritik gibt es eine derart die Ebenen verschränkende Kritik längst und im glücklichen Fall ist sie immer mehreres zugleich: Orientierung, Explikation von Qualität, in die die Erläuterung der Maßstäbe mit einfließt, und im Idealfall sogar eine eine gattungsgeschichtliche Reflexion eingebettete Reflexion der Beziehung des Werks mit seiner gesellschftlichen 'Umwelt'. (Wobei der Filmkritiker den unbestreitbaren Vorteil hat, daß er die Grundlage seiner Erfahrung, die Aufführung, - heute, angesichts der technischen Möglichkeiten, nahezu beliebig - reproduzieren kann).
So gut wie unentdeckt ist Ausstellungskritik als Ferment der eigenen Ausstellungsproduktion. In einem eben in Lettre International (Nr.91/Winter 2010) erschienen Interview von 1984 erwähnt Francois Truffaut, daß er etwa 3000 Filme gesehen habe, aberhunderte, ehe er seinen ersten Film gesehen habe und an mehreren Beispielen im Laufe des Gesprächs erläutert er die enorme Bedeutung der subtilen Kenntnis vieler Filme und der Methoden vieler Regisseure für die praktische Lösung kniffliger Probleme.
Welches Potential Kritik haben kann, ist mir beim Lesen einer Kritik wieder sehr bewußt geworden, die sich auf eine besondere Art des Dokumentarfilms, des Tierfilms bezog. Georg Seeßlen, einer der namhaften deutschen Filmkritiker, benötigte im Mai dieses Jahres nur ein Drittel einer Seite der Wochenzeitung DIE ZEIT, um eine Edition der Dokumentarfilme von Bernhard und Michael Grizmek zum Anlass eines kleinen Kabinettstücks der Kritik zu machen (12. Mai 2010, Nummer 20, hier online).
Da geht es um die Haltung des Nachkriegs-Tierfilmes, der nach den rassistischen der NS-Zeit eine Ideologie der Behütung und Beheimatung verbreitet. Elf Minuten lang ist ein früher Film, den Seeßlen nennt, "Ein Fabeltier fliegt nach Deutschland (1954) (…), der den Transport eines Okapi aus Afrika und die Ankunft im Frankfurter Zoo schildert. Sehr wichtig ist die immer wieder auftauchende Debatte um den Gefängnischarakter eines Zoos. Die Grzimeks werden nicht müde, wie in Tiere ohne Feind und Furcht (1953), das Glück solcher Beschränkung für die Tiere zu betonen, die nun aller Sorgen und Gefahren ledig und »unter sich« leben dürfen. Sieht man die Grzimek-Filme heute im Zusammenhang (…), ergibt sich beinahe so etwas wie eine große Erzählung für eine Nachkriegsgesellschaft. Egal, ob im Frankfurter Zoo oder in der Serengeti, im heimatlichen Fluss oder im Wildpark: Immer geht es um das Heimat-Schaffen, um die Aufteilung der Welt in chaotisches Durcheinander und wohlgeordnete Paradiese, friedvolles Zusammenleben im Blick des guten Wildhüters."
Dann geht es aber um den Wandel des Tierfilmes, hin zu einem postkolonialen Menschenbild und einem leidenschaftlichen ökologischen Engagement, wobei Seeßlen noch Platz hat, die Vater-Sohn-Beziehung der Grizmeks in die Analyse hineinzunehmen und die verglichen mit heutigen Tierfilmen noch distanzierte und dezente Haltung der Filmer. In der nächsten Generation hat sich nicht nur das verändert, sondern das Genre gespalten. "Tierbilder, so scheint es, dienen nun nicht mehr der Einigung, sondern der Entzweiung, Eisbären-Knuts und Schimpansen-Charlys geistern als fauler Trost durch die Bildermaschinen, wo anderswo gestrandete Wale und von Ölpest gezeichnete Vögel wenig Hoffnung lassen."
Schade, daß es keine auf solchem Niveau und mit vergleichbar substantiellen Fragen operierende Ausstellungskritik gibt.
Das Altonaer Museum hat eine Idee...
Das Altonaer Museum ist dem Schließungs-Tod grade noch mal von der Schaufel gesprungen. Trotz Neuwahlen droht dem Museum aber immer noch eine Kürzung der Mittel und binnen weniger Monate ein neues Konzept vorlegen zu sollen, ist angesichts der Situation des Museums und der übrigen historischen Museen auch nicht grade einfach. Was man aber hat, neugewonnene Symphatisanten und eine Menge von Leuten, die bereit sind, sich aktiv für das Museum einzusetzen.
Und was fällt dem Museum in dieser Situation als eigener Beitrag ein?
Ein "Solidaritätskalender".
Und der sieht unter anderem so aus (Abbildung).
Wir gratulieren zu dieser von hoher sozialer und museologischer Kompetenz getragenen Entscheidung.
Und was fällt dem Museum in dieser Situation als eigener Beitrag ein?
Ein "Solidaritätskalender".
Und der sieht unter anderem so aus (Abbildung).
Wir gratulieren zu dieser von hoher sozialer und museologischer Kompetenz getragenen Entscheidung.
Sonntag, 19. Dezember 2010
Statistikspiel. Der Ngram Viewer von Google als museologisches Recherchewerkzeug
Google hat ein Statistiktool entwickelt, mit dem man nach Wortvorkommen in den von Google veröffentlichten Büchern suchen kann. Hier einige museologische Proben. Bitte auf den einstellbaren Zeitraum (links oben) achten.
Samstag, 18. Dezember 2010
Was ist ein Museum (Teil 10). Was bisher geschah und: Triumphzug mit Einspruch
Raffael: Kopf einer Muse. Studie zum Fresko "Parnass" in den Stanzen des Vatikan |
Jede Frage was denn ein Museum ist, zieht eine zweite Frage mit sich, nämlich welches denn das erste gewesen sein könnte. In diesem Sinn habe ich mit einer sicheren und einer unsicheren Antwort begonnen. In "Das neuntälteste Museum der Welt" (Teil 1) behauptete ein Museum das neuntälteste zu sein, und damit zu wissen was das älteste und was überhaupt ein Museum sei.
Die Fortsetzung im Teil 2 listete verschiedene Antworten auf diese Frage auf, die durch ihre Verschiedenartigkeit das Problem eher verwirrten und verschärften. Und im dritten Teil, "Je näher man ein Wort ansieht, desto ferner sieht es zurück", wurde über die Unsicherheit, ja den Streit über die Benennung eines Hauses für die königliche Kunstsammlung in Berlin erzählt. Soll das, kann das 'Museum' heißen. Und wenn ja, warum?
Die Entscheidung war folgenreich, denn sie hat dazu beigetragen, daß 'Museum' das gebräuchliche Wort wurde, aber sie war alles andere als sicher untermauert.
Im vierten Teil bin ich einer Spur gefolgt, die die Debatte um das Berliner Museum legt: die der Herkunft des Wortes Museum. Diese Zeitreise bestätigte die Skrupel, die die Gelehrten in Berlin hatten; tatsächlich, so etwas wie ein Haus, in dem auf Dauer Gegenstände ausschließlich zum Zweck des Betrachtens bewahrt und ausgestellt werden, das gab es in der Antike nicht. Museion war der Versammlungsort der Musen, aber die Musen 'sammelten' nicht, sie sangen und tanzten.
Dennoch spinnt sich ein geistesgeschichtlicher Faden vom 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung (der ersten schriftlichen Erwähnung der Musen) bis in die Neuzeit herauf. Die Idee einer Art von kollektivem, gesellschaftlichem Gedächtnis (in der Antike: die gattungsgeschichtlichen Erzählungen des Mythos) einerseits und ein medientheoretischer und -kritischer Aspekt andrerseits. Denn in der Geschichte der Musen und ihres Aufenthaltsortes, dem Museion, spiegelt sich der zivilisatorische Bruch von lebendem und technischen Gedächtnis. Was nur mündlich überlieferbar war, wurde durch die Aufzeichnungsmedien Bild und Schrift dauerhaft, 'monumental, tendenziell unzerstörbar.
Die Dialektik von lebendem, aber kurzlebigem und schwankendem Erinnern und dinglicher, festgeschriebener Erinnerung, die das das lebende Gedächtnis bedroht, ist schon Stoff der antiken Philosophie selbst.
Das wird aber auch eine Hypothek für die Idee des Museums der Moderne werden. Die Dinge aufzubewahren und damit - nur vermeintlich - deren - Gedächtnis schon aktualisiert zu haben. An diesem Widerspruch wird sich die Kritik am Museum, namentlich die der künstlerischen Avantgarden, immer und immer wieder entzünden.
Vorerst waren aber das Museion und die Musen selbst vom Vergessen bedroht. Das christliche Mittelalter sah mit sehr raren Ausnahmen keinen Grund die 'heidnischen Götter' am Leben zu halten und erst die Rückwendung zu den antiken Überlieferungen in der mediterranen Renaissance des 15. und 16. Jahrhunderts ließ die Idee des Museion wieder aufleben. Und zwar als Ort der gelehrten Studien, als Ort der Sammlung, als Ort der beides beschützenden Musen, die zu diesem Zweck als Bilder oder Statuen (in Villen oder Parks) heraufgerufen wurden. Dem war der 5. Teil, "Die Wiederkehr der Musen", gewidmet.
Diese Entwicklung führt aber nicht zur privilegierten Verwendung des Wortes 'Museum'. Für die diversen Weisen des Sammelns und Ausstellens seit dem 16. Jahrhundert, gibt es viele Namen, Museum ist darunter (erstmals um 1550), aber einer unter vielen, und einer mit vielerlei Bedeutungen. Der Bedeutungsvielfalt und dem Bedeutungswandel von 'Museum' in der Neuzeit war der 6. Teil gewidmet, der bereist auf eine Entscheidung für den Gebrauch des Wortes vorbereitete. Nämlich der Schaffung mehrerer, für unterschiedliche Wissensbereiche zuständiger Museen in der Französischen Revolution und die Preisgabe einer Idee eines universalen Wissens- und Bildungsortes. Bis dahin waren beide unter dem Begriff Museum transportierten Optionen offen gewesen.
Der Louvre. Als 'Musée Napoleon' auch ein Ort der 'Trophäen', der im militärisch eroberten Ausland erbeuteten Kunstgüter. |
Zugänglichkeit für jedermann ist also kein Ziel des Museums, sondern Bedingung, daß die zivilisierende Aufgabe des Museums wahrgenommen werden kann.
Nach einem 8. Teil zur sofort einsetzenden 'Globalisierung' der Museumsidee und der Vorbildlichkeit des Französischen Modells, das im Schlepptau der französischen Armee in vielen europäischen Städten angesiedelt wird, habe ich dann im 9. Teil diesen zentralen Punkt der modernen Idee des Museums präzisiert - den Übergang von der Nutzung von Sammlungen und Ausstellungen als Vergünstigung (bis dahin sind mit raren Ausnahmen alle diese Praktiken privater Verfügungsgewalt) zum Museum, zu dessen Nutzung ein verbrieftes Recht besteht. Das transformiert den Sinn der Institution fundamental und macht das Museum, wie seine Architektur, seine städtebauliche Situation und der mediale Diskurs, in den es einbezogen ist, zeigen, zu einem Schlüsselphänomen der Moderne.
Von hier aus könnten wir also den Triumphzug einer Idee beschreiben, so wie es George Bazin in seiner Museumsgeschichte gemacht hat, der vom 19. Jahrhundert als dem Goldenen Zeitalter des Museums spricht. Aber es lohnt sich, auf etwas einzugehen, worüber dieser Triumphzug hinweggerollt ist: die essentielle Kritik die das Museum bereits im Moment seines Entstehens begleitet.
Das ist mein nächstes Thema - demnächst....
Freitag, 17. Dezember 2010
Abonnieren
Posts (Atom)