Mir ist es einmal passiert, daß ein Teilnehmer an einem Seminar die gemeinsame Lektüre eines Texte schroff mit dem Hinweis zurückwies, der sei ja schon fast zehn Jahre alt.
Der Text, den ich gerne in Erinnerung bringen möchte (und der, soweit ich sehe, in der museologischen Debatte, selten auftaucht), ist schon dreißig Jahre alt.
Das Buch von Walter Grasskamp, einem Kunsthistoriker mit journalistischer Berufserfahrung, Museumsgründer und Museumsstürmer, nennt sich im Untertitel eine Sozialgeschichte des Kunstmuseums. (München 1981).
Das Buch ist aber als Kritik der herrschenden (bundesrepublikanischen) Kulturpolitik weit umfassender angelegt und in dieser Hinsicht auch partiell überholt. Auch museologisch hat sich seither unglaublich viel entwickelt und manches, was nicht ganz fugenlos argumentiert ist, läßt sich heute deshalb präziser und differenzierter formulieren.
Das Buch hat auch keine geschlossene 'Erzählung', sondern besteht aus einem Kaleidoskop untereinander verbundener Kapitel, setzt mit museumsgeschichtlichen Ausführunge ein, widmet sich einer - breit verstandenen - Kunst- und Kulturvermittlung, kommt auf eine damals virulente Debatte einer nationalen Kunstgalerie zu sprechen, auf die Dialektik von Hauptstadt und Provinz sowie auf die "kulturelle Verelendung".
Sicher, der Vorbehalt, das Buch sei ja dreißig Jahre alt, trifft so manche seiner Passagen, aber das Programmatische an ihm und viele Themen sind so wenig erledigt, wie nur etwas. Trotz einer wachsenden museumsgeschichtlichen Forschung mangelt es noch immer eklatant an einer geschichtsbewussten und - wie bei Grasskamp - kulturpolitisch und soziologisch kontextualisierten Museumsdebatte. So reich an Themen, Motiven und Fragen eine rasant bommende Museologie auch ist, es ist eine über weite Strecken geschichtsvergessene Disziplin, erstaunlich angesichts der strukturellen und immanenten Historizität der Institution.
Grasskamp beklagte in der Einleitung zu seinem Buch etwas, was heute so aktuell ist wie je - daß die Museumsverantwortlichen den tiefgreifenden Wandel der Institution nicht beschreiben könnten, weil sie nicht die "Geschichtlichkeit ihrer Institution und ihrer Aufgaben" begriffen. "Ein erstaunlicher Mangel" bei einer institution, "die der Vermittlung von Geschichtsbewußtsein dienen sollte." (...) "Dabei verdiente die Geschichte der Institution durchaus mehr Interesse als die Sammlungen."
In den Kapiteln, in denen die Transformation der fürstlichen Sammlungen in das bürgerliche Museum beschrieben werden, finden sich, trotz einfacher Linienführung der Argumentation, bis heute standhaltende Beobachtungen. Grasskamp hat damit ein Fundament einer (deutschsprachigen) Museumshistoriografie und -soziologie gelegt, deren Anregungen entweder so gut wie nie mehr aufgegriffen oder als fragmentierte Teilprobleme in disziplinärer Arbeitsteilung um ihre Brisanz gebracht wurden. So wie etwa in der Besucherforschung kaum noch ein Bewußtsein von der öffentlichen Funktion von Museen vorhanden ist, um nur ein Beispiel zu nennen.
Man versteht Museen nicht nur nicht ohne deren Geschichte, man kann auch schwer Transformationen ihrer Funktionen und Bedeutungen analysieren, ohne die Geschichtelichkeit der Probleme anzuerkennen. Vor allem aber kann man kaum eine Idee eines wünschbaren und künftigen Museums, es sei denn eine vollkommen dezisionistisch, entwickeln, wenn man sich nicht der Ideen- und Sozialgeschichte des Museums stellt.
Museen "verdanken ihre Existenz der Tendenz aller Systeme, sich selbst am Leben zu erhalten. Sie haben sich längst als Bürokratien verselbständigt und die Zwecke ihrer Arbeit zu bloßen Mitteln ihres Fortbestehens pervertiert." (Bazon Brock)
Möglich daß der Autor selbst auf das vor so langen Jahren und in einem scheinbar 'fernen' kulturpolitischen Umfeld entstandene Buch nur noch freundlich-skeptisch zurückblickt. Als Kompendium, das das museologische Geschichtsbewußtsein stärkt ist es unbedingt immer noch lesens- und empfehlenswert.
Sonntag, 29. August 2010
Freitag, 27. August 2010
Sommerakademie 2010
Einige Bemerkungen zur Sommerakademie haben mich veranlasst, Julia Debelts, freie Ausstellungsmacherin und Teilnehmerin, zu bitten, ausführlicher über Ihre Erfahrungen mit der diesjährigen Sommerakademie zu schreiben:
Die Ankündigung der Sommerakademie liest sich interessant. Ich stelle mir vor, sie behandelt das Verhältnis von Museum und Text mal grundlegender als gewöhnlich, also ohne Grammatik und Hierarchie, Zeilenlänge und Lesehöhe. Keine Schreibwerkstatt, steht in der Ankündigung. Das könnte heißen: a) keine Schreibwerkstatt à la Drosendorf und b) dass keine Museumstexte um-, neu oder besser geschrieben werden. Gut so.
Die Fotos sehen vielversprechend aus, Sommer, gutes Wetter, ein bisschen Schloss, Liegestühle, gruppenorientiertes Arbeiten. Auch das Programm klingt gut, interessante Leute, interessante Museen, über das Projekt wissen&museum wollte ich immer schon mal mehr wissen. Ich vermute, dass sich hauptsächlich am Diskurs interessierte Praktiker und ein paar zurzeit Promovierende anmelden werden. Beim Stöbern in den Ankündigungen und Programmen der vorhergehenden Sommerakademien entdeckte ich das Veranstaltungsschema wieder, oft auch die gleichen Referenten, die Generalthemen sind grundsätzlich ähnlich. Hat sich also wohl in dieser Form bewährt.
Die Sommerakademie ist immer auch ein bisschen wie Urlaub, hast du gesagt. Immerhin liegt sie am Rande des Hochsommers, unglücklicherweise aber ohne Abstimmung mit den niedersächsischen Sommerferien. An deren Ende sind nämlich gerade alle aus den Urlauben zurück und fangen das Arbeiten wieder an; ein paar EU-Abrechnungstermine-Termine liegen außerdem im September, so dass im August hektisches Berichte-Schreiben und Abrechnen ansteht, auch bei uns. Ich reiche meinen Antrag auf freie Tage für den Sommerakademie-Besuch in der Agentur ein, stehe dem aber gleichzeitig sehr skeptisch gegenüber, eine ganze Woche raus…, aber die anderen sagen, das machen wir schon, fahr du nur. Also fahre ich.
Nachher
Mit Urlaub hatte das wenig zu tun, denke ich nach der Sommerakademie. Das ist einerseits ein persönliches Problem, weil ich Urlaub mit Entspannung und nicht mit der eigentlichen Definition des Wortes, mit berechtigtem Fernbleiben vom Arbeitsplatz gleich setze; außerdem war es kein Versprechen der Ankündigung. Andererseits las sich das Programm in der Vorankündigung weniger dicht als es tatsächlich war. Vielleicht habe ich in der einen Woche Arbeitszeit zwischen meinem Sommerurlaub und der Sommerakademie auch nur zu viele Nachtschichten gemacht, aber mir fehlte zwischendrin mehr Raum für mich. Auch zum Sacken-Lassen und Verdauen. Viel Transfer passiert normalerweise auch in den Gesprächen im abendlichen Nachgang, - das ging aber nicht, denn da stand Arbeitsgruppenarbeit auf dem Programm, die andrerseits auch wieder viel Spaß gemacht hat.
Erwartet habe ich eine stärkere Konzentration auf das Thema Text. Die Referenten haben sehr stark mit der Frage nach den grundlegenden Texturen gearbeitet, ich hatte die Ausschreibung aber stärker als Frage nach dem Text bzw. der Rolle des Textes in der Textur (einer Ausstellung, nicht eines Konzeptes Museum) verstanden. Das war zwar in den Beiträgen immer wieder auch Gegenstand, insgesamt war die Akademie aber eher aus einem deduktiven, museologischen Fokus heraus angelegt, was sich bei mir manchmal damit biss, dass ich eher die handfest-konkret-praktischen Themen zum Abarbeiten erwartet habe.
Gut im Sinne von erwartungskonform fand ich z. B. die Exkursion und Fragen wie Was macht Text mit den Ausstellungen? (vor allem bei Roswita Muttenthaler und bei dir). Was ich mir sonst so vorgestellt hatte an Fragen, wurde mir aber oft nicht explizit genug eingeholt, das schwang eher hintergründig mit, war nicht Leitfrage der Beiträge sondern eher so nebenbei. Wie die Frage nach Text als Objekt (auch bei Literaturausstellungen, aber vor allem auch bei objektreduzierten Ausstellungen, die stark über Textobjekte, wie Ursula Gillmann das nannte, funktionieren) und wie es sich verhält mit der Beziehung von Schauen und Lesen (Das hätte ich gerne von Heike Gfrereis noch vertiefter und deutlicher gehabt, fand ich dafür dann bei Ursula Gillmann am Rande, in diese Richtung ein paar Stunden weiter wäre wahrscheinlich viel von dem, was ich erwartete, aufgetaucht.) und überhaupt die Frage von Text und bzw. als Architektur, die irgendwie zu kurz kam, da wäre Till Velten vielleicht noch interessant geworden, das war halt schade, dass er krank wurde.
In der allmählichen Verdichtung beim Schreiben sehe ich, dass das, was ich erwartet hatte, zwar schon (mehr oder weniger deutlich) da war, ich es aber in der Veranstaltung nicht so richtig gemerkt habe. Ich hätte also benötigt, dass mich die erkenntnisleitende Grundströmung mehr in diese Richtung trägt. Ging das nur mir so? Im Verlauf der Sommerakademie hab‘ ich mit einzelnen TeilnehmerInnen gesprochen, von denen sich einzelne auch eher konkrete Textarbeit erwartet hatten; da finde ich dann schon, dass das in der Ausschreibung deutlich ausgeschlossen war. Am Ende war die Zufriedenheit und auch das Glücksgefühl, das man hat, wenn man spannende Fragen bewegt, bei mir (und in der Gruppe, soweit ich das gesehen habe) groß. Interessant fand ich die übrigens die Zusammensetzung der Gruppe, einfach nur, weil ich sie mir anders vorgestellt hatte.
Die besondere Qualität der Sommerakademie, das Anregende, die engagierte Diskussion auch mit den Referenten (was ja im Zwischenfeedback sogar als manchmal zu dominant kritisiert wurde, fand ich aber nicht) und das konzentrierte Arbeiten an einem museologischen Thema über einen längeren Zeitraum, was ja auch Luxus ist und vielleicht vor allem das Besondere ausmacht, versteckt sich in der Ausschreibung gut hinter eher trockenen Worten. Habe ich, wie angekündigt wurde, eine neue Stufe reflektierter Museumspraxis erreicht? Naja, das passt schon. Mindestens hab ich eine schöne Bescheinigung darüber bekommen.
Um abschließend auf deine Frage zurück zu kommen: War die Sommerakademie das, was ich erwartet habe?
Nein, gar nicht. Dazu hatte ich eine viel zu genaue Vorstellung davon, was ich gerne hören wollte. Das macht aber gar nichts. Wenn man sich immer alles so genau vorstellen könnte, wär das ziemlich langweilig.
Und ja, die Sommerakademie war genauso, wie ich sie mir vorgestellt hatte. In einer geschlossenen und konzentrierten Atmosphäre lustvoll über mehrere Tage an einem museologischen Thema zu arbeiten, ist einfach toll, anregend, inspirierend …
Donnerstag, 26. August 2010
National Treasure (In eigener Sache)
Der Film "National Treasure" (USA 2004), ein typischer Hollywood-Abenteuerfilm, hat mich wegen seines 'museologischen' Subtextes interessiert. Die Schatzsuche als zentraler Plot gilt hier nämlich nicht nur einem unermesslichen, legendären Schatz, sondern auch der Gründungsgeschichte der Vereingten Staaten Amerikas und der Idee der Demokratie, auf die eine Schatzkarte auf der Rückseite - ausgerechnet - der Unabhängigkeitserklärung hinweist...
Auszug aus dem Text, der nun erschienen ist. Gottfried Fliedl: Eine Frage der Französischen Revolution, beantwortet von Hollywood. Braucht Demokratie Museen?, in: Torsten Meyer, Adrenne Crommelin, Manuel Zahn (Hg,): Sujet Supposé Savoir. Berlin 2010.
"Wenn der Platz der Macht nie definitiv besetzt werden kann, dann heißt das, daß es in einer Demokratie eine permanente Krise der Repräsentation gibt, ein nicht lösbares Problem, das Gemeinsame stabil zu symbolisieren. Sichtbar wird das in einer besonders dramatischen Weise, dort, wo dieser Prozess der Etablierung von Nation und Demokratie gewaltförmig vor sich geht und das bis dahin den Staat symbolisierende „Ding“ beseitigt wird: in der Französischen Revolution wird der König als Bürger Capet auf das Schafott geschickt, aber mit dem physischen Leib wird auch der imaginäre des Königs zerstört und der Schnitt, der geführt wird, geht auch durch die geschichtlich-politische Kontinuität des sozialen Körpers.
Es ist alles andere als ein Zufall, daß parallel zu diesem Prozeß die Debatte um den Bildersturm sich zu einer Politik der Musealisierung wandelt und der Jahrestag der Erstürmung der Tuilerien zum Gründungsdatum des ersten (Louvre) von mehreren Museumsgründungen der Revolution wird. Es ist als ob der ‚Körper des Königs‘ durch einen ‚Corpus‘ der kulturellen Güter, durch die Sammlungen der Museen, Verkörperungen eigener Art, substituierbar wäre. Jedenfalls wird verständlich, warum ab da, das Museum topografisch, sozial und politisch buchstäblich ‚ins Zentrum‘ rückt. Ins Zentrum der Stadt, ins Zentrum der Nation. Ins Zentrum der Gesellschaft und des Prozesses der Vergesellschaftung.
Der Mangel an Visualisierbarkeit oder Repräsentierbarkeit sucht nach Kompensierung, nach einer ‚Sache‘, von der es scheint, als müssten wir sie stets begehren, um unser individuelles und kollektives Selbst zu garantieren.
Beide Objekte in National Treasure, der materielle Schatz und die Idee der Demokratie als ideeller Schatz (verdinglicht im Dokument), können als Common Objects verstanden werden, beide repräsentieren die Genealogie und (politisch-demokratische) Identität der Nation. Und so wie der Schatz gesucht und gefunden werden will, um eine Verpflichtung der Väter einzulösen, so muß auch die Gründungsidee der Nation ‚wiedergefunden‘ werden, in einer nie endenden Re-Lektüre, einer immer wieder erneuerten Erinnerung ihrer Bedeutung."
Auszug aus dem Text, der nun erschienen ist. Gottfried Fliedl: Eine Frage der Französischen Revolution, beantwortet von Hollywood. Braucht Demokratie Museen?, in: Torsten Meyer, Adrenne Crommelin, Manuel Zahn (Hg,): Sujet Supposé Savoir. Berlin 2010.
"Wenn der Platz der Macht nie definitiv besetzt werden kann, dann heißt das, daß es in einer Demokratie eine permanente Krise der Repräsentation gibt, ein nicht lösbares Problem, das Gemeinsame stabil zu symbolisieren. Sichtbar wird das in einer besonders dramatischen Weise, dort, wo dieser Prozess der Etablierung von Nation und Demokratie gewaltförmig vor sich geht und das bis dahin den Staat symbolisierende „Ding“ beseitigt wird: in der Französischen Revolution wird der König als Bürger Capet auf das Schafott geschickt, aber mit dem physischen Leib wird auch der imaginäre des Königs zerstört und der Schnitt, der geführt wird, geht auch durch die geschichtlich-politische Kontinuität des sozialen Körpers.
Es ist alles andere als ein Zufall, daß parallel zu diesem Prozeß die Debatte um den Bildersturm sich zu einer Politik der Musealisierung wandelt und der Jahrestag der Erstürmung der Tuilerien zum Gründungsdatum des ersten (Louvre) von mehreren Museumsgründungen der Revolution wird. Es ist als ob der ‚Körper des Königs‘ durch einen ‚Corpus‘ der kulturellen Güter, durch die Sammlungen der Museen, Verkörperungen eigener Art, substituierbar wäre. Jedenfalls wird verständlich, warum ab da, das Museum topografisch, sozial und politisch buchstäblich ‚ins Zentrum‘ rückt. Ins Zentrum der Stadt, ins Zentrum der Nation. Ins Zentrum der Gesellschaft und des Prozesses der Vergesellschaftung.
Der Mangel an Visualisierbarkeit oder Repräsentierbarkeit sucht nach Kompensierung, nach einer ‚Sache‘, von der es scheint, als müssten wir sie stets begehren, um unser individuelles und kollektives Selbst zu garantieren.
Beide Objekte in National Treasure, der materielle Schatz und die Idee der Demokratie als ideeller Schatz (verdinglicht im Dokument), können als Common Objects verstanden werden, beide repräsentieren die Genealogie und (politisch-demokratische) Identität der Nation. Und so wie der Schatz gesucht und gefunden werden will, um eine Verpflichtung der Väter einzulösen, so muß auch die Gründungsidee der Nation ‚wiedergefunden‘ werden, in einer nie endenden Re-Lektüre, einer immer wieder erneuerten Erinnerung ihrer Bedeutung."
Das Berliner Weltzentrum des Scheiterns
Einer der bislang schönsten Beiträge zur "Berliner Schlossdebatte": Vier Herren sitzen auf der "leeren Wiese als Monument des Möglichkeitsraums" (Zitat) mitten in Berlin und reden was das Zeug hält. Der Architekt Diébédo Francis Keré aus Burkina Faso, Arno Brandlhuber Professor für Architektur und Stadtforschung an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg und Benjamin Foerster-Baldenius, „darstellender Architekt“ und Mitbegründer des Berliner „Raumlabors.
Matthias Dell vom "Freitag" stellt Fragen, die fröhlich-salopp beantwortet werden. Befreunden mit dem Wiederufbau des Schlosses kann sich da niemand. Zum Trost gibts schräge Ansichten: "Ein Weltzentrum des Scheiterns etwa, das wäre Deutschland angemessen. Sich einzugestehen, dass Berlin einer der Orte ist, von dem die größten Misserfolge der Menschheit ausgegangen sind."
Der Freitag, 26. August 2010.
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Matthias Dell vom "Freitag" stellt Fragen, die fröhlich-salopp beantwortet werden. Befreunden mit dem Wiederufbau des Schlosses kann sich da niemand. Zum Trost gibts schräge Ansichten: "Ein Weltzentrum des Scheiterns etwa, das wäre Deutschland angemessen. Sich einzugestehen, dass Berlin einer der Orte ist, von dem die größten Misserfolge der Menschheit ausgegangen sind."
Der Freitag, 26. August 2010.
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Samstag, 21. August 2010
Apokalypse Now!?
Durch die Medien geistert seit Tagen eine Studie einer Unternehmensberaterfirma (Kearney), die das Verschwinden vieler Kultureinrichtungen, vor allem von Museen, vorhersagt. Die Rechnung ist einfach: prozentueller Rückgang der Zahlungen der öffentlichen Hand aufgerechnet mit erwartbarer Kostensteigerung + Feststellung eines nahezu gleichbleibenden Aufkommens aus Sponsoring = minus 10% Museen.
Meine Einschätzung ist, daß diese 'Studie' in die Reihe jener Beraterfirmen-Expertisen gehört, in denen genau jene Krankheit diagnostiziert wird, auf deren Heilung die Firma spezialisiert ist. Der Diagnose der Krise des Museums folgt das Angebot zu ihrer Behebung.
Und wie ausnahmslos immer ist der gute Rat solcher Firmen, die Ökonomisierung der Kultur weiter voranzutreiben. Kearny versteht dabei das Museum als Dienstleistungsbetrieb. Hat man dieses Bild vom Museum erst mal verfestigt, kann man ungeniert die Diversifiezierung des Angebots - ohne Rücksicht auf Ziele und Aufgaben des Museums und auf die Sinnhaftigkeit solcher Leistungen - nach Rentabilität suchen: Gastronomie, Einzelhandel, Veranstaltungsservice sind Gelegenheiten, dem Besucher mehr Geld abzunehmen, als nur einen Eintritt.
Als ob das nicht ohnehin schon versucht würde, als ob es nicht recht brauchbare Erfahrungen gäbe, zum Beispiel ab welcher Museums- und Shopgröße überhaupt Gewinne zu erzielen sind, als ob das guter Rat für die überwältigende Mehrzahl der Museen sei, die auf Grund ihrer kleinen Dimension und begrenzten Ressourcen zu solcher Erweiterung des Angebots gar nicht in der Lage sind.
Museen wären sehr schlecht beraten, wenn sie auf diesen Rat hörten. Als öffentlicher, wohlfahrtsstaatlicher Einrichtung muß auf der Finanzierung der öffentlichen Hand bestanden werden und es muß eine aktive und selbstbewußte Auseinandersetzung sowohl mit der staatlichen Zumutung zum sogenannten Sparen (das kein Sparen ist, sondern ein umschichten, ein Paradigmenwechsel in den politischen Zielen) als auch mit der Zumutung seltsamer Beratung stattfinden.
Museen sind dafür aber nicht besonders gut gerüstet, wenn sie selbst mehr und mehr dem Druck, der auf sie ausgeübt wird, dadurch zu entkommen, wenn sie Kriterien betrieblicher Effizienz und ökonomischer Bilanzierung selbst nach und nach ins Zentrum ihres Selbstverständnisses rücken.
Hier findet - nicht von außen erzwungen, sondern intern - ein schleichender Paradigmenwechsel statt, der ein tragendes Strukturelement des Museums betrifft: die staatliche treuhänderische Bereitstellung von Bildung, deren Mehrwert nicht in Geld gegengerechnet werden kann.
Meine Einschätzung ist, daß diese 'Studie' in die Reihe jener Beraterfirmen-Expertisen gehört, in denen genau jene Krankheit diagnostiziert wird, auf deren Heilung die Firma spezialisiert ist. Der Diagnose der Krise des Museums folgt das Angebot zu ihrer Behebung.
Und wie ausnahmslos immer ist der gute Rat solcher Firmen, die Ökonomisierung der Kultur weiter voranzutreiben. Kearny versteht dabei das Museum als Dienstleistungsbetrieb. Hat man dieses Bild vom Museum erst mal verfestigt, kann man ungeniert die Diversifiezierung des Angebots - ohne Rücksicht auf Ziele und Aufgaben des Museums und auf die Sinnhaftigkeit solcher Leistungen - nach Rentabilität suchen: Gastronomie, Einzelhandel, Veranstaltungsservice sind Gelegenheiten, dem Besucher mehr Geld abzunehmen, als nur einen Eintritt.
Als ob das nicht ohnehin schon versucht würde, als ob es nicht recht brauchbare Erfahrungen gäbe, zum Beispiel ab welcher Museums- und Shopgröße überhaupt Gewinne zu erzielen sind, als ob das guter Rat für die überwältigende Mehrzahl der Museen sei, die auf Grund ihrer kleinen Dimension und begrenzten Ressourcen zu solcher Erweiterung des Angebots gar nicht in der Lage sind.
Museen wären sehr schlecht beraten, wenn sie auf diesen Rat hörten. Als öffentlicher, wohlfahrtsstaatlicher Einrichtung muß auf der Finanzierung der öffentlichen Hand bestanden werden und es muß eine aktive und selbstbewußte Auseinandersetzung sowohl mit der staatlichen Zumutung zum sogenannten Sparen (das kein Sparen ist, sondern ein umschichten, ein Paradigmenwechsel in den politischen Zielen) als auch mit der Zumutung seltsamer Beratung stattfinden.
Museen sind dafür aber nicht besonders gut gerüstet, wenn sie selbst mehr und mehr dem Druck, der auf sie ausgeübt wird, dadurch zu entkommen, wenn sie Kriterien betrieblicher Effizienz und ökonomischer Bilanzierung selbst nach und nach ins Zentrum ihres Selbstverständnisses rücken.
Hier findet - nicht von außen erzwungen, sondern intern - ein schleichender Paradigmenwechsel statt, der ein tragendes Strukturelement des Museums betrifft: die staatliche treuhänderische Bereitstellung von Bildung, deren Mehrwert nicht in Geld gegengerechnet werden kann.
Donnerstag, 19. August 2010
Mission (impossible)
Wir haben Respekt vor allen Kulturen. Wir verschaffen allen Kulturen Respekt.
Wir sind ein lebendiges Museum, das mit vielfältigen Aktivitäten alle Sinne anspricht.
Wir bieten ein Forum für den partnerschaftlichen Austausch zwischen Menschen aller Kulturen.
Als Welt-Kultur-Archiv sammeln, bewahren und erschließen wir Zeugnisse aller Kulturen, um sie zugänglich zu machen.
Unsere Objekte in ihrer Qualität und Einzigartigkeit sind die unverzichtbare Grundlage unserer gesamten Arbeit.
Wie bieten wissenschaftlich fundierte, verständliche Informationen unter partnerschaftlicher Einbeziehung der Eigensicht der jeweiligen Kultur.
Mit einem qualitätvollen, attraktiven und breit gefächerten Ausstellungs- und Veranstaltungsangebot wenden wir uns an viele unterschiedliche Zielgruppen.
Bei unseren vielfältigen Aktivitäten fühlen wir uns dem Bezug zur Aktualität verpflichtet.
Der wirtschaftliche Einsatz und der Ausbau unserer Ressourcen sind wichtige Bestandteile unserer Arbeit.
Wir sorgen dafür, dass unsere Besucher sich bei uns wohl fühlen und die Nutzer unserer sonstigen Angebote mit uns zufrieden sind.
Text: Leitbild des Museums für Völkerkunde Hamburg (Webseite). Fotos von einem Besuch des Museums August 2010 (GF).
Mittwoch, 18. August 2010
Das Wissen der Mitarbeiter (Texte im Museum 93)
Das Gedächtnis des Herrn Holz. Intervention/Installation von Isi Kunath "A Strong Desire to See the World" im Völkerkundemuseum München, 2010
Das Bürgertum ist am Ende! Wo? In Hamburg!
Museumskrise? - Ein Nebelmeer |
Die heutige Ausgabe der WELT hilft uns, indem sie zunächst alarmistisch verlautbart: "In der Musterstadt des deutschen Bürgertums verliert die Kultur den Boden unter den Füßen."
Es gibt aber gleich Entwarnung, denn was da am Beispiel der Museumspolitik recherchiert wurde, entpuppt sich nach und nach weniger als Krise des Bürgertums, noch der Kulturpolitik, ja nicht einmal der Museumspolitik, sondern eher als eine Führungskrise der Kunsthalle. Hier aus Österreich neutral beobachtet gilt jede nur erdenkliche Unschuldsvermutung. Originell an dem Artikel - in Hinblick auf unsere bunte Sammlung "Krise ja oder nein" ist allein, daß hier nachdrücklich die Leitung eines Museums ins Visier gerät, die Ideen- und Visionenlosigkeit der am Museum Verantwortlichen. Das unterscheidet sich erheblich von der Einschätzung, die die Medien am Beginn der Auseinandersetzung der Hamburger Kunsthalle mit der Kulturbehörde hatten (hier dazu in diesem Blog). Wenngleich der Maßstab, den der Autor des Artikels, Hans-Joachim Müller anlegt, auch nicht grade viel zur Analyse beiträgt. Die leicht masochistische Kur empfiehlt jemanden, der imstande sein soll, das Bürgertum zur Kultur (zurück) zu treiben: "Wenn man sieht, mit welchem Erfolg der agile Max Hollein in Frankfurt seine Teams von einem Publikums- und Wissenschaftsereignis zum anderen treibt, dann sieht man zugleich, woran es Hamburg gebricht." Ja?
Montag, 16. August 2010
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