Der Wiener Rechtsanwalt Alfred Noll, der Mandanten gegen die Leopold-Stiftung vertritt und sich immer wieder in der Restitutionsdebatte mit ebenso interessanten wie grundsätzlichen und konstruktiven Beiträgen zu Wort gemeldet hat, sieht in der aktuellen Ausgabe von DIE ZEIT (der Artikel ist online) - wie andere auch -, die Chance auf eine Ende der Diskussion um das Leopold-Museum.
Der vom Sohn des kürzlich verstorbenen Sammlers angebotene Kompromiss, ein weiteres imkriminiertes Schiele bild zu versteigern und den Erlös zwischen Museum und Nachfahren der rechtmäßigen Besitzer zu teilen, bewertet Noll - anders als die Israelitische Kultusgemeinde -, als Chance.
Seiner Meinung nach würde die Konfrontation der beiden extrem entgegensetzten Positionen von Ausjudizierung einerseits und Verschleppung und Verweigerung von Ansprüchen andrerseit in der Regel zu einer Patt-Situation führen. Denn, so Noll, eine Tilgung der Verbrechen könne es letztlich nicht geben, sehr wohl aber eine Anerkennung einerseits der Interessen und Ansprüche der Geschädigten u n d der, durchaus nicht befriedigenden Rechtslage, die eher den Besitz beschützt als Ansprüche, mögen sie noch so berechtigt sein.
"So entschieden man sich also politisch und moralisch auf den Standpunkt stellen sollte, dass Gestohlenes an die Bestohlenen zurückzugeben ist, so offen sollte man dafür eintreten, dass heute jede Auseinandersetzung um Rückgabe und Entschädigung auf die tatsächliche Rechtsposition der gegenwärtigen Inhaber derartigen Diebesgutes Rücksicht zu nehmen hat. Wer diesen Grundsatz nicht achtet, hat nur die Wahl zwischen rechtsfernem, moralisierendem Protest oder historisch und politisch ignoranter Rechtsgläubigkeit. Beides ist der Sachlage nicht angemessen und führt nicht zu Versöhnung und Akzeptanz, sondern zu irrationaler Verhärtung, zu dauerhaftem Unverständnis und zu unwürdiger Herabsetzung einzelner Personen."
Deshalb ist das Aushandeln einer Regelung unter den Beteiligten eine Chance beide Positionen so weit es möglich ist, miteinender zu versöhnen und der "Entweder-Oder"-Dichotomie zu entkommen.
Noll: "Erst eine derartige, von selbstgewisser Souveränität und geschichtsbewusster Verhandlungsbereitschaft getragene Haltung lässt in den Opfern jenes Gefühl entstehen, das sie in diesem Land seit vielen Jahren vermissen müssen: das der Anerkennung."
Ich denke, daß sich die Verhandlungsbereitschaft nicht ausschließlich auf finanzielle und rechtliche Aspekte beschränken muß. Zeigt nicht gerade die einfache Entscheidung, das Bildnis Wally, ehe es nach Österreich zurückkehrt, im Museum of Jewish Heritage in New York auszustellen, zeigen nicht die Reaktionen, die das auslöst, daß auch mit den Möglichkeiten des Museums selbst Kompromisse gestaltet und die Anerkennung symbolisch vertieft werden kann?
Samstag, 31. Juli 2010
Freitag, 30. Juli 2010
Mikroausstellung "Gipfelsieg"
Donnerstag, 29. Juli 2010
Lazarisation (Museumsphysiognomien 8)
Der Zug der Tiere im Pariser Muséum d' Histoire naturelle gehört zu den einprägsamsten 'Bildern', die die jüngere Museumsgestaltung zu bieten hat. Es gab zwei wesentliche Inszenierungsformen der Fauna in Naturmuseen: die Aufstellung nach Spezies und Arten, der wissenschaftlichen Klassifikation folgend. Ein Beispiel sind bestimmte weitgehend original erhaltene Säle des Naturhistorischen Museums in Wien. Und eine ambientale Aufstellung, bei der die natürliche Umgebung der jeweiligen Tierarten simuliert wurde. Das konnte im kleinen Maßstab einer angedeuteten Szene ebenso geschehen wie in enorm aufwendigen und kunstfertigen Dioramen, für die die im New Yorker Naturmuseum das berühmteste Beispiel sind.
In Paris ging man einen dritten Weg (nicht zufällig war ein Filmregisseur Autor der Installation) und gruppierte die sorgfältig präparierten Tiere als Zug, der sich im großen Bogen durch die riesige, zentrale Halle des Museums bewegt. Alles was tapsen, schleichen, trampeln, kriechen, staksen kann, bewegt sich in eine Richtung. Die großen Tiere vorne (wie immer), die Elefanten.
Das Bild ist paradox, weil sie den toten Tieren Lebendigkeit zurückgibt, Bewegung, Aufbruch. Sie stehen uns nicht gegenüber als vitrinifizierte Exempla, sondern als vergesellschaftete Individuen, die gemeinsam eine Aufgabe haben.
Eine Aufgabe? Ja - jeder (jeder?) erkennt, daß es sich um das 'Bild', die 'Metapher' der Arche Noah handelt. Also um jene Tiere, die, zusammen mit dem Menschen, das Überleben der Gattung wie der Welt sicherten. In gewisser Weise beansprucht ja auch das Museum, so etwas zu sein. Ein Hort der Dinge, deren 'Überleben' gesichert wird, auf lange, unbestimmte (?) Dauer. Mit dem Museum der Moderne kommt dann - mit dem Begriff der 'Geschichte' und dem der 'Gattung Mensch' -, tatsächlich die Denkfigur dazu, daß alles Einzelne, Individuelle im Gattungszusammenhang gleichsam aufgehoben ist und bleibt, und sei es 'nur' als Erinnerung. Es mag untergehen, verschwinden, sterben, geopfert werden - immer bleibt es in das Ganze der Gattung eingeschrieben.
Das Bild der Arche Noah wird auf das Sammeln seit dem 16. Jahrhundert und später auf das Museum angewendet. Die Tradescants verstanden ihr Haus und ihre Tätigkeit ganz im Sinn des rettenden Tradierens und des Weitergebens, ganz praktisch, wenn es um exotische Pflanzen ging, die man in England erfolgreich ansiedelte und vermehrte.
Im modernen Museum fungiert das Bild der Arche, und so ist es wohl in Paris in erster Linie gemeint, als Metapher für das Museum als Ort der dauerhaften Bewahrung bis in die Zukunft hinein. Indes besitzt diese Vorstellung eine prekäre Ambivalenz. Denn generell kommen 'die Dinge' nur ins Museum, um den Preis ihres Funktions- und meistens auch des Bedeutungsverlustes (um dort mit anderen, neuen Bedeutungen ausgestattet zu werden). In diesem Sinn ist das Museum nicht nur Arche sondern Mausoleum, eine Grabstätte der toten Dinge, bzw. der Dinge, deren Tod die Bedingung für ihre 'Museumswürdigkeit' ist.
Nur wenige Schritte vom Muséum d' Histoire naturelle kann man einen alten und authentisch erhaltenen Teil des Museums besichtigen, die Galerie de paléontologie et d’anatomie comparée (hier, in diesem Blog), deren Versammlung der Skelette einem diese Tatsache unverblümt, vielleicht auch erschreckend zu Bewußtsein bringt. Auch das ist ein Zug, aber nun unzweideutig einer der toten oder gar der ausgestorbenen Lebewesen und sie bilden einen Leichenzug. Man kann den aber auch anders lesen, nämlich so, wie man eigentlich den neuen im Haupthaus lesen soll, nämlich als Galerie d' Evolution. Denn an der Spitze des Zuges befindet sich der Mensch, als, wie man so sagt, Krone der Schöpfung, mit dem Rücken zu den Totenwesen, die ihm folgen…
Das will uns das neue Bild im Haupthaus nicht zumuten. Wie in einem Wiedererweckunsakt, einer durch Wunder bewirkten lazarisation, kommen sie hier noch mal auf die Beine, all die Tiere, auch wenn sie überwiegend aus Plastik, Gips, Draht, Stoff bestehen und kaum noch aus - einst lebendiger - organischer Materie.
Ein wenig ist das auch eine Legitimation der Institution: wir bewahren - und deswegen sind wir auch ein 'lebendes Museum'. Eine schöne museologische Notlüge (weitverbreitet).
Nur. Wohin ziehen all diese Tiere? Nun, aus dem Museum raus.
Nur dort scheint es 'Überleben', wenn nicht 'Erlsösung' zu geben…
Mittwoch, 28. Juli 2010
Causeries du lundi
Und es gibt sie doch! Die ‚österreichische Museumskritik‘!
Man könnte ja manchmal verzweifeln, wie stark die Massenmedien auf einige wenige Modi der Museumsberichterstattung fixiert sind. Skandalisierung – sowieso. Personalisierung – ein Volkssport. Fixierung auf die Wiener Museen – eh klar. Verzicht auf gründliche Recherche und analytische Auseinandersetzung – im atemlosen Tagesgeschäft kaum anders denkbar.
Eine rühmliche Ausnahme war und ist die Stadtzeitung FALTER, wo Matthias Dusini nicht nur über Ereignisse berichtete oder Debatten nachzeichnete, sondern selbst welche anstieß. So z.B. bei der Benin-Ausstellung im Wiener Völkerkundemuseum, wo er seine Beiträge mit Einladung an diverse Experten zum Forum erweiterte und eine Diskussion intiierte.
Besonders vermissen ich und viele meiner Freunde, wie wenig Ausstellungskritik es gibt. Sie erschöpft sich meist im (Künstler)Biografischen oder in einer Art Nacherzählung, sehr selten werden mediale, performative und museologische Aspekte referiert. Davon hängt aber letztlich die Qualität von Ausstellungen ab. Noch mehr gilt das für Museen und ihre Dauerausstellungen. Bei Neugründungen von Museen kann man Wetten abschließen, daß überwiegend die Architektur berichtet wird, allenfalls über die Sammlung, aber kaum über das „wie“. Also über die Art und Weise, wie etwas gestaltet, erzählt wurde, mit welchem Ziel und welchen Interessen, an wen man sich adressiert und was daran mehr oder eben auch weniger gelungen erscheint.
Man muß nur mal den Stand der Filmkritik mit dem der Museumskritik vergleichen…
Erst kürzlich wurde ich auf Texte und Glossen aufmerksam, die sich kurzweilig und pfiffig ins Tagesgemenge einmischen und im essayistischen Zugriff auf strukturelle Fragen eingehen. Causeries du Lundi werden von Vitus H. Weh und Walter Fritz zu Ausflügen in die Kultur- und Museumswelt genutzt. Da geht’s schon auch mal gegen Personen. „Nun ist der stilbewusste Noever sicher kein Rechter, wohl eher eine Art Freigeistanarcho mit generations- und genderbedingtem Hang zu Kampfrhetorik, dem es gelingt, in seinen wechselnden kulturpolitischen Gegenübern die Sehnsucht nach dem wilden, ungestümen Künstler hervorzurufen.“ (M. Fritz) Aber eben nicht nur.
Da wird aus dem Stutzen vor einer ‚Selbstverständlichkeit‘ eine mäandernde, anregende Überlegung zum Museum. „Ist von einem Museum der Moderne oder einer Galerie der Gegenwart die Rede, so meint man damit nicht ein Haus für eine bestimmte Epoche, auch nicht eines für die aktuelle Ethik, Politik oder Alltagskultur einer Gesellschaft, und auch nicht für die neuesten Technikentwicklungen. Das alles wäre zwar nahe liegend, gemeint ist aber immer ein Haus für die bildende Kunst. Erstaunlicherweise werden die gegenwärtigen Zeugnisse der bildenden Kunst also pars pro toto für die ganze Gesellschaft gesetzt. Praktiziert wird diese übertragende Bedeutung bereits seit einigen Jahrzehnten und ich finde sie tatsächlich äußerst merkwürdig.“ (V. Weh)
Hier findet sich eine Auseinandersetzung mit einer reichlich spröden und unerquicklichen Diskussion zur ‚Museumsordnung‘ und zu einem no-go-Thema, das überhaupt nur hier auftaucht, Arbeits- und Entlohnungsverhältnisse an Kulturinstitutionen: „Punktuelle Einblicke. Verdienen im Museum“.
Am Beispiel des Folkwang Museums wird historisch vertieft über die Musealisierung der Moderne sinniert, oder mal ein überraschendes Lob auf Privatsammler angestimmt.
Causerie ist eine unterhaltsame, gebildete Plauderei in literarischer oder geselliger Gestalt. Das sagt Wikipedia. Die müssen Fritz & Weh meinen. Causeries du lundi sind indes eine Essay-Sammlung Charles-Augustin Sainte-Beuves (1804-1869). In 28 Bänden erschien die noch zu Lebzeiten des Autors. Sie brachte ihm eine Professur ein, die Ernennung zum Senator und bleibende Berühmtheit. Mögen die beiden Autoren mit ähnlichen Segnungen davonkommen!
Die Causeries sind ein fixer Bestandteil einer umfangreichen Webseite ARTMAGAZINE , wo sich nicht nur viele nützliche Nachrichten aus der Kunst-, Ausstellungs- und Museumswelt finden, sondern weitere kritische Stimmen, z.B. eben zur Wiedereröffnung der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf oder, weit weniger brav, zur Aktualität der Frage der Guerilla-Girls , „Do women have to be naked to get into the Met Museum?“ aus Anlass der Werbelinie der Kunsthalle Krems.
PS.: Übrigens - falls Sie einen aus Marmor gefertigten Hund aus dem späten 2. Jhd. n. Chr. brauchen und 218.400 Pfund haben, auch da hilft ARTMAGIZENE. Mit Sammlertipps.
Man könnte ja manchmal verzweifeln, wie stark die Massenmedien auf einige wenige Modi der Museumsberichterstattung fixiert sind. Skandalisierung – sowieso. Personalisierung – ein Volkssport. Fixierung auf die Wiener Museen – eh klar. Verzicht auf gründliche Recherche und analytische Auseinandersetzung – im atemlosen Tagesgeschäft kaum anders denkbar.
Eine rühmliche Ausnahme war und ist die Stadtzeitung FALTER, wo Matthias Dusini nicht nur über Ereignisse berichtete oder Debatten nachzeichnete, sondern selbst welche anstieß. So z.B. bei der Benin-Ausstellung im Wiener Völkerkundemuseum, wo er seine Beiträge mit Einladung an diverse Experten zum Forum erweiterte und eine Diskussion intiierte.
Besonders vermissen ich und viele meiner Freunde, wie wenig Ausstellungskritik es gibt. Sie erschöpft sich meist im (Künstler)Biografischen oder in einer Art Nacherzählung, sehr selten werden mediale, performative und museologische Aspekte referiert. Davon hängt aber letztlich die Qualität von Ausstellungen ab. Noch mehr gilt das für Museen und ihre Dauerausstellungen. Bei Neugründungen von Museen kann man Wetten abschließen, daß überwiegend die Architektur berichtet wird, allenfalls über die Sammlung, aber kaum über das „wie“. Also über die Art und Weise, wie etwas gestaltet, erzählt wurde, mit welchem Ziel und welchen Interessen, an wen man sich adressiert und was daran mehr oder eben auch weniger gelungen erscheint.
Man muß nur mal den Stand der Filmkritik mit dem der Museumskritik vergleichen…
Erst kürzlich wurde ich auf Texte und Glossen aufmerksam, die sich kurzweilig und pfiffig ins Tagesgemenge einmischen und im essayistischen Zugriff auf strukturelle Fragen eingehen. Causeries du Lundi werden von Vitus H. Weh und Walter Fritz zu Ausflügen in die Kultur- und Museumswelt genutzt. Da geht’s schon auch mal gegen Personen. „Nun ist der stilbewusste Noever sicher kein Rechter, wohl eher eine Art Freigeistanarcho mit generations- und genderbedingtem Hang zu Kampfrhetorik, dem es gelingt, in seinen wechselnden kulturpolitischen Gegenübern die Sehnsucht nach dem wilden, ungestümen Künstler hervorzurufen.“ (M. Fritz) Aber eben nicht nur.
Da wird aus dem Stutzen vor einer ‚Selbstverständlichkeit‘ eine mäandernde, anregende Überlegung zum Museum. „Ist von einem Museum der Moderne oder einer Galerie der Gegenwart die Rede, so meint man damit nicht ein Haus für eine bestimmte Epoche, auch nicht eines für die aktuelle Ethik, Politik oder Alltagskultur einer Gesellschaft, und auch nicht für die neuesten Technikentwicklungen. Das alles wäre zwar nahe liegend, gemeint ist aber immer ein Haus für die bildende Kunst. Erstaunlicherweise werden die gegenwärtigen Zeugnisse der bildenden Kunst also pars pro toto für die ganze Gesellschaft gesetzt. Praktiziert wird diese übertragende Bedeutung bereits seit einigen Jahrzehnten und ich finde sie tatsächlich äußerst merkwürdig.“ (V. Weh)
Hier findet sich eine Auseinandersetzung mit einer reichlich spröden und unerquicklichen Diskussion zur ‚Museumsordnung‘ und zu einem no-go-Thema, das überhaupt nur hier auftaucht, Arbeits- und Entlohnungsverhältnisse an Kulturinstitutionen: „Punktuelle Einblicke. Verdienen im Museum“.
Am Beispiel des Folkwang Museums wird historisch vertieft über die Musealisierung der Moderne sinniert, oder mal ein überraschendes Lob auf Privatsammler angestimmt.
Causerie ist eine unterhaltsame, gebildete Plauderei in literarischer oder geselliger Gestalt. Das sagt Wikipedia. Die müssen Fritz & Weh meinen. Causeries du lundi sind indes eine Essay-Sammlung Charles-Augustin Sainte-Beuves (1804-1869). In 28 Bänden erschien die noch zu Lebzeiten des Autors. Sie brachte ihm eine Professur ein, die Ernennung zum Senator und bleibende Berühmtheit. Mögen die beiden Autoren mit ähnlichen Segnungen davonkommen!
Die Causeries sind ein fixer Bestandteil einer umfangreichen Webseite ARTMAGAZINE , wo sich nicht nur viele nützliche Nachrichten aus der Kunst-, Ausstellungs- und Museumswelt finden, sondern weitere kritische Stimmen, z.B. eben zur Wiedereröffnung der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf oder, weit weniger brav, zur Aktualität der Frage der Guerilla-Girls , „Do women have to be naked to get into the Met Museum?“ aus Anlass der Werbelinie der Kunsthalle Krems.
PS.: Übrigens - falls Sie einen aus Marmor gefertigten Hund aus dem späten 2. Jhd. n. Chr. brauchen und 218.400 Pfund haben, auch da hilft ARTMAGIZENE. Mit Sammlertipps.
Dienstag, 27. Juli 2010
Conciergerie - Ort zweier Gedächtnisse
Vermutlich verirren sich nur wenige Pariser Museumstouristen hierher: in die Conciergerie, eine unübersichtliche Raumflucht im Palais de la Cite an der Seine. Hier befinden sich - ansehnliche - Reste der Königsburg des 14. Jahrhunderts und einer der ersten Eindrücke nach dem Betreten dieses 'Museums', das eher ein Gedächtnisort ist, ist eine riesige, eindrucksvolle mittelalterliche Pfeilerhalle - Salle des Gens d'Armes.
1391 wurde hier ein Gefängnis eingerichtet (was es bis 1914 blieb), und die Conciergerie erlangte eine spezielle Berühmtheit, als in der Französischen Revolution hier das Revolutionstribunal tagte und die zum Tode verurteilten in den Gefängniszellen festgehalten wurden - 'Vorzimmer der Guillotine' nannte man sie.
Marie Antoinette verbrachte hier die Zeit vor Ihrer Hinrichtung und so wurde der Ort zu einer der königstreuen Verehrung. Wie in Meyerling das Zimmer des Selbstmordes abgebrochen und durch eine Kapelle ersetzt wurde, so scheint man auch hier in einer Löschung aller materiellen Spuren den einzigen Ausweg aus einer nachhallenden Traumatisierung gesehen zu haben. An der Stelle der Gefängniszelle Marie Antoinettes wurde eine Kapelle errichtet, ein Gedächtnisort der königlichen Familie und des Königtums überhaupt.
Nur durch verwinkelte Treppen und Zimmer getrennt gibt es hier indes auch die Erinnerung an die Revolution und Revolutionäre, vor allem an die, die ebenfalls hier als Verurteilte auf ihre Guillotinierung warteten, wie z.B. Georges Danton.
Auf merkwürdige Weise durchkreuzen sich hier zwei Erinnerungsmilieus, zwei ideologisierte Erinnerungsströme, dies zudem in den verschiedenartigsten Modi der Musealisierung. Marie Antoinettes Zelle ist zum Verschwinden gebracht, eindrucksvolle Porträts der Revolutionäre lassen die zentralen Persönlichkeiten der Revolution in einem ganz anderen Authentizitätsgrad erscheinen, während die tatsächlich einigermaßen originalen Zellen, wie in einem Panoptikum mit Figurinen und 'Ausstattung' wie in eine cinematografische Illusionistik getauchen werden.
Weltgeschichte kommt auf einen hier als Panoptikum, Dokumentation, lieu de memoire, Leerstelle, 'Museum' zu, in ebenso verdichteter wie labyrinthischer Form. Nationales Gedächtnis als Palimpsest miteinander verklebter Seiten…und die gegnerischen Parteien wie in in einem Remix, versöhnt-unversöhnt, unentschieden in ihrer verqueren Nachbarschaft.
1391 wurde hier ein Gefängnis eingerichtet (was es bis 1914 blieb), und die Conciergerie erlangte eine spezielle Berühmtheit, als in der Französischen Revolution hier das Revolutionstribunal tagte und die zum Tode verurteilten in den Gefängniszellen festgehalten wurden - 'Vorzimmer der Guillotine' nannte man sie.
Marie Antoinette verbrachte hier die Zeit vor Ihrer Hinrichtung und so wurde der Ort zu einer der königstreuen Verehrung. Wie in Meyerling das Zimmer des Selbstmordes abgebrochen und durch eine Kapelle ersetzt wurde, so scheint man auch hier in einer Löschung aller materiellen Spuren den einzigen Ausweg aus einer nachhallenden Traumatisierung gesehen zu haben. An der Stelle der Gefängniszelle Marie Antoinettes wurde eine Kapelle errichtet, ein Gedächtnisort der königlichen Familie und des Königtums überhaupt.
Nur durch verwinkelte Treppen und Zimmer getrennt gibt es hier indes auch die Erinnerung an die Revolution und Revolutionäre, vor allem an die, die ebenfalls hier als Verurteilte auf ihre Guillotinierung warteten, wie z.B. Georges Danton.
Auf merkwürdige Weise durchkreuzen sich hier zwei Erinnerungsmilieus, zwei ideologisierte Erinnerungsströme, dies zudem in den verschiedenartigsten Modi der Musealisierung. Marie Antoinettes Zelle ist zum Verschwinden gebracht, eindrucksvolle Porträts der Revolutionäre lassen die zentralen Persönlichkeiten der Revolution in einem ganz anderen Authentizitätsgrad erscheinen, während die tatsächlich einigermaßen originalen Zellen, wie in einem Panoptikum mit Figurinen und 'Ausstattung' wie in eine cinematografische Illusionistik getauchen werden.
Weltgeschichte kommt auf einen hier als Panoptikum, Dokumentation, lieu de memoire, Leerstelle, 'Museum' zu, in ebenso verdichteter wie labyrinthischer Form. Nationales Gedächtnis als Palimpsest miteinander verklebter Seiten…und die gegnerischen Parteien wie in in einem Remix, versöhnt-unversöhnt, unentschieden in ihrer verqueren Nachbarschaft.
Sonntag, 25. Juli 2010
Orientalische Pracht in Zeiten der Islamophobie (Dresdner Fragmente 2)
"Orientalische Pracht".
Die wohl meistverwendete Formel in den Reaktionen der Tagespresse auf die Eröffnung der Türckischen Cammer
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hofft mit der neuen Ausstellung auf intensivere Beziehungen zur Türkei. „Ich bin sicher, dass dank der Türckischen Cammer neue Kontakte zwischen Sachsen und der Türkei geknüpft werden, die über die Kultur hinausgehen“, sagte er. Die
sächsische Kunstministerin Sabine von Schorlemer(parteilos) nannte die Schau „ein Zeichen von Weltoffenheit Dresdens und Sachsens“.
Dresden hatte im letzten Jahr mehrfach unter einem negatives Presseecho zu leiden, nicht zuletzt wegen dem rassitsiche und islamfeindlichen Mord an der Muslima Marwa El-Sherbini im Dresdener Landgericht durch einen deutschen Spätaussiedler.
Die neue Ausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen ist mit ihren rund 600 Stücken des 15.bis 19. Jahrhunderts auf 750 Quadratmetern die umfangreichste Sammlung osmanischer Kunst Deutschlands. Sie soll auch Einblicke in historische deutsch-türkische Verbindungen bieten.
islam.de 25.07.2010 http://islam.de/15446.php
Die Eröffnung der "Türckischen Cammer" vollzieht sich in der Logik der Entwicklung der Dresdner Staatlichen Museen: so weit es möglich ist, die barocken Sammlungen in ihrer ursprünglichen Zusammengehörigkeit und Identität zu rekonstruieren. Daß das museologisch gesehen ein 'Rückschritt' ist, hinter moderne Möglichkeiten musealer Präsentation und Neudeutung, wird in Kauf genommen und ist angesichts des Überlieferungsstatus mancher Sammlungen plausibel wie wegen der Fülle historisch und ästhetisch hochwertiger Objekte verständlich. Daß der inzwischen komplett veränderte Kontext, in dem diese Sammlungen gezeigt und gesehen werden, nicht vernachlässigbar ist, zeigt sich an der "Türckischen Cammer".
Abb.: v.l.n.r.: Martin Roth, Generaldirektor Dresdner Staatliche Museen, der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle und der Chef des Gruenen Gewölbes, Dirk Syndram.
In diesem Sinn sprach mit einer aufwändigen Campagne potentielle Besucher an, mit, wie das heute so dezent heißt', 'Migrationshintergrund'. Und einer Tageszeitung entnehme ich, daß jemand 4,5 Millionen mit Ausstellungswerbung bedruckte Döner-Tüten herstellen ließ.
Was man zu sehen bekommt, ist eine Sammlung, Teil der Rüstkammer, deren früheste Stücke aus dem 16. Jahrhundert stammen, eine Sammlung, von der man betont, daß sie überwiegend durch Schenkung und Kauf und kaum durch Beutemachen zusammenkam.
Daß man einerseits den alten Begriff "Türkische Cammer" als offizielle Benennung wählte, was schon durch die Schreibweise auf historische Distanz verweist, andrerseits Döner-Tüten drucken lässt, um den Anschein zu erwecken, es ginge hier auch um multikulturelles Engagement, lässt den Spagat sichtbar werden, den man hier macht.
In schwarzen Räumen inszenierte, durch Lichtregie auratisch aufgeladene und übercodierte Objekte mit karger Beschriftung vermitteln zuallererst eins: eine fürstliche Prunksammlung, die der Repräsentation der Macht diente. Nicht nur die Stücke, die aus den Türkenkriegen, z.B. der Belagerung Wiens stammen, vermitteln das, sondern auch die Souveränität, mit der man nach der endgültigen Überwindung der 'Türkengefahr' die Kultur der Osmanen assimilieren konnte.
Wenn man durch die (wenige Räume umfassende) Sammlung geht, ist man hin- und hergerissen zwischen der Bewunderung der Dinge (die durch die Inszenierung forciert wird) und dem Befremden über die Anmutung, sie auch als dialektische Auseinandersetzung und Anerkennung des 'Anderen' gebrauchen zu sollen. Ohne den anderen einzubeziehen, in welcher Form auch immer (ich meine nicht die buchstäbliche Partizipation, sondern z.B. osmanische Sichtweisen auf die Europäer), geht das nun mal nicht.
Auch das was man Türkenmode nennt (hier ein Video mit einem kurzen Statement des Leiters, Dirk Syndram), ist Mimesis des Feindes, aber hier immer nur denkbar und vorausgesetzt als besiegter.
Die rekonstruktive Haltung scheint nicht zuzulassen, die Geschlossenheit des Ensembles und seiner Präsentation mit Verweisen auf die Geschichtlichkeit der Musealisierung zu 'stören'. Die kriegsbedingte Auslagerung und der folgende 'Beutestatus' - die Verlagerung in die Sowjetunion und die Rückgabe Ende der 50er-Jahre - werden, wenn ich es nicht übersehen habe, nicht thematisiert. Über die Kosten und den Aufwand der auch dadurch bedingten Restaurierung spricht man wie von einer selbstverständlich den 'Dingen geschuldeten' Sorg- und Aufmerksamkeit; aber wie das ganze Projekt, tendiert auch das Kolportieren solchen finanziellen, technischen und handwerklichen Aufwandes dazu, das was sich 'dahinter' befindet unsichtbar zu machen.
Staunen? ja, gerne! Aber Blindmachen? Nein danke.
Samstag, 24. Juli 2010
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