Und es gibt sie doch! Die ‚österreichische Museumskritik‘!
Man könnte ja manchmal verzweifeln, wie stark die Massenmedien auf einige wenige Modi der Museumsberichterstattung fixiert sind. Skandalisierung – sowieso. Personalisierung – ein Volkssport. Fixierung auf die Wiener Museen – eh klar. Verzicht auf gründliche Recherche und analytische Auseinandersetzung – im atemlosen Tagesgeschäft kaum anders denkbar.
Eine rühmliche Ausnahme war und ist die Stadtzeitung FALTER, wo Matthias Dusini nicht nur über Ereignisse berichtete oder Debatten nachzeichnete, sondern selbst welche anstieß. So z.B. bei der Benin-Ausstellung im Wiener Völkerkundemuseum, wo er seine Beiträge mit Einladung an diverse Experten zum Forum erweiterte und eine Diskussion intiierte.
Besonders vermissen ich und viele meiner Freunde, wie wenig Ausstellungskritik es gibt. Sie erschöpft sich meist im (Künstler)Biografischen oder in einer Art Nacherzählung, sehr selten werden mediale, performative und museologische Aspekte referiert. Davon hängt aber letztlich die Qualität von Ausstellungen ab. Noch mehr gilt das für Museen und ihre Dauerausstellungen. Bei Neugründungen von Museen kann man Wetten abschließen, daß überwiegend die Architektur berichtet wird, allenfalls über die Sammlung, aber kaum über das „wie“. Also über die Art und Weise, wie etwas gestaltet, erzählt wurde, mit welchem Ziel und welchen Interessen, an wen man sich adressiert und was daran mehr oder eben auch weniger gelungen erscheint.
Man muß nur mal den Stand der Filmkritik mit dem der Museumskritik vergleichen…
Erst kürzlich wurde ich auf Texte und Glossen aufmerksam, die sich kurzweilig und pfiffig ins Tagesgemenge einmischen und im essayistischen Zugriff auf strukturelle Fragen eingehen. Causeries du Lundi werden von Vitus H. Weh und Walter Fritz zu Ausflügen in die Kultur- und Museumswelt genutzt. Da geht’s schon auch mal gegen Personen. „Nun ist der stilbewusste Noever sicher kein Rechter, wohl eher eine Art Freigeistanarcho mit generations- und genderbedingtem Hang zu Kampfrhetorik, dem es gelingt, in seinen wechselnden kulturpolitischen Gegenübern die Sehnsucht nach dem wilden, ungestümen Künstler hervorzurufen.“ (M. Fritz) Aber eben nicht nur.
Da wird aus dem Stutzen vor einer ‚Selbstverständlichkeit‘ eine mäandernde, anregende Überlegung zum Museum. „Ist von einem Museum der Moderne oder einer Galerie der Gegenwart die Rede, so meint man damit nicht ein Haus für eine bestimmte Epoche, auch nicht eines für die aktuelle Ethik, Politik oder Alltagskultur einer Gesellschaft, und auch nicht für die neuesten Technikentwicklungen. Das alles wäre zwar nahe liegend, gemeint ist aber immer ein Haus für die bildende Kunst. Erstaunlicherweise werden die gegenwärtigen Zeugnisse der bildenden Kunst also pars pro toto für die ganze Gesellschaft gesetzt. Praktiziert wird diese übertragende Bedeutung bereits seit einigen Jahrzehnten und ich finde sie tatsächlich äußerst merkwürdig.“ (V. Weh)
Hier findet sich eine Auseinandersetzung mit einer reichlich spröden und unerquicklichen Diskussion zur ‚Museumsordnung‘ und zu einem no-go-Thema, das überhaupt nur hier auftaucht, Arbeits- und Entlohnungsverhältnisse an Kulturinstitutionen: „Punktuelle Einblicke. Verdienen im Museum“.
Am Beispiel des Folkwang Museums wird historisch vertieft über die Musealisierung der Moderne sinniert, oder mal ein überraschendes Lob auf Privatsammler angestimmt.
Causerie ist eine unterhaltsame, gebildete Plauderei in literarischer oder geselliger Gestalt. Das sagt Wikipedia. Die müssen Fritz & Weh meinen. Causeries du lundi sind indes eine Essay-Sammlung Charles-Augustin Sainte-Beuves (1804-1869). In 28 Bänden erschien die noch zu Lebzeiten des Autors. Sie brachte ihm eine Professur ein, die Ernennung zum Senator und bleibende Berühmtheit. Mögen die beiden Autoren mit ähnlichen Segnungen davonkommen!
Die Causeries sind ein fixer Bestandteil einer umfangreichen Webseite ARTMAGAZINE , wo sich nicht nur viele nützliche Nachrichten aus der Kunst-, Ausstellungs- und Museumswelt finden, sondern weitere kritische Stimmen, z.B. eben zur Wiedereröffnung der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf oder, weit weniger brav, zur Aktualität der Frage der Guerilla-Girls , „Do women have to be naked to get into the Met Museum?“ aus Anlass der Werbelinie der Kunsthalle Krems.
PS.: Übrigens - falls Sie einen aus Marmor gefertigten Hund aus dem späten 2. Jhd. n. Chr. brauchen und 218.400 Pfund haben, auch da hilft ARTMAGIZENE. Mit Sammlertipps.
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