Claudio Lange |
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Samstag, 30. April 2016
Mittwoch, 29. Oktober 2014
Erhalten statt vergessen
In einer Tagung in Innsbruck, das drei Jahre nach der Übertragung des Rundgemäldes mit der Darstellung der Schlacht am Bergisel auf eben diesen Berg, eine Art Bilanz zu ziehen versuchte, wurde über die einzelnen Elemente und Trabanten aus denen diese 'Museum' besteht, referiert und diskutiert.
Das Kaiserjäger-Museum, aus dem späten 19.Jahrhundert stammend und nun integraler Teil der Anlage "Tirol-Panorama", bekam Kritik ab. Wohlverpackt in Watte und Styropor, damit möglichst niemend Anstoß nehmen konnte - an der Kritik, nicht am Museum, Gott bewahre!
Dieses Relikt, scheinbar unangreifbar wegen der Konstruktion seiner Trägerschaft - den Kaiserjägern und ihrer Stiftung -, ist den referierenden Historikern wie Museologen sichtbar nicht geheuer gewesen. Aber die Kritik mündete dennoch in nicht viel mehr als einer Empfehlung zur "Kontextualisierung", "reflexiven Anreicherung", und was derlei Textversatzstücke mehr sind.
Das Wiener Burgtor mit seinem äußert dubiosen Denkmalkonglomerat ist nachhaltig erst vor kurzer Zeit ins Gerede gekommen und nun scheint sich tatsächlich eine strukturelle Änderung anzubahnen. Die Form der staatlichen Gedenkpolitik an diesem Ort wurde schon geändert, jetzt geht es um die Denkmäler und den gesamten Ort. Eine Expertin wurde beauftragt. Eine auf Denkmale und Denkmalpolitik spezialisierte Historikerin. So etwas ist immer ein Indiz, daß man eine Diskussion nicht wirklich führen will, sondern durch eine Expertise zu ersetzen wünscht.
Nun gibt es diese Expertise, und siehe da, es soll alles so bleiben, wie es ist, vermehrt um ein weiteres Denkmalsteil. Ein Metadenkmal zur Sichtbarmachung fragwürdiger Symbolik. Und plötzlich werden dann alle Denkmäler zu Medien ihrer Kritik. Ob solche Wunder stattfinden?
Interessant an beiden Beispielen ist eine Unfähigkeit und Mutlossigkeit. Eine Kraftlosigkeit, von Vergangenheit auch loskommen zu können. Wenn etwas tief in antidemokratischer Tradition steht, wenn es historisch unhaltbar, museologisch extrem fragwürdig geworden ist, warum soll es erhalten werden? Warum kann es nicht entfernt werden? Warum kann man nicht auch etwas getrost vergessen?
Das Kaiserjäger-Museum, aus dem späten 19.Jahrhundert stammend und nun integraler Teil der Anlage "Tirol-Panorama", bekam Kritik ab. Wohlverpackt in Watte und Styropor, damit möglichst niemend Anstoß nehmen konnte - an der Kritik, nicht am Museum, Gott bewahre!
Dieses Relikt, scheinbar unangreifbar wegen der Konstruktion seiner Trägerschaft - den Kaiserjägern und ihrer Stiftung -, ist den referierenden Historikern wie Museologen sichtbar nicht geheuer gewesen. Aber die Kritik mündete dennoch in nicht viel mehr als einer Empfehlung zur "Kontextualisierung", "reflexiven Anreicherung", und was derlei Textversatzstücke mehr sind.
Das Wiener Burgtor mit seinem äußert dubiosen Denkmalkonglomerat ist nachhaltig erst vor kurzer Zeit ins Gerede gekommen und nun scheint sich tatsächlich eine strukturelle Änderung anzubahnen. Die Form der staatlichen Gedenkpolitik an diesem Ort wurde schon geändert, jetzt geht es um die Denkmäler und den gesamten Ort. Eine Expertin wurde beauftragt. Eine auf Denkmale und Denkmalpolitik spezialisierte Historikerin. So etwas ist immer ein Indiz, daß man eine Diskussion nicht wirklich führen will, sondern durch eine Expertise zu ersetzen wünscht.
Nun gibt es diese Expertise, und siehe da, es soll alles so bleiben, wie es ist, vermehrt um ein weiteres Denkmalsteil. Ein Metadenkmal zur Sichtbarmachung fragwürdiger Symbolik. Und plötzlich werden dann alle Denkmäler zu Medien ihrer Kritik. Ob solche Wunder stattfinden?
Interessant an beiden Beispielen ist eine Unfähigkeit und Mutlossigkeit. Eine Kraftlosigkeit, von Vergangenheit auch loskommen zu können. Wenn etwas tief in antidemokratischer Tradition steht, wenn es historisch unhaltbar, museologisch extrem fragwürdig geworden ist, warum soll es erhalten werden? Warum kann es nicht entfernt werden? Warum kann man nicht auch etwas getrost vergessen?
Dienstag, 27. Mai 2014
Die USA haben ein Nationalmuseum. Das 9/11 Memorial Museum
Nicht der Bürgermeister von New York und nicht
der Gouverneur hat es eröffnet, das 9/11 Memorial Museum, sondern Präsident
Obama. Selbstverständlich, denn das Ereignis, dem es gewidmet ist, war ein
nationales Trauma, eine nationale Katastrophe und eine tiefe und symbolische
Verletzung des amerikanischen Selbstbewusstseins und Selbstverständnisses.
Einen Ort
der Heilung soll Obama das Museum genannt haben[1] und
alles, was ich über das Museum gelesen habe oder was in Fernsehberichten an
Ausschnitten von Reden zu sehen war, deutet darauf hin, daß dieses Museum eine
in ganz emphatischen Sinn nationale Bedeutung hat und haben wird.
Wahrscheinlich in einem Ausmaß, wie das kein anderes Museum der USA je hatte
und hat.
Das Museum bildet mit dem Mahnmal, das sich
exakt über den Grundrissen der verschwundenen Türme des World Trade Center
befindet und mit der umgebenden Bepflanzung ein architektonisches und
symbolisches Ensemble bildet. Das 2011 fertiggestellte Mahnmal, das den Namen reflecting absence hat, besteht aus zwei Becken, in die Wasser hinabstürzt,
gesammelt und abgeleitet wird. Beide Becken sind mit einer Kupferumrandung gesäumt,
in die die Namen der Toten (mit Ausnahme der Terroristen) eingestanzt sind.
Darunter befindet sich ein Pavillon, wo noch einmal die Namen der Toten zu
finden sind.[2]
Zwei essentielle Merkmale kollektiver Identität
sind mir aus den Reden zur Museumseröffnung in Erinnerung geblieben. Aus der
einer Angehörigen, wie sehr das Ereignis mit dem Zusammenhalt der Nation
beantwortet worden wäre, und aus der Rede Obamas, der Verweis auf das feste
Fundament, auf der die Nation ruhe. Und das nicht nur rhetorisch, sondern
buchstäblichen, unterstützt vom Verweis auf die gewaltigen Spundwände, die als
Teil des Fundaments der Twin-Towers des World Trade Center das Grundwasser
abschotteten und nun Teil des Museums und Ausstellungsobjekt sind.
Gründung und Gemeinsamkeit als Grundfiguren des
nationalen Wir. Aber auch mehr als das: Widerstandsfähigkeit und -willen als
nationale Agenda.
Im deutschen Feuilleton wird vom Museum berichtet,
wie sehr von der Gestaltung Emotionalisierung bewirkt wird und dagegen die
Information zur Vor- und Nachgeschichte der Ereignisse in den Hintergrund
tritt. Das Museum[3]
verfolgt aber mit dem inszenierten Abstieg unter die Erde und der relativen
Dunkelheit der Museumsräume eine nur begrenzt immersive Strategie. Auf
Fotografien sieht es relativ nüchtern und den Usancen historischer Museen
folgend aus. Auffallendes und expressives Design hat man vermieden, dagegen
gibt es Tableaus mit Objekten, Großobjekte, Texte, Inschriften, Fotografien, Dokumente,
einige appellative, große Texte.
Doch hier geht es nicht um konventionelle
Objekte. Die Mehrzahl von ihnen trägt sichtbar Spuren der Katastrophe oder ist
von ihr kontaminiert. Ausweise, Passbilder, Suchplakate, Geräte, Kleider,
Bauteile, ganze Fahrzeuge, Helme, Uniformmützen, von Trümmern getroffene,
verformte Sachen, verbeulte Straßenschilder und vieles andere mehr. Solche
Dinge haben eine besondere Zeugenschaft, ähnlich Reliquien,[4] und wo
sie unmittelbar das Sterben bezeugen, sind es martyrologische Objekte bis hin
zu den Stimmen von Personen, die im Wissen ihres sicheren Todes mit ihren
Angehörigen oder um Hilfe telefoniert haben. Kann man so weit gehen? Mir fällt dazu nichts Vergleichbares in anderen
Museen ein. Sicher, auch in diesem Fall ist es nicht die Stimme selbst, sondern
ein gespeichertes Relikt, etwas, das uns durch ein Medium übermittelt wird.
Aber das liegt auf der identischen Realitätsebene wie das geführte Telefonat
selbst. Hier sprechen die Opfer angesichts ihres Todes und der unausweichlichen
Katastrophe direkt zu uns.
Vieles deutet darauf hin daß die Figur des
Opfers zentral ist in diesem Museum. Das Wort Opfer ist zweideutig (wofür es in
der deutschen Sprache keine Unterscheidung gibt), man kann sich opfern, z.B.
für einen Nächsten oder für eine Sache oder eine Gemeinschaft, oder man kann
geopfert werden, etwa als in den Krieg geschickter Soldat oder als jemand, dem
im Fall der Bedrohung aus Staatsraison nicht geholfen wird. Auch von jemanden
bei einem Unfall Umgekommenen sprechen wir ja auch vom Verkehrsopfer.
Hier im Museum kann es nur um das unfreiwillig
erbrachte Opfer gehen,[5] zu dem
die Toten erst durch nachträgliche Zuschreibung werden. So, vielleicht nur so,
kann man ihrem Tod einen Sinn zu geben und das absolut Kontingente der
katastrophischen Erfahrung integrieren, zu heilen,
wie der Präsident verkündete.
Die fast dreitausend Toten sind unter dem
Vorzeichen des Opfers letztlich für etwas
zugrunde gegangen, für die Gemeinschaft, für die Nation, der sie weiter in der
Erinnerung angehören werden - und zu der sie sogar buchstäblich sprechen (in
den Erwähnten Tonaufzeichnungen) -, und für die sie als Opfer auch etwas
begründen. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit,[6] eine
Erfahrung, aus der sich das Nationsbewußtsein regenerieren kann. Ihr Tod mag im
Einzelnen furchtbar und sinnlos gewesen sein, letztlich geht er auf im
Überleben des Ganzen, der Gesellschaft, der Nation.
Eine ostentativ platzierte
und aus dem Stahl der Ruinen modellierte Inschrift bringt das auf den Punkt: „No day shall erase you from the memory of
time.“ Das ist das Angebot an die Opfer, ihr Überleben im Gedächtnis, das noch dazu zeitlos sein wird. Und es
ist ein Angebot an die Nachgeborenen. Nämlich ihre kollektive Identität aus der
Erinnerung an die Toten reproduzieren zu können.[7]
Obwohl ich das Wort Opfer in den Berichten über
das Museum nirgendwo gefunden habe, so denke ich, daß man ohne es hier
einzuführen, den umstrittensten Raum des Museums und die Entscheidung ihn trotz
vieler Bedenken und Einwände, einzurichten, nicht verstehen kann. Es ist ein
für jegliches Publikum unzugänglicher, hinter der Mauer mit der erwähnten
Inschrift liegender Raum. Dort werden die unidentifizierbaren Überreste von
Menschen aufbewahrt, die aus der Katastrophe geborgen wurden. Ungefähr ein
Drittel aller Toten scheint nicht identifiziert zu sein. Daneben liegt ein den Opferangehörigen
vorbehaltener „reflection room“
„Wie viele Friedhöfe haben einen
24-Dollar-Eintritt und verkaufen T-Shirts und Souvenirs? Wie viele Themenparks
bringen uns den Tränen nahe?“[8] Solche
vorwurfsvolle Fragen reißen nicht ab und werden auch jetzt, nach der Eröffnung
des Museums gestellt.
Opfer sind häufig Rituale, mit denen
Gemeinschaften sich begründen, erneuern und ihre Identifizierung bewirken. Es
ist der Gedanke naheliegend, daß dieser Gruftraum - nicht Friedhof, nicht
Prosektur, nicht Ausstellung -, diese Funktion hat. Die zahllosen Grabmäler
unbekannter Soldaten sind alle einem pars pro toto verpflichtet. Der Unbekannte (solche Denkmale können leer
sein oder den Körper eines nicht Identifizierten enthalten), das kann jeder
sein, man kann jeden Namen einsetzen, also sind hier alle gemeint. Der
unbekannte Soldat vertritt alle toten Soldaten. Die unbekannten (und
unsichtbaren) Toten, in ihrem den belebten Ausstellungsräumen unheimlich
benachbarten Jenseits, vertreten alle Toten.
Obamas Bild vom Heiligen Ort ist nicht nur religiös zu verstehen. Antike
Stadtgründungen setzten immer mit einer Grenzziehung, einer Bestattung (von
Ahnen oder Helden) und der Weihung eines heiligen 8unantastbaren) Gebietes ein.
Ist es überzogen, zu vermuten, daß man den gesamten Prozess der
Gedächtnisbildung nach dem Anschlag als eine Art Neugründung (im Sinne der
Überwindung einer großen Bedrohung) versteht?
Museen markieren immer (manchmal kaum merklich,
manchmal überdeterminiert und architektonisch-dekorativ aufwendig) die Grenze
zwischen Außen und Innen, zwischen Stadt(raum) und Museum(sraum). Ich kenne das
Innere des Pavillons, mit dem man das Museum betritt, aber er mag jene Aufgabe
haben, die der Tempietto bei Hans
Holleins Museum in Mönchengladbach hat: von hier aus beginnt ein Abstieg ins
Reich des Erdinneren und –unteren. Auch beim New Yorker Museum steigt man in
die Tiefe, sieben Stockwerke, etwa 21 Meter unter das Bodenniveau – nicht ganz
unähnlich jenen mehrstöckigen Katakomben, die sich unter den ältesten Kirchen
Roms tief in die Erde hinunter erstrecken. Das ist ein Reich, wo wir uns
normalerweise nicht aufhalten, das den archäologischen Grabungen, also den
Relikten der Toten und ihnen selbst lange Zeit exklusiv gewidmet war, ehe so
etwas wie die Archäologie entstand, die diese von vielen Tabus umstellte Praxis
durchbrach und umkehrte. Nun finden wir hier wiederum so etwas wie
Grabbeigaben, Reste, Reliquien, ja – wiederum erinnere ich an die eingespielten
Stimmen -, die Toten selbst. Die metaphorische Nähe von Museum und Mausoleum ist
längst schon entdeckt, aber gibt es ein zweites Museum, wo die Durchkreuzung
von beidem so eng und wirksam. Tote finden wir, ohne daß es uns in dieser
Umgebung sonderlich auffallen muß, in Museen oft, in Naturmuseen, in
historischen, in frühgeschichtlichen oder archäologischen. Nur, dort schützt
uns eine große zeitliche Distanz, die körperlich erfahrbare und zudringliche
Nähe des Todes auszuhalten (Museen sind Maschinerien der gefahrlosen
Besichtigung). Während hier (namentlich die Hinterbliebenen, die Verwandten,
dann aber, abgestuft, auch die Bewohner New Yorks, im Grunde jeder Amerikaner)
eine lebensweltliche Erfahrung mitbringt, wie es sie in der historischen
musealen Erfahrung normalerweise nicht geben kann.
Das Museum scheint überwiegend eine memoriale
Aufgabe und nicht so sehr eine dokumentarisch-informativee zu haben, wenngleich
das eigentliche Ereignis, der Tag des Anschlags, offenbar penibel dokumentiert
ist.[9] Wenn
dieser Eindruck stimmt und man sich auf die Berichte der großen Tageszeitungen in
diesem Punkt verlassen darf,[10] dann
machte das auch Sinn, den politisch-historischen Kontext weitgehend
auszusparen. Vordergründig geht es ja auch darum, die Täter und ihre Motive
möglichst wegzublenden. Für viele Angehörige ist schon die sorgfältig
abgewogene Präsenz im Museum unerträglich. Eine Historisierung des Ereignisses,
wenn sie redlich vorgenommen würde, käme aber in Konflikt mit dem Konstrukt Opfer. Dann müssten Fragen ausgesprochen
werden und Tatsachen berücksichtigt, die nicht nur zeitlich und räumlich über
das New York des 11. September hinauswiesen, sondern kritische Fragen an die
Nation, ihre Ziele, ihre Integrität, die US-Politik enthielte.[11]
Wessen Opfer sind die Toten? Die der
Terroristen? Vordergründig ja, in einem kriminologischen Sinn. Aber in einem
historisch-politischen Sinn? Die Erweiterung des Horizonts über die Tatsache
des Anschlags hinaus müsste über wechselseitige Feindbilder und Ängste, über
Bündnisse und politisch-militärische Strategien sprechen, von der hegemonialen
ökonomischen Rolle der USA und von Vielem, was sich nicht so ohne weiteres in
das Bild einfügen lässt, das die USA von sich selbst hat oder von sich zeigen
möchte. Das Bild, das dann entstünde, wäre sehr komplex, notwendig
fragmentarisch, höchst umstritten (schon dieses Museum und der ganze
Gedächtnisort sind umstritten, unter verschiedenen Gesichtspunkten und unter
Beteiligung unterschiedlicher Gruppen). Das überforderte schon unter
durchschnittlichen Umständen unsere gängige Vorstellung von dem, was ein Museum
leisten kann (ohne daß nicht gesagt ist, daß Museen durchaus äußerst
konflikthaltige Stoffe aufgreifen könnten) und lag jedenfalls nicht innerhalb
der konzeptuellen Reichweite und politischen Absicht der Auftraggeber des
Museums. Es widerspräche einem Heiligen
Ort, daß er zugleich einer der Relativierung seiner Botschaft und vor allem
seiner Wirkung wäre.
Es gibt aber eine Seite der Profanierung, die
wohl weniger mit Pietätlosigkeit zu tun hat, als mit der Notwendigkeit das
Museum ohne staatliche Mittel zu finanzieren. US-Medien und auch Angehörige von
Opfer kritisieren das Konsumistische des Museums, die Kritik am Shop ist ein
Dauerbrenner der Medienberichterstattung, und haben dabei vor allem die Gadgets
im Visier, die es im Museumsshop gibt.[12] Deutsche
Journalisten betonen, wie touristisch das Museum sei.[13] Diesen
Vorwurf kann ich nicht nachvollziehen. Sicher, wer immer will und nicht anders
kann, wird sich einer voyeuristischen Perspektive auf die Geschehnisse und die
gegenständlichen Zeugnisse ausliefern. Dem kommt das Museum selbstverständlich auch
ohne jede Absicht auf Grund seiner Objekte entgegen. Aber seine Botschaft ist
so klar an die Nation gerichtet und, angesichts der unverminderten Gegenwart
des Ereignisses, für weite Teile der amerikanischen Bevölkerung auch
ungebrochen aktuell. 9/11 ist ständig virulent, wird immer wieder aufgegriffen
in höchst unterschiedlichen Formen. Da bedarf es nicht nur des Gedenktages und
des Museums, im Gegenteil, es existierte schon längst eine, wie soll man sagen,
tief in die Geschichtskultur der USA eingeprägte Spur des Ereignisses, die nun als
Museum dauerhaft nachgezeichnet wird.
Knipsfreudige Touristen, die das Museum in die
Tour der New Yorker Sehenswürdigkeiten aufnehmen, teilen nicht diese Gedächtniskultur
(womit ihnen nicht die Fähigkeit zur emphatischen Teilhabeabgesprochen werden
soll).
Ich teile auch eine zweite Kritik nicht, die
der Vermengung von Museum und Gedenkstätte. Die Überlagerung zweier Funktionen,
der memorialen und der musealen, die man problematisch findet, scheinen mir
nicht so gewichtig und sie gegeneinander auszuspielen, nicht schlüssig. „Damit
ist aber auch schon eines der größten Probleme dieses Gebäudes benannt: seine
zwiespältige Bestimmung, ein historisches Museum für die politische Bildung,
eine Begräbnisstätte und eine touristische Attraktion für Besucher aus aller
Welt zu sein.“[14]
Ähnliches gilt für so manch anderes historische Museum, namentlich für einige
Jüdische Museen und das Museum ist – als Ort dauerhafter Erinnerung – in
gewisser Weise immer mit dem Tod, dem ‚Nachleben’ der Toten und auch mit der
Idee des Opfers kontaminiert. In der Geschichte des Museums hat es immer wieder
Beispiele für die gewollte und inszenierte Überlagerung der beiden Funktionen
gegeben.[15]
Daß ein Horror-Tourismus die essentielle Bedeutung des 9/11 Museums völlig
überlagert, das kann man doch nicht ernsthaft behaupten.
Man wird ja sehen, ob das Museum, neben oder
vor den anderen berühmten und besuchten Museen New Yorks zur touristischen
Attraktion wird oder zu einem bevorzugten Memorial-Ort der Amerikanischen
Nation.[16]
[1] Die
„Welt“ zitiert „heiliger Ort der Heilung“. 19.5.2014 (online) Fotostrecke
[2] Die Idee
zur Form des Mahnmals stammt aus Daniel Libeskinds Masterplan für die Verbauung
des Geländes und wurde von Michael Arad realsiert. Diese Gedenkstätte gilt auch
den sechs Toten des Anschlags auf das WTC von 1993.
Zum Mahnmal gehört auch die Bepflanzung des Geländes.
An ihr ist ein einzelner Birnbaum bemerkenswert, der stark beschädigt aus den
Trümmern geborgen, versetzt, von der Städtischen Parkverwaltung gepflegt und
dann als Survivor Tree, an dem man
die Spuren der Katastrophe noch sehen kann, zurückverpflanzt.
[3] Die
Museumsarchitektur stammt von Davis Brody Bond, LLP, der Eingangspavillon von
der norwegischen Firma Snøhetta.
[4] Andrea
Köhler spricht etwa ohne zu zögern von Reliquien. Andrea Köhler: Wem
gehört die Erinnerung, in: NZZ 19.6.2012 (online)
[5] Konnte
jemand von jenen Rettern, die immer wieder in das Gebäude zurückkehrten, um
Personen zu helfen, ahnen oder sich eingestehen, daß er in Lebensgefahr war?
Sicher. Aber Gewissheit und damit einen bewußt inKauf genommenen Tod, mag es
das gegeben haben. Dann könnte man von Opfer sprechen. Obama erwähnte einen
jungen Mann in seiner Rede, der immer und immer wieder in das Hochhaus
zurückging, bis es über ihm zusammenbrach. Vgl.: 9/11 Museum eröffnet, in:
Frankfurter Neue Freie Presse, 15.5.2014
[6] „26
uniformed police officers and firefighters marched (am Tag der Öffnung für das
allgemeine Publikum) onto the lawn of the memorial and unfurled an American
flag that had flown at 90 West Street, adjacent to Ground Zero, for weeks after
the attacks. Civilians involved in the restoration of the flag and children
from the 9/12 Generation Project filled in among the honor guard designated to
see the National 9/11 Flag safely back to Ground Zero. Grasping the edges, they
raised the 36-foot by 26-foot flag as the Fire Department of New York’s Emerald
Society Pipes and Drums Band played. (...) Over the course of two years, more
than 30,000 people in all 50 states, all of whom are survivors of tragedies in
the United States, from Pearl Harbor to Columbine to Joplin, have helped repair
the flag.“ Anna Hiatt in: Washington Post, 21.5.2014 (online)
[7] Diese
Zeile stammt von Vergil und auch daran hat sich eine Kontroverse entzündet,
denn in einer philologischen Lesart wird sie auf den bei ihm gemeinten, mit dem
Sinn, den sie im Museum hat, unvereinbaren Kontext bezogen. Ein homoerotisches
trojanisches Freundes- und Heroenpaar vernichtet seine Feinde. Zu den Details
s.: Andrea Köhler: Ohne Kontext. Grabspruch oder Menetekel?, in: NZZ 20.Mai
2014 (Online)
Dass es hier um transgenerationelle Dauer geht, also
im Grunde um einen unabschließbaren gattungsgeschtlichen Zeitraum zeigt eine
Formulierung in einem zweiten Wssay von Andrea Köhler: „Die auf Band
festgehaltene Geräuschkulisse der sich entfaltenden Katastrophe sollen zu den
Überlebenden genauso sprechen wie zu den Nachgeborenen, zu den nächsten
Angehörigen ebenso wie zu Touristen.“ Andrea Köhler: Grab und
Touristenattraktion, in: NZZ 15.5.2014 (online)
[8] New York
Times zitiert nach: Andrea Köhler: Ohne Kontext. Grabspruch oder Menetekel?,
in: NZZ 20.Mai 2014 (Online)
[9] Das auf
der offiziellen Webseite des „9/11 Memorial“, dessen Teil das Museum ist,
veröffentlichte Mission Statement: „The mission of the 9/11 Memorial
Museum, located at the World Trade Center site, is to bear solemn witness to
the terrorist attacks of September 11, 2001 and February 26, 1993. The Museum
honors the nearly 3,000 victims of these attacks and all those who risked their
lives to save others. It further recognizes the thousands who survived and all
who demonstrated extraordinary compassion in the aftermath. Demonstrating the
consequences of terrorism on individual lives and its impact on communities at
the local, national, and international levels, the Museum attests to the
triumph of human dignity over human depravity and affirms an unwavering
commitment to the fundamental value of human life.“
[10] „Das Museum setzt auf Effekt statt Reflektion.
(...) „Für Steve Kandell, dessen Schwester umkam, war der Besuch einer Vorschau
am vergangenen Sonntag nur die Fortsetzung dessen, was er in den letzten Jahren
erlebte. „Der schlimmste Tag meines
Lebens ist nun endgültig zur Touristenattraktion geworden“, sagt er.“ Sebastian
Moll: 9/11 wird zur Touristenattraktion, in: Frankfurter Rundschau, 20.5.2014
(online)
[11] Der
englischsprachige Wikipedia-Eintrag zum Museum ist bezüglich der Finanzierung,
Planung, Errichtung und der Kontroversen um das Museum sehr genau. Er schweigt
sich, bis auf die Zusammenfassung des offiziellen Mission statements komplett
zum historischen Kontext und zur Funktion aus.
[12] Harsche
Kritik am Shop insgesamt und an der Tatsache, daß es auch ein Restaurant und
Cafe geben wird, kritisiert mit der beachtlichen Wortschöpfung „catharsis
consumerism“ Anne Kingston im Blog Maclean’s.
Der zentrale Punkt der Kritik in der Öffentlichkeit ist die Aufbewahrung der Reste unidentifizierten Opfer im Museum. Und der Eintrittspreis von $24. Vgl. dazu: Patricia Cohen: 9/11 Museum Fees Don’t Faze Visitors, in New York Times, 22.5.2014 (online) sowie: Michael Remke: Geschäfte mit dem Grab, das „Ground Zero“ heißt, in: DIE WELT, 19.5.2014
http://www.nytimes.com/2014/05/23/arts/design/9-11-museum-fees-dont-faze-visitors.html?_r=0
http://www.welt.de/vermischtes/article128197318/Geschaefte-auf-dem-Grab-das-Ground-Zero-heisst.html
Allerdings erhält das von einer Stiftung getragene Museum keine staatliche Förderung und finanziert sich aus Eintrittsgeldern, privaten Zuwendungen und anderen Erlösen. Die Baukosten werden von der Stiftung mit 700 Millionen Dollar angegeben.
[13] Jordan
Meijas fürchtet, daß das Museum zur „makabren Touristengaudi“ verkommt. In:
F.A.Z. 15.5.2014
[14] Andrea
Köhler: Grab und Touristenattraktion, in: NZZ 15.5.2014 (online)
Und dieselbe in einem Bereits 2012 erschienen Essay
zum Memorial-Museum: „Ein Mahnmal ist dem Gedenken, ein
Museum den Fakten verpflichtet. Mahnmale sollen Gefühle wecken, während Museen
den Auftrag haben, Anschauungsmaterial und Zeugnisse zu präsentieren.“ Andrea
Köhler: Wem gehört die Erinnerung, in: NZZ 19.6.2012 (online)
[15] Es gibt
sowohl Beispiele für Museen, die im Interesse eines Gedenkens an eine
individuelle Person errichtet wurden (man kann etwa an das Victoria and Albert
Museum erinnern) oder einer oder mehrerer Personen direkt als Grablege dienten
(ein frühes Beispiel findet sich wiederum in London, die Dulwich-Gallery mit
ihrem Stiftergrab im Zentrum). Und es gibt zahllose militärhistorische oder
Kriegs- und historische Museen, wo Objekte oder Objektensembles oder
einschlägige Räume dem kollektiven Gedächtnis dienen. Dasselbe gilt ganz
besonders für KZ-Gedenkstätten und, wenn es so etwas auf ihrem Gelände gibt,
deren museale Räume.
Das erste Beispiel, das mir eingefallen ist, ist die
Freskenausstattung des Alten Museums in Berlin, wo zwei Allegorien auf den
nicht lange zurückliegenden Freiheitskrieg mit der Figur des Opfers
„antworten“: Aufopferung für Andere bei
gefahrvollem Naturereignis und Aufopferung
für Andere in Abwehr menschlicher Rohheit.
[16] Am
ersten Tag der Öffnung des Museums für die Allgemeinheit war das Museum im
Voraus ausverkauft. Vgl.: Stephen Farrell: The 9/11 Museum opens to a Somber
Crowd, in: New York Times, 21.5.2011 (online)
Dienstag, 20. Mai 2014
"Du wirst nie vergessen werden!" (Texte im Museum 479)
"Die Buchstaben sind aus dem Stahl der gefallenen Zwillingstürme gemacht, und der Satz, den sie formen, stammt aus Vergils «Aeneis»: «No day shall erase you from the memory of time.» Stein des Anstosses ist der Kontext, in dem das Zitat ursprünglich steht. Denn das «you» meint nicht etwa eine in die Tausende gehende Zahl ermordeter Zivilisten, sondern zwei konkrete trojanische Krieger: das homoerotische Freundespaar Nisus und Euryalus, das, nachdem es die feindlichen Rutuler im Schlaf überfallen und in einem blutigen Gemetzel umgebracht hat, seinerseits vom Feind überrascht und getötet wird. An diesem Punkt mischt sich der Dichter ins Geschehen und gelobt, das tote Paar in seinen Versen zu verewigen: «Fortunati ambo! si quid mea carmina possunt, nulla dies umquam memori vos eximet aevo.»«Wenn man den Kontext einbezieht, dann trifft dieses Zitat eher auf die Aggressoren in der 9/11-Tragödie zu als auf jene, die mit diesem Memorial geehrt werden sollen», meint etwa Helen Morales, Professorin für Altertumswissenschaften an der University of California, Santa Barbara, in der «New York Times». Schliesslich seien die beiden Krieger auf so etwas wie einer selbstmörderischen Mission unterwegs gewesen. «Meine erste Reaktion war, dass dieses Zitat geradezu schockierend unangemessen für die Opfer der 9/11-Attacke ist.» Bei näherem Hinsehen enthalte das Zitat allerdings eine produktive Ironie. Denn selbst wenn die Planer des Memorials dies sicher nicht im Sinn gehabt hätten: Vergils Satz fordere uns auf, sich auch der Mörder zu erinnern und uns womöglich zu fragen, was junge Männer dazu bringt, solche Untaten zu begehen. Shadi Bartsch-Zimmer, Professorin für klassische Philologie an der University of Chicago, findet es allerdings skandalös, «dass eine Institution, die der Erinnerung an ein Ereignis von nationaler Bedeutung verpflichtet ist, sich nicht um die Quelle schert». Die Opfer des 11. September hätten ein Vermächtnis verdient, «das nicht von Fahrlässigkeit geprägt ist»".
--> Andrea Köhler: Ohne Kontext. Grabspruch oder Menetekel?, in: NZZ 20.Mai 2014 (Online)
Sonntag, 11. Mai 2014
Orhan Pamuks Text über das Museum der Unschuld. Ein poetologischer und museologischer Text zu einem einzigartigen Projekt (Das Museum lesen 36)
Im
Jahr 2008 erschien in Istanbul der Roman Masumiyet
Müzesi, das Museum der Unschuld,
von Orhan Pamuk, der 2006 den Nobelpreis erhalten hatte. Eigentlich sollte
gleichzeitig mit dem Roman ein gleichnamiges von Pamuk geplantes und parallel
zum Buch entwickeltes Museum eröffnen, doch aus praktischen und politischen
Gründen - Pamuk wurde zeitweilig verhaftet und von radikalen Gruppen mit dem
Tod bedroht -, verzögerte sich die Realisierung erheblich. 2012 war es dann so
weit.
Aber
was ist das für ein Museum? Mein Reiseführer "Istanbul" stellt es
kurz und bündig als Alltagsmuseum vor. Sicher, es gibt hier vieles, was man so
landläufig als Alltagsgegenstände bezeichnet und gelegentlich wird einem auch
als Tourist, der Istanbul erst grade kennenlernt, einiges von den Bezügen zur
Stadt deutlich.
Aber
was sollen das für Straßen sein, "die mich an sie erinnern"? Wer
spricht da, und vom wem? "Phantome, die ich für Füsun halte".
"Die Sommerabschlußparty". "Eine leere Wohnung". "Die
erste türkische Fruchtlimonade".
Hat
sich da das sogenannte wirkliche Leben eingeschlichen? Aus dem Roman? Aus
Pamuks Leben und aus Istanbul? "Wie man ein Drehbuch durch die Zensur
bringt" oder "Onkel Tarik". Kann uns das interessieren, können
wir das verstehen?
Oder
muß man dazu den Roman gelesen haben?
Ich
bezweifle, daß das viel hilft (Pamuk verneint die Frage, ob man das Buch als
Voraussetzung eines Museumsbesuchs kennen müsse), selbst wenn man das erst
gerade getan und ein sehr gutes Gedächtnis hat. Selbst die strikte
Durchnummerierung der Vitrinen im Museum nach den Kapiteln wird nicht viel
helfen.
Illustriert
das Museum das Buch, oder erzählt der Roman jene Geschichte, die hier
ausgestellt ist?
So
viel sei verraten: Pamuk hat Roman und Museum von Anfang an als ein Projekt
verstanden und es folgte das Zusammentragen einer Sammlung keineswegs dem Buch,
sondern eher umgekehrt, wenn sich ein ungewöhnlicher, überraschender Fund
einstellte, wurde er als Requisite in die Erzählung des Romans integriert.
In
der Vitrine mit der Zahl 1 sehen wir, vor einem sich bauschenden Vorhang,
"Füsuns Ohrring". Auch von ihm weiß der Autor, der des Romans wie der
des Museums, von Kemal, dessen Geliebte Füsun war. Im Dachgeschoß des Museums
finden wir das Bett, auf dem liegend, Kemal Pamuk, der auf einem Stuhl neben
ihm saß, seine Lebensgeschichte erzählt hat. Dort muß er ihm auch berichtet
haben, unter welchen Umständen der Ohrring verloren ging, und warum er sagen
konnte, es sei "der glücklichste Augenblick meines Lebens" gewesen.
Noch
im Roman, in dessen letzten Kapiteln, hat Kemal nach dem Tod Füsuns, Orhan
Pamuk beauftragt, seine Geschichte zu erzählen und die seiner großen Liebe. Er
wünschte sich von Pamuk einen Text, der gleichsam jenes Museum, das er, Kemal,
einzurichten plante, begleitenden sollte oder gar einen Katalog, wie es im Roman wörtlich heißt (sogar eine Eintrittskarte
ist dort schon abgedruckt).
Gibt
der Roman also eine wirkliche Geschichte wieder, und ist dann das Museum so
etwas wie eine - fiktive oder konkretisierende - Erweiterung, Umspielung, ein
Ort der Beweise für die Wirklichkeitshaltigkeit des Buches? Eine
Asservatenkammer der Indizien, die die Geschehnisse des Romans beglaubigen?
Nur
was sollen wir denn mit dieser individuellen, privaten und intimen Erinnerung?
Nimmt uns nicht gerade das jeglichen
Zugang zur Geschichte, wenn wir das Museum besuchen? Erst wenn wir im Museum
etwas begegnen, das uns – auf Grund geteilter Erfahrung, geteilten Wissens -,
das Verstehen ermöglicht, können wir Gegenstände mit Bedeutung belehnen.
Nun,
Pamuk spielt mit beidem, mit der Spiegelung von Buch (dem wir als Roman die
Fiktion zuordnen würden) und Museum (dem wir Kraft der Konkretheit der Dinge,
ihrer physischen Präsenz in unserer Gegenwart, die Wirklichkeit, die Welt der
Tatsachen zuordnen würden) und mit der Spiegelung von Fiktion und Realität.
Er
spricht von "ausgestellten Rätseln" und "optischen
Täuschungen" und von einem "Traum, aus dem man sich nicht befreien
kann".
"Der
glücklichste Augenblick meines Lebens". Wer vermöchte ihn festzuhalten - außer in der fragilen, oft
entstellenden Erinnerung, die keiner gegenständlichen Stütze bedarf, also im
liebenden Eingedenken, in dem eine Berührung der nackten Körper durch den am
offenen Fenster wehenden Vorhang oder das Geschrei der fußballspielenden Kinder
in Erinnerung bleibt. Aber nicht als Text und nicht als Ding oder Bild. Sondern
ausschließlich als lebendiges Erinnern, das mit dem Tod erlischt.
Dieser
Traum, aus dem man sich nicht befreien
kann, soll aber dennoch nicht zu Ende gehen, aber es ist auch der, aus dem
sich nicht nur der Autor, der Held, sondern vielleicht auch der Besucher nicht
befreien kann und nicht befreien soll.
"Wenn
ein Mensch im Traum" zitiert Pamuk zu Beginn des Romans (und im Museum
taucht der Text auch auf) Samuel Taylor Coleridge, "das Paradies
durchwandert, und man gäbe ihm eine Blume als Beweis, dass er dort war, und er
fände beim Aufwachen diese Blume in seiner Hand - was dann?"
Das
ist die dritte Ebene in Pamuks Spiegelkabinett. Wie er mit der Un-Möglichkeit
des Erinnernd spielt. Ist er selbst Kemal? Gab es Kemal überhaupt je? Ist nicht
alles erfunden? Und woran sollen wir uns eigentlich erinnern? Wer ist hier das
Subjekt der Erzählung und wer des Gedächtnisses? Woran können uns Dinge
erinnern? An jene Wirklichkeit, in der sie einmal existiert haben oder ohnehin
nur an jene Träume, die sie in uns auslösen?
Aber
da ist ja Füsuns Ohrring, in der
Vitrine, wir sehen ihn mit eigenen Augen, den Ohrring, von dem Füsun im Roman
sagt, "er sei ihr wichtig", als Kemal ihn später nicht in seiner
Jackentasche findet. Dort hat er ihn verstaut, nachdem er ihn gefunden hat.
Aber inzwischen hat er die Jacke gewechselt und kann ihn Füsun nicht
zurückgeben.
Während
der Planung und der Realisierung des Museums ist Pamuk von Kindern angesprochen
worden, ob er ihnen nicht die über den Zaun geschossenen Bälle zurückgeben
könne. Konnte er nicht, schreibt Pamuk, weil der Freiraum um das Haus derart
vermüllt war, daß man erst bei Baubeginn mit dem Entrümpeln beginnen konnte.
Dann fand man siebzehn Bälle.
Ist
einer der Bälle derjenige, mit dem die Kinder in der Gasse spielten, als sich Füsun
und Kemal in ihrem Zimmer bei offenem Fenster liebten?
Jedenfalls
gibt es einen Ball in einer Vitrine des Museums. Und Füsuns Führerschein. Und
selbstverständlich die 4213 Stummel, die
von Füssens gerauchten Zigaretten übrigblieben. Aber das ist eine andere
Geschichte. Die erzähle ich ein anderes mal.
Und
im Kleingedruckten, am Ende des Buches, dort, wohin man als Leser vielleicht
nie hingelangt, unter Danksagung, erfährt
man auch, wer Füsuns Ohrring fürs Museum hergestellt hat...
Um
Pamuk besser zu verstehen, seine - soweit ich sehe einzigartige - Idee, einen
Roman und ein Museum als komplementäre Teile eines Projektes zu entwickeln,
kann man auf ein anderes Buch von ihm zurückreifen (das auch auf Deutsch
vorliegt): "Die Unschuld der Dinge. Das Museum der Unschuld in
Istanbul". (München 2012). Es gibt einen einleitenden Teil mit
ausführlichen Texten Pamuks zum Roman und vor allem zum Museum und einen Teil,
in dem in 74 Abschnitten - reich bebildert - die Stationen und Vitrinen des
Museums vorgestellt werden. Und das wiederum so, daß die Texte eher
Erweiterungen denn Erklärungen sind. Sein poetologischer Zugang ist subtil,
leicht, wunderbar zu lesen. Etwa wie die Geschichte der Entdeckung des Hauses,
das er als Museum wählte, am Schulweg, den er täglich mit seiner Tochter
zurücklegte. So nebenbei kann von Pamuk lernen, wie man ein Museum vorstellt.
Pamuk
hat aber auch eine veritable Museologie zur Hand, die er seit dem Roman sichtlich
weiterentwickelt hat und die einem zusätzlich hilft, seine Ideen und sein
Konzept des Doppelprojektes besser zu verstehen. Dieser Museologie (die einer
gesonderten Auseinandersetzung lohnte) liegt das begeisterte Stöbern und
Sammeln zugrunde, aber Pamuk ist auch ein begeisterter Museumsbesucher
(übrigens wie Kemal, von dem im Roman gesagt wird, daß er nach Füsuns Tod über
4000 Museen bereist habe). Ein Besucher vor allem kleiner Museen und da
wiederum solcher Museen, die möglichst die Spuren der Personen, die dort gelebt
haben, noch bewahrt haben. Das war ein nicht geringes Vergnügen, zu erfahren,
wie sehr Pamuks Museumsvorlieben sich mit meinen decken. Mit wenigen Ausnahmen
kannte ich die Orte, die er ausdrücklich als Inspiration für Roman und sein Museum
nennt.
Mit
diesem „Begleit“-Buch in der Hand, wird man sich dem Spiel der Verweise und dem
changieren der Ebenen des Museums viel besser aussetzen können, wird tiefer in
die eigentümlich zweideutige Welt des Romans, des Museums und Orhan Pamuks
eintauchen können.
Samstag, 1. März 2014
Mittwoch, 29. Januar 2014
Ein bißerl dochnichtschon Erinnern
Das ist einen Querverweis wert: als Kolumnist der PRESSE berichtet Kurt Scholz, daß von der Stiftertafel des Kunsthistorischen Museums ein Namen verschwunden ist. Der von Gräfin Margit Batthany-Thyssen. Es wird vermutet, daß sie am Massaker an Zwangsarbeitern im burgenländischen Rechnitz, das am Palmsonntag 1945 stattfand, mitverantwortlich oder beteiligt war. Die Vorgänge sind nicht genau geklärt. Kurt Scholz fragt, ob sich denn das Kunsthistorische Museum der ehedem genannten Gönnerin nicht mehr erinnern will. Und er nennt es bemerkenswert, was ja nun wirklich so etwas wie die berühmte österreichische, also-und-vielleicht-sowohl-als-auch-Lösung (unabsichtlich-absichtlich) ist. Der Schriftzug wurde gelöscht, aber so, daß er lesbar blieb. Damnatio memoriae. Aber dann auch ein bißerl doch wieder nicht.
Hier der ganze Beitrag von Kurt Scholz hier.
Dienstag, 8. Oktober 2013
Holocaust-Panopticum. Familienbild mit Obszönität
Lächelnd sitzt sie im adretten Kleid an einem Tisch, das brave Kind, als machte es seine Schulaufgaben macht. "Die Figur zeigt Anne Frank 14-jährig; da sie auf dem letzten erhaltenen Foto elf Jahre alt ist, wurde das Aussehen des Mädchens mithilfe eines Morphing-Programmes rekonstruiert."
Wachsfigurenkabinette - hier dreht es sich um Madame Tussaud in Wien -, machen keine besonders feinfühlige Unterschiede - Zinedine Zidane steht im Musée Grevin Paris nicht weit entfernt von - einem ziemlich verkorkst geformten - Hitler und der wiederum nicht weit von Marat oder Fanny Ardant. In solchen Kabinetten geht es nicht um historische Belehrung, sondern um den ungebrochenen und unheimlichen Effekt, den die Wachsbildnerei auf den Besucher ausübt, so wie ihn Joseph Roth in "Panoptikum am Sonntag" essayistisch oder Julius von Schlosser in "Tote Blicke: Geschichte der Porträtbildnerei in Wachs" kunstwissenschaftlich untersucht haben.
Einzigartig an der Wachsbildnerei ist ihre Verdichtung von Lebendigkeit und tot Erstarrtem. Das Wachsporträt verblüfft bis heute durch seine Lebensnähe, die zugleich kontaminiert ist mit der Totenstarre. Das machte sie seit je her zu einem Medium des Totenkults, mit dem der biologische Tod im sozialen Überdauern als Bildnis überwindbar schien.
In der Französischen Revolution entdeckte eine noch im Ancien Regime ausgebildete Wachsmodelliererin, Marie Gresholtz, daß sich diese spezielle Kunst mit ihrem unheimlichen Kippeffekt für aktuelle politische Zwecke ausnutzen ließ. Sie bildete die Köpfe Guillotinierter nach, die als schauerliche Trophäen wie auch als Medien, die mit ihrer Lebensnähe als Einspruch gegen den Tod gelten konnten, Absatz und Popularität erwirkten.
Nach der Revolution zur Flucht nach England gezwungen änderte sie dort ihren Namen unter dem das weltberühmte "Kabinett" in London entstand - Madame Tussaud.
Hier aber, in der Wiener Filiale des Wachsfigurenkabinetts, kehrt sich der Effekt der Wachskunst gegen die Idee der Erinnerung. So lebendig das freundliche Mädchen uns anblickt, diese Illusionierung hat den versöhnlerischen Effekt des Am-Leben-Geblieben-Seins. Am Pressfoto posieren dann auch noch familial die "Erfinder" dieser Puppenstube - Anne Franks Versteck im Amsterdamer Wohnhaus -, als wären sie die Hüter des kleinen Mädchens, das nicht behütet werden konnte und ermordet wurde.
Die Illusion löscht das was sie zu erinnern vorgibt, Anne Frank ist am ewigen Leben, die Erinnerung an den gewaltsamen Tod überlagert, gelöscht. Im alten Vergnügungsviertel Wiens, dem Prater, sitzt nun Anne Frank, um lächelnd den "Bildungsauftrag" von Madame Tussaud (so die Leiterin des Kabinetts) zu erfüllen, den die Direktorin des Jüdischen Museums als "neue Wege in der Erinnerungskultur" beschreibt, um Kinder und Jugendliche zu erreichen.
Jene Direktorin, die die Dauerausstellung ihres Museums abbrechen ließ, die die komplexe Problematik der Nicht/Erinnerbarkeit des Holocaust selbst thematisierte, und die nun - ausgerechnet - im panoptikalen Schaustellergewerbe als "neuen Weg" (wie alt ist die Wachsbildnerei!) feiert.
"Bei Madame Tussauds Wien steht die Wachsfigur des Mädchens im historischen Bereich in unmittelbarer Nachbarschaft von Sisi, Karl Renner und Oskar Schindler; Publikumsmagneten aus Popwelt und Hollywood wie Madonna oder Robert Pattinson können im Stock darüber besichtigt werden."
Alle Zitate nach: Der Standard (online), 2.9.2013
Dienstag, 2. Juli 2013
Ein Gespenst geht um in Europa, dank der UNESCO neuerdings wieder ...
Erhaltene Seite des Originalmanuskripts |
Dienstag, 11. Juni 2013
Selbstverordneter Gedächtnisschwund: Das Haus der Natur in Salzburg
Zum neuesten Stand der
Erforschung, Diskussion und Aufarbeitung der Rolle von Eduard Paul Trat
und des von ihm gegründeten naturmuseums durch das Haus der Natur selbst
siehe den Post „Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner
Gesichte. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/2014/10/das-haus-der-natur-stellt-sich-zum.html
Durch einen Anruf bin ich an meine frühere Beschäftigung mit der Geschichte des Hauses der Natur in Salzburg erinnert worden. Anlaß damals war die Verleihung des Österreichischen Museumspreises an das Museum im Jahr 1991. In der Begründung wurde würdigend der Gründer des Museums, Eduard Paul Tratz einbezogen, der während der NS-Zeit als "Rassenforscher" höchst aktiv war und der dennoch das Haus bis 1976 leitete.
Da war Tratz 88 Jahre alt und konnte seinem Wunschnachfolger kurz vor seinem Tod noch brieflich seine Freude übermitteln. Dieser, Eberhard Stüber, war Zeit seiner Direktion enthusiastischer Apologet von Tratz, wenngleich er sich in späteren Jahren, als die Kritik lauter wurde und sich auch die Landespolitik mit Tratz und dem Haus der Natur beschäftigte (hier ein Link zum Antrag der Bürgerliste zur Aberkennung der Ehrenbürgerwürde Tratz. 2012 war Tratz noch immer Ehrenbürger. Ich denke, er ist es auch heute noch) kaum noch zur NS-Geschichte des Museums äußerte.
Eberhard Stüber, einen Schüler von Tratz und dessen Nachfolger als Museumsdirektor, arbeitete auch als Ausbilder von Lehrern und als Umweltanwalt der Landesregierung.
(Hier Dokumente, die das Biologiezentrum des Hauses der Natur auf seiner Webseite anbietet und die die (Ver)Ehrung durch die Landespolitik und durch Stüber belegen, die Tratz entgegengebracht wurde. Ich vermute, daß das Biologiezentrum diese Dokumente nicht in kritischer Absicht ins Internet gestellt hat. Viele Naturschutzorganisationen halten Tratz hoch in Ehren und vergeben nach ihm benannte Preise. Die Untersuchung der Kontinuität des Naturverständnisses seit den 1920er-Jahren, der NS-Zeit, der Zeit der 50er-Jahre bis hin zur Grünen Bewegung bedürften dringend einer Beleuchtung. Wenn man Texte etwa von Tratz aus den 20er-Jahren liest, vor allem solche, die er in pädagogischer Absicht verfasst hat, kommt man aus dem Staunen über die Affinität zur jüngeren Gegenwart kaum heruas.)
Inzwischen gibt es zeitgeschichtliche Forschungen, die die Tätigkeit Tratz sorgfältig dokumentieren (Robert Hoffmann, Ein Museum für Himmler. Eduard Paul Tratz und die Integration des Salzburger „Hauses der Natur“ in das „Ahnenerbe“ der SS. In: Zeitgeschichte, 35 (2008), H. 3, 154-175) und auch museologische Auftragsforschung. Eine Publikation zur Geschichte des Hauses soll angeblich noch in diesem Jahr erscheinen.
Darüber erfährt man aber nach wie vor nichts vom Museum. Die Politik, die betrieben wird, ist die des "Vergessenmachens". Weder Tratz wird auf der Webseite genannt noch wird die einschlägige Geschichte des Hauses referiert. Man findet auch nichts zu einem erhaltenen Kernstück der Tratzschen rassenpolitischen und musealen Betätigung: zu den Tibetdioramen. Nur wenn man den Orientierungsplan des Hauses genau ansieht, entdeckt man die "Tibetschau".
Nur drei kurze Absätze findet man untere der Überschrift "Über uns". Der erste lautet: "Das Naturkundemuseum Haus der Natur besteht seit dem Jahr 1924. Seit seinen Anfängen überrascht es seine BesucherInnen mit einer modernen, lebendigen Museumsdidaktik, die sich mit den Jahren konsequent weiterentwickelt hat." (Webseite des Hauses der Natur, abgerufen 11.Juni 2013)
Inzwischen schreiben wir 2013, ein neuer Direktor, der dem Nachfolger von Tratz, Eberhard Stüber gefolgt ist, ist längst im Amt, einschlägige Forschungen und Debatten sind öffentlich bekannt, aber dennoch, das Museum kann sich immer noch nicht durchringen, sich seiner Geschichte zu stellen.
Hier die Links zu meinen älteren Posts (die übrigens zu den meistgelesenen dieses Blogs überhaupt gehören, vermutlich deswegen, weil sie - noch immer - zu den ganz wenigen leicht zugänglichen Informationen zur NS-Geschichte des Hauses der Natur und zu Eduard Paul Tratz gehören).
"Blutgebundene Abhängigkeit". Das Haus der Natur in Salzburg wird sich wohl weiter nicht um die Aufarbeitung seiner NS-Geschichte kümmern
Das Haus der Natur in Salzburg als Institut des SS-Ahnenerbes
Durch einen Anruf bin ich an meine frühere Beschäftigung mit der Geschichte des Hauses der Natur in Salzburg erinnert worden. Anlaß damals war die Verleihung des Österreichischen Museumspreises an das Museum im Jahr 1991. In der Begründung wurde würdigend der Gründer des Museums, Eduard Paul Tratz einbezogen, der während der NS-Zeit als "Rassenforscher" höchst aktiv war und der dennoch das Haus bis 1976 leitete.
Da war Tratz 88 Jahre alt und konnte seinem Wunschnachfolger kurz vor seinem Tod noch brieflich seine Freude übermitteln. Dieser, Eberhard Stüber, war Zeit seiner Direktion enthusiastischer Apologet von Tratz, wenngleich er sich in späteren Jahren, als die Kritik lauter wurde und sich auch die Landespolitik mit Tratz und dem Haus der Natur beschäftigte (hier ein Link zum Antrag der Bürgerliste zur Aberkennung der Ehrenbürgerwürde Tratz. 2012 war Tratz noch immer Ehrenbürger. Ich denke, er ist es auch heute noch) kaum noch zur NS-Geschichte des Museums äußerte.
Eberhard Stüber, einen Schüler von Tratz und dessen Nachfolger als Museumsdirektor, arbeitete auch als Ausbilder von Lehrern und als Umweltanwalt der Landesregierung.
(Hier Dokumente, die das Biologiezentrum des Hauses der Natur auf seiner Webseite anbietet und die die (Ver)Ehrung durch die Landespolitik und durch Stüber belegen, die Tratz entgegengebracht wurde. Ich vermute, daß das Biologiezentrum diese Dokumente nicht in kritischer Absicht ins Internet gestellt hat. Viele Naturschutzorganisationen halten Tratz hoch in Ehren und vergeben nach ihm benannte Preise. Die Untersuchung der Kontinuität des Naturverständnisses seit den 1920er-Jahren, der NS-Zeit, der Zeit der 50er-Jahre bis hin zur Grünen Bewegung bedürften dringend einer Beleuchtung. Wenn man Texte etwa von Tratz aus den 20er-Jahren liest, vor allem solche, die er in pädagogischer Absicht verfasst hat, kommt man aus dem Staunen über die Affinität zur jüngeren Gegenwart kaum heruas.)
Inzwischen gibt es zeitgeschichtliche Forschungen, die die Tätigkeit Tratz sorgfältig dokumentieren (Robert Hoffmann, Ein Museum für Himmler. Eduard Paul Tratz und die Integration des Salzburger „Hauses der Natur“ in das „Ahnenerbe“ der SS. In: Zeitgeschichte, 35 (2008), H. 3, 154-175) und auch museologische Auftragsforschung. Eine Publikation zur Geschichte des Hauses soll angeblich noch in diesem Jahr erscheinen.
Darüber erfährt man aber nach wie vor nichts vom Museum. Die Politik, die betrieben wird, ist die des "Vergessenmachens". Weder Tratz wird auf der Webseite genannt noch wird die einschlägige Geschichte des Hauses referiert. Man findet auch nichts zu einem erhaltenen Kernstück der Tratzschen rassenpolitischen und musealen Betätigung: zu den Tibetdioramen. Nur wenn man den Orientierungsplan des Hauses genau ansieht, entdeckt man die "Tibetschau".
Nur drei kurze Absätze findet man untere der Überschrift "Über uns". Der erste lautet: "Das Naturkundemuseum Haus der Natur besteht seit dem Jahr 1924. Seit seinen Anfängen überrascht es seine BesucherInnen mit einer modernen, lebendigen Museumsdidaktik, die sich mit den Jahren konsequent weiterentwickelt hat." (Webseite des Hauses der Natur, abgerufen 11.Juni 2013)
Inzwischen schreiben wir 2013, ein neuer Direktor, der dem Nachfolger von Tratz, Eberhard Stüber gefolgt ist, ist längst im Amt, einschlägige Forschungen und Debatten sind öffentlich bekannt, aber dennoch, das Museum kann sich immer noch nicht durchringen, sich seiner Geschichte zu stellen.
Hier die Links zu meinen älteren Posts (die übrigens zu den meistgelesenen dieses Blogs überhaupt gehören, vermutlich deswegen, weil sie - noch immer - zu den ganz wenigen leicht zugänglichen Informationen zur NS-Geschichte des Hauses der Natur und zu Eduard Paul Tratz gehören).
"Blutgebundene Abhängigkeit". Das Haus der Natur in Salzburg wird sich wohl weiter nicht um die Aufarbeitung seiner NS-Geschichte kümmern
Das Haus der Natur in Salzburg als Institut des SS-Ahnenerbes
Dienstag, 4. Juni 2013
Objet trouvés.Die Laubhütte
Donnerstag, 29. November 2012
Berufsbild: Museumswissenschafterin
Montag, 8. Oktober 2012
Morbus Klimt
Morbus Klimt ist eine in der medizinischen Literatur wegen ihres lokal und berufsspezifisch engen Auftretens noch kaum beschriebene, heilbare Krankheit. Betroffen sind von ihr vor allem Direktoren und Kuratoren von Museen, die Werke oder Dokumente des Wiener Malers Gustav Klimt ihr Eigentum nennen. Morbus Klimt tritt in Wien selbst ungleich häufiger auf, als in den österreichischen Bundesländern und hier wiederum ungleich häufiger als im benachbarten Ausland.
Symptome der meist harmlos aber hartnäckig verlaufenden Erkrankung sind unzusammenhängendes Stammeln ("Klimt und seine Modelle", Klimt und die Eotik", "Klimt und die Frauen") sowie die Manie, die Umwelt möglichst umfassend in ein Klimt-Ornament zu verwandeln, etwa Kaffetassen, Bieruntersetzer, Spielkarten, Schals, Aschenbecher, Notizbücher, Toilettenpapier, Servietten, Sektflaschen oder auch Teddybären.
Die Erkrankung kann zu einschlägigen Klimt-Gedenktagen bzw. -Jubiläen gehäuft beobachtet werden. So wurde im Wiener Allgemeinen Krankenhaus im Jahr 2012 vorübergehend eine eigene Ambulanz für von Morbus Klimt Befallene eingerichte, da in diesem Jahr nicht nur die genannten Symptome auftraten, sondern auch besorgniserregende Verwirrungszustände, und das über den einschlägig gefährdeten Kreis hinaus.
Zu ernstlicheren Verlaufsformen kam es in Zusammenhang mit der Eröffnung der sogenannten Klimt-Villa im XII. Wiener Gemeindebezirk, wo eine Koalition von "Verein Gedenkstätte Gustav Klimt", Bundesdenkmalamt, beratenden Architekten dem Eigentümer der Villa, "Kuratorium für künstlerische und heilende Pädagogik / Comenius-Institut" (sic!) die Wiederherstellung des sogenannten ursprünglichen Zustandes erfolgreich und zwingend nahelegte.
Wiewohl Klimt nie in dieser Villa gelebt und gearbeitet hatte, sondern für einige Zeit ein Atelier an ihrem Standort, in ungleich bescheidenerem baulichen Umfang betrieb, wurden alle Anstrengungen unternommen, das offensichtlich Unmögliche zu leisten: die "Rückführung" einer umfassenden baulichen Veränderung und Überformung - was bedeutete, die jahrzehntelange, wechselvolle Besitz- und Nutzungsgeschichte der - späteren - Villa in den "authentischen" Zustand, über den man mal mit gerade zwei Fotografien unterrichtet ist, gewissermaßen ungeschehen zu machen, um jene Räume wiederherzustellen, in denen Klimt einige seiner Gemälde entwarf oder fertigstellte.
Jetzt ist die "Klimt VIlla" eröffnet und noch ist nicht die Entwicklung einer mutierten, offenabr gefährlichern Verlaufsform von Morbus Klimt abzusehen. Es ist abzuwarten, ob in der Villa nicht fürderhin ein täuschend echter Klimt-Schauspieler sich auf einem penibel nachgebildeten Sofa mit ebenso täauschen von begabten Schauspielerinnen gemimten Modellen sich räkeln wird, nicht ohne zwischenzeitlich ab und zu seinen Pinsel an einer der Leinwände (in originalgetruer Fotoreproduktion) zu erproben.
Über die "Klimt Villa" und ihre merkwürdige Geschichte informiert gut der einachlägige Wikipedia-Eintrag, über die Einschätzung der "Rekonstruktion" Michael Hierner im Standard vom 3.10.2012 unter dem Titel "Die fünf größten Schönheitsfehler der Klimt-Villa". Der Verein, dem wir die "Rettung" der "Klimt-Villa" verdanken betreibt eine eigene Webseite. Thomas Trenkler hat schon im Mai 2012 auf die - freundlich gesagt - Widersprüche der Rekonstruktion hingwiesen und die trostlose (aber richtige) Feststellung getroffen, daß wohl der ganze Klimt-Rummel von 2012 wieder verscheinden werde, aber diese "Villa" nicht.
Symptome der meist harmlos aber hartnäckig verlaufenden Erkrankung sind unzusammenhängendes Stammeln ("Klimt und seine Modelle", Klimt und die Eotik", "Klimt und die Frauen") sowie die Manie, die Umwelt möglichst umfassend in ein Klimt-Ornament zu verwandeln, etwa Kaffetassen, Bieruntersetzer, Spielkarten, Schals, Aschenbecher, Notizbücher, Toilettenpapier, Servietten, Sektflaschen oder auch Teddybären.
Die Erkrankung kann zu einschlägigen Klimt-Gedenktagen bzw. -Jubiläen gehäuft beobachtet werden. So wurde im Wiener Allgemeinen Krankenhaus im Jahr 2012 vorübergehend eine eigene Ambulanz für von Morbus Klimt Befallene eingerichte, da in diesem Jahr nicht nur die genannten Symptome auftraten, sondern auch besorgniserregende Verwirrungszustände, und das über den einschlägig gefährdeten Kreis hinaus.
Zu ernstlicheren Verlaufsformen kam es in Zusammenhang mit der Eröffnung der sogenannten Klimt-Villa im XII. Wiener Gemeindebezirk, wo eine Koalition von "Verein Gedenkstätte Gustav Klimt", Bundesdenkmalamt, beratenden Architekten dem Eigentümer der Villa, "Kuratorium für künstlerische und heilende Pädagogik / Comenius-Institut" (sic!) die Wiederherstellung des sogenannten ursprünglichen Zustandes erfolgreich und zwingend nahelegte.
Wiewohl Klimt nie in dieser Villa gelebt und gearbeitet hatte, sondern für einige Zeit ein Atelier an ihrem Standort, in ungleich bescheidenerem baulichen Umfang betrieb, wurden alle Anstrengungen unternommen, das offensichtlich Unmögliche zu leisten: die "Rückführung" einer umfassenden baulichen Veränderung und Überformung - was bedeutete, die jahrzehntelange, wechselvolle Besitz- und Nutzungsgeschichte der - späteren - Villa in den "authentischen" Zustand, über den man mal mit gerade zwei Fotografien unterrichtet ist, gewissermaßen ungeschehen zu machen, um jene Räume wiederherzustellen, in denen Klimt einige seiner Gemälde entwarf oder fertigstellte.
Jetzt ist die "Klimt VIlla" eröffnet und noch ist nicht die Entwicklung einer mutierten, offenabr gefährlichern Verlaufsform von Morbus Klimt abzusehen. Es ist abzuwarten, ob in der Villa nicht fürderhin ein täuschend echter Klimt-Schauspieler sich auf einem penibel nachgebildeten Sofa mit ebenso täauschen von begabten Schauspielerinnen gemimten Modellen sich räkeln wird, nicht ohne zwischenzeitlich ab und zu seinen Pinsel an einer der Leinwände (in originalgetruer Fotoreproduktion) zu erproben.
Über die "Klimt Villa" und ihre merkwürdige Geschichte informiert gut der einachlägige Wikipedia-Eintrag, über die Einschätzung der "Rekonstruktion" Michael Hierner im Standard vom 3.10.2012 unter dem Titel "Die fünf größten Schönheitsfehler der Klimt-Villa". Der Verein, dem wir die "Rettung" der "Klimt-Villa" verdanken betreibt eine eigene Webseite. Thomas Trenkler hat schon im Mai 2012 auf die - freundlich gesagt - Widersprüche der Rekonstruktion hingwiesen und die trostlose (aber richtige) Feststellung getroffen, daß wohl der ganze Klimt-Rummel von 2012 wieder verscheinden werde, aber diese "Villa" nicht.
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