Freitag, 28. Oktober 2022

Ewigkeitswerkzeug

 



Wer ein Schloß als Tourist besucht oder ein Kloster als Sehenswürdigkeit, der kennt sie - diese unförmigen Pantoffel aus Filz, die beim Anziehen Anlaß zur Heiterkeit oder Verlegenheit geben. 

Der Sinn der unförmigen Fußbekleidung liegt auf der Hand. Man kann mit dem Schuhwerk, das man trägt, hineinschlüpfen und ungeniert über Parkett und Marmorboden schleifen, ohne Schmutz abzusondern.


Es gibt aber noch einen zweiten Sinn: anders als Schuhe mit harten Sohlen, beschlagenen Absätzen oder gar High Heels, nutzt der Filz der schützenden Pantoffeln die Böden weit weniger ab. Was wir als Sehenswürdigkeit, meist vorab bewundernd und wertschätzend besuchen, was als kulturelles Erbe meist unter Denkmalschutz steht, an dem jede Abnutzung eine Art von Verletzung der kulturellen Bedeutung wäre, soll ja dauerhaft Bestand haben. 


Musealisierte Immobilien und Mobilien sind mit einer merkwürdigen, unserem Verstand kaum zugänglichen Vorstellung von Ewigkeit ausgestattet. Das gilt auch für Museen, in besonderem Maße für Kunst Museen. Sie scheinen selbstverständlich immer da zu sein und auch das künftig und unbegrenzt. Niemand stellt sich die Dauer von Artefakten als zeitlich irgendwann endend dar, obwohl auch sie beschädigt werden oder zugrundegehen können. Etwa durch die begrenzte Haltbarkeit des Materials oder wegen verschiedener Umwelteinflüsse.


So gesehen sind die Filzpantoffel Ewigkeitswerkzeuge, der praktische Einspruch gegen Abnutzung und Verfall, das Hilfsmittel der scheinbar grenzenlosen Dauerhaftigkeit des kulturellen Erbes.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen