Freitag, 11. Februar 2022

Elsbeth Wallnöfer: Arsenikesser. Eine ungewöhnliche, eine feine Ausstellung von Simon Brugner im Volkskundemuseum des Universalmuseum Joanneum, Graz.


 

 

Simon Brugner, Künstler, Fotograf, Steirer, Kurator, veröffentlichte im Jahr 2018 ein Foto-Kunst-Buch mit dem Titel „The Arsenic Eaters“. (Brugner, Simon: The Arsenic Eaters. Erschienen bei The Eriskay Connection o.O. 2018)

Jetzt gibt es dazu auch eine Ausstellung. Gegenstand von Buch und Ausstellung ist die künstlerische Auseinandersetzung mit einem kaum beachteten Thema, den, in der Vergangenheit auch als Giftesser bekannten, Arsenik Essern seiner unmittelbaren Heimat. Arsenik, als psychoaktive Substanz (Droge), die seit der griechisch- und römischen Antike als solche bekannt und genutzt ist, entdeckten auch die Steirer und Tiroler für sich, nachdem sie Arsenik-Vorkommen vorfanden. In geringen Mengen zu sich genommen, geraucht oder geschleckt, zermahlen und pulverisiert wirkte es wie ein Schönheitsbooster. Pferdehändler verfütterten es dem Vieh, das es galt in naheliegender Zukunft zum Verkauf anzubieten. Dem Fell verlieh es Glanz und den Muskeln Spannung.

Könige vieler bekannten Reiche der Geschichte suchten sich mit gezielten, wohldosierten Portiönchen davon vor Giftanschlägen zu immunisieren, schönheitsbewusste Griechinnen nutzen einstmals das Mittel, um sich zu enthaaren.

 

Die kleine, exquiste und überschaubare Ausstellung von Simon Brugner ist jedoch keine Kulturgeschichte regionaler Drogen, sie ist eine Kunstausstellung. Seine Fotoarbeiten stellt Brugner von ihm ausgewählten Objekten aus dem Depot des Hauses gegenüber. Wer gewillt ist, sich auf eine künstlerische Präsentation, auf eine gewisse Art von Spiegelung einzulassen, der wird am Ende belohnt. Brugners Arbeiten, Auswahl und Zusammensetzung beruhen nämlich auf dem Prinzip eines (unbewussten?) Gestaltenwechsels. Seine, bereits in den Fotografien angelegte, vergleichende Morphologie liegt als Prinzip auch der Ausstellung zugrunde. Daher scheint es logisch und konsequent, Votivbilder und Strahlenkränze aus dem Bestand des Hauses in die Schau aufzunehmen, morphologische Ähnlichkeiten zu seinen Fotografien hin auf subtile Weise zu offenbaren. Weil es keinen umfassenden Raumtext zur Kulturgeschichte der Droge Arsenik gibt (was für Unwissende anzubieten eine hilfreiche Geste wäre), ist der Besucher mehr denn sonst gefordert, sich bedingungslos auf die gebotene Kunst samt „fremden“, irritierenden Objekten einzulassen. Wem dies gelingt, der vernimmt auch den sublimen erotischen Charme, der in den Dingen, Bildern, den religiösen Motiven, angelegt liegt.

 

Der idealerweise räumlich von der Ausstellung separierte Lesetisch mit seinen Textkopien wirkt leicht überfordernd bis tapsig hingestellt. Da wäre doch ein feiner, kulturhistorisch aufklärerischer Raumtext, der von der Mithradisation, dem Arsenik-Handel der Steirer, von der Praxis, es als Schönheitsmittel anzuwenden, wie grundsätzlich von der Faszination des Arsenik- Essens als Droge erzählt, eleganter und hilfreicher gewesen. So aber finden wir einen, im Charakter einer Kunstkritik gehaltenen, Text zur Arbeit des Fotografen vor, der etwas einbeinig daherkommt.

 

Wer sich davon unbeeinflusst auf die Ausstellung einlässt, zieht Genuss aus der kleinen chiasmatischen Kunstschau.

 

„Erinnerungen an die steirischen Arsenikesser“. Volkskundemuseum des Universalmuseum Joanneum, Graz. Kurator: Simon Brugner. Co-Kuratorin: Birgit Johler. Die Ausstellung läuft noch bis 6. März 2022

 

 

 

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