Montag, 8. Dezember 2014

Entdeckerlust durch Texte (Texte im Museum 500). Fünf Jahre "Museumsblog" und 500 "Texte im Museum"


Eine Ausstellung mit Gemälden Paul Cézannes sehen zu können, mit erstrangigen Werken in einem angesehenen Museum, Thyssen-Bornemisza in Madrid (2014), ist eine schöne Überraschung, wenn man touristisch in der Stadt ist und mit dieser Schau nicht gerechnet hat. Noch schöner ist, es wenn man feststellt, daß die Ausstellung einer bemerkenswerten Gliederung folgt, die sparsam und intelligent von Texten unterstützt wird.
Der oben abgebildete Text war der am Eingang, er exponiert eine Frage. Das ist schon einmal bemerkenswert, meist beginnt es doch mit einer Würdigung, Affirmation, Unterstreichung der Bedeutung des Künstlers. Und das gekleidet in kunsthistorisches Fachwissen. Nicht hier. Hier steht zuerst die Auseinandersetzung eines Gegenwartskünstlers mit Cézanne. Aus seinen Beobachtungen werden weitere Entwickelt und dem Besucher als eine Möglichkeit vorgeschlagen, sich die Gemälde anzusehen. Es wird weder etwas behauptet noch bewertet, man bekommt eineige Werkzeuge mit, die man anwenden kann oder nicht. Es wird nicht Wissen vermittelt, sondern eine Ermunterung, selbst zu sehen, ausgesprochen.
Auch die räumliche Ordnung unterstützte diese Vorgangsweise. Der erste Raum war den Wegbiegungen gewidmet - an und für sich schon eine witzige Idee. Wegbiegungen? Warum in aller Welt jetzt das? Noch einmal, aber dann immer sparsamer, unterstützte in diesem Raum ein Text und einoriginales Zitat von Cézanne. Mehr braucht es auch nicht. Die Fragen potenzieren sich, wenn man mal anfängt, sie anzuwenden.
Hier also noch der Text über Wegbiegungen.


Fünf Jahre "Museologien"-Blog

Am 8. Dezember 2009 habe ich meinen ersten Post veröffentlicht. "Jüdisches Museum der Stadt Wien - Ein Opfer populistischer Kulturpolitik?" beschäftigte sich mit der Bestellung von Daniel Spera zur Leiterin des Jüdischen Museums der Stadt Wien. Ich konnte natürlich nicht ahnen, daß viele Monate später das Jüdische Museum monatelang ein zentrales Thema des Blogs wurde. Als nämlich mehr oder weniger über Nacht die Dauerausstellung des Museums abgebrochen wurde und sowohl dieser Abbruch als auch die fadenscheinigen Begründungen durch Frau Spera empörten und heftige Reaktionen auslösten. Der Post vom 8.12.2099 wird, wie andere zum Jüdischen Museum, immer noch abgerufen und hält sich in den "Top ten" der am meisten abgerufenen Texte.

Erst gestern Abend bin ich zufällig auf das "Jubiläum" des Blogs gestoßen. Die Anregung, einen museologischen Blog zu starten kam von einer Kollegin in Deutschland, Nina Gorgus, die schon länger ihren Blog betrieb (und auch noch betreibt). Ich startete ins Unbekannte, hatte weder Ahnung von technischen Möglichkeiten noch praktischen Effekten. Es läßt sich nicht mehr feststellen, wie viele "Leser" der Blog in diesem ersten Monat Dezember 2009 hatte. Jedenfalls steigt die Zahl der Besuche zwar nicht stetig aber insgesamt immer weiter an und zuletzt sogar weit überproportional. Wo überall der Blog gelesen wird, kann ich mangels statistischer Daten, die Google zur Verfügung stellt, nur ahnen, jedenfalls ist es erstaunlich, daß - bei einem deutschsprachigen Blog -, an der Spitze abgesehen von den erwartbaren, Länder wie Norwegen, Russland, Schweden, Belgien dabei sind und neuerdings, für mich in keiner Weise durchschaubar - die Ukraine, ausgerechnet.

"Getragen" wird der Blog vom Spaß am kurzen, manchmal zugespitzten, polemischen Schreiben, der Bemühung, möglichst auch visuell zu informieren und argumentieren und der Überzeugung, daß es viel zu wenig analytischer und kritischer Auseinandersetzung mit den Museen und mit Ausstellungen gibt. Manchmal ist mir der Spaß vergangen und einige Male habe ich auch an Beendigung des Bloggens gedacht. Vielleicht passiert das ja auch mal, bald oder nicht so bald. Noch einmal fünf Jahre? Keine Ahnung!

Typische Schaffensphase eines Bloggers



Samstag, 6. Dezember 2014

Museumspolitik in der Globalisierung. Am Beispiel Parthenon-Fries

Er bewegt sich doch! Der Parthenonfries. Wenigstens Stückweise. Unter strengster Geheimhaltung, so kann man lesen, wurde eine Figur von London nach St. Petersburg in die Eremitage gebracht. Warum? Weil, so die Frankfurter Allegmeine Zeitung, das "Petersburger Museum die Ideale der Aufklärung [verkörpert], die das gemeinsame europäische Erbe geprägt haben. In diesem Sinne ist auch die Reise des Ilissos zu sehen, zumal vor dem Hintergrund der neuerlichen Spannungen zwischen Moskau und dem Westen."

Die zaristische Kunstsammlung ein Inbegriff der Aufklärung? Und was meint genau dieses Raunen aus dem Hintergrund der Spannungen...? Ausgeliehen wird das Objekt aus Anlaß des 250ten Jubiläums der Eremitage. Neil McGregor bringt dieses Datum mit dem Gründungsdatum des British Museum in einen zeitlichen und damit ideellen Zusammenhang. Beide Museen seien frühe bedeutende Institute der Aufklärung. Er weiß es natürlich besser. (1) Dem British Museum liegt ein Parlamentsbeschluss zugrunde, aus einer privaten Sammlung eine staatlich erhaltene Institution zu machen, das "Jubiläumsdatum" der Eremitage bezieht sich auf das Entstehen einer kaiserlichen, exklusiven und privaten Sammlung, die erstmals erst in den 1850er-Jahren öffentlich zugänglich wurde, und auch da sehr restriktiv.

Absolutely not amused zeigt man sich in Griechenland, das ja nach wie vor auf der Rückführung des Frieses besteht. Da geht dann schon mal der Ministerpräsident persönlich vors Mikrophon und empört sich.

Dass ausgerechnet in Zeiten der ökonomischen und politischen Drangsalierung Griechenlands durch die EU den kopflosen Flußgott Illissos verschickt, ist schon seltsam. Es ist außerdem das erste Mal, daß ein Objekt aus dem Fries das British Museum verlassen hat.

Der Direktor löst das Problem gegenüber der Öffentlichkeit so auf: hier ginge es um eine kuratoriale Entscheidung im Rahmen der üblichen Usancen, mit der sich Museen wechselseitig Objekte ausleihen, um die politischen Streitigkeiten müsse man sich dabei nicht kümmern.

Der Flußgott mit Zwiebelgemüse in der Eremitage (Foto: The Guardian)

Laut BBC hatte der Direktor des Museums noch etwas Feinsinniges in Richtung Griechenland zu sagen, was man dort sicher sehr erfreut aufgenommen haben mag: "I hope that they'll be very pleased that a huge new public can engage with the great achievements of ancient Greece. People who will never be able to come to Athens or to London will now here in Russia understand something of the great achievements of Greek civilisation."

Und auf die Frage, ob man denn Objekte auch an Griechenland ausleihen würde: Sie haben nicht angefragt. Das wird Griechenland angesichts der aufrechten Rückgabeforderung auch nicht tun, und man kann schwer um eine Leihgabe bitten, wenn man das Eigentumsrecht des British Museum anfechtet. Da hat Herr MacGregor schon seinen sehr eigenen Humor. Und (nicht zum ersten Mal) ein imperales paternalistisches Verständnis vom British Museum: "The British Museum is a museum of the world, for the world and nothing demonstrates this more than the loan of a Parthenon sculpture to the State Hermitage Museum in St Petersburg to celebrate its 250th anniversary."

(1) Cultural Property: "By the way, Catherine the Great's keep-up-with-the-Enlightenment kunstkabinett in the Small Hermitage was a private collection in 1759. The museum only "opened its doors" by Nicholas I in 1852, a century later. McGregor is making up history here." Der Guardian berichtet ausführlich vom intensiven Bemühen Griechenlands um eine Mediation, für die international besetzte Gremien bereitstehen. Seit 18 Monaten sei eine Antwort Englands auf das Ersuchen Griechenlands ausständig.

Freitag, 5. Dezember 2014

Der Alpenverein hat ab sofort kein Museum mehr. Die Ausstellung "Berge. Eine unverständliche Leidenschaft" hat geschlossen



Ende Oktober schloß die Ausstellung "Berge. Eine unverständliche Leidenschaft". Eine weitere Verlängerung der Ausstellung war nicht mehr möglich, weil die Hofburg die Räume für andere Ausstellungen benötigt. Der Alpenverein, in dessen Auftrag de Ausstellung entstand und dessen Sammlung den Grundstock bildete, hat ab sofort keine Ausstellung mehr, keine Nachfolge für sein Museum, das anlässlich der Übersiedlung der Zentrale aus der Stadtmitte aufgelöst wurde und das gewissermassen auf Zeit durch die Ausstellung "ersetzt" wurde. Es gibt auch keine konkreten und vor allem keine kurzfristig realisierbaren Pläne für ein neues, anderes Museum und auch eine neue Ausstellung dürfte sich nicht schnell und wenn nur mit Kompromissen realisieren lassen. Der Alpenverein ist zwar eine große Organisation, aber sein Hauptaugenmerk gilt natürlich nicht dem Museum. Trotz vorhandener Entscheidungsgrundlagen hat der Vorstand des Vereins keine Entscheidung gefällt und es verabsäumt, rechtzeitig nach der Schließung für etwas Neues zu sorgen. So könnte es dazu kommen, daß der große Verein zwar eine Sammlung besitzt, die anlässlich der Übersiedlung ein modernes Depot erhielt und nun besser denn je (im Zuge der Ausstellung) aufgearbeitet wurde, aber dass es eben beim Deponireren bleibt.

Parallelaktion ums Haus der Geschichte/Republikmuseum

Kann ja kein Zufall sein, oder? Zeitgleich mit dem Planungsstopp, das Minster Ostermeyer übers Weltmuseum verhängt, der als Rechtfertigung einen Untoten aus der Gruft zerrt, den Plan eines Hauses der Geschichte, wird eben dieses, ein Haus der Geschichte, aus den Reihen einer Forschergruppe lanciert, mit einem Standort, Überraschung, in der neuen Hofburg. Einen, den, Überraschung! auch Minsiter Ostermeyer genannt hat. Noch ist es nur ein Raunen und ein Ausstreuen von Gedankenbröseln, aber schon demnächst solls mehr geben. Wir spitzen inzwischen unsere Ohren.

Dienstag, 2. Dezember 2014

Vom Vormund Pubertierender zum Universalarrangeur der Lebenswelt: Der Kurator

Eine Breitseite, aber eher eine harmlose, läßt Joachim Güntner in der Neuen Zürcher Zeitung vom 18.11.2014 los. Ja, es ist schon wahr, "kuratiert" wird nahezu alles und manchmal hat man den Eindruck, das ist ein neuer Schlüsselberuf.
Güntner macht sich weidlich über die Epidemie des Kuratierens lustig aber er steuert auch Historisches bei: "Das Verb ist ganz jung, das Nomen alt. Kuratoren kannten schon die Römer, und zwar in grosser Zahl und Zuständigkeit. Unter Kaiser Augustus waren es mit Machtfülle ausgestattete Aufsichtsbeamte, denen das Regiment über Wege und Landstrassen übertragen war und die sich darum kümmerten, dass der Tiber nicht verdreckte. Auch mit Erhaltung und Ausbesserung der Wasserleitungen, Brücken, Tore, Mauern waren curatores beauftragt. Ihnen oblag die Kontrolle aller öffentlichen Gebäude, namentlich der Tempel, Gerichte und Theater. Curatores überwachten Versteigerungen und vertraten Dritte in Rechtsangelegenheiten. In Zedlers «Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste» von 1733 füllt die Aufzählung ihrer Metiers drei Spalten. Dem voran stellt Zedler den Hinweis auf den Curator als Vormund, «der eines in die Pubertät getretenen Jünglings Güter und Geschäfte zu administrieren auf sich nimmt".
Was ist er heute? Die Bundesagentur für Arbeit informiert uns: Kuratoren und Kuratorinnen betreuen Sammlungen in Museen und organisieren Ausstellungen sowie Sonderaktionen. Kuratoren und Kuratorinnen arbeiten in Museen und bei Betreibern historischer Stätten, in Kultur- und Freizeitämtern, bei Landes- oder Stadtverwaltungen oder in Bibliotheken und Archiven. Auch bei Kulturvereinen können sie tätig sein.

Die Kuratoren-Epidemie kommt also durch eine Ausweitung der Anwendung zustande. Kuratiert wird alles, Modescahuen oder Parkanlagen, so Güntner, Literaturhäuser und Festivals. "Rhetorischer Quark." (Güntner).
Der Autor hat auch eine These, warum das so ist. "Die chaotische Fülle des Netzes ruft nach Pflege (cura) via Smartphone und Selfies. Na ja.

Montag, 1. Dezember 2014

Neulich im Kunsthistorischen Museum. Velazquez im Blindflug

Gäste bitten mich, Sie in die Velazquez-Ausstellung zu begleiten. Mache ich gerne und mit Neugier, war ich dich erst vor wenigen Monaten im Prado und habe einige Velazquez-Gemälde noch in stärker Erinnerung.
Überraschung im Wiener Museum: Velazquez aber wenig Licht. Der Restauratorinnen Vorbehalt gegen das Herzeigen von Kunstwerkrn treibt immer seltsamere Blüten. So finster habe ich ein Museum nur noch im gegenüberliegenden Naturhistorischen Muśeum gesehen. In einer Ausstellung, in der man nachvollziehen können sollte, wie es Blinden geht, wenn sie sich orientieren und fortbewegen...

Viel Vealzquez aber wenig Licht. Unglücklicherweise waren manche Gemälde von den wenigen Lux trotzdem so stark überstrahlt, dass man sie nur teilweise erkennen konnte. 

Kunst im Blindflug. Auch eine Erfahrung.


Entrée

Musée d'Art moderne Paris

Museumsszene. Plötzlich diese Übersicht


Sonntag, 30. November 2014

Das "Weltmuseum" scheitert zum zweiten Mal

Minister Ostermeyer ist ein kluger Mann. Er stoppt ein Museumsprojekt, dessen Mehrkosten mittelfristig nicht finanzierbar sind. Kluger Mann. Endlich einmal ein Politiker, dem ein nachhaltig gesichertes Vorhaben wichtiger ist, als seine Eröffnungsrede und das Lächeln in die Kameras.
Minister Ostermeyer ist ein unfähiger Politiker. Er stopp ein Projekt, das seine Vorgängerin im Amt auf den Weg gebracht hat und das längst konzipiert ist und in etwas mehr als zwei Jahren fertiggestellt sein sollte. Er stoppt es, weil er nach Monaten der Vorbereitung draufkommt, daß Teile der Finanzierung nicht im vorliegenden Konzept enthalten sind. Er gefährdet die Neuaufstellung eines Museums, das seit vielen Jahren nur einen Bruchteil seiner Sammlung zeigen kann.

Die Rede ist vom Weltmuseum in Wien.

Ja, man kann es so oder so sehen. Kluger Minister & unfähiger Minister. - "Wir sperren das Völkerkundemuseum nicht zu" sagt er. Es ist aber zu. Seit 3. November. Wegen der anstehenden Umbauarbeiten. Jede Verzögerung, die jetzt eintritt, bedeutet eine Verlängerung der Schließzeit des kompletten Hauses. Das ist für jedes Museum eine unangenehme Situation. Es verliert den Kontakt zu seinem Publikum und tritt in der öffentlichen Aufmerksamkeit nach hinten.

Damit es noch unübersichtlicher wird bringt der Minister zwei andere Projekte ins Spiel, die man "seit langem diskutiert" - den Tiefspeicher für die Nationalbibliothek (für die Ortsunkundigen: sie befindet sich im selben Gebäude wie das Weltmuseum) und das Haus der Republik. Das ist die Idee eines Historischen Museums der Geschichte Österreichs seit etwa 1914, das im Regierungsprogramm enthalten ist.

27,5 Millionen sind für den Umbau des Völkerkundemuseums vorgesehen. Die nicht einbezogenen Mehrkosten für den Betrieb sollen 2,8 Millionen betragen. Pro Jahr. Frage: wie soll sich eine Einsparung ergeben, aus der ein Republikmuseum finanzierbar wäre. Ein Museum, bei dem nichts existiert, keine Räume, kein Personal, keine Sammlung. Und der Tiefspeicher muss gebaut werden. Irgendwann, aber in nicht zu ferner Zeit. Man kann die Bücher künftig ja nicht in den Parkanlagen um die Neue Burg stapeln.

Zwischen den Zeilen wird angedeutet, daß überlegt wird, wie zwischen dem Weltmuseum und dem Haus der Geschichte Verbindungen hergestellt werden könnten. Abgesehen von vereinzelten Aspekten fällt mir dazu nicht viel ein, aber vielleicht bin ich dafür blind. Nur: das hatten wir schon mal. Um das Volkskundemuseum zu retten, sollte es mit dem Völkerkundemuseum, wie es damals noch hieß, zusammengelegt werden. Das erarbeitete Konzept dokumentierte das folgende Scheitern. Beide Institutionen wollten unangetastet nebeneinander bestehen bleiben und gemeinsame Projekte verwirklichen.

Minister Ostermeyer fordert vom "Weltmuseum" eine "Kurskorrektur". Was er damit meint, läßt er offen. Das Wort "Kurskorrektur" ist freilich rein pragmatisch gemeint. "Redimensionierung" lautet der Ausdruck, den die Direktorin des Kunsthistorischen Museums, dem das Weltmuseum unterstellt ist, verwendet. Also Verkleinerung. Trotzdem. Der Baubeginn wird nicht verschoben, die Eröffnung möglichst auch nicht. Wie geht so etwas, ohne neuerlich am Konzept des Weltmuseums nachzubessern? Und: es wird der "Business-Plan" an die "Basisabgeltung" angeglichen. Übersetzung: Man wird - wo? - streichen und kürzen, um mit der seit Jahren bekannten und "gedeckelten" (begrenzten) Finanzierung durch den Staat auszukommen.

"Kurskorrektur", das Wort gefällt mir. Vor allem in Zusammenhang mit dem "Weltmuseum". Denn was dieses Museum (dringendst) nötig hat, sind nicht mehr Ausstellungsfläche und neues Design und eine mehr Aufmerksamkeit weckende Gestaltung der Flächen vor dem Museum, sondern eine inhaltlich-konzeptionelle Kurskorrektur.

Das Völkerkundemuseum, das nun Weltmuseum heißt, hat also einen neuen Namen. Aber die alte Ideologie. In diesem Blog sind mehrere Ausstellung ausführlich kritisiert worden. Das kann man nachlesen, ich kann das hier nicht alles noch einmal aufrollen. Was dem Museum hautsächlich fehlt, ist Selbstkritik, Prüfung seiner Rolle, seiner Aufgabe. Es zeigt sich in vielen, in nahezu allen seinen wichtigen Ausstellungen tief unfähig zur Selbstreflexion, Was andernorts längst an ethnologischen Museen kritisiert wird und an manchen namhaften Häusern auch praktisch umgesetzt wurde, hat in Wien nicht stattgefunden. Eine Aufarbeitung der Geschichte der Völkerkundemuseen, des eigenen Hauses, die Überprüfung des eigen Standortes wie des eigenen Blicks auf "die Anderen".

Steve Engelsman, der Direktor des Hauses, kommt aus den Niederlanden und hat an leitender Position große Erfahrung auch mit Fragen der Neupositionierung der Völkerkundemuseen mitgebracht. Er kommt aus einem Land, das mit seiner kolonialen Vergangenheit in vielen einschlägigen Museen reflexiv, selbstkritisch, um Aufarbeitung und Vermittlung bemüht umgeht. Dieses Bemühen kommt dort aus den Museen selbst und wird von der Kulturpolitik unterstützt. Als ich zuletzt in Amsterdam war, erzählten mir Kuratoren des Tropenmuseums (wie dort das Ethnologische Museum heißt), daß gegenwärtig unter den Museen eine Grundsatzdebatte geführt werde bis hin zur möglichen Auflösung des Typs "Völkerkundemuseum".

Ich habe von Engelsmann manches über die Veränderung des Marketing, den Umbau, gestalterische Maßnahmen um das Museum herum und anderes mehr gehört. So gut wie nichts zu Zielen und zur Veränderung von Zielen und Arbeitsweisen. Die Ausstellungspolitik hat sich nicht geändert. Und es gibt kein Anzeichen dafür, daß sie sich ändern wird.

Und es ist wie immer (wie immer?). Niemand, wirklich niemand, diskutiert darüber. Business-Pläne, ja. Budgetabgeltung, ja. Eröffnungsdatum, ja. Sonst nichts.


Mittwoch, 26. November 2014

Das Imperial War Museum London neu

Den Eindruck einer ambitionierten aber eher fragwürdigen Neugestaltung und - Inszenierung vermittelt ein Bericht von Marion Löhnsdorf in der NZZ zur Neugestaltung des Imperial War Museum in London mit der Schlussfolgerung, das Museum habe sich mit eher mäßigem Erfolg bemüht, Chaos und Schrecken des Krieges zu vermitteln.
Hier der Link: http://www.nzz.ch/feuilleton/kunst_architektur/die-helden-werden-zur-fussnote-1.18431264

Die kunstsinnige Schweiz oder Die Kunst des Erbens

Der Anwalt des verstorbenen Kunsterben Cornelius Gurlitt, Hannes Hartung, ist ziemlich unzufrieden mit der Rolle des Kunsmuseums Bern, das sich von jeglicher historischer Verpflichtung entlasten ließ, bevor es so nett war, das Gurlitt-Erbe anzunehmen. "Wenn man die Berichterstattung in den Schweizer Medien seit Mai aufmerksam betrachtet, wird schnell klar, dass es in der Eidgenossenschaft nur um ein Thema ging: das liebe Geld. Auf keinen Fall wollte man nur einen einzigen Cent in die Aufarbeitung der Erbschaft stecken. Das Geld und nicht etwa die Moral war der wesentliche Diskussionspunkt im politischen und kulturellen Bern bis zur Annahme der Erbschaft."

Nachdem die Geld- und Moralprobleme gelöst sind, freuen sich Museumsdirektor Matthias Frehner und Stiftungsratspräsident Christoph Schäublin aus Bern im Interview mit dem Tages-Anzeiger über die Qualität der Sammlung: "Jetzt dürfen wir es ja sagen. Zu den Glanzstücken zählen eine großformatige, 1847 datierte 'Montagne Sainte-Victoire'-Landschaft von Paul Cézanne und eine 'Waterloo Bridge im Nebel' von Claude Monet von 1903, ferner eine sehr schöne 'Marine' von Manet, ein sehr bedeutendes Werk aus der frühpointillistischen Periode von Paul Signac sowie mehrere Bilder vonCourbet."

Via "Perlentaucher"

Sonntag, 9. November 2014

Das Museum brennt

Ed Ruscha: Das Los Angeles County Museum on Fire. 1965–68, Oil on canvas. 53 1/2 x 133 1/2 in. Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution, Washington, D.C., Gift of Joseph H. Hirshhorn


The Los Angeles County Museum on Fire, 1965–68, Ed Ruscha. Oil on canvas. 53 1/2 x 133 1/2 in. Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution, Washington, D.C., Gift of Joseph H. Hirshhorn, 1972. - See more at: http://blogs.getty.edu/pacificstandardtime/explore-the-era/worksofart/the-los-angeles-county-museum-on-fire/#sthash.fU8xEjkd.dpuf
The Los Angeles County Museum on Fire, 1965–68, Ed Ruscha. Oil on canvas. 53 1/2 x 133 1/2 in. Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution, Washington, D.C., Gift of Joseph H. Hirshhorn, 1972. - See more at: http://blogs.getty.edu/pacificstandardtime/explore-the-era/worksofart/the-los-angeles-county-museum-on-fire/#sthash.fU8xEjkd.dpuf
Das Museum brennt. Wenn man das Bild (oder das Museum) schon mal gesehen hat, kann man sich erinnern, daß es das Los Angeles County Museum ist. Aber vielleicht kommt es darauf gar nicht so an.
Ruscha hat ja kein Katastrophen- oder Historienbild gemalt. Weder wurde das Museum Opfer eines Missgeschicks oder Unfalls, noch hat jemand es in Brand gesetzt.
Er, der Künstler, legt Feuer ans Museum.
Und er ist nicht der erste, der die Idee hatte, aber vielleicht der erste, der sie umsetzte, wenngleich nur ästhetisch. Verbale Angriffe auf das Museum, aggressive Äußerungen bis hin zum Wunsch es anzuzünden gibt es nachweislich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. 1871 wäre aus den Phantasien fast Realität geworden. Eine Brandlegung im Louvre während der Commune wurde verhindert, aber das anschließende Tuilerienschloß brannte tatsächlich ab, so gründlich, daß es abgebrochen werden musste.
Vermutlich galt der Anschalg auf den Louvre gar nicht in erster Linie dem Museum sondern seiner historischen Bedeutung als Herrschaftssitz und seiner Aktualisierung als Residenz des Kaisers.

Warum die Aggression gen das Museum als Institution? Für nicht wenige Künstler waren (und sind) Museen Totenhäuser einer verstaubten Tradition, und was Sammlungen jahrhundertelang für sie waren, Ausbildungs- und Inspirationsstätten, waren sie kaum noch, stattdessen wurden sie verantwortlich gemacht für das Verschwinden der Kunst aus der Lebenspraxis. Nicht nur im Museum wurde sie museal. Und außerdem bildete der Kanon der großen, der bewunderten Kunst eine Last, die schwer abzuschütteln war.

In einer Äußerung zu seinem Bild spricht denn auch Ruscha von der Autorität des Museums als etwas Negativem. Seine Autorität zurückzuweisen, läuft auf eine Zurückweisung der herrschenden Kultur hinaus. Diesen Generalverdacht hegten Künstler immer wieder und forderten seine Abschaffung und Zerstörung, wie die italienischen Futuristen, oder machten es lächerlich wie Chris Burden, der die Frage nach dem Sinn des Museums beantwortete: Should the rain keep off.

Das Los Angeles County Museum ist eines der größten Museen der USA, ein komplexes Museum mit großen Sammlungen vieler, nicht nur der europäischen Kulturen. Schon 1910 ist es entstanden, als Naturmuseum. Auf dem Bild ist der Bau zu sehen, der in den 60er-Jahren entstand, inzwischen ist das Museum wesentlich größer geworden und bildet fast so etwas wie einen Stadtteil. Die Gebäude von damals sind genau wiedergegeben, aus einer Aufsicht, die Ruscha möglicherweise nach einer Fotografie malte (eine zeitgenössische Ansichtsakarte gibt ziemlich genau diesen Blickwinkel und -ausschnitt wieder).
Aber authentisch ist die Ansicht nicht. Nicht nur daß die Gebäude in einer Vereinfachung gemalt sind, die sie wie Modelle ihrer selbst erscheinen läßt, schon damals lagen sie in einem Park und in einem zwar lockeren aber den Gebäuden naherückenden urbanen Umfeld. Nichts davon sieht man hier. Keine Stadt, kein Los Angeles, selbst das was Ruscha uns im Gespräch als sorgfältig getrimmten Rasen versuchsweise wahrzunehmen anbietet, ist ein diffuser in einem unbestimmten Nirgendwo übergehender Farbraum. Das Museum erscheint ganz isoliert, ohne Verortung. Welche Tageszeit ist es? Welche Jahreszeit ist es? Auch das ist unbestimmt. Und etwas fehlt gänzlich: Menschen. Passanten, Besucher. So als ob das Museum schon preisgegeben worden wäre und nun auch noch abbrennt.

Zeitlosigkeit ist etwas, was wir mit Museen assoziieren, aber positiv, wenn auch ambivalent. Das Museum entzieht die Objekte der Zeit, d.h. in materieller Hinsicht ihrem Verbrauch, Verschleiß oder Verfall. Und: das Museum sammelt in einen offenen, unbestimmten Zeithorizont hinein.
Ist das hier gemeint? Ich denke eher nicht. Die Ort- und Zeitlosigkeit hier, im Bild, ist etwas unheimlich, beklemmend. Das Museumsbild vermittel etwas Totes in einem umfassenden Sinn. Ist es also eine Art Allegorie auf das Museum als Mausoleum?

Ed Ruscha hat in einem Interview, in dem er einige Sätze zum Bild fallen läßt, etwas gesagt, was mich auf die Idee gebracht hat, eine zum Befund des Musealen, also Abgestorbenen konträre Lesart zu versuchen. Es raucht heftig aus dem Dach oder Innehof des einen Gebäudes und die Flammen scheinen so mächtig, als wäre Rettung nicht mehr denkbar. Aber seltsamerweise ist das Gebäude noch vollkommen intakt, nicht ruinös, wie es ein anderer, verbreiteter Topos der Museumsadarstellung (von Hubert Robert bis Komar und Melamid) zeigt. Vieleicht gehts nicht (nur) um die Darstellung eines Brandes, sondern eines Feuers. Es ist das einzig Lebendige im Bild, das einzige, was Zeitlichkeit vermittelt. Es wird sich ausbreiten oder ermatten, es wird das Gebäude beschädigen oder vollkommen vernichten...

Ich weiß, es ist weit hergeholt, aber diese eigentümliche Leere und Abgestorbenheit der Architektur gibt es in der revolutionsklassizistischen Architektur (des späten 18.Jahrhunderts, in Frankreich. Ich argumentiere keineswegs, daß dies ein Modell für Ruscha war), und da gelegentlich auch mit gespenstischen (Opfer)Feuern, Brandaltären oder sehr profanen Schloten für Fabriken, freilich nicht rund und hoch, sondern in Form von Pyramiden.

Wie in den Ruinenbildern, wo die Natur über das zivilisatorischen Menschenwerk siegt, aber die Ruine weiter Zeugnis der einstigen Größe und Kultur ablegt, so könnte man das Feuer hier auch als einen Triumph über die aufgestapelte Zeit und versanmmelte Kultur verstehen. Allerdings: triumphal ist das Bild nicht. Ed Ruscha hat zwar nach den Zündhölzern gegriffen, aber es beim Bild belassen, also beim Erstarren, bei dem offen bleiben muß, ob das Museum wirklich zerstörbar ist. Das Bild als Provokation? Sagen wir so: als jedenfalls ambivalente, manchen Museumsliebhaber nervös machende, den pedantischen Museologen irritierende, vielleicht auch ironische Versuchsanordnung.

Freitag, 31. Oktober 2014

Jagdszene


Award

Vielleicht sollte ich einen Preis für den besten Ausstellungstitel des Jahres ausloben? Für 2014 hätte ich da schon einen Anwärter. "Haut ab". Jüdisches Museum Berlin. Titel einer Ausstellung über Beschneidung. Kleiner Scherz? Oder doch nicht?!

Mittwoch, 29. Oktober 2014

Und schon wieder ein Museum in Paris

Bernard Arnault, in Begleitung, vor "seinem" Museum, Louis Vuitton-Museum, erbaut von Frank Gehry und via geschickter Stiftungskonstruktion so etwa zur Hälfte aus Steuergeldern berappt. Noch ein Grund nach Paris zu fahren, oder?
Humorlos wie der vielgerühmte Französische Intellektuelle nun mal ist, giftet er sich in Gestalt des Professors in Le Monde unter dem alles sagenden Titel "Fondation Louis Vuitton : le mécénat d’entreprise sans la générosité."

Sitzen im Museum

Art Brut Center Klosterneuburg-Gugging. Von August Walla bemalte Sessel

Entrée

Meeresrauschen


Erhalten statt vergessen

In einer Tagung in Innsbruck, das drei Jahre nach der Übertragung des Rundgemäldes mit der Darstellung der Schlacht am Bergisel auf eben diesen Berg, eine Art Bilanz zu ziehen versuchte, wurde über die einzelnen Elemente und Trabanten aus denen diese 'Museum' besteht, referiert und diskutiert.
Das Kaiserjäger-Museum, aus dem späten 19.Jahrhundert stammend und nun integraler Teil der Anlage "Tirol-Panorama", bekam Kritik ab. Wohlverpackt in Watte und Styropor, damit möglichst niemend Anstoß nehmen konnte - an der Kritik, nicht am Museum, Gott bewahre!
Dieses Relikt, scheinbar unangreifbar wegen der Konstruktion seiner Trägerschaft - den Kaiserjägern und ihrer Stiftung -, ist den referierenden Historikern wie Museologen sichtbar nicht geheuer gewesen. Aber die Kritik mündete dennoch in nicht viel mehr als einer Empfehlung zur "Kontextualisierung", "reflexiven Anreicherung", und was derlei Textversatzstücke mehr sind.

Das Wiener Burgtor mit seinem äußert dubiosen Denkmalkonglomerat ist nachhaltig erst vor kurzer Zeit ins Gerede gekommen und nun scheint sich tatsächlich eine strukturelle Änderung anzubahnen. Die Form der staatlichen Gedenkpolitik an diesem Ort wurde schon geändert, jetzt geht es um die Denkmäler und den gesamten Ort. Eine Expertin wurde beauftragt. Eine auf Denkmale und Denkmalpolitik spezialisierte Historikerin. So etwas ist immer ein Indiz, daß man eine Diskussion nicht wirklich führen will, sondern durch eine Expertise zu ersetzen wünscht.

Nun gibt es diese Expertise, und siehe da, es soll alles so bleiben, wie es ist, vermehrt um ein weiteres Denkmalsteil. Ein Metadenkmal zur Sichtbarmachung fragwürdiger Symbolik. Und plötzlich werden dann alle Denkmäler zu Medien ihrer Kritik. Ob solche Wunder stattfinden?

Interessant an beiden Beispielen ist eine Unfähigkeit und Mutlossigkeit. Eine Kraftlosigkeit, von Vergangenheit auch loskommen zu können. Wenn etwas tief in antidemokratischer Tradition steht, wenn es historisch unhaltbar, museologisch extrem fragwürdig geworden ist, warum soll es erhalten werden? Warum kann es nicht entfernt werden? Warum kann man nicht auch etwas getrost vergessen?

Montag, 20. Oktober 2014

Ein kurioser Fall von Privatisierung. Staatlicher Kasinokapitalismus

Normalerweise ist ja die Veräußerung von Museumsbesitz nicht möglich. Die Idee eines gemeinsamen Besitzes an kulturellen Gütern ist ja die Grundlage der wohlfahrtsstaatlichen Aufgabe, daß diese jedermann zur Verfügung stehen sollen und damit dem Genuß, der Bildung der Wissensvermehrung zugänglich sein müssen.
Der rechtliche Schutz, der das garantiert und gegen private, willkürliche Eingriffe abschottet, ist meist so streng geregelt, daß es kaum zu Ausnahmen kommt. Solche gibt es allenfalls dann, wenn der Erwerb durch die "öffentliche Hand" rechtsbrüchig erfolgte, was ja in den letzten Jahren zu Restitutionen vieler Kunstwerke an ihre ursprünglichen, meist jüdischen Besitzer geführt hat.
Jetzt gibt es einen Fall, wo ein Deutsches Bundesland doch zwei - noch dazu wertvolle  - Bilder aus "seinem", d.h. eigentlich aus jedermanns Besitz, versteigern lassen will.
Das kuriose daran ist, dass es sich bei den zwei Werken von Andy Warhol aber nicht um Museumsbilder handelt, sondern in einer Spielbank in Aachen hingen. Bis 2009. Dann wurden sie abgehängt und "verwahrt", sie waren zu kostbar geworden, um weiter als "Dekoration" einer Spielbank zu dienen. Die Spielbank ist eine staatlich konzessionierte Tochter der NRW-Bank, die dem Land gehört. Wie also auch die Bilder.
Die Versteigerung fließt aber nicht in den Staatshaushalt, ließ die Bank ausrichten, sondern in die Sanierung des Kasinos (wo den Steuerzahlern zusätzlich Geld im Glücksspiel abgeknöpft wird) und eventuell in die Neugründung eines weiteren in Köln.
Was für eine atemberaubende Vermischung staatlicher Kunstspekulation mit kapitalistischer Renditeerwartung via Spielbank und Bank. Symptomatischer kann kaum was sein. Und ein massiver Versuch, das Tabu der Unveräußerlichkeit des öffentlichen Kunst-und Kulturbesitzes anzutasten. In den Arm des Staates wollen 26 Museumsdirektoren fallen, die brieflich gegen die Versteigerung protestieren. Man wird sehen, was das hilft.

Nachsatz 1: Die Risken, die der geschilderte Deal oder Coup zeitigt, sind erstaunlich. In der Welt wird festgestellt daß das Image der Landesmutter der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im Wanken ist.

Nachsatz 2: Warum denn nicht, nur zu, denn "es geht darum, daß auch Kunst wieder verkauft werden kann." Zum Beispiel "um den Haushalt zu sanieren". Bernd Freytag in der FAZ. Genauer: Im Wirtschaftsteil der FAZ. Also dann, nur zu! Bereichern wir uns... oder wer?


Dreihunderttausend, irgendwann heute Nacht (In eigener Sache)

Irgendwann heute Nacht gab es den 300.000 Seitenaufruf. Zu meiner Verblüffung wächst das Interesse am Blog auch nach Jahren noch immer, in den letzten Monaten und derzeit sogar überproportional schnell.

Hofmobiliendepot-Eintrittskarte (Entrée 124)


Vorbildlich. Eine Wutrezension. Werner Spies zum Museum Picasso

Endlich mal eine Museumsrezension! Die Wiedereröffnung des Pariser Picasso-Museums nach fünf Jahren Schließung entsetzt Werner Spies maßlos. Er ist zornig, fassungslos, betroffen und destilliert daraus eine Polemik, sachkundig, vernichtend. Sehr lesenswert! so wünsche ich mir Museumskritik.
Hier der Link: http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article133453806/Gerechtigkeit-fuer-Picasso.html

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Die Sammlung Essl ist definitiv gerettet. Oder doch noch nicht so ganz?

Nachdem der Versuch des Sammlerehepaares Essl gescheitert war, ihre Sammlung und das Museum dem Staat anzubieten, sah es eine Zeit lang so aus als könnte die Sammlung unter dem Druck der kritischen wirtschaftlichen lage des "baumax-Konzerns" die Sammlung untergehen.
Dann kam es aber zu einer Kooperation mit dem Industriellen Hans Peter Haselsteiner, der selbst eine Sammlung besitzt und der Gründung einer gemeinsamen Trägergesellschaft, die nun das Museum weiterbetreibt und Eigner der Sammlung ist. Damit ist vorerst einmal die gefahr gebannt, daß die Sammlung in der Sanierung des Konzerns gewissermaßen verschwinden, zerstreut, aufgelöst werden kölnnte. Die Verbindlichkeiten, die an Banken bestand, wurden getilgt und die Finanzierung dieser Tilgung durch die neue Trägergesellschaft durch Versteigerung von 44 Objekten aus der Sammlung refinanziert. Das ist - bei der Versteigerung, die gestern stattfand, noch nicht vollständig gelungen, aber der Bestand und Betrieb des Museums und der Sammlung dürften nun definitiv gesichert sein. Allerdings ist ein Teil der Refinanzierung noch zu leisten und sowohl der Betrieb des Museums als auch eine allfällige Erweiterung der Sammlung müssen - unklar wie - finanziert werden.

In einem aufschlussreichen Interview, das Karl-Heinz Essl gestern der Tageszeitung KURIER gegeben hat, erfährt man einiges über diese Fragen, kann viele Details der Regelung nachlesen, die zwischen ihm und H.P. Haselsteiner getroffen wurden und wird ansatzweise über die Zukunft des Museums und der Sammlung informiert.

Hier der Link zum Interview: http://kurier.at/kultur/kunst/karlheinz-essl-jedes-einzelne-bild-teil-unseres-lebens/91.149.029 und hier der Satz aus dem Gespräch, der K.H. Essl offenbar am meisten von Herzen kam: "Ich bin heute froh, dass es nicht dazu gekommen ist (zum staatlichen Ankauf - GF) , muss ich ehrlich sagen. Mit Haselsteiner das Museum und die Sammlung weiter zu betreiben, ist mir viel angenehmer als mit dem Staat und all den Problemen, die das mit sich bringt -  den politischen Einflüssen, den Querschüssen von allen Seiten. Ich glaube, das ist die beste aller möglichen Lösungen, und darüber bin ich mehr als  glücklich."

Dienstag, 14. Oktober 2014

Origineller Gebrauch einer Taxidermie


Der österreichische Museumspreis wird sich selbst auffressen

Per Sondernewsletter informiert ICOM Österreich über die stolzen Empfänger des Österreichischen Musuemspreises. Hier die Liste der vierundzwanzig Museen. Angesichts der Gesamtzahl an österreichischen Museen ist die Zahl der jährlichen Preisträger sehr hoch. Je länger der Preis vergeben wird, desto mehr veliert er an Unterscheidungskraft, das heißt auch an Auszeichnung. Sicher, er wird auf Zeit vergeben, andrerseits kann er auch verlängert werden.

Allerdings freut sich jeder, wenn er ein "Zeugnis" bekommt und in seinem Museum eine Plakette anbringen darf. Die Kriterien, die der Preiszuerkennung zugrundeliegen, ist umfangreich aber überwiegend formal. Sie betreffen die Organisation, kaum die Qualität, Ziele und Strategien der Museen. Offenbar kann er auch glaich im Bündel vergeben werden, oder sind alle "Filialen", die das Wien Museum oder das Universalmuseum Joanneum betreiben, alle (gleich) gut? Güte kommt in dem Fall leider nur von gut. Ein Preis, sollte der nicht ehr ausgezeichnete Museen fördern, also wirklich herausragende, innovative, originelle, experimentelle Museen?

Und über ein Museum, das den Preis bekommen hat, werde ich demnächst noch etwasausführlicher schreiben.

Archäologisches Pilgermuseum Globasnitz, www.museum-globasnitz.at
Ars Electronica Center. Museum of the Future, Linz, www.aec.at
Botanischer Garten der Karl Franzens Universität Graz, www.uni-graz.at/garten
Die Heilerin vom Gurgltal, Tarrenz, www.knappenwelt.at
Evangelisches Museum Murau, www.museum.evang.st
Heimathaus-Stadtmuseum Perg, www.pergmuseum.at
Heimatmuseum Achental, Achenkirch, www.sixenhof.at
Liszt-Haus Raiding, www.liszt-haus.at
Marmormuseum Adnet, www.marmormuseum.adnet.at
Montafoner Museen mit den Standorten Montafoner Tourismusmuseum Gaschurn, Museum Frühmesshaus Bartholomäberg, Montafoner Heimatmuseum Schruns, Montafoner Bergbaumuseum Silbertal, www.stand-montafon.at
Museum der Völker, Schwaz, www.museumdervoelker.com
Museum in der Schule, Taufkirchen an der Pram, www.museumtaufkirchen.wordpress.com
Österreichisches Freimaurer-Museum Rosenau, www.freimaurermuseum.at
Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseum, Längenfeld, www.oetztal-museum.at
Residenzgalerie Salzburg, www.residenzgalerie.at
Schloss Esterházy, Eisenstadt, www.esterhazy.at
Stadtmuseum Eisenerz, www.eisenerz.at
Universalmuseum Joanneum mit seinen Standorten Landeszeughaus, Museum im Palais, Münzkabinett, Schloss Eggenberg, Schloss Stainz, www.museum-joanneum.at
vorarlberg museum, Bregenz, www.vorarlbergmuseum.at
Webereimuseum, Haslach an der Mühl, www.textiles-zentrum-haslach.at
Wien Museum mit seinen Standorten Beethoven Pasqualatihaus, Beethoven Wohnung Heiligenstadt, Haydnhaus, Hermesvilla, Johann Strauß Wohnung, Otto Wagner Hofpavillon Hietzing, Otto Wagner Pavillon Karlsplatz, Pratermuseum, Römermuseum, Schubert Geburtshaus, Schubert Sterbewohnung, Uhrenmuseum, www.wienmuseum.at
ZOOM Kindermuseum, www.kindermuseum.at

"Ableger" mit Erfolgsausichten?

Bernhard Schulz frohlockt im Berliner Tagesspiegel (heute, unter dem Titel "Potenzial der Provinz". Worüber? Über den Erfolg der Dezentralisierung der Museen in Frankreich.
Also. Dezentralisierung. Erst e i n Nationalmuseum durfte Paris verlassen, in Richtung Marseille. Das Musée des Civilisationsde l'Europe et de la Méditerranée.
Die beiden anderen Beispiele, die Bernhard Schulz nennt, sind die "Filiale" des Centre Pompidou in Metz und die des Louvre in Lille.
Worin denn nun das "Potential in der Provinz" besteht, erfährt man nicht.
Das Kriterium, das für den "Erfolg" der drei Museen herhalten muß sind, man glaubts ja kaum, die Besucherzahlen.
Achsoso.

Samstag, 11. Oktober 2014

Si-Fi im Hofmobiliendepot


Amazone bei Thyssen (Entrée 122)


Tiere, Heimat und (Texte im Museum 498)

Orientierungstafel des Historischen Hauses der Natur Salzburg

Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner Vergangenheit. Manche Frage bleibt offen.


Das Haus der Natur in Salzburg stellt sich nun zum ersten Mal seiner Geschichte. Neunzig Jahre nach seiner Gründung durch Paul Eduard Tratz wird dessen Direktionszeit als "Ära" in Form einer Ausstellung gewürdigt. Aber man muß nicht befürchten, daß dieser eher affirmative Begriff „Ärafür eine neuerliche Würdigung von Tratz steht, die dessen vielfältigen Aktivitäten während der NS-Zeit und als SS-Funktionär im "Ahnenerbe" zudeckt.
Die AusstellungDas Haus der Natur 1924-1976 - Die Ära Tratz[1] (bis 30.Juni 2015), die nicht mehr als einen großen Raum und den vorgelagerten Gang beansprucht, listet wesentliche Aktivitäten von Tratz auf, wie sie in jüngeren Forschungen umfassend dokumentiert wurden.[2] Nun kann sich niemand mehr auf Un- oder Halbwissen zurückziehen. Die Beschlagnahmungen, die Raubzüge, die rassenideologischen Forschungen, die Plünderungen selbst katholischer Institutionen und das direkt in der Stadt Salzburg, die Vernetzung mit einschlägigen Institutionen und Personen, Trat schreckliche Schriften, das ist jetzt umfassend dokumentiert. Mit Zitaten, Publikationen, Dokumenten, Fotografien und Filmen, vieles davon noch nie veröffentlicht. Viele zusammenfassende (merkwürdig altbacken designte) Texte (auch in Englisch) verknüpfen alles zu einer ausführlichen chronologischen Darstellung.


Daß die Ausstellung vor allem dokumentiert und sich weitgehend jeden moralisierenden Kommentars enthält, sehe ich positiv.[3] Auf die Dokumentation aufbauend kann man gut seine eigenen Schlüsse ziehen und sich seine Meinung bilden. Allerdings endet die Dokumentation dort, wo es um die Verbindung zur Zeit nach Tratz langer Direktion und um die Gegenwart geht. Es gibt im Moment keinen Katalog oder eine Publikation der Arbeit der Expertenkommission (die offenbar vorgesehen ist).[4] Warum der von der US-Besatzungsmacht eingesetzte Nachkriegsdirektor mehr oder weniger weggelobt wurde, um wiederum Tratz Platz zu machen, dessen Entnazifizierungsverfahren für ihn sehr günstig "gestaltet" wurde, wirft die Frage nach den Motiven und den Förderern und Seilschaften auf. So bleibt auch die Entscheidung, als Tratz Nachfolger Eberhard Stüber, dessen Schüler, einzusetzen, im Dunkeln. Dessen Direktion, soll, wie man off records hören konnte, ausdrücklich und als Bedingung für das Zustandekommen des Forschungsprojekts zur Geschichte des Hauses ausgespart werden.
Stüber hielt aber immer am Erbe von Tratz fest, er machte selbst noch fragwürdige ethnologische Feldforschung und ich erinnere mich gut an die Dermoplastiken und die Fotografien, die ihn mit seinen "Forschungsobjeketen" zeigten. Niemand nahm daran Anstoß, auch nicht an den rassenkundlichen Figurinen aus der Direktionszeit von Tratz, die u.a. den "östlichen" und "westlichen Typ" darstellen sollten.
Stüber wusste genau, was diese Objekte bedeuteten und wie wenig harmlos sie waren. Als der Europarat eine große Tagung im Haus der Natur abhielt, führte Direktor Stüber durch das Haus, vermied es aber jene Räume zu zeigen, in denen einschlägige Objekte zu sehen waren.


Die Direktion Stüber, in der Ausstellung wie in dem zitierten begleitenden Aufsatz[5] also einfach ausgespart, gehörte aber unbedingt ebenfalls untersucht. Und zwar deshalb, weil eine der Schlüsselfragen, die nach der Entwicklung des Hauses der Natur, nach Kontinuitäten und Diskontinuitäten von museologischen und naturkundlichen Paradigmen und Ideologien, offen ist. Auch nach der Ausstellung.
Dennoch meine ich, daß die Ausstellung ohne wenn und aber verdienstvoll ist. Sie wird dem Museum bei einer Neuorientierung guttun und sie bietet der öffentlichen Meinung endlich umfassend Information, die es abgesehen von Roberts Hoffmanns Aufsatz nur bruchstückhaft gegeben hat. (Bis heute gehören die Posts zum Haus der Natur in meinem Blog zu den meistgelesenen, ich nehme an, weil sie zu den wenigen Quellen zur Direktion Tratz überhaupt zählen.)[6]
Die Ausstellung gliedert die Geschichte des Hauses der Natur in drei Teile: Da wäre die aus gleichsam laienhaften und bescheidnen Anfängen (Vogelkunde; vogelkundliche Forschungsstation) ein regional bedeutsames, pädagogisch engagiertes Naturmuseum entstanden, eine gleichsam "unschuldige" volksbildnerische Einrichtung, die auf Grund der Beziehung von Tratz zu Wissenschaft und Politik sich anschickte überregionale Resonanz zu bekommen.
Dann kommt die Zeit, in der das Museum Teil des SS-Ahnenerbes wird und sich Tratz nun "schuldig" macht, wie vielfach belegt wird. Die Ausstellung thematisiert diesen Bruch, aber als rätselhaft und nicht erklärbar.
Die dritte Phase wäre dann die der Erneuerung, der Reform und schließlich der ökologischen Neuorientierung. Wir sollen annehmen, daß mit diesem dritten Teil der Geschichte die Kontaminierung mit der Politik und Ideologie des Nationalsozialismus vorüber gewesen sei und ein neuer Abschnitt, der der Entschuldungangebrochen sei.


Das passt nun aber gar nicht zu den Tatsachen. Zunächst tritt ja Maximilian Piperek,[7] NSDAP-Mitglied, die Direktion an, von dem mir aus der knappen Darstellung seiner Biografie und seiner Vorhaben nicht klar geworden ist, ob er sich bloß um eine Modifikation Tratzscher Ideologeme bemüht hat oder ob das ein wirklicher Bruch mit der Vergangenheit war. Die beträchtlichen Aggressionen gegen ihn und die Vehemenz, mit der man Tratz wieder zurückwünschte und dann ja auch tatsächlich zurückholte, sind erklärungsbedürftig. Ist es nicht erstaunlich, daß jemand, der im erzkatholischen Salzburg katholische Institutionen plündern ließ, um sein Museum anzureichern, solche Sympathien haben konnte? Was an ihm war so wichtig, was vertrat er, was war erwünscht, daß er dort weitermachen könnte, wo er aufgehört hatte? Die Ausstellung erwähnt, daß sich Tratz nach 1945 von nichts distanzierte, keine seiner Publikationen verschwieg.
Im eben erschienenen Aufsatz im neuen museum betonen die Autoren Norbert Winding (als Direktor des Hauses der Natur und Mitarbeiter bereits unter Eberhard Stüber) und Robert Lindner (Leiter Sammlungen und Wissenschaft und Leiter des Forschungsprojekts) sowie Robert Hoffmann[8] die Einzigartigkeit des Konzeptes des Hauses der Natur und seiner Abhängigkeit von einer Person, die ohne Zweifelausschlaggebend für die Wiederbestellung von Tratz (ab 1.Juni 1949 ist er wieder Leiter des Hauses der Natur) gewesen sei. Zugleich werden aber die vehementen Forderungen nach Rückkehr durch seine früheren Mitarbeiterund von Mitgliedern des von der Besatzungsmacht aufgelösten Trägervereins erwähnt.[9] Die Autoren halten es für nachvollziehbar, daß Stadt und Land aus pragmatischen GründenTratz zurückholten. Mit solchen Formulierungen vermeidet man jede Beschäftigung mit der politisch-ideologischen Situation in Land und Stadt Salzburg nach 1945 und braucht sich daher auch nicht mit dem zähen und langen Nachleben von Seilschaften und dem Widerstand gegen Aufklärung zu beschäftigen, der bis heute noch zu spüren ist. Wenn die Salzburger Grünen kürzlich haben ausrichten lassen, daß ihr Antrag, Tratz die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen, versandetsei, dann darf man sie fragen, was sie seit 2009 unternommen haben, um ihrem Antrag zum Erfolg zu verhelfen,[10] erst recht jetzt, wo sie an der Landesregierung beteiligt sind.[11]

Gegen die Bewertung des bislang letzten Abschnitts der Museumsgeschichte als vollzogener Bruch mit Tratz und seiner Ideologie spricht die Entwicklung des Hauses unter dessen Eberhard Stüber, der ein, wie man so sagt, Schüler von Tratz war. Er war ebenso wenig wie Tratz nach 1945 jemand, der sich der Vergangenheit des Museums und dem ihm zugrundeliegenden Naturverständnis distanzierte. Die unter ihm angebahnten ökologischen Projekte und Diskurse, die man als Indizien für den grundlegenden Wandel anführt, müssen nicht unbedingt als solche gelten. Man kann dies als Mitvollziehen eines wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Paradigmenwechsels verstehen, es war aber auch, und vielleicht das oft in erster Linie, eine willkommene neue Legitimation einer Institution, die generell unter Legitimationsdruck geraten war. Das galt und gilt für Naturmuseum, die ihre taxonomische und archivierende Arbeit allein nicht mehr als Legitimation ausreichend einstuften. Was man kurzerhand als Modernisierung einschätzt oder propagiert, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ökologische Wende in der Auffassung von Natur. Die aber beginnt lange vor dem Nationalsozialismus, und damit auch mit ihren rassistischen und inhumanen Implikationen, eine Bewegung, die gerade in Österreich auch nach 1945 sehr prominent war. Ich erinnere nur an Konrad Lorenz und den Konflikt, der um seine Verhaltensforschung ausbrach. Diese ökologische Naturauffassung kennt sehr unterschiedliche Spielarten, und einige davon gehören zum Kernbestand der Grünen Bewegung und Partei. Bernhard Lötsch etwa, der direkt aus dieser Bewegung heraus zum Museumsleiter des Wiener Naturhistorischen Museums gemacht wurde, vertrat eine ideologisch-politische, um es freundlich zu formulieren, sehr konservative Position. Er, wie Stüber ein außerordentlich engagierter Naturschützer, wehrte sich vehement gegen die Auflösung des sogenannten Rassensaales, der weder wissenschaftlich noch ausstellungsdidaktisch haltbar war und unter seiner Direktion wurden z.B. einschlägige (etwa zeitgleich zu den Salzburger Abformungen entstandene) rassenpolitische Präparate aus der NS-Zeit in der Eingangshalle als Eyecatcher zur Werbung für Blutspenden (sic) eingesetzt.
Diese Geschichte einzubeziehen scheint das Forschungs- und Ausstellungsteam nicht beabsichtigt zu haben. Hätte man das getan, wäre die 'Dreiteilung' der Geschichte des Hauses der Natur so nicht haltbar, wie sie in der jetzigen Ausstellung vorgenommen wird. Es wäre dann z.B. der scheinbar so rätselhafte Übergang vom naturkundlich engagierten Pädagogen Tratz zum Vernichtungstexte abfassenden Funktionär eines berüchtigten Forschungsinstituts weniger unverständlich gewesen.
Dies zu leisten steht also ebenso noch aus, wie endlich die Direktionszeit und Biografie von Eberhard Stüber aufzuarbeiten, nicht allein um der Aufhellung persönlicher Haltungen und Handlungen willen, sondern zur Aufklärung jener Kontinuitätsgeschichte der Ökologie- und Naturschutzbewegung, die (bis heute) den Rahmen des Hauses der Natur bildet.
Dann könnte man noch einen dritten Aspekt thematisieren, der bislang noch kaum wo gewürdigt wurde: die museologisch-didaktische Philosophievon Tratz, also seine eminent pädagogische Bemühung um Verständlichmachen und Veranschaulichen. Seine unzähligen ungemein liebevoll gebauten didaktischen Apparaturen, akkurat beschriftet, beweglich, bunt, möglichst klar, einfach, kind- und erwachsenengerecht - dieses enorme Repertoire an Didaktikverschwindet langsam aus dem Haus, sicher auch, weil es durch modernere Medien überholt wirkt. Klar, diese eminent didaktische Haltung gehört zur ökologischen Vermittlungsarbeit, bei der die Grenzen zur politisch-ideologischen Doktrinierung während der Jahre des NS nicht zu ziehen sind. Noch heute kann man in den Restbeständen der Tratzschen Veranschaulichungs-Maschinchen Objekte oder Schautafeln entdecken, die unmissverständlich sein schreckliches Menschen- und Naturbild verraten. Diese Didaktik läßt sich nicht isolieren und als Museumspädagogik an sich studieren oder bewundern. Dennoch hätte ich es für sinnvoll gehalten, diese große Besonderheit des von Tratz  geprägten Hauses der Natur im Kontext der Erneuerungsbewegungen und Museumsdidaktik seit 1900 zu untersuchen und zu bewerten. Ich bin auch nicht dafür, alle Tratschen „Überlebsel, die das Haus zeigte und z.T. noch zeigt, einfach verschwinden zu lassen. Behutsam in eine neue Ausstellung integriert und kontextualisiert könnte man ihnen ein längeres Überleben ruhig gönnen.
Daß man die Tratz-Büste aus dem Foyer und dem Museum schon vor Jahren im Zuge eines Umbauus des Foyer entfernt hat, ist richtig. Das Museum darf nicht unterm Zeichen einer solchen Person stehen. Ich bin aber nicht für eine "Entschuldung" durch Entfernen oder Entsorgen. Dadurch wird man seine unerwünschte Geschichte nicht los, eher im Gegenteil. Unter der Bedingung der Aufarbeitung, die mit der Ausstellung nun nachdrücklich eingesetzt hat, könnte so manches bleiben oder wieder gezeigt werden, wenn es in einem neuen Kontext und unter Klärung der historischen Bedingungen vielleicht ganz neue Erkenntnisse ermöglicht.
Das gilt namentlich für die Tibet-Dioramen, die aus der Ahnenerbe-Forschung stammen und zu den Attraktionen des Hauses gehören. Sie werden seit Tratzens Zeit gezeigt. In der Ausstellung wird ihre Herkunft und ihr Zustandekommen dokumentiert, im Museum nicht. Ganz im Gegenteil. Anlässlich eines Besuchs des Dalai Lama im Museum während der Direktion Stüber wurden den Dioramen zwei Textafeln vorgeschaltet, die aus dem Ensemble eine "Tibet-Schau" mit einer komplett irreführenden Jahreszahl machen. Der unbedarfte Besucher meint nun, daß diese Schau in jüngster Zeit aus Anlass des Besuches des religiösen Oberhauptes der Tibeter entstanden ist und daß dieser, so scheinen es die Fotos zu belegen, der Ausstellung außerdem Nobilität und Authentizität zuerkannt hat. Also im Akt einer Art von Imprimatur von "höchster Seite". Das kann so nicht bleiben und ich wundere mich, warum das eigentlich immer noch so gezeigt wird, wo es doch erst recht zeitgleich mit der Ausstellung extrem fragwürdig wird. Man hätte nur eineiige Texte der Ausstellung doppelt ausdrucken müssen und hätte eine provisorische Kommentierung der Tibet-Dioramen zur Hand gehabt. Gerade hier muß die Ausstellung und die umfassende Recherche zur Geschichte des Hauses praktisch werden. Die Funktion und Ideologie der Tibet-Expedition gehören benannt, die Eckdaten präzisiert, das Zustandekommen der Dioramen einschließlich der Information, daß die Figuren nach rassenkindlich behandeltenTibetern entstanden sind, die man vor Ort vermessen und denen man Masken abgenommen hat.
Das wird aber nicht reichen. Die Dioramen vermitteln das Bild eines archaischen und ursprünglichen Tibet. Lhasa liegt da wie zur Zeit Sven Hedins oder Heinrich Harrers. Tibet ist heute eine Region Chinas, was zwar in einem Text angedeutet wird, aber für Besucher, die Lhasa schon mal für Salzburg halten,[12] doch viel zu verschlüsselt und versteckt. Also müsste man - mindestens - etwas zum heutigen Tibet sagen, zur Differenz der Bilder, die man vor Augen hat, zur Gegenwart und der heutigen Lebenswirklichkeit der Tibeter.
Mit der Ausstellung hat das Museum einen großen und verdienstvollen Schritt getan. Sie wird lange gezeigt und wird vermutlich im Land und in der Stadt das Bewusstsein für das Haus verändern. Die Dokumentation, die man zeigt, ist umfangreich, behandelt sehr viele Aspekte, weit mehr, als bisher bekannt waren und bezeugt mit z.T. grotesken Fotos - Männer in Loden rauben Tierpräparate- die Ungeheuerlichkeiten, die zur NS-Zeit rund ums Haus der Natur passierten und mit dem Namen Tratz ab nun definitiv verknüpft sein werden.
Manches bleibt, wie ich gezeigt habe, offen, halb stecken. Immerhin hat man mit der Restitution von Objekten begonnen, die im Laufe des Jahres 1914 auch abgeschlossen werden sollte. Man wird sehen, wie sich das Museum weiter entwickelt und ob und wie die Aufarbeitung der Geschichte des Hauses weitergeführt werden und in seine Praxis hineinwirken wird.







[1] Norbert Winding, Robert Lindner, Robert Hoffmann:  Geschichtsaufarbeitung als Ausstellung: Das Haus der Natur 1924-1976 - Die Ära Tratz, in: neues museum, Oktober 2014, 14.Jg., Nr.4, S.62-67
[2] Robert Hoffmann: Ein Museum für Himmler. Eduard Paul Trat und die Integration des Salzburger Hauses der Natur in das Ahnenerbe der SS, in: Zeitgeschichte, 35.Jg., Mai/Juni 2008, S.154-175
[3] Das Museum schreibt sich die Initiative zur Aufarbeitung selbst zu und rühmt sie als Pioniertat im Feld der Naturmuseen. Allerdings listet ein Ausstellungstext - lückenhaft - diverse Presseartikel und wissenschaftliche Beiträge auf, die seit den 80er-Jahren die Geschichte des Hauses der Natur nach und nach aufhellten. Möglicherweise war letztlich der Auftrag des LH-Stellvertreters und Aufsichtsratsvorsitzenden des Hauses der Natur, Buchleitner, ausschlaggebend dafür, daß eine Art Historikerkommission zustandekam. Deren Arbeit liegt der jetzigen Ausstellung zugrunde.
[4] Die Arbeitsgruppe setzte sich aus dem Zeithistoriker Robert Hoffmann zusammen, Susanne Köstering, einer Potsdamer Museologin, die auf Naturmuseen spezialisiert ist. Die Kuratorin des Naturhistorischen Museums Maria Teschler-Nicola, Anthropologin und des Zoologen Alfred Goldschmied.
[5] wie Anm.1
[6] Den gemeinsam mit Sabine Schleiermacher verfassten Essay Blutgebundene Abhängigkeit habe ich 2010 im Blog noch einmal veröffentlicht. Er erschien im Standard 1992 und war die erste Beschäftigung mit der NS-Geschichte des Hauses der Natur für eine breitere Öffentlichkeit. Der Artikel blieb ohne jede messbare Reaktion. Hier der Link: http://museologien.blogspot.co.at/2010/04/blutgebundene-abhangigkeit-das-haus-der.html
Ebenfalls 2010 habe ich eine Art Kurzgeschichte des Museums zur Zeit der Tratzschen Direktion im Blog verfasst, Das Haus der Natur als Institut des SS-Ahnenerbes. Link: http://museologien.blogspot.co.at/2010/01/das-haus-der-natur-in-salzburg-als.html
2013 kam dann ein weiterer Post hinzu, Selbstverordneter Gedächtnisschwund, dessen Anlass die informationslose Webseite war, wo man nahezu nichts über die Rolle von Tratz und die des Museums in der NS-Zeit erfuhr. Darauf reagierte das Museum allerdings rasch und rüstete die Webseite mit einschlägigen Informationen nach. Link: http://museologien.blogspot.co.at/2010/01/das-haus-der-natur-in-salzburg-als.html
[7] Piperek war Gymnasiallehrer mit naturkundlicher und philosophischer Ausbildung. 1945 von der amerikanischen Besatzungsmacht eingesetzt.
[8] wie Anm.1
[9] wie Anm.1, S.66
[10] Die Landesregierung nennt den Entzug der Ehrenbürgerschaft rechtlich nicht durchführbar.
[11] Gerald Lehner berichtet über die inzwischen zweite Umbenennung einer Forschungsstation am Großglockner. Nachdem der Name Tratz vorübergehend durch eine neutrale Bezeichnung ersetzt worden war, wurde die 1989 gegründete und vom jetzigen Direktor des Hauses der Natur, Norbert Winding eingerichtete Station kürzlich in Eberhard Stüber Forschungsstation umbenannt. Lehnet: Im Fall der Tratz-Haus der Natur-Stüber-Forschungsstation in den Hohen Tauern spart nun die Salzburger Landeshauptmann-Stellvertreterin und Naturschutz-Referentin Astrid Rössler nicht mit Lob für Akteure. Die oberste Grüne spricht wörtlich von einer Pioniertat ökologischer Grundlagenforschung und einer visionären Entscheidung, als vor genau 25 Jahren die Tratz-Forschungsstation im Nationalpark Hohe Tauern gegründet wurde. In der entsprechenden Aussendung der Salzburger Landeskorrespondenz vom 19. September 2014 fehlt jeder Hinweis auf die langen Debatten um die Station, die Vergangenheit des Naturkundemuseums Haus der Natur und des SS-Naturforschers Tratz. Gerald Lehner: Neuer Personenkult, alte Geschichtslosigkeit. 20.September 2014 (Blog) http://hausdernatur.wordpress.com/
[12] Ein sicher schon mehr als volksschulpflichtiges Kind identifiziert den Potala als Salzburg und beharrt, als die Eltern rat- und ergebnislos in dem erläuternden Text lesen, ahnend, daß da was nicht stimmen kann, in Berufung auf die Autorität eines Onkels: das ist Salzburg. Er hats gesagt. Die Kleinfamilie zog ratlos ab, die Eltern blieben - aus eigener Ahnungslosigkeit oder pädagogischer Großmut? - stumm.