Montag, 20. Dezember 2010

Das Altonaer Museum hat eine Idee...

Das Altonaer Museum ist dem Schließungs-Tod grade noch mal von der Schaufel gesprungen. Trotz Neuwahlen droht dem Museum aber immer noch eine Kürzung der Mittel und binnen weniger Monate ein neues Konzept vorlegen zu sollen, ist angesichts der Situation des Museums und der übrigen historischen Museen auch nicht grade einfach. Was man aber hat, neugewonnene Symphatisanten und eine Menge von Leuten, die bereit sind, sich aktiv für das Museum einzusetzen.
Und was fällt dem Museum in dieser Situation als eigener Beitrag ein?
Ein "Solidaritätskalender".
Und der sieht unter anderem so aus (Abbildung).
Wir gratulieren zu dieser von hoher sozialer und museologischer Kompetenz getragenen Entscheidung.

Samstag, 18. Dezember 2010

Arbeiterinnen (Texte im Museum 164)

Museum der Arbeit Hamburg

Was ist ein Museum (Teil 10). Was bisher geschah und: Triumphzug mit Einspruch

Raffael: Kopf einer Muse. Studie zum Fresko "Parnass" in den Stanzen des Vatikan
Ich habe den "Fortsetzungsroman" mit dem Titel "Was ist ein Museum" nun schon lange unterbrochen. Um den Faden wieder aufzunehmen, scheint es mir nur fair, ein "Was bisher geschah" vorzuschalten, ehe ich ein neues Kapitel aufschlage.
Jede Frage was denn ein Museum ist, zieht eine zweite Frage mit sich, nämlich welches denn das erste gewesen sein könnte. In diesem Sinn habe ich mit einer sicheren und einer unsicheren Antwort begonnen. In "Das neuntälteste Museum der Welt" (Teil 1) behauptete ein Museum das neuntälteste zu sein, und damit zu wissen was das älteste und was überhaupt ein Museum sei.
Die Fortsetzung im Teil 2 listete verschiedene Antworten auf diese Frage auf, die durch ihre Verschiedenartigkeit das Problem eher verwirrten und verschärften. Und im dritten Teil, "Je näher man ein Wort ansieht, desto ferner sieht es zurück", wurde über die Unsicherheit, ja den Streit über die Benennung eines Hauses für die königliche Kunstsammlung in Berlin erzählt. Soll das, kann das 'Museum' heißen. Und wenn ja, warum?
Die Entscheidung war folgenreich, denn sie hat dazu beigetragen, daß 'Museum' das gebräuchliche Wort wurde, aber sie war alles andere als sicher untermauert.
Im vierten Teil bin ich einer Spur gefolgt, die die Debatte um das Berliner Museum legt: die der Herkunft des Wortes Museum. Diese Zeitreise bestätigte die Skrupel, die die Gelehrten in Berlin hatten; tatsächlich, so etwas wie ein Haus, in dem auf Dauer Gegenstände ausschließlich zum Zweck des Betrachtens bewahrt und ausgestellt werden, das gab es in der Antike nicht. Museion war der Versammlungsort der Musen, aber die Musen 'sammelten' nicht, sie sangen und tanzten.
Dennoch spinnt sich ein geistesgeschichtlicher Faden vom 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung (der ersten schriftlichen Erwähnung der Musen) bis in die Neuzeit herauf. Die Idee einer Art von kollektivem, gesellschaftlichem Gedächtnis (in der Antike: die gattungsgeschichtlichen Erzählungen des Mythos) einerseits und ein medientheoretischer und -kritischer Aspekt andrerseits. Denn in der Geschichte der Musen und ihres Aufenthaltsortes, dem Museion, spiegelt sich der zivilisatorische Bruch von lebendem und technischen Gedächtnis. Was nur mündlich überlieferbar war, wurde durch die Aufzeichnungsmedien Bild und Schrift dauerhaft, 'monumental, tendenziell unzerstörbar.
Die Dialektik von lebendem, aber kurzlebigem und schwankendem Erinnern und dinglicher, festgeschriebener Erinnerung, die das das lebende Gedächtnis bedroht, ist schon Stoff der antiken Philosophie selbst.
Das wird aber auch eine Hypothek für die Idee des Museums der Moderne werden. Die Dinge aufzubewahren und damit - nur vermeintlich - deren - Gedächtnis schon aktualisiert zu haben. An diesem Widerspruch wird sich die Kritik am Museum, namentlich die der künstlerischen Avantgarden, immer und immer wieder entzünden.
Vorerst waren aber das Museion und die Musen selbst vom Vergessen bedroht. Das christliche Mittelalter sah mit sehr raren Ausnahmen keinen Grund die 'heidnischen Götter' am Leben zu halten und erst die Rückwendung zu den antiken Überlieferungen in der mediterranen Renaissance des 15. und 16. Jahrhunderts ließ die Idee des Museion wieder aufleben. Und zwar als Ort der gelehrten Studien, als Ort der Sammlung, als Ort der beides beschützenden Musen, die zu diesem Zweck als Bilder oder Statuen (in Villen oder Parks) heraufgerufen wurden. Dem war der 5. Teil, "Die Wiederkehr der Musen", gewidmet.
Diese Entwicklung führt aber nicht zur privilegierten Verwendung des Wortes 'Museum'. Für die diversen Weisen des Sammelns und Ausstellens seit dem 16. Jahrhundert, gibt es viele Namen, Museum ist darunter (erstmals um 1550), aber einer unter vielen, und einer mit vielerlei Bedeutungen. Der Bedeutungsvielfalt und dem Bedeutungswandel von 'Museum' in der Neuzeit war der 6. Teil gewidmet, der bereist auf eine Entscheidung für den Gebrauch des Wortes vorbereitete. Nämlich der Schaffung mehrerer, für unterschiedliche Wissensbereiche zuständiger Museen in der Französischen Revolution und die Preisgabe einer Idee eines universalen Wissens- und Bildungsortes. Bis dahin waren beide unter dem Begriff Museum transportierten Optionen offen gewesen.
Der Louvre. Als 'Musée Napoleon' auch ein Ort der 'Trophäen', der im militärisch eroberten Ausland erbeuteten Kunstgüter.
Die Französische Revolution (Teil 7 "Museum und Guillotine") ist die für die Entstehung des Museums, wie wir es heute kennen und betreiben entscheidende geschichtliche Epoche. Denn jetzt verbinden sich viele der älteren Strukturmerkmale des Sammelns und Ausstellens mit der Idee der national verfassten Gesellschaft, die im Museum einen Ort schafft, ihre Geschichte und kollektive Identität zu repräsentieren und zu verhandeln. Damit tritt der Staat in die Rolle des treuhänderisch die gesellschaftlichen Interessen vertretenden und durchsetzenden Finanziers und Protektors, der Bildung für jedermann als museales zivilisierendes Ritual ermöglicht. Das aber zu seinem Nutzen, denn der gebildete und aufgeklärte Bürger identifiziert sich als Citoyen mit Staat und Gesellschaft und wirkt an deren Entfaltung und Vervollkommnung mit.
Zugänglichkeit für jedermann ist also kein Ziel des Museums, sondern Bedingung, daß die zivilisierende Aufgabe des Museums wahrgenommen werden kann.
Nach einem 8. Teil zur sofort einsetzenden 'Globalisierung' der Museumsidee und der Vorbildlichkeit des Französischen Modells, das im Schlepptau der französischen Armee in vielen europäischen  Städten angesiedelt wird, habe ich dann im 9. Teil diesen zentralen Punkt der modernen Idee des Museums präzisiert - den Übergang von der Nutzung von Sammlungen und Ausstellungen als Vergünstigung (bis dahin sind mit raren Ausnahmen alle diese Praktiken privater Verfügungsgewalt) zum Museum, zu dessen Nutzung ein verbrieftes Recht besteht. Das transformiert den Sinn der Institution fundamental und macht das Museum, wie seine Architektur, seine städtebauliche Situation und der mediale Diskurs, in den es einbezogen ist, zeigen, zu einem Schlüsselphänomen der Moderne.

Von hier aus könnten wir also den Triumphzug einer Idee beschreiben, so wie es George Bazin in seiner Museumsgeschichte gemacht hat, der vom 19. Jahrhundert als dem Goldenen Zeitalter des Museums spricht. Aber es lohnt sich, auf etwas einzugehen, worüber dieser Triumphzug hinweggerollt ist: die essentielle Kritik die das Museum bereits im Moment seines Entstehens begleitet.

Das ist mein nächstes Thema - demnächst....

Donnerstag, 16. Dezember 2010

Stiftung (Texte im Museum 162)

Worüber man reden könnte und worüber auch schon mal geredet wurde. Wien Museum neu (4)

Eine Auswahl von Äußerungen und Dokumenten zur Entwicklung des Wien Museum. Als weitere Grundlage einer Diskussion zu seiner künftigen Entwicklung.
Für das aktuelle Konzept konnte ich keinen Link finden.

12.09.2002 Ein Kulturstadtrat wacht auf. Der Standard
http://derstandard.at/1063126

18.09.2002 Matthias Dusini Interview mit langem Vorspann, FALTER
http://www.falter.at/print/F2002_38_2.php

14.07.2007 Bildung braucht auch Verführung. Ausführliches Interview, das Brigitte Borchhardt-Birbaumer und Julia Urbanek mit Wolfgang Kos für die Wiener Zeitung geführt haben
http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=4664&Alias=wzo&cob=293213&Page15308=7

6. November 2007 Erweiterung Wien Museum Karlsplatz. Baukünstlerische Machbarkeitsstudie http://www.wienmuseum.at/de/presse.html

13.08.2009 Wien Museum: "Völliger Neubau" denkbar. Die Presse/APA
http://diepresse.com/home/kultur/kunst/501998/WienMuseum_Voelliger-Neubau-denkbar

02.09.2010 Thomas Trenkler: Wolfgang Kos fordert 'fotofähige Architektur'. Der Standard
http://derstandard.at/1250691846606/Neues-Wien-Museum-Wolfgang-Kos-fordert-fotofaehige-Architektur

11.05.2010 Inhaltliches Konzept steht Der Standard/APA
http://derstandard.at/1271376446123/Wien-Museum-Neu-Inhaltliches-Konzept-von-Direktor-Kos-steht

11.05.2010 Martina Stemmer: Neuer Inhalt, aber noch keine Hülle, Der Standard
http://derstandard.at/1271376526705/Wien-Museum-Neuer-Inhalt-aber-noch-keine-Huelle

24.11.2010 Wien Museum, wohin? FALTER
http://kurier.at/nachrichten/wien/2056426.php

09.12.2010 Wien Museum sucht seine Zukunft
http://kurier.at/nachrichten/wien/2056426.php

Leitbild, aktuell
http://www.wienmuseum.at/de/ueber-uns/unser-leitbild.html

Wikipedia zu Wien Museum
http://de.wikipedia.org/wiki/Wien_Museum

Wikipedia zu Wolfgang Kos
http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Kos

Dynamik zwischen den Institutionen. Wien und seine neuen Museen.
www.eiblmayr.at/downloads/Eiblmayr_MuseeninWien_080610.pdf

Mittwoch, 15. Dezember 2010

In Memory of Marcel Broothaers (Texte im Museum 161)

Und abermal bin ich für eine Spende von Annina Zwettler dankbar, wiederum Fotos aus dem Museum of Natural History, London, der "Kathedrale der Schöpfung" (auch der unfrisertest aussehenden...).

Kunst braucht Betrachter (Texte im Museum 160)

Das traurigste, das beste, das schlechteste Museum. Sie haben die Wahl!

Vitus H. Weh ruft zur Erstellung einer Best of - Liste für Museen auf! So ganz kann er sich nicht entscheiden - traurig oder doch wirklich schlecht, oder eben (sehr) gut. Er bittet um Mitarbeit. Hier der Link.
Ich finde schon lange, es sollte ein Gault-Millau für Museen geben, aber einen, wo auch jene Museen genannt werden, die man nicht unbedingt gesehen haben muss, bzw. um die man möglichst ein weiten Bogen macht.
Ich habe hier im Blog schon viele Museen vorgestellt, aber ein Ranking vermieden. Listen wie die von Vitus H. Weh würden eine Qualitätsdebatte fördern....

At Work (Texte im Museum 159)

Selbstvitrinisierung von MuseumsmitarbeiterInnen im Museum of Natural History London. Der Kurator als Exponat. Bitte nicht schrecken! -- Mit ihrer freundlichen Eralubnis als Dauerleihgabe von Annina Zwettlers Facebook entlehnt. -- Zum Vergleichen finde ich einen Text der Inatura Dornbirn empfehlenswert: http://museologien.blogspot.com/2010/01/kassandra-braucht-jetzt-etwas-ruhe.html

Broodthaers weist den Weg (Texte im Museum 158)

Montag, 13. Dezember 2010

Ein neues Wien Museum? Worüber man reden könnte (3)

Unter dem Titel "Wien muß nicht Bilbao werden" holte der FALTER (Nummer 49/10 S.36/37) Meinungen zur Sinnhaftigkeit eines neuen Wien Museum ein. Mein Statement habe ich hier schon gepostet, jetzt fasse ich die übrigen kurz zusammen. Eine Zusammenfassung des der Diskussion vorangehenden Artikels von Matthias Dusini hier im Blog.

Margot Schindler: "Museen gelten heute als Imageträger eines kultivierten Stadtlebens. Ihr Besuch gehört zu einer von vielen möglichen Komponenten eines urbanen Lebensstils. Bewirkt haben diese Wandlung im Besucherverhalten die Öffnung der Museen nach innen und außen, die Diversifikation des Programmangebots und die Professionalisierung des entsprechenden Marketings".
Margit Schindler träumt von der Zusammenlegung des Völker- und Volkskundemuseums, in einem "kraftvollen" Neubau" und möglichst räumlich nahe einem künftigen Wien Museum…

Für Christian Kühn scheint alles schon so weit entschieden, daß er nur noch über den Standort nachdenkt, aber den hat er auch schon: der Morzinplatz soll es sein. Und was ist ein Stadtmuseum? Kühn: "Produktionsstätte von Kultur und Identität."

Für Elke Krasny ist zunächst einmal eines klar: "Die Zukunft der Stadt steht auf dem Spiel."  Rettung kommt vom Stadtmuseum, denn "Städte" müssen "ein differenziertes Verhältnis zu ihrer Vergangenheit entwickeln, um sich in ihrer komplexen Gegenwart zurechtzufinden. Dafür ist ein neuer Typus von Stadtmuseum gefragt, als Forum, als Austragungsort aktueller Debatten."
Das "neu zu denkende" Stadtmuseum müsse ein Frauenmuseum und ein Migartionsmuseum sein, "ein Museum der Geschichten und der Debatten (…) ein Forum in der Gegenwart mit Wirkung für die Zukunft." Optimistisch ist sie nicht: "Doch davon sind wir zurzeit noch weit entfernt."

Wolfgang Maderthaner wünscht sich ein Museum als Ort der "produktiven (Un)Ruhe", denn es bedürfe angesichts eines "kultisch überhöhten Präsentismus, fragmentierter Konsumidentitäten und der Bildungserosion - allesamt Kernbestände des hegemonialen neoliberalen Ideologiearsenals -, angesichts vor allem aber des Versagens und der tendenziellen Selbstauflösung des Politischen (…) dringend eines Orts der Reflexion…".
Maderthaner rückt zwei Überlegungen ins Zentrum: daß Geschichte immer in der Gegenwart erschlossen, erzählt und gedeutet wird und daß dabei immer ein verstörender Rest, meist als Verdrängstes, wiederkehrt. Und daß zweitens Museen politische Orte sind, in denen sich die 'Polis' über "ihre Herkunft und ihr Werden" verständigt.
Um so etwas zu verwirklichen ist seiner Meinung nicht in erster Linie ein Neubau nötig.