Mittwoch, 28. Januar 2015

Ich auch! Ich habe auch eine Idee für ein "Haus der Geschichte"!

Ich auch! Ich möchte auch eine Idee haben und lancieren dürfen für ein Haus der Geschichte! So viele schöne Ideen, da kommt es doch auf eine mehr oder weniger auch nicht an. Es lebe die Konkurrenz der guten & schönen Ideen!
Und meine Idee ist überhaupt die beste! Denn sie hat den Vorteil, daß es das Haus schon gibt, sogar eine Sammlung und einen Ort, der ein Gedächtnisort wie kaum ein anderer ist!
Ich schlage vor, das Heeresgeschichtliche Museum im Arsenal zum Haus der Geschichte (auf den Titel kommts mir nicht so an, es kann ruhig auch Österreichisches Geschichtsmuseum oder so heißen...) zu machen. Wenn für die Neue Hofburg gelten soll, daß es der geschichtsträchtigste Ort Österreichs überhaupt ist (so sagt man neuerdings), dann gilt dieser animistische Glaube an die Emanation des Geschichtsbewußtseins aus dem Geist einer Lokalität erst recht auch für das Arsenal.
In einer Panikattacke von Herrscherhaus und Militär sofort nach 1848 geplant und angesichts seiner enormen Größe in erstaunlich kurzer Zeit realisiert, sollte diese autark funktionierende Festung (eigene Energieversorgung, eigene Waffenschmiede, eigenes Munitions- und Waffendepot, Kasernen, Kirche usw., was man halt so braucht für eine Gegenrevolution) allen "künftigen Unfällen eines Volksaufstandes" (ich zitiere aus den Quellen) vorbeugen, assistiert von Kasernen im Stadtzentrum (von denen eine ja noch steht).
Da hätten wir also einen Ort, der wie kein zweiter mit einem Ereignis kontaminiert ist, das man als einen Art Geburtsort der Negativität des Österreichischen bezeichnen könnte. Eine Formulierung, die mir angesichts des Umstandes einfällt, daß der Radetzkymarsch notorisch das letzte und immer auch begeistert beklatschte, rhythmisch vom Publikum im Marschtakt begleitete Stück ist, das beim so genannte Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker gespielt wird. 1848 also. Die bürgerliche Revolution und ihre militärische Niederschlagung.
Radetzky, dessen Marsch gespielt wird, war jener Feldherr, der die Revolution definitiv damit beendete, daß er das sich erhebende Italien auf dem Schlachtfeld besiegte. Und wie! Den Nachschub an Soldaten und Material sowohl in das ebenfalls aufständische Ungarn und nach Italien sicherte das unweit der einschlägigen Bahnhöfe errichtete Arsenal, von dem man aber auch, auf Grund seiner Lage, Wien mit Geschützen beschießen und mit tausenden kasernierten Soldaten (die Kasernen sind heute Wohnungen) hätte angreifen können.
 Mehr Geschichte geht also gar nicht. Und dann. Das Haus selbst und seine Ausstattung, die verschiedenen archäologischen Schichten seiner Nutzung und Bespieleng, seiner Ausstattung und Dekoration, seiner Sammlungen und Ausstellungen. Vieles davon ist hier präsent, wie das Gesamtkunstwerk des Museumsbaues als ideologisch-ästhetischem Zentrum, errichtet aus Ziegeln und Marmor, Kalkstein und Gold, Fresken und Ornamenten. Was für eine Verherrlichung des Kaisertums und der sie buchstäblich stützenden Armee - ein militärisches Pantheon aus vielen - ausschließlich adeligen - Heerführern (inklusive Andreas Hofer), darüber die Ruhmeshalle mit den Fresken unter der mächtigen Kuppel... Die Nutzung des Hauses im 1. und die erst recht propagandistische im 2. Weltkrieg, die "Rekonstruktion" nachden Bombardements der Alliierten und die Ausstellung der 50er-Jahre. Was für eine üppige Speisekarte der österreichischen Kriegs-, Herrschafts-, Mentalitäts- oder Kunstgeschichte! Was könnte man daraus nicht alles machen! Ein partizipativ-interventionistisch-diskursives Eldorado der analytischen Durchdringung, der kritischen Aufarbeitung, der intelligent popularen Vermittlung!
Wo es in der Neuen Burg an haptischen, sinnlichen, aufregenden, fesselnden Objekten so sehr fehlen wird, da verspricht hier, im Arsenal, eine große Sammlung Anschaulichkeit, visuelle Vermittlung, ästhetische Brückenschläge zum Geschichtsverständnis. Dort der anämische Vorschlag, mit den Papieren einer Bibliothek und eines Archivs das Haus der Geschichte zu bestücken, die Üppigkeit der lange gewachsenen Sammlung des Heeresgeschichtlichen Museums. Was es hier nicht alles gibt! Das eroberte Zelt eines türkischen Heerführers, den Katalfakt Prinz Eugens, den Wagen, in dem EH Franz Ferdinand erschossen wurde, das Sofa, auf dem Dollfuß verblutete (angeblich), riesige Kanonen, aus denen wirklich geschossen wurde, Ballon-Abwurfbomben, die man 1849 auf Venedig abwarf - leider, muß man sagen, mit wenig Erfolg. Herrlich! So viel Geschichte zum anfassen! Das hat niemand sonst zu bieten und kein Sammlungsbudget eines neuen Museums könnte so etwas herbeizaubern.
Das sind die guten Nachrichten. Die schlechteren sind die, daß das Museum in einem horriblen Zustand sind. In weiten Teilen ist es seit der Zeit unverändert, als ich an der Hand meines Großvaters (Offizier der Reserve der schweren Artillerie, wegen Defätismus degradiert - ich bin stolz auf meine Großväter, der andre türmte von der Dolomitenfront, und nach dem, was allein er erzählte, völlig zu Recht) dieses Museum betrat. Es luegt in verstaubt-depressivem Schlummer, nur der lange vernachlässigten Zeitgeschichte hat man sich in den letzten Jahrzehnten gewidmet.
Außerdem hat es einen Leiter, der das alles beharrlich hegt und pflegt und dem nicht aufzufallen scheint, daß in andren einschlägigen Museen die Uhren in jeder Hinsicht völlig anders gehen. In Dresden zum Beispiel. Oder in London. Wurscht. Er ist Direktor in Wien. Da darf er. Unbehelligt.
Kurzum: Das Museum müßte völlig umgekrempelt werden, umbenannt, aus seiner militaristischen Codierung wie aus einem Würgegriff befreit. Also. Erst einmal alles ausräumen und dann die Fenster aufreißen. Und lange, sehr laaaange lüften. Die Panzer vor und hinter den Gebäuden dürfen bleiben. Dazu fällt uns schon noch was ein.
Und dann stellen wir in die leeren Räume Sofas, wirklich bequeme Sofas, freiwillig von der bildungswilligen Bevölkerung gespendet, die dann kommt und dort sitzt und diskutiert über die Frage: welches Museum brauchen wir? Welches Museum brauchen wir sicher nicht.
Da wirds dann gar nicht so wichtig sein, daß das Heeresgeschichtliche Museum ein staatliches Museum ist, aber eines, das der Herr Klug verwaltet und nicht der Herr Ostermeyer, der die Bundesmuseen verwalten darf. Warum soll das Bundesheer und das einschlägige Ministerium nicht offen für die Durchlüftung unserer Geschichtskultur sein? Anderswo gibts das ja auch. Siehe Dresden. Siehe London.
Schön, und nachdem wir dort in unseren Sofas miteinander diskutiert haben und gestritten und aufgeregt und Ideen hatten und Pläne (was machen wir mit dem Andreas Hofer, was mit dem Modell der Viribus Unitis, was mit der blutigen Uniform von Franz Ferdinad, dessen Blut wie in der Erzählung "Das Gespenst von Canterville" von Zeit zu Zeit aufgefrischt werden muß?), beginnt das Einräumen, das Einräumen eines Hauses, wie wir es wollen und wo wir uns endlich - und hochaktuell - mit der Frage beschäftigen: warum kommt eigentlich immer alles so, wie es keiner von uns wollte? 


Mittwoch, 21. Januar 2015

pro und contra (Texte im Museum 509)

Gesehen im Ashmolean Museum Oxford (2015. Foto: GF)

"Redimensionierung". Letzter Einspruch (Anmerkung zu "Sterbebegleitung fürs Weltmuseum")

Stellungnahme
zur Entscheidung der Verkleinerung des Weltmuseums Wien
Pressekonferenz des Bundesministers Dr. Ostermayer vom 19.
Jänner 2015
Das Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der
Universität Wien und das Institut für Sozialanthropologie an
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geben
folgende Stellungnahme zur Verkleinerung des Weltmuseums
Wien ab, wie es anlässlich der Pressekonferenz von 19.Jänner
2015 durch den Herrn Bundesminister Dr. Ostermayer gem
mitgeteilt wurde:
1. Wir erachten die Entscheidung weder fachlich, noch
sachlich begründet. Es handelt sich ausschließlich um eine
massive Verschiebung von Räumen weg vom Weltmuseum.
Wir vermissen jegliche museologischen beziehungsweise
sozialanthropologischen Überlegungen, die für ein
zukunftsweisendes Konzept unerlässlich wären.
2. Wir verwahren uns gegen die Aussage des Herrn
Bundesministers, dass unsere Kritik durch die Interessen
einer kleinen wissenschaftlichen Gemeinschaft geprägt war.
Tatsächlich ist sie von namhaften, internationalen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern getragen, welche
nicht nur die Sammlungen von Weltrang hervorhoben, sondern
ebenso die kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung
solcher Museen in der heutigen Zeit.
3. Unseres Erachtens erfolgte diese Entscheidung nicht nur
im Interesse eines Hauses der österreichischen Geschichte
sondern ebenso in jenem des Kunsthistorischen Museums. Durch
den gemeinsamen Eingang mit den anderen KHM-Sammlungen im
Corps de Logis und durch die Herrschaft des KHM im
Hochparterre befürchten wir, dass das Weltmuseum Wien nicht
mehr als solches wahrgenommen und nur noch als eine der
kunsthistorisch definierten Sammlungen des KHM aufscheinen wird.
4. Mit Bedauern stellen wir fest, dass das Einverständnis
des Direktors des Weltmuseums Wien, Dr. Steven Engelsman, zu
dieser Lösung, nicht im Interesse des Weltmuseums und nicht
im Interesse der Museumslandschaft an einem UNO-Sitz wie
Wien ist.
Univ.Prof.Dr. Elke Mader, Vorständin Institut für Kultur-
und Sozialanthropologie der Universität Wien
o.Univ.Prof.Dr. Andre Gingrich, Direktor Institut für
Sozialanthropologie an der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften
a.Univ.Prof.Dr. Thomas Fillitz, Koordinator der Tätigkeiten,
Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der
Universität Wien

S. den Post "Sterbebegleitung fürs Weltmuseum" http://museologien.blogspot.co.at/2014/12/sterbebegleitung-furs-weltmuseum.html

"Redimensionierung"

Heute von Steve Engeksman gepostet: Skizze zur Redimensionierung des vin ihm geleiteten Weltmuseums. Mehr fälklt mir dazu im Moment auch nicht mehr ein.

Freitag, 2. Januar 2015

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How to critisize

Daniel Dennett: "How to compose a successful critical commentary."

"1. You should attempt to re-express your target’s position so clearly, vividly, and fairly that your target says, “Thanks, I wish I’d thought of putting it that way.
2. You should list any points of agreement (especially if they are not matters of general or widespread agreement).
3. You should mention anything you have learned from your target.
4. Only then are you permitted to say so much as a word of rebuttal or criticism.
This will "transform your opponent into a more receptive audience for your criticism or dissent, which in turn helps advance the discussion."


Gefunden via Facebook bei Barbar Kirshenblatt-Gimblett, die noch hinzufügte: "One must be committed to solving the problem rather than winning the argument!"

Dienstag, 30. Dezember 2014

Nachrichtenloses Unglück - Die Zukunft des Weltmuseum scheint niemanden zu interessieren

Ein großes Bundesmuseum, eine bedeutende Sammlung, ein veritabler Standort. Dennoch, wenn so etwas gefährdet erscheint, bleiben alle ruhig. Politiker, Medien, Experten.
Die "Wiener Zeitung" informiert am 27.11. ein wenig und reportiert (wie auch "Die Kleine-Zeitung") den Zorn des Kulturanthropologen Thomas Fillitz ("Es ist eine Visionslosigkeit"). Der Grüne Wolfgang Zinggl wird zitiert: Offenbar soll das Museum "ins Ausgedinge geschickt werden". Keine Leserreaktionen übrigens.
Barbare Petsch schenkt in "Die Presse" dem Weltmuseum einen Tag vor Weihnachten eine Idee: Macht es doch so wie der Schröder! Und schließt: "Ein Weltmuseum hat in der heutigen Migrationsgesellschaft eine große Aufgabe: die Integration zu fördern. Ostermayers Verzögerungstaktik ist politisch unklug. Im repressiven Habsburger-Reich gab es mehr konstruktive Ideen für größere Bauvorhaben als in der Demokratie des 21.Jahrhunderts – wer hätte das gedacht?"
Leserreaktionen: Zwei. Eine davon lautet:  "Ein Weltmuseum hat in der heutigen Migrationsgesellschaft eine große Aufgabe: die Integration zu fördern. Diese Feststellung ist aber herzallerliebst. Wieviele Mitglieder der Migrationsgesellschaft gehen denn freiwillig in irgendein Museum?"
 
Aus der Ausstellung zur Chinesischen Kulturrevolution

Am selben Tag und ebenfalls in "Die Presse" spielt Thomas Fillitz das Spiel "Das Ausland ist besorgt" und "Im Ausland wird ungleich mehr Geld in vergleichbare Museen investiert". Leider ist diese Taktik vollkommen ausgeleiert und hilflos. Wo keine Resonanz auf nichts existiert - auch die Online-Enquete zur Frage der Zukunft eines Hauses der Geschichte, des Weltmuseums und der Nutzung der Neuen Burg, die morgen zu Ende geht, brachte keine Diskussion in Bewegung -, verpuffen die besten Argumente wie die Abgase eines stotternden Autos. "Das Weltmuseum ist das Bundesmuseum schlechthin, welches sich mit Themen wie kulturellem Pluralismus auseinandersetzt, mit kulturellem Dialog, aber auch mit Kolonialismus. Das sind eminent wichtige Themen in einer vernetzten Weltordnung, die uns alle betreffen müssen!" Ja, was einem da nicht alles einfiele. Mir fällt die letzte Ausstellung ein, die ich im Museum gesehen habe. Denn leider kann man grade in der Hinsicht dem Museum herbe Kritik nicht ersparen. Die affirmative bis zur Täuschung entstellte Darstellung Franz Ferdinands als Sammler und damit als - rehabilitierten (?) - Kulturheros, war ein Tiefpunkt der Ausstellungspolitik des Hauses. Ausgerechnet. Also, auch für ein "Was das Museum nicht alles sein könnte" ist es jetzt verdammt spät.
Dennoch kann niemand ein Interesse an der Marginalisierung oder gar kalten Abswicklung des Museums haben. Sondern nur an einer umfassenden Neupositionierung als kritisches, diskursives und allen genannten Aspekten aufgeschlossenes Museum. 
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß "Die Presse" am 5.12. bereits Wilfried Seipel ermöglicht hat, sich Sorgen um die Situation des Museums zu machen, der durch seine Tätigkeit als Generaldirektor die Zusammenlegung mit dem Kunsthistorischen Museum betrieben hat und wesentlich mitverantwortlich ist für den prekären Zustand des Weltmuseums.
Das wars. Substantielle Äußerung anderer Medien (also solche, die bloß Meldungen der APA raportieren) sind mir bis jetzt nicht bekannt geworden. Viellicht habe ich ja etwas übersehen und bin durchaus dankbar für einschlägige Hinweise.

Zwischendurch: Kultur kostet viel Geld