Es gibt eine neue österreichische Institution, die sich mit der Beratung und Entwicklung von Musen beschäftigt. "Kultur-Agenda". Über die Ziele informiert die angegebene Webseite.
Mag. Christian Waltl MA
KulturAgenda – Institut für Museen, Kulturwirtschaft und Publikum
Dr. Wutte Strasse 14
9020 Klagenfurt
Austria
Mobile: +43 (0)650 5545165
Office: + 43 (0)463 591566
christian.waltl@kulturagenda.at
www.kulturagenda.at
Samstag, 22. Dezember 2012
Über den Zustand der Museen der Republik. Der Milchzahn der Kaiserin
"Das Kind hatte bereits bei der Geburt einen Milchzahn, einen so genannten "dens connatus", wie schon früher der französische Sonnenkönig Ludwig XIV.
Der Umstand, dass das Kind am Weihnachtsabend, einem Sonntag und schon mit einem Zahn geboren wurde, veranlasste die Mutter zu der Annahme, dass die Geburt dieser Tochter unter einem ganz besonderen Glücksstern stand. Damit wollte sie vielleicht auch ihr Gewissen beruhigen, denn sie fürchtete einen Fluch, den sie selbst an ihrem Vermählungstag ausgesprochen hatte. Sie war so ungücklich am Tag ihrer Hochzeit gewesen, dass sie beim Werfen des Brautstraußes gesagt haben soll: 'Dieser Ehe und allem, was daraus hervorgeht, soll der Segen Gottes fehlen bis ans Ende'."
Das Kind, um das es hier in den herzerwärmenden Worten der Webseite der "Kaiserappartements der Hofnurg" geht, war Elisabeth, "Sissi", später Gemahlin Kaiser Franz Josefs. Weil dieses Mysterienkind nicht nur mit einem Zahn auf die Welt kam, sondern an einem 24. Dezember, sieht sich das Museum veranlasst, Taufkleid (entzückend) und Zahn - diesen im Milchzahnbehälter aus vergoldetem Messing mit gekröntem Allianzwappen der Herzogin Ludovika in Bayern - ab diesem Datum auszustellen. Befristet, bis März des kommenden Jahres, dann kommt er wieder is Depot, aus konservatorischen Gründen. Also nicht versäumen, denn wer weiß, wann der Milchzahn wieder zu sehen sein wird, der am Freitag von niemand geringerem als Sisis Ururenkelin Magdalena Habsburg in die Vitrine gelegt wurde, wie die Tageszeitung Die Presse zu berichten weiß.
Wem der Wert dieser k.k. Zimelien etwas schleierhaft ist, den belehrt in der genannten Tageszeitung die Kuratorin des Museums Olivia Lichtscheidl: Diese Dinge haben ja auch einen unglaublichen ideellen Wert.
Zum Stolz einer der berühmtesten Sammlungen der frühen Neuzeit, der von Tradescant Vater und Sohn in Oxford, zählte unter anderem: Ein babylonisches Gewand, Diverse Sorten Eier aus der Türkei; eines von ihnen als Drachenei deklariert, Ostereier des Patriarchen von Jerusalem, zwei Federn vom Schweif des Vogels Phönix, eine Klaue des Vogels Rock, der dem Vernehmen nach einen Elefanten zu entführen vermag, ein Dodar von der Insel Mauritius; der ob seiner Korpulenz des Fluges nicht fähig ist, ein Hasenkopf mit rauhem Gehörn, drei Zoll lang, ein Krötenfisch und einer mit Stacheln, diverse Darstellungen, in Pflaumenkerne geschnitzt, eine Messingkugel zum Wärmen der Hände für Nonnen.
Wenig später setzte eine ätzende Polemik gegen derlei Sammlungen ein. Der Geist der rationalen Wissenschaften machte den Sammelsurien den Garaus. Spottgedichte erschienen, ironische Texte, die derlei Sammelpraktiken verulkten. Ein Milchzahn einer Kaiserin hätte vor dem Richterstuhl dieser Sammlungskritik keine Gnade gefunden.
Das verschrobene Sammeln überlebte in der Literatur, in der Schilderung kauziger Obsessionen, etwa der, der Jaromir Edler von Eynhuf in Fritz von Herzmanovskis Roman Der Gaulschreck im Rosennetz huldigt, wo er, der Sekretär des Hoftrommeldepots aus patriotischer Gesinnung beschließt, seinem Landesvater zu dessen Regierungsjubiläum seine Milchzahnsammlung zu verehren. Hat Herzmanowsky vom allerhöchsten kaiserlichen Zahn, der im Depot schlummerte, gewußt? und wurde er so zum Patron eines Rückschrittes der Musealisierung von der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung zurück zum vormodernen Kuriositätenkabinett?
Der Umstand, dass das Kind am Weihnachtsabend, einem Sonntag und schon mit einem Zahn geboren wurde, veranlasste die Mutter zu der Annahme, dass die Geburt dieser Tochter unter einem ganz besonderen Glücksstern stand. Damit wollte sie vielleicht auch ihr Gewissen beruhigen, denn sie fürchtete einen Fluch, den sie selbst an ihrem Vermählungstag ausgesprochen hatte. Sie war so ungücklich am Tag ihrer Hochzeit gewesen, dass sie beim Werfen des Brautstraußes gesagt haben soll: 'Dieser Ehe und allem, was daraus hervorgeht, soll der Segen Gottes fehlen bis ans Ende'."
Das Kind, um das es hier in den herzerwärmenden Worten der Webseite der "Kaiserappartements der Hofnurg" geht, war Elisabeth, "Sissi", später Gemahlin Kaiser Franz Josefs. Weil dieses Mysterienkind nicht nur mit einem Zahn auf die Welt kam, sondern an einem 24. Dezember, sieht sich das Museum veranlasst, Taufkleid (entzückend) und Zahn - diesen im Milchzahnbehälter aus vergoldetem Messing mit gekröntem Allianzwappen der Herzogin Ludovika in Bayern - ab diesem Datum auszustellen. Befristet, bis März des kommenden Jahres, dann kommt er wieder is Depot, aus konservatorischen Gründen. Also nicht versäumen, denn wer weiß, wann der Milchzahn wieder zu sehen sein wird, der am Freitag von niemand geringerem als Sisis Ururenkelin Magdalena Habsburg in die Vitrine gelegt wurde, wie die Tageszeitung Die Presse zu berichten weiß.
Wem der Wert dieser k.k. Zimelien etwas schleierhaft ist, den belehrt in der genannten Tageszeitung die Kuratorin des Museums Olivia Lichtscheidl: Diese Dinge haben ja auch einen unglaublichen ideellen Wert.
Zum Stolz einer der berühmtesten Sammlungen der frühen Neuzeit, der von Tradescant Vater und Sohn in Oxford, zählte unter anderem: Ein babylonisches Gewand, Diverse Sorten Eier aus der Türkei; eines von ihnen als Drachenei deklariert, Ostereier des Patriarchen von Jerusalem, zwei Federn vom Schweif des Vogels Phönix, eine Klaue des Vogels Rock, der dem Vernehmen nach einen Elefanten zu entführen vermag, ein Dodar von der Insel Mauritius; der ob seiner Korpulenz des Fluges nicht fähig ist, ein Hasenkopf mit rauhem Gehörn, drei Zoll lang, ein Krötenfisch und einer mit Stacheln, diverse Darstellungen, in Pflaumenkerne geschnitzt, eine Messingkugel zum Wärmen der Hände für Nonnen.
Wenig später setzte eine ätzende Polemik gegen derlei Sammlungen ein. Der Geist der rationalen Wissenschaften machte den Sammelsurien den Garaus. Spottgedichte erschienen, ironische Texte, die derlei Sammelpraktiken verulkten. Ein Milchzahn einer Kaiserin hätte vor dem Richterstuhl dieser Sammlungskritik keine Gnade gefunden.
Das verschrobene Sammeln überlebte in der Literatur, in der Schilderung kauziger Obsessionen, etwa der, der Jaromir Edler von Eynhuf in Fritz von Herzmanovskis Roman Der Gaulschreck im Rosennetz huldigt, wo er, der Sekretär des Hoftrommeldepots aus patriotischer Gesinnung beschließt, seinem Landesvater zu dessen Regierungsjubiläum seine Milchzahnsammlung zu verehren. Hat Herzmanowsky vom allerhöchsten kaiserlichen Zahn, der im Depot schlummerte, gewußt? und wurde er so zum Patron eines Rückschrittes der Musealisierung von der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung zurück zum vormodernen Kuriositätenkabinett?
Freitag, 21. Dezember 2012
Donnerstag, 20. Dezember 2012
Und schon wieder nichts Neues vom Wien Museum
Das Wien Museum geistert wieder durch die Medien. Dem FALTER, der Wiener Stadtzeitung, war das einen großen Artikel wert. Obwohl - es gibt nichts Neues. Es gibt zwei Standorte, den alten und einen neuen in der Nähe des Hauptbahnhofes, der eben teilweise eröffnet wurde. Dort bietet die ERSTE Bank eine Immobilie an.
Es ist eigentlich müßig darüber zu schreiben. Es gibt keine Diskussion dazu. Nur eine Berichterstattung voller Vermutungen ohne Argumente. Das Museum sei zu klein, heißt es. Wieso? Im Verhältnis wozu? Wofür? Fürs DEponieren oder fürs Exponieren?
Das Museum hat verschiedene Ausstellungsorte und es könnte ephemere in der Stadt kreieren, wenn es sein Konzept öffnen würde.
Es braucht einen zeichenhaften Neubau hieß es. Das wird der Bau der ERSTEN nicht sein, wo man, ganz in der Investorenlogik, das Museum gern als Zugpferd für Urbanität hätte. Und am Standort Karlsplatz ist das bauliche Umfeld derart hochkarätig, daß man sich eine mutige architektonische Lösung kaum vorstellen kann. Nicht weil es nicht gute Architektur für einen derartigen Bauplatz gäbe, sondern weil man mit einer denkmalpflegerischen Debatte rechnen muß.
Daß es nur um Standort und Architektur geht, ist ebenso bezeichnend wie der Umstand, daß ein Expertenhearing unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfand und auch keine Ergebnisse veröffentlicht wurden. Man scheut offenbar eine mediale Debatte, die etwas kaputtmachen könnte, was man lange vorbereitet hat. Aber irgendwann wird man entscheiden und es bekanntgeben und dann werden jene Medien kaum stillhalten, die möglicherweise schon in den Löchern scharren.
Wie verkorkst muß der Zustand einer Öffentlichkeit sein, wenn eine öffentliche Institution wie ein Museum ihre Ideen nicht in und mit dieser Öffentlichkeit entwickeln kann, sondern sie fürchtet, wie der Teufel das Weihwasser.
Man wird das Museum irgendwann in aller josephinischen Aufgeklärtheit als beste aller Lösungen dekretieren und als infalilble ex cathedra - Entscheidung dem Wiener Wahlvolk verkünden.
Wenn der Museumsdirektor und der Kulturstadtrat Pech haben, beginnt dann die vermiedene inhaltliche Debatte. Wenn wir, die BesucherInnen und Fans, die Genießer und Museumssüchtigen Pech haben, gibt es diese Debatte nie.
Es ist eigentlich müßig darüber zu schreiben. Es gibt keine Diskussion dazu. Nur eine Berichterstattung voller Vermutungen ohne Argumente. Das Museum sei zu klein, heißt es. Wieso? Im Verhältnis wozu? Wofür? Fürs DEponieren oder fürs Exponieren?
Das Museum hat verschiedene Ausstellungsorte und es könnte ephemere in der Stadt kreieren, wenn es sein Konzept öffnen würde.
Es braucht einen zeichenhaften Neubau hieß es. Das wird der Bau der ERSTEN nicht sein, wo man, ganz in der Investorenlogik, das Museum gern als Zugpferd für Urbanität hätte. Und am Standort Karlsplatz ist das bauliche Umfeld derart hochkarätig, daß man sich eine mutige architektonische Lösung kaum vorstellen kann. Nicht weil es nicht gute Architektur für einen derartigen Bauplatz gäbe, sondern weil man mit einer denkmalpflegerischen Debatte rechnen muß.
Daß es nur um Standort und Architektur geht, ist ebenso bezeichnend wie der Umstand, daß ein Expertenhearing unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfand und auch keine Ergebnisse veröffentlicht wurden. Man scheut offenbar eine mediale Debatte, die etwas kaputtmachen könnte, was man lange vorbereitet hat. Aber irgendwann wird man entscheiden und es bekanntgeben und dann werden jene Medien kaum stillhalten, die möglicherweise schon in den Löchern scharren.
Wie verkorkst muß der Zustand einer Öffentlichkeit sein, wenn eine öffentliche Institution wie ein Museum ihre Ideen nicht in und mit dieser Öffentlichkeit entwickeln kann, sondern sie fürchtet, wie der Teufel das Weihwasser.
Man wird das Museum irgendwann in aller josephinischen Aufgeklärtheit als beste aller Lösungen dekretieren und als infalilble ex cathedra - Entscheidung dem Wiener Wahlvolk verkünden.
Wenn der Museumsdirektor und der Kulturstadtrat Pech haben, beginnt dann die vermiedene inhaltliche Debatte. Wenn wir, die BesucherInnen und Fans, die Genießer und Museumssüchtigen Pech haben, gibt es diese Debatte nie.
Montag, 17. Dezember 2012
Donnerstag, 13. Dezember 2012
Der Louvre in Lens
Dienstag, 11. Dezember 2012
Schiffbruch mit Zuschauer
Die Vitrine ist ein Schlüsselobjekt des Museums, nicht bloß ein schützendes Behältnis, sondern eine Metapher für das, was ein Museum macht.
Sie schafft Distanz, schützt das Gut, das sie enthält, offeriert Sichtbarkeit, verhindert das Berühren und das Wegnehmen. Sie reserviert ein Ding für den Augensinn, sie rückt etwas für unseren Blick zurecht und isoliert es und sich von der Umgebung. Als Sockel und Gestell hebt sie etwas hervor aus der Umgebung, gibt zu sehen, "stellt aus".
Die Vitrine schützt aber nicht nur das Ding vor dem Verbrauchtwerden, dem Verschleiß, der Verschmutzung und so weiter. Es schützt auch uns als dem Gegenständigen des Subjekts vor dem Gegenstand der mit dem Subjekt etwas macht, etwas anrichtet, berührt, erschreckt, frägt, bedrängt, verunsichert.
Ein Bastler bietet das offenbar von ihm gefertigte Modell der Titanic an, dessen akribische ans Vorbild sich haltende Ausführung er hervorstreicht. Geliefert wird mit Vitrine, wohl eher für private Sammler gedacht, aber auch durchaus im Museum vorstellbar.
Blaues, ruhiges, dunkles Wasser, das Schiff, das mit dem Bug voran sinkt und zwei Spitzen eines Eisberges. Am Rand der Vitrine, auf dem Foto nicht gut erkennbar, möglicherweise die ersten Rettungsboote.
Wir sind auf der sicheren Seite. Wir haben festen Boden unter den Füßen und im Museum ist die Welt im Lot und in Ordnung. Das Katastrophische ist uns einen Blick wert, aus sicherer Distanz, die nicht nur durch Gestell und Glas erzeugt wird sondern auch durch die Miniaturisierung. Ein Untergang als Spielzeug, als Sammlerstück, als Exponat.
Das machen Museen - sie sind Orte der gefahrlosen Besichtigung an denen wir Zuschauer sind, vielleicht auch Zuschauer unserer selbst. Im Museum immer nach der Katastrophe.
Sie schafft Distanz, schützt das Gut, das sie enthält, offeriert Sichtbarkeit, verhindert das Berühren und das Wegnehmen. Sie reserviert ein Ding für den Augensinn, sie rückt etwas für unseren Blick zurecht und isoliert es und sich von der Umgebung. Als Sockel und Gestell hebt sie etwas hervor aus der Umgebung, gibt zu sehen, "stellt aus".
Die Vitrine schützt aber nicht nur das Ding vor dem Verbrauchtwerden, dem Verschleiß, der Verschmutzung und so weiter. Es schützt auch uns als dem Gegenständigen des Subjekts vor dem Gegenstand der mit dem Subjekt etwas macht, etwas anrichtet, berührt, erschreckt, frägt, bedrängt, verunsichert.
Ein Bastler bietet das offenbar von ihm gefertigte Modell der Titanic an, dessen akribische ans Vorbild sich haltende Ausführung er hervorstreicht. Geliefert wird mit Vitrine, wohl eher für private Sammler gedacht, aber auch durchaus im Museum vorstellbar.
Blaues, ruhiges, dunkles Wasser, das Schiff, das mit dem Bug voran sinkt und zwei Spitzen eines Eisberges. Am Rand der Vitrine, auf dem Foto nicht gut erkennbar, möglicherweise die ersten Rettungsboote.
Wir sind auf der sicheren Seite. Wir haben festen Boden unter den Füßen und im Museum ist die Welt im Lot und in Ordnung. Das Katastrophische ist uns einen Blick wert, aus sicherer Distanz, die nicht nur durch Gestell und Glas erzeugt wird sondern auch durch die Miniaturisierung. Ein Untergang als Spielzeug, als Sammlerstück, als Exponat.
Das machen Museen - sie sind Orte der gefahrlosen Besichtigung an denen wir Zuschauer sind, vielleicht auch Zuschauer unserer selbst. Im Museum immer nach der Katastrophe.
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