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Kerry Stewart: Manager (1996) |
Der Tageszeitung KURIER war das gestern, ausgerechnet am Tag des Totengedenkens, die Headline wert: MUSEUMS-SKANDAL. TAUSENDE KUNSTWERKE WEG, GELDER VERSCHLEUDERT. Aus einer Presseagentur-Meldung zur Prüfung des MAK (Museum für Angewandte Kunst) durch den Rechnungshof, die andere Zeitungen unverändert abdruckten, wurde das Thema des (Feier)Tages im Stil einer Abrechnung mit dem zum Rücktritt gezwungenen Direktor Peter Noever.
Das ist ein Manko der Rechnungshofberichte: daß sie meist nur bruchstückhaft und in skandalisierender Form der Öffentlichkeit bekannt werden und daß sie sich nur mit quantifizierbaren Parametern beschäftigen können, was bei einem Museum natürlich problematisch ist. Nach einer kurzen Erregungsphase ist rasch alles vergessen, irgendwann erscheint der Endbericht der ohne Konsequenzen zu ziehen zur Kenntnis genommen und abgelegt wird. Die zuständige Ministerin hat schnell reagiert auf die Berichterstattung. Mit der Mitteilung, sie werde nicht reagieren und den Endbericht abwarten. Eben.
Andrerseits betreffen geben sie Auskunft über die Qualität der Organisation, Sorgfalt der Verwendung der Mittel, Effizienz der Verwaltung. Indem sie den Blick auf etwas richten, was ansonst der Öffentlichkeit vollkommen entzogen ist, sind Rechnungshofberichte, die Museen betreffen, regelmäßig auch Indikatoren für die Kultur der Institution und insofern museologische Dokumente ersten Ranges.
Was in der Direktionszeit Peter Noevers am MAK alles passiert sein muß, kann man nur ahnen, denn die Liste, die sich aus den diversen Berichten der Medien zusammenstellen läßt ist lang und im Detail bemerkenswert.
Daß an die sechstausend Objekte "verschwunden" sind, legt unzulässigerweise nahe, daß die jemand hat verschwinden lassen, wo es vermutlich eher um langfristig entstandene Probleme und Schwächen der Inventarisierung geht. Daß es eine Rechnung gibt, wie der KURIER sogar auf Seite 1 berichtet, derzufolge acht Personen 58 Flaschen Alkohol getrunken haben sollen, die aber wohlfeile 567 Euro gekostet haben sollen, gehört in die Rubrik Kuriosa und weckt die Neugier danach zu fragen, wer das gewesen sein könnte, der über solche Trinkfestigkeit verfügt. Daß ein Buch über Noever im hauseignen Shop gezählte 11 Mal verkauft wurde, wird vom Betroffenen möglicherweise als ätzender Effekt der Genauigkeit des Rechnungshofes bewertet werden. Daß ein Museumsdirektor bis zu 45% seiner Dienstzeit auf Dienstreisen verbringt, entsetzt die Berichterstatter, aber man könnte auch fragen, wie notwendig (oder auch nicht) eine rege Reisetätigkeit bei einem international vernetzten Museum sein darf und soll.
Andere Feststellungen des Rechnungshofes sind schon gewichtiger, denn bei denen geht es um strukturelle Fragen. Die Wiederbestellung Noevers sei "rechtswidrig" erfolgt, weil ohne Ausschreibung (ich könnte andere österreichische Museen und Museumsleiter nennen, wo das ebenfalls der Fall war). Seinem Gehalt habe man 20% Leistungszuschlag hinzugefügt für den keine Leistung verlangt wurde (in der Schweiz gibt es leistungsbezogene Gehaltsbestandteile nur in Bezug zu definierten Vorgaben, was bedeutet, daß diese beim Nichterreichen auch nicht oder nicht zur Gänze ausbezahlt werden). Daß "Kunst verschwunden" ist, klingt alarmierend, daß es an die 6000 Objekte sein sollen erst recht, noch merkwürdiger aber ist, daß das Ministerium davon "unvollständiger und unrichtige" Informationen erhielt.
185.000 Besucher hatte das Museum 2010. Der Rechnungshof glaubt feststellen zu können, daß fast die Hälfte davon zu Unrecht in die Statistik aufgenommen wurde, allein 70.000 Besucher aus Vermietungen wurden hinzugerechnet, selbst die eigenen Mitarbeiter. Auch dazu muss man sagen, ohne daß das eine Entlastung ist, daß das Schönen von Statistiken bei vielen Museen übliche Praxis ist, auch in einem exorbitant hohen Ausmaß. Die Manipulationen des MAK beweisen einmal mehr, daß damit insgesamt die Besucherstatistiken der Bundesmuseen, die alljährlich veröffentlicht werden, Makulatur sind. Und das nicht nur weil Zahlen frisiert wurden, sondern weil es notorisch zu einem Zusammenrechnen von Besuchern der Dauerausstellung und Sonderausstellungen kommt, was (abgesehen von durch Renovierungen etc. bedingten) Schließzeiten zu einer Verzerrung der Statistik kommt, die einen Vergleich der Museen untereinander und einen zwischen den einzelnen Jahren weitgehend sinnlos macht.
In der Onlineausgabe des KURIER gibt es zusätzliche Informationen. Etwa die über eine ohne nachvollziehbaren Grund verdoppelte Förderung von Stipendien, die jahrelang nicht vollständig abgerechnet wurde und offenbar bis heute lückenhaft blieb, aber vom Ministerium, wie die Zeitung schreibt, "mit großer Nachsicht" akzeptiert wurde. Welche Kontrollfunktion hat dann noch ein Ministerium, und hat dann nicht auch der Aufsichtsrat vollkommen versagt?
Der Rechnungshofbericht legt nahe, daß kein oder ein unzulängliches Konzept für das Sponsoring existiert. Schülerführungen wurde mit unklarer Abrechnung mit externen Institutionen abgewickelt.
Noever bekämpft seine Entlassung (die unter anderem durch eine Geburtstagsfeiern für seine Mutter, die er im MAK abhielt und vom MAK bezahlen ließ, ausgelöst wurde), und fordert, wie nun durch den Rechnungshof bekannt wird, 482.700 Euro an entgangenen Leistungen (Urlaubsansprüche, Prämien etc.). Auch erst durch den RH Bericht bekannt geworden ist, dass Noever "durch seinen Dienstvertrag nicht abgegoltene Leistungen in Höhe von bis zu 7,3 Millionen Euro" einzufordern androht.