Dienstag, 18. September 2012

Wenn es Museumscafés gibt, dann muß es eigentlich auch Cafémuseen geben. Ein Beispiel


Im Post vom 7. September 2011 (hier) habe ich von einem seltenen Fall von Entmusealisierung berichtet. Das kleine, zum Universalmuseum Joanneum gehörige "Römermuseum" sollte zur begehbaren Vitrine umgestaltet werden und das Ausgrabungsgelände des römischen Flavia Solva zugeschüttet, weil das billiger als die Erhaltung der Grabung sei.
Proteste vor allem der Gemeinde haben zur Änderung der Pläne geführt. Der größte Teil der Grabung wurde tatsächlich zugeschüttet und der Verlauf der Mauern markiert, wichtige Teile wurden erhalten, teilweise überdacht.
Und das Museum wurde tatsächlich zur Vitrine, die man auf einem Steg umrunden kann. In der diaphanen Glaswand finden sich Objekte und Informationen.
Das Museum wurde im Inneren zum Café und Eissalon. Das Museum spart sich Personal(kosten) und verdient womöglich durch die Verpachtung. Das Café-Museum ist erfunden!






Montag, 17. September 2012

Sponsoren (Texte im Museum 323)

Skulpturenpark / Universalmuseum Joanneum (2012)

"Social Inclusion" oder hegemoniale Museumspolitik? Die "Vermittlungsoffensive" von Ministerin Claudia Schmied

Die für die Bundesmuseen zuständige Ministerin Claudia Schmied hat unlängst Bilanz nach drei Jahren "Vermittlungsoffensive" gezogen. Gemeint ist der von ihr eingeführte Gratiseintritt in Museen für unter 19jährige. Da es an Vergleichszahlen zur Zeit vor der Regelung fehlt, nimmt sich statistisch der Effekt des Gratiseintritts eindrucksvoll aus.
Dabei bleibt es nicht. 400.000 Euro werden für neue Vermittlungsprojekte ausgeschrieben.
Social inclusion auf Staatskosten?
Man darf nicht zu viel nachdenken und nachhaken.
Die Theoretikerin Carmen Mörsch hat vier Typen von Vermittlung ausgemacht: eine affirmative Funktion, „wenn sie“, wie sie schreibt „Institutionen der Hochkultur und das was sie produzieren, möglichst reibungslos an ein entsprechend initiiertes und bereits interessiertes Publikum vermittelt.“ Eine reproduktive Funktion hat sie dann, wenn es ihr und dem Museum in erster Linie um die Rekrutierung eines Publikums der Zukunft geht.
Die dritte Funktion nennt sie „kritisch – dekonstruktiv“, sie reflektiert die strukturellen Voraussetzungen des Museums und der Vermittlung und legt ihren Standpunktes offen, was Besuchern ermöglicht, sich an dieser Reflexion eigenständig zu beteiligen.
Die vierte Möglichkeit liegt darin, gesellschafts- und institutionenverändernd wirken zu wollen. Das geht aber nur dann, wenn man auf die Inhalte und die Rahmenbedingungen unter denen sie produziert und vermittelt werden selbst Einfluss nimmt und nehmen kann. Dies nennt Carmen Moersch transformativ.
Liege ich falsch, wenn ich vermute, daß die Mehrzahl der Vermittlungsprojekte diese beiden ersten Funktionen erfüllt? Die Propagierung und Initiierung in vorab beglaubigte kulturelle Werte um ihrer selbst willen mit dem Ziel das künftige Publikum heranzuziehen?
Das wäre ein Praktizieren kultureller Hegemonie, sozialen Machtverhältnissen entsprungen aber diese verschleiernd. Am Spiel von Kultur und Macht nehmen Bevorrechtete teil, die ihre Interessen als allgemein gültige ausgeben, und die ihre Werte durchzusetzen versuchen.
Der bildungspolitische Glanz, den die ministerielle Strategie (als einzig erkennbare museumspolitische) ausstrahlt, verblasst nicht nur angesichts dieser Vermutung. Sozialdemokratische Kulturpolitik war selten mehr als Affirmation und Adaption bürgerlicher Werte und das berühmte "Kultur für Alle" ebnete einer dienstleistungs- und marktorientierten Kulturpolitik Tür und Tor.
Claudia Schmied kann man die Lektüre von Karl Kraus' "Nachträgliche Republikfeier" empfehlen, ein Text in dem der Autor feststellt, daß "dem Proletarier Eingang (in das bürgerliche Theater GF) zu ermäßigten Preisen verschafft zu haben man für eine revolutionäre Errungenschaft hält." Und fortfährt: "Sollten sie wirklich dazu Revolution gemacht haben, um in der Kultur schließlich auf den leeren Plätzen der Bourgeoisie zu sitzen, die sie nicht etwa geräumt hat, weil sie sich vom Nachdrängen der Arbeiterklasse bedroht fühlt, sondern nur weil sie von den Leistungen ihres eigenen Kunstgeschäfts gelangweilt ist?"

Freitag, 14. September 2012

Museumspolemik - das Darwineum in Rostock

In der heutigen TAZ darf man (hier) etwas sehr seltenes bestaunen: eine Museumskritik, und noch dazu eine polemische. Sie gilt dem eben eröffneten Darwineum in Rostock, das eine Mixtur aus Museum und Zoo ist. Colin Goldner läßt an beidem kein gutes Haar, nicht am Museum, mit seiner "Vielzahl an Schautafeln und musealen Staubfängervitrinen, die tatsächlich zu allem anderen taugen, als 'die Geburt des Universums bestaunen, explodierende Sterne sehen und die Entstehung der Erde erleben' zu können" und nicht am Zoo, wo die "Frage, ob es ethisch überhaupt noch vertretbar ist, Menschenaffen in Zoos gefangen zu halten, wird im Darwineum nicht gestellt" werde. Das alles sei so spannend "wie ein Yps-Heftchen der 70er-Jahre" und "der prinzipiell aufklärerische Wert des Darwineums wird allein dadurch (durch die Haltung von Menschenaffen) in sein Gegenteil verkehrt: der Mensch wird nicht als Teil der Evolution dargestellt, sondern – wie Religionen jeder Art dies seit je verkünden – als gottgleiche 'Krone der Schöpfung', befugt, mit Tieren zu verfahren, wie es ihm beliebt."

Samstag, 8. September 2012

Ein Museum: Fiji-Museum, Suva





Located in the heart of Suva's botanical gardens, the Fiji Museum holds a remarkable collection which includes archaeological material dating back 3,700 years and cultural objects representing both Fiji's indigenous inhabitants and other communities that have settled in the island group over the past 100 years. (Webseite)


Dienstag, 4. September 2012

Soll das Konzentrationslager Buchenwald kulturelles Welterbe werden?

Die Stadt Weimar bemüht sich, unterstützt vom Leiter der Gedenkstätte, das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald als Weltkulturerbe anerkennen zu lassen. Es wäre das erste Mal, daß ein Ort massenhafter Verbrechen in den Rang eines Weltkulturerbes erhoben würde.
Es gibt auch Gegenstimmen. Orte des Verbrechens könnten und dürften niemals eine solche Anerkennung finden, denn Verbrechen solchen Ausmaßes seien "nicht Kultur".

Buchenwald, ehemaliges Barackengelände. Foto GF
 Das ist eine riskante Argumentation, weil sie darauf hinausläuft, Gewalt und Verbrechen aus dem Kulturbegriff auszuschließen. Unterschlagen würde damit eine Dialektik, von der das Konzept des Welterbes selbst zehrt: alles was an dieser kulturellen Überlieferung von Barbarei kontaminiert ist, wird durch seine Kulturalisiserung verdrängt und gleichsam unsichtbar.
Eine unter Schutz gestellte Stahlfabrik sollen wir als Kathedrale der Industrialisierung und nicht als Ort entfremdender Arbeitsbedingungen und etwa Produktion von Rüstungsgütern wahrnehmen. Die Fragen nach den Quellen des Reichtums und der Macht, die einem indischen Mogul die Errichtung eines märchenhaftes Mausoleums (Taj Mahal) erlaubt, soll nicht gestellt werden.
Genau diese Kulturalisierung der Barbarei ist aber ein Effekt der Unterschutzstellung im Namen eines sogenannten Welterbes. Es soll ein Kanon global gültiger kultureller Werte geschaffen werden, der eine positive (vor allem ästhetische) Anerkennung erheischt. Und das durchaus im Sinne des Konzepts der Sehenswürdigkeit, deren Wert und Bedeutung schon vorab postuliert und verbrieft ist und somit jedem sich immer wieder erneuernden Diskurs entzogen, der diese Bedeutung befragen und infragestellen könnte.
Die Verantwortlichen der Stadt Weimar und der Leiter der Gedenkstätte betonen, daß es genau um diese Dialektik von Hochkultur (Stadt) und Verbrechen (Lager) ginge. Machte man Ernst damit, machte es nur Sinn, wenn es Konsequenzen für das - vielfach problematische - Konzept des Welterbes hätte. Aber in dessen Praxis ist eine reflexive Problematisierung des kulturellen Erbes nicht vorgesehen.
Und: So fragwürdig die Attitude ist, mit der sich eine hand voll von Kulturbürokraten zum globalen Erblasser ernennt, so fragwürdig wäre der Effekt, der nun auch ein in Deutschland liegendes NS-Konzentrationslager einem globalen Erben überantwortet und damit auch die Frage nach Schuld und Verantwortung verschieben würde.  

Sonntag, 2. September 2012

Ein Museums(nicht)liebhaber (Das Museum lesen 28)


Ich liebe Museen nicht sonderlich. Es gibt viele, die man bewundern kann, es gibt keines, das einem Wonnen schenkte. Was an Vorstellungen über Ein- und Zuord-nung, Erhaltung und Nutzen für die Allgemeinheit umläuft, ist richtig und einleuchtend, hat aber mit Spendung von Wonnen wenig zu tun.
Beim ersten Schritte den schönen Dingen entgegen nimmt eine Hand mir den Stock weg, untersagt mir ein Anschlag das Rauchen.
Das Museum übt eine nicht abreißende Anziehungskraft auf alles aus, was Menschen tun. Der Mensch, der Werke schafft, der Mensch, der stirbt, füttern es. Alles endet an der Wand oder im Schauschrank... Ich kann mich nicht enthalten, an die Spielbank zu denken, die bei jedem Umlauf gewinnt. Doch das Vermögen, diese immer voller werdenden Speicher zu nutzen, steigt keineswegs mit ihrem Wachstum. Unsere Schätze erdrücken uns und verwirren uns. Die Notwendigkeit, sie in einer Behausung zusammenzudrängen, treibt die Betäubung und die Trauer, die von ihnen ausgehen, noch über sich hinaus. So weiträumig das Schloß auch sein mag, noch so angepaßt, noch so geordnet - immer kommen wir uns in diesen Galerien ein wenigverloren und verzweifelt vor, so allein gegenüber so viel Kunst! Was alles diese Tausende von Stunden hervorgelockt haben, die so viele Meister aufbrachten, um zu zeichnen und zu malen, wirkt in einigen wenigen Augenblicken auf unsere Sinne und auf unserm Geist— und diese Stunden waren doch eine jede selbst bis zum Rande voll mit Jahren des Suchens, des Erfahrens, des Wachseins, des Genies befrachtete Stunden! . . . Da müssen wir notwendig erliegen. Was tun? Wir werden oberflächlich.

Paul Valery: Das Problem der Museen

Freitag, 31. August 2012

Selten gezeigt (Texte im Museum 321)

Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck

Sponsoring (Texte im Museum 320)


Haus der Geschichte. Frankreich. Österreich

Nationale Historische Museen sind Versuche, den politischen Zugriff auf die Vergangenheit zu ermöglichen, in einer großen Meistererzählung, die sich der herrschenden politischen Ideologie fügt. Auch wenn es nur bescheiden "Haus der Geschichte" hieß, das französische Projekt stammte direkt aus dem weit nach rechts ausholenden Wahlkampf Nikolas Sarkozys, in dem ihm Frankreichs nationale Identität sogar ein eigenes Ministerium Wert war.

Trotz massiven Widerstandes vieler und namhafter Historiker hätte das Projekt bei der Wiederwahl Sarkozys wohl eine Chance zur Verwirklichung gehabt - in der nun schon langen Tradition, mit der sich Französische Präsidenten mit Museumsbauten Denkmäler setzen. Als vorbildlich stellte man das Deutsche Historische Museum hin, eine andere patrimoniale politische Gründung, von Helmut Kohl betrieben und durchgesetzt.
Nun ist das Projekt definitiv beerdigt worden. Der neue Präsident verfolgt es nicht weiter. Man wird sich mit einer Vernetzung der ohnehin zahlreich existierenden Museen begnügen.

Das österreichische Projekt eines "Hauses der Geschichte" ist noch nicht offiziell beerdigt. Das geht in Österreich anders. Irgendwo, in einer Schublade, liegt wohl das Konzept, aber derzeit ist kein Politiker in Sicht, der sich hinter diese Idee stellt und der Staat wird derzeit, auch angesichts der klammen Mittel für die Bundesmuseen, kaum Geld für ein so großes Projekt lockermachen.

Unter der Regierung Schüssel, wo konservative Geschichtspolitik via Ausstellungen betrieben wurde, war das noch anders. Auch hier reagierten die Historiker ablehnend. Aber auch da ist Österreich anders. An den 'nationalen' Geschichtsausstellungen beteiligte sie sich sehr wohl und beim Protest hatte man gelegentlich den Eindruck, es ging nicht nur um  Ablehnung, sondern darum, die Deutungshoheit in die Hand zu bekommen.

Dabei gilt für Österreich dasselbe wie für Frankreich, nämlich das, was dort im Zentrum der Kritik und der jüngsten Beendigung des Projekts stand: es gibt kein einheitliches Narrativ, in dem sich die Geschichte einer Nation fassen ließe. Und niemand ist interessiert, sich die Konflikte anzutun, die die Konzeption und Errichtung so eines "Hauses" zwangsläufig mit sich brächte.

Donnerstag, 30. August 2012

Ein Museum: Tsunami-Museum. Hilo/Hawai


Pacific Tsunami Museum is a museum in Hilo, Hawaii dedicated to the history of the April 1, 1946 Pacific tsunami and the May 23, 1960 Chilean tsunami which devastated much of the east coast of the Big Island, especially Hilo.
The museum also has a mission to educate people in general about tsunamis, including the 2004 Indian Ocean earthquake and tsunami. It is located at 130 Kamehameha Avenue, Hilo.


Heute (Texte im Museum 319)


Vom Ding zum Exponat (Das Museum lesen)



"Die Abfolge: Ding, Abfallprodukt, Zeichen mit Symbolcharakter wird von der Mehrheit der Gegenstände durchlaufen, aus denen sich das kulturelle Erbe zusammensetzt. Aber nur von der Mehrheit, nicht von allen. In einigen Fällen hat man nämlich am Anfang nicht ein Artefakt, sondern ein Naturobjekt; das gilt für Fossilien, Wälder, Naturparks, geschützte Arten von Tieren und Pflanzen usw. Zudem gibt es Artefakte, die schon immer Zeichen mit Symbolcharakter waren: Gemälde, Zeichnungen, Stiche, Skulpturen, Münzen, liturgische Gegenstände, gedruckte Bücher oder Manuskripte, Inschriften, Gebäude, Kleider und, im allgemeinen, alle die Artefakte, die nicht wegen ihres Gebrauchswertes allein hergestellt wurden, sondern gedacht waren auch als Augenweide und als Verweis auf Unsichtbares. Im Gegensatz zu den Dingen, die zu Zeichen mit Symbolcharakter geworden sind, wechseln diese Objekte im Laufe ihrer Geschichte nicht die Kategorie. Aber Zweck und Bedeutung auch dieser Objekte ändern sich. Ein Dekorelement oder ein religiöses Kultobjekt haben, einmal im Museum angelangt, einen besonderen Zweck, der von ihrem ursprünglichen verschieden ist. Um sich davon zu überzeugen, betrachte man nur ein Bild. Ein Bild hängt nicht in einem Museum, um die Wände zu schmücken, im Gegenteil, die Wände wurden errichtet, um das Bild ausstellen zu können. Und ein religiöses Kultobjekt wird in einem Museum weder zu Gebeten noch zu Spenden anregen; es ist entweder ein historisches Zeugnis früherer Gläubigkeit oder ein Kunstwerk, an dem man das Material oder die künstlerische Ausführung oder beides bewundern kann. Genauso bezeugt ein Adelspalast, einmal zum historischen Bauwerk geworden, nicht mehr den Platz seines Besitzers in der Adelshierarchie. Vergleicht man ihn aber mit anderen Palästen derselben Epoche, so zeigt er, wie die Architektur damals Unterschiede des sozialen Status zum Ausdruck brachte. Somit weckt er Fragen und Reaktionen, die verschieden sind von denen, die seine ursprüngliche Funktion hervorrief.
Die Bildung des kulturellen Erbes besteht also in der Umwandlung von gewissen Abfallprodukten in Zeichen mit Symbolcharakter (analog dazu die Umwandlung von gewissen Naturobjekten) und in einer Zweck und Bedeutungsänderung von Zeichen mit Symbolcharakter. Die Auswahl der für das kulturelle Erbe würdig befundenen Objekte hängt ab von ihrer Fähigkeit, eine neue Sinnstiftung zuzulassen, die hauptsächlich an ihre Vorgeschichte, ihre Rarität gebunden ist. Sind sie aber einmal zu Zeichen mit Symbolcharakter geworden, dann wird ihnen ein spezieller Schutz zuteil, der sie vor zerstörenden Einflüssen von Mensch und Umwelt schützt."
Krzystof Pomian 

Kindermund tut Wahrheit kund (Texte im Museum 318)

Archäologie-Museum Bozen