Donnerstag, 8. Dezember 2011
Dienstag, 6. Dezember 2011
Fundsache "Indianermuseum"
Den Hass erzählen. Eine internationale Tagung zu Museum und Krieg
Ein Bericht von Angelika
Fitz
Erinnert wird, was persönlich berührt, lehrt die Psychologie. Erinnert
wird, was medial präsent ist, weiß die Kulturindustrie. Gedächtniskultur ist
ein boomender Markt und der Krieg nimmt darin immer noch oder vielleicht sogar
wieder eine prominente Rolle ein. Nicht nur in unzähligen fürs Fernsehen
produzierten historischen Dokumentationen wird Geschichte als Abfolge von
Kriegen erzählt, auch in vielen Museen ist das weiterhin der Fall. Unter den
historischen Museen nehmen die spezialisierten „Kriegsmuseen“ –
militärhistorische Museen, Waffenkammern, Gedenkstätten – eine argwöhnisch
beäugte Sonderstellung ein. Sie galten lange als Erinnerungsorte für Veteranen und
ein Blick in die Besucherstatistiken konnte das meistens bestätigen. Müssen
solche Orte nicht in einer Glorifizierung des Krieges und in nationalen
Rhetoriken enden? Nicht mehr zwangsläufig, wie eine Tagung zeigte, die vom Universalmuseum Joanneum in Graz gemeinsam mit
dem internationalen Komitee der militärhistorischen Museen, ICOMAM,
veranstaltet wurde.
Es weht ein frischer Wind durch die Zunft der Militärhistoriker.
Spektakuläre Projekte wie das britische Imperial War Museum und jetzt das
Militärhistorische Museum in Dresden sind nur die sichtbarsten Zeichen einer
museologischen Umorientierung. Die gesellschaftliche und
repräsentationskritische Reflexion des eigenen Tuns und die Suche nach neuen
Zielgruppen gehen dabei Hand in Hand. Die Zeitzeugen der Weltkriege werden
weniger, was sich in den letzten Jahren negativ auf die Besucherzahlen
auswirkte. Ähnlich wie in anderen Museen werden Schulkinder als
unerschöpflicher Markt entdeckt. Aus diesem Trend spricht nicht nur eine
pädagogische Seele, sondern auch eine betriebswirtschaftliche. Mit speziellen
Kinder- und Jugendprogrammen sollen die Lehrer überzeugt werden, mit ihren
Klassen in Scharen für volle Häuser zu sorgen. Aber wie vermittelt ein Museum
den Krieg? Darf ein Kinderprogramm unterhaltsam sein oder gar Spaß machen? Wie
macht man Gewalt und Schrecken nachvollziehbar, ohne die Kinder zu verstören?
Oder sind es eher die Erwachsenen, die Betroffenheit spüren, während sich die
jugendliche „Generation Ego-Shooter“ an der Gewalt im Museum genauso ergötzt
wie in Computerspielen? Mit ihren Waffensammlungen verfügen Militärhistorische
Museen über hochgradig emotionale Objekte. Wie nimmt man mit diesen
Attraktionen am Museumsboom teil, ohne sich an der Verherrlichung von Gewalt zu
beteiligen? Wie erzeugt man Mitgefühl für die Opfer – mit immersiven Strategien
der Überwältigung, mit hautnahem Re-Enactment oder mit reflexiver Distanz? Das
sind nur einige Fragen, die auf der Tagung in Graz unter dem Titel „Gehört der
Krieg ins Museum? Repräsentation von Gewalt in Ausstellungen“ diskutiert
wurden.
Militärhistorische Museen haben eine Doppelfunktion als museale
Bildungsinstitutionen und Gedenkstätten, so der Hauptredner Jay Winter, Historiker an der Yale
Universität und ausgewiesener Experte für den Ersten Weltkrieg. Sie seien der
Inbegriff des Museums als „Kathedrale des 21. Jahrhunderts“. Orientierung
könnten sie dann geben, wenn sie Beziehungen zu den Familiengeschichten der
Besucher herstellen. Diese Betonung von individueller Biografie und
Betroffenheit mag auch mit Winters Tätigkeit als Berater von historischen
Fernsehdokumentationen zu tun haben. Darüber hinaus hat er an beeindruckenden
Museumskonzeptionen mitgewirkt, wie dem „Historial de la Grande Guerre“ in
Peronne. Hier liegen Uniformen und Ausrüstungsgegenstände in horizontalen,
bündig in den Boden eingelassenen Vitrinen und erzählen so eindringlich von der
alltäglichen Gegenwart von Tod und Leid auf den Schlachtfeldern. Im Mittelpunkt
stehen nicht die Generäle, sondern die gemeinen Soldaten. Das ist eine Sicht,
die dem Wandel der akademischen Militärgeschichte in den letzten Jahrzehnten
entspricht, so Barton CHacker, Kurator für Armeegeschichte am SmithsonianInstitut
in Washington. Die ersten modernen Militärmuseen im 19. Jahrhundert
standen ganz im Dienst des erstarkenden Nationalstaates und auch im 20.
Jahrhundert dominierten lange die Helden der Nation. Erst ab den 1980er Jahren
gewinnt mit der sogenannten „Neue Militärgeschichte“ der sozialgeschichtliche
Fokus an Einfluss. Der einfache Soldat und die Kriegserfahrungen der
Zivilbevölkerung rücken ins Blickfeld.
In den letzten Jahren hat sich die Kontextualisierung des Krieges in
Museen noch mehr erweitert. Von der institutionalisierten zur persönlichen
Gewalterfahrung lässt sich diese Verschiebung beschreiben. Sie kündigt sich
bereits in der Einladung zur Tagung an, wo die Rede ist vom „pädagogischen
Impuls, Gewalt zu erklären und durch Deutung verarbeitbar bzw. vermeidbar zu
machen“. Pter Armstrong vom „Royal
Armouries“, der königlichen Waffenkammer, in Leeds hat sich stark dieser
pädagogischen Ausrichtung verschrieben. Es scheint ihm unmöglich, seine
Sammlung an glänzenden Waffen den Jugendlichen einfach zu zeigen. Stattdessen
sind die Objekte nur mehr Anlassgeber für Gewalt- und Konfliktprävention.
Gemeinsam mit Schulen organisiert das Museum Seminare zur Einübung in
gewaltfreie Konfliktlösung. Gleichzeitig gibt Armstrong unumwunden zu, dass das
Museum mit diesem Ansatz immer wieder an die Grenzen seiner Möglichkeiten und
Kompetenzen stößt – Museumsvermittler sind keine Jugendarbeiter.
„Man muss staatliche Gewalt und individuelle Gewalt kurzschließen“, sagt
Gorch Pieken, wissenschaftlicher Leiter des MHM in Dresden. „Wir erzählen Hass und
wollen zum Nachdenken darüber anregen, dass es wenig Frieden gibt in der Welt
und verdammt wenig Frieden in uns.“ Dazu passt der Doppelpack, der auf die
Besucher in Dresden am Beginn der Ausstellung wartet: Auf Zitate aus Carls von
Clausewitz strategischem Werk „Vom Kriege“ folgt die raumgreifende Installation
„Love and Hate“ des britischen Künstlers Charles Sandison. Eine solche
Hinwendung zur individuellen Gewaltbereitschaft verspreche zwar Involvierung,
gefährde aber die Wahrnehmung der politischen und wirtschaftlichen Dimension
der Kriege, wie Jay Winter in der Diskussion anmerkt. Und überhaupt halte er es
für unerlässlich, dass nicht über das Universelle des Krieges philosophiert
wird, sondern über konkrete Ausformungen. Krieg ist nicht Krieg. So seien die
beiden Weltkriege, insbesondere der Vernichtungskrieg des
nationalsozialistischen Deutschlands mit keinem anderen Krieg vergleichbar.
Nicht um sonst widme das britische „Imperial War Museum“ in London dem
Holocaust eine eigene Dauerausstellung. Gorch Pieken betont, dass in der
chronologischen Erzählung im Dresdner Altbau ein ganzes Stockwerk der
Kontextualisierung der beiden Weltkriege gewidmet ist. Und es gibt den Neubau
von Daniel Libeskind, der die chronologische Kontinuität der Kriegsgeschichte
im Altbau mit Vehemenz durchschneidet. Die Ausstellungsgestaltung auf der Ebene
des „Dresden-Blicks“ verkörpert paradigmatisch die Hinwendung von einer
nationalen zu einer europäischen Geschichtsschreibung. Materielle Zeugen der
Zerstörung durch die NS-Luftwaffe treten neben die Aussicht auf das
wiederaufgebaute Dresden.
All diese Selbstreflexivität darf nicht darüber hinweg täuschen, dass
militärhistorische Museen Eigentümer und Auftraggeber haben und dass es trotz
Globalisierung noch große Ungleichzeitigkeiten gibt. Das zeigten unter anderem
Vorträge zu Museen in Zypern, der Türkei oder Weißrussland, wo von den
Ausstellungen deutliche Beschwörungen einer nationalen Identität ausgehen. Aber
auch vom MHM in Dresden erwartet die Bundeswehr als Eigentümerin Lernort für
ihre Soldaten zu sein. Welche Botschaft kann ein Museum hier geben? Krieg ist
schlecht oder Krieg ist unvermeidbar? Soll es in böse und gerechte Kriege
unterteilen? „Wir sagen nicht, dass wir ein Pazifismus-Museum sind “, stellt
Gorch Pieken klar und fügt hinzu: „Auschwitz ist von Soldaten befreit worden.“
Sein Museum soll den Soldaten Orientierung geben, indem es deutlich macht, dass
im Krieg Entscheidungen zu treffen sind.
Viele existenzielle und
museologische Fragen konnten auf der ungewöhnlich dichten dreitägigen Konferenz
nur gestreift werden: Wie lassen sich die neuen assymetrischen Kriege verstehen,
in denen sich Söldnertruppen statt nationale Armeen gegenüber stehen? Oder was,
wenn man das Augenmerk nicht mehr darauf legt, wie Kriege ausbrechen, sondern
wie sie beendet werden? Es blieben mehr Fragen als Antworten. Nicht anders
sollte es den Besuchern eines guten Militärmuseums ergehen.
-------------
„Gehört der Krieg ins Museum? Repräsentation von Gewalt in Ausstellungen“,
eine Tagung der Museumsakademie des Universalmuseums Joanneum, in Kooperation
mit ICOMAM - International Council of
Museums and Collections of Arms and Military history und dem Landeszeughaus
Graz, Graz 21.-23.09.2011. Es erscheint eine Publikation bei transkript. www.museum-joanneum.at/museumsakademie
Montag, 5. Dezember 2011
Sonntag, 4. Dezember 2011
Das Kriegsmuseum, das dem Krieg zum Opfer fiel
So etwas gibt es auch: ein War Museum, das im Krieg 'untergeht'. Für 2011 war die Eröffnung des War Museum in Tripolis vorgesehen, dessen Bau 2009 begonnen hatte.
Der offizielle Titel war "Museum of Conflict", ein neutrales Cover für ein wohl eher national-patriotisches Museum, das die militärische Geschichte der Unabhängigkeit Lybiens bis zur Gegenwart darstellen sollte.
Der Ehrgeiz des Projekts zeigt sich auch daran, daß man einen Museumsentwurf wählte, der einem Mainstream heutigen Museum-Bauens folgt. In der Wüste sollte ein expressiv-skulpturaler Bau entstehen, der allerdings auch metaphorisch mit der Zelt-'Architektur' der Beduinen arbeitet.
Der Entwurf kam von Metropolitan Workshop, London.
Ghadaffi soll sich noch während des Bürgerkriegs um eine Vorverlegung der Eröffnung bemüht haben, aber die Ereignisse überrollten das Projekt.
Dasselbe Schicksal traf das Museum Islamischer Kunst, das der Gadaffi-Sohn Saif betrieb.
2011 wäre der 100. Jahrestag der Okkupation Lybiens durch italienische Truppen, eines der brutalsten und mörderischesten europäischen Kolonialkriege.
Bemerkenswerterweise berichtet eine lybische Tourismus-Seite ausführlich über das Projekt, den aktuellen Stand der Dinge, den geschichtlichen Hintergrund und den Kontext der aktuellen Gedächtnispolitik.
Zerstörung und Plünderung Ghadaffis Haus |
Aus dem Krieg sind im Land vorerst Gedenkorte für die Toten des Konflikts entstanden, ein Kriegsmuseum braucht niemnd. Allerdings ist eine fragwürdige und kuriose 'Kriegs'-Ausstellung dennoch entstanden, in den Niederlanden, in Breda.
Der Journalist Harald Dornboos war Zeuge der Plünderung von Ghadaffis Haus und er hat Dinge mitgenommen wie Fotos, den Tierausweis einer Katze, Rechnungen einer österreichischen Klinik, ein Poster mit Winnie the Pooh.
Man bezichtigt den Journalisten des Diebstahls und es gibt auch schon Rückgabefordeerungen. Er vertedigt sich, daß es sich um vollkommen wertlose Dinge handelt, die wie tausende andere auch zerstört worden wären. Außerdem würde er die Dinge gern an ein künftiges lybisches Nationalmuseum zurückgeben. (Hier ein ausführlicher Artikel zu der Ausstellung)
Samstag, 3. Dezember 2011
Die unendliche Geschichte der Hamburger Museumspolitik
Als ich mit Sympathie und Solidarität über die drohende Schließung des Altonaer Museums in Hamburg schrieb (ich hatte das Museum wenige Monate zuvor gesehen, als ein schon von politischer Vernachlässigung gezeichnetes Haus), ahnte ich nicht, daß daraus eine unendliche Geschichte werden würde, erweitert um Querelen um nahezu alle Museen für die Hamburg zuständig ist. Das deutsche Feuilleton berichtet nur noch in gequältem aber einheitlichen Ton: so gehts nun wirklich nicht. Den neuesten, wie man so schon sagt: ergebnisoffenen Stand der 'Diskussion' fasste jüngst ein Artikel in taz zusammen. (Hier). Bis auf Weiteres...
In Zeiten einer schleichenden, aber nichts desto weniger garvierenden Museumskrise, ist die Hamburger Politik ein anschauliches Beispiel, was man sich in naher Zukunft an Umgangsformen mit Museen alles noch erwarten darf.
In Zeiten einer schleichenden, aber nichts desto weniger garvierenden Museumskrise, ist die Hamburger Politik ein anschauliches Beispiel, was man sich in naher Zukunft an Umgangsformen mit Museen alles noch erwarten darf.
Freitag, 2. Dezember 2011
Donnerstag, 1. Dezember 2011
Verschwindende Museen - noch eins
Jetzt verschwindet noch ein Museum: das Wiener Opernmuseum.
Es wird mir nicht schrecklich abgehen. Ich habe mich gefragt, wozu es je gut war, es gibt ja ein Theatermuseum in Wien und die Oper braucht kein solches Marketing-Museum.
Jetzt wird es zugemacht.
Nicht aus Einsicht, sondern aus - relativer - Not. Die Deckelung der staatlichen Mittel für die Bundestheater führt zu einer jährlich sich zuspitzenden Budgetsituation. Es muss gespart werden, wo es nur geht.
Auch wenn Museen nicht nur geschlossen werden - grade ist das 21er-Haus wie ein Phoenix aus der Asche des 20er-Hauses wiederstanden -, als Krisensymptom darf man es schon nehmen, wenn Museen (ich habe ja nur von Wien berichtet) zumachen.
Es wird mir nicht schrecklich abgehen. Ich habe mich gefragt, wozu es je gut war, es gibt ja ein Theatermuseum in Wien und die Oper braucht kein solches Marketing-Museum.
Jetzt wird es zugemacht.
Nicht aus Einsicht, sondern aus - relativer - Not. Die Deckelung der staatlichen Mittel für die Bundestheater führt zu einer jährlich sich zuspitzenden Budgetsituation. Es muss gespart werden, wo es nur geht.
Auch wenn Museen nicht nur geschlossen werden - grade ist das 21er-Haus wie ein Phoenix aus der Asche des 20er-Hauses wiederstanden -, als Krisensymptom darf man es schon nehmen, wenn Museen (ich habe ja nur von Wien berichtet) zumachen.
Mittwoch, 30. November 2011
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