Rechts der Bau der 90erJahre, der der Schottischen Geschichte gewidmet ist, links der nun mehrfach geöffnete Übergang zu den Galerien des Gebäudes des 19. Jahrhundert. |
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Erst vor
etwa zwei Monaten wurde das Schottische Nationalmuseum wiedereröffnet. Die riesigen Galerien des viktorianischen Gebäudes des ‚Royal Museum’ wurden saniert und völlig neu eingerichtet und mit
dem der Schottischen Geschichte gewidmeten, 1998 eröffneten ‚Museum of Scotland’ verbunden.
So ist ein Mega-Museum entstanden, in dem man
sich über Natur, Kunst,
Kulturgeschichte, Kunstgewerbe, Technik, Weltkulturen und eben auch – und das in einem mehrgeschossigen Bau, der in den
90er-Jahren errichtet wurde -, über schottische Geschichte
informieren kann. Das Konzept ist – noch, man plant bereits an
einem Relaunch des Museum of Scotland -, gespalten. Während das historisch-nationale Museum eine einzige, im
untersten Geschoß einsetzende chronologische
Großerzählung ist, folgen die anderen Teile einem additiven
Prinzip, eines das auch in der Mehrheit der anderen Museen die tragende
Struktur ist.
Unter
einem generellen Titel und auch räumlich als Ganzes definiert
trifft man hier auf oft schroff gegensätzliche, oder zumindest
thematisch nur lose oder gar nicht verknüpfte ‚Stationen’, die in sich eine ästhetische und informative Einheit bilden, ohne daß (in den meisten Fällen) eine verknüpfende Vertiefung zu anderen Stationen oder gar
entlegeneren Teilen des Museums stattfindet.
Dieser
Verzicht auf Chronologie und Erzählung ist auffallend und wird
ebenso auffallend nur in zwei der Museen, die ich gesehen habe, nicht angewendet. Im schon erwähnten Museum, das die schottische Geschichte erzählt und in der Nationalgalerie, die in einem sehr
charmanten historistischen Galeriebau untergebracht ist und bei der man
offenbar bemüht ist, die Atmosphäre einer historischen Gemäldegalerie zu erhalten und den
klassischen Kanon von Kunstgeschichte und ihrer Präsentation zu pflegen.
Da das
Museum beim Durchqueren einem einer mehrfachen präsentationstechnisch-konzeptuellen
Verwandlung aussetzt, mal Kunstmuseum ist, mal Naturlehrpfad, mal
Scienc-Center, mal Geschichtsunterricht -, kann man mit wenigen Schritten zu völlig unterschiedlichen Informationen und Objekten kommen. Wenn
man eine der ältesten erhaltenen Lokomotiven
der Welt bestaunt, muß man sich nur nach rechts
wenden, um Dolly the Sheep (das Klonschaf) sich samt Vitrine drehen zu sehen.
Und man hat dann schräg im Rücken eine fernöstliche Gebetsmühle neben der einige Mütter mit ihren Kindern an
einem Tisch basteln und nur einige Schritte zu einem Weltraumanzug, in dem man
sich fotografieren lassen kann.
"Gone but not forgotten". Ewig dreht sich nun das Klonschaf in seiner Vitrine und man erfährt immerhin, daß es nach Dolly Buster benannt wurde. |
Die
Orientierung in dem riesigen Labyrinth von Museum ist gut, dank der Homogenität von Großthema und Galerieräumen, aber innerhalb dieses Rahmens hat man Puzzleteile vor
sich, die sich kaum zusammensetzen lassen. Eine andere, auch nicht nur hier
beobachtbare Eigenschaft des Ausstellungskonzepts ist der fast völlige Verzicht des Erzählens und Deutens auf einer
visuellen Ebene. Selbst Text und Objekt kooperieren nicht immer selbstverständlich, sondern Themen werden mit einem Ensemble von
Objekten, Grafiken, Texten, elektronischen Medien uam. Vorgestellt, ohne daß dieses Nebeneinander einen über die bloße Summe der Teilinformationen hinausgehenden Mehrwert hätte.
Die
gigantische Dampflokomotive hat man im Riversidemuseum tatsächlich in die Halle gehievt. Da steht man nun und liest
einen Text zur Apartheid und was die Rassentrennung in Südafrika für das Bahnfahren und den
Bahnbetrieb bedeutete; aber der Text erläutert nichts an der Lokomotive
und die Lokomotive trägt nichts zum Verständnis von Rassentrennung bei. Abgesehen von technischen Erläuterungen war es denn dann auch schon alles.
Ein VW-Käfer im selben Museum hat folgenden Erläuterungstext.
Hier
fehlt also im Unterschied zur Dampflok der – hier viel näher liegende - zeitgeschichtliche Kontext, der im ersten Satz
eher noch verschleiert wird (man hätte ja nur beim Namen
Volkswagen anzusetzen brauchen), stattdessen wird unvermittelt auf ein – zwar wichtiges aber eben technisches – Detail verwiesen. Im Scherz habe ich gesagt: Ein Glasgower
Siebenjähriger wird den tollen Ingenieur
Mister Porsche bestaunen, der es den Deutschen ermöglicht hat, ihren Urlaub mit dem Auto in der Sahara zu
verbringen.
Dolly das
Klonschaf (im Nationalmuseum, zu dem ich mit diesem Beispiel wieder zurückkehre), ist zunächst mal nichts anderes, als
ein ausgestopftes Schaf. Begleitende Texte sind sehr knapp formuliert – was fängt man mit der Information
an, daß das Schaf nach Dolly Parton
benannt ist? (1) -, und zur Gentechnik gibt es ein Art Spiel zu Pro und Contra, wo
man aber nur mit vorgefertigten Antworten manipulieren kann. So kann sich die
Komplexität einer großen Frage nicht entwickeln, soll sie offenbar auch gar
nicht. Was übrigbleibt ist, möglicherweise, die Funktion von Dolly als nationales ‚Ding’, als Zeugnis schottischer
Wissenschaft, dann würde Dolly plötzlich zur benachbarten ‚Urlokomotive’ passen, die dann auch ein Zeugnis der schottischen
Ingenieurskunst und Erfindergabe wäre.
Signifikant
für dieses merkwürdige pars pro toto, dem das
toto fehlt, scheint mir die visuelle Gestaltung der der Fensterwand des
National Museums gegenüberliegenden Längswand der riesigen Halle zu sein, die man ja
normalerweise als ersten und höchst eindrucksvollen Raum
betritt. Hier sind in einem Raster Objekte und Ornamente zu einem grafischen Muster
zusammengefügt, das unterschiedlichste
Sammlungsteile präsentiert, es sind kleine
Sammlungen und vereinzelte große Objekte, die so etwas wie
ein Preview bieten, etwa so wie es manche Internetportale von Museen bieten,
attraktiv, eindrucksvoll, bildkräftig, Lust auf mehr machend.
Informationen zu den Objekten gibt es auf PC-Stationen, aber der Sinn dieser
Installation ist sicher nicht in erster Linie die Information, sondern eine Art
‚Image’ des Museums zu erzeugen: Fülle, Vielfalt, Reichtum.
Dieses
Prinzip der durch ausgeklügelte Positionierung, durch
feinfühliges Arrangement kaum oder
gar nicht zusammengehaltenen Dinge und Bedeutungen ist das herrschende Prinzip,
wobei aber dem eigentlichen Museum etwas fehlt, was diese ‚Galeriewand’ hat: ästhetische Homogenität.
Das gehört nämlich zu den Erfahrungen der
Differenz zu Museen in Österreich oder Deutschland,
wie wenig hier (noch?) auf eine bestimmte ‚szenische’ oder ‚deutende’ oder auch nur ästhetisch-architektonische
Gestaltung Wert gelegt wird. Mir ist schon vor Jahren in Londoner Museen
aufgefallen, wie sehr das fehlt, was bei uns unter Stichworten wie Szenografie
oder Austellungsdesign praktiziert und diskutiert wird. Nicht daß nicht auch in den Museen in Glasgow oder Edinburgh sorgfältigst durchdachte und gestaltete ‚Environments’ zu finden sind, ‚Inseln’ oder ‚Schauplätze’ dramatisiert würden, doch meist sind sie der
pädagogischen Absicht untergeordnet oder unterstützen sie, was zu manchmal recht altbackenen ‚Lernstationen’ führt. Was fast ganz fehlt, ist ein ästhetisch-gestalterisch anspruchsvoller räumlich-szenischer Kontext, der über Atmosphäre, selbstgenerierter
Bedeutung oder gar eigenständige Erzählung mit den Objekten kooperiert und deren ästhetische und informationelle Qualitäten unterstützt und erweitert. Die eine
Ausnahme, die mir in Erinnerung geblieben ist, sind Figurinen des Künstlers Eduardo Paolozzi, die die „First People“ darstellen aber zugleich Träger kleiner Vitrinen sind, in denen archäologische Kleinobjekte gezeigt werden.
Das
bedeutet auch, daß die ‚Objektorientiertheit’, von der die MuseumsmitarbeiterInnen
oft sprachen, in der Praxis nicht die Privilegierung des ‚auratischen Originals’ bedeutet, sondern eher die
Konzentration auf ein einzelnes Thema, das mit wenigen Objekten ‚bespielt’ wird, die aber dann auch alles
sein können, Original im herkömmlichen ‚Museumssinn’, Foto, Grafik, Kopie, Kulisse, Spielzeug, Installation,
Computer, Film uvam. In bestimmten Abschnitten spielt das ‚auratische Original’ eine große Rolle und in den der Frühgeschichte Schottlands
gewidmeten Abschnitten wird sogar selbstreflexiv auf die ‚evidence’ der Dinge eingegangen. Ganze
Abschnitte des Museum sind mal Schule, mal hands on – Bereich mal Spielhalle, in anderen werden kostbare Dinge
in der bewährten ‚Schatzkammerästhetik’ in abgedunkelten Räumen mit Lichtpunkten zelebriert.