Oberösterreichisches Landesmuseum (2009 Foto GF) |
Dienstag, 16. November 2010
Die letzten Tage von Pompeij
In Pompeji ist ein Haus eingestürzt, "Case dei Gladiatori". Pompeji ist mit dem UNESCO-Etikett Weltkulturerbe ausgezeichnet, aber niemand scheint sich um die systematische Erhaltung, Pflege und Erforschung der archäologischen Stätte zu kümmern. Seit etwa 50 Jahren wird praktisch nichts mehr gemacht, weitere Bauwerke drohen zusammenzubrechen oder sind wegen ihres Zustandes geschlossen. Während der FAZ das einen Empörungsartikel wert ist, sieht man das vor Ort großzügiger. Vor der Kamera des Fernsehens weist man auf das riesige kulturelle Erbe Italiens hin und auf die Unmöglichkeit, das alles zu schützen und zu pflegen. Tja, ab und zu stürze eben auch was ein. Von den Kürzungen der Kulturbudgets redet hier niemand, die FAZ hingegen von Klientelismus und mafiösen Zuständen.
Zeitungen veröffentlichen Listen, was nicht schon alles in Italien eingestürzt (z.B. ein Gewölbe der Domus Aurea, auch das Kollosseum und die Arelianische Stadtmauer bröckeln). Da das Kulturbudget, mit 0,18% des Staatshaushaltes ohnehin schon sensationell niedrig, um ein Viertel gekürzt wird, ist es neheliegend, diese einstürzenden Altbauten gleich als Symptom für den Berlusconismus als Ganzes zu nehmen.
So uninteressant ist das kulturelle des Erbes des Landes nicht für die Politik. Nämlich dann, wenn sich seine "Aufwertung" betreiben ließe. 2008 wurde die Direzione generale per la valorizzazione del patrimonio culturale (Generaldirektion für die Aufwertung des Kulturbesitzes) dem Chef von McDonald's Italien anvertrau. Und jetzt soll die Verbesserung der Managementqualitäten der regionalen Denkmalbehörden in dieselbe Richtung wirksam werden.
Zeitungen veröffentlichen Listen, was nicht schon alles in Italien eingestürzt (z.B. ein Gewölbe der Domus Aurea, auch das Kollosseum und die Arelianische Stadtmauer bröckeln). Da das Kulturbudget, mit 0,18% des Staatshaushaltes ohnehin schon sensationell niedrig, um ein Viertel gekürzt wird, ist es neheliegend, diese einstürzenden Altbauten gleich als Symptom für den Berlusconismus als Ganzes zu nehmen.
So uninteressant ist das kulturelle des Erbes des Landes nicht für die Politik. Nämlich dann, wenn sich seine "Aufwertung" betreiben ließe. 2008 wurde die Direzione generale per la valorizzazione del patrimonio culturale (Generaldirektion für die Aufwertung des Kulturbesitzes) dem Chef von McDonald's Italien anvertrau. Und jetzt soll die Verbesserung der Managementqualitäten der regionalen Denkmalbehörden in dieselbe Richtung wirksam werden.
Montag, 15. November 2010
In eigener Sache
Das Alpenvereinsmuseum in Innsbruck, an dem ich unter anderem mit Ursula Gillmann, Gabriele Rath, Beat Gugger, Philipp Felsch, Martin Scharfe und Monika Gärtner mitgearbeitet habe, bekommt am Freitag in zwei Wochen (26.11.) den Österreichischen Museumspreis.
Das Museum hat bereits den Tiroler Museumspreis bekommen und ist unter die Auswahl der letzten 16 beim European Museum of the Year Award gekommen.
Mehr Information zum Museum hier
http://museologien.blogspot.com/search?q=Alpenvereinsmuseum
Das Museum hat bereits den Tiroler Museumspreis bekommen und ist unter die Auswahl der letzten 16 beim European Museum of the Year Award gekommen.
Mehr Information zum Museum hier
http://museologien.blogspot.com/search?q=Alpenvereinsmuseum
Sublime Gier. Der gute Ruf privater Sammler und Sammlungen
Beim "Aufräumen" im Computer habe ich einen Text gefunden, den ich verloren geglaubt habe - ein Interview eines bolivianischen Privatsammlers. Ich hatte den Text 'archiviert' weil er ungewöhnlich offenherzig, wenn auch nicht in der Absicht offen zu sein, über Usancen privaten Sammelns und die Rolle die illegitimer Erwerb und Besitz dabei spielen.Während in den USA gesetzliche Regelungen und öffentliche Debatten ein Bewußtsein für die Rolle des unrechtmäßigen Erwerbs von Kunst- und Kulturgütern geschärft haben, ist hierzulande das Thema "Raubkunst" ganz von den Praktiken der NS-Zeit und ihrem Umgang damit (nach 1945 bis heute) überlagert.
Erst ganz langsam wird an spektakulären Fällen, wie dem Einschleusen von gefälschter Kunst über nicht existierende Privatsammlungen, das jüngst in Deutschland aufflog, deutlich, welche illegitimen Energien und Potentiale im (weltweiten) Kunsthandel schlummern.
Ortiz' Interview ist weder besonders ausführlich noch in der Sache sehr weit führend, aber die Umstandslosigkeit mit der hier jemand sein auf Reichtum und sozialem Status gründendes 'Recht' erläutert, gibt einen Blick frei auf Praktiken, die umfassend geübt werden.
Um den Text verstehen, ist es sinnvoll, einige Umstände zu erläutern, die im Gespräch nur angetippt werden. So ist der erwähnte Großvater Simon Patino nicht einfach nur einer der reichsten Männer der Zeit, sondern er kontrollierte den Zinnabbau und die Verarbeitung weltweit. Er war kontrollierte nicht nur den Zinnbergbau in Bolivien, er dominierte auch die Politik dieses Landes, das ganz auf die Ausbeutung seiner Bodenschätze ausgerichtet war.
Seit dem 16.Jahrhundert war das so, wo zuerst das Silber abgebaut wurde, unter der Kontrolle Spaniens. Um 1900 wurde, als die Silbervorkommen erschöpft waren, Zinn abgebaut, das sich rasch zum gewinnträchtigen Wirtschaftszweig entwickelte, bis sich in den 50er-Jahren auch diese Vorkommen erschöpften, die Preise verfielen und politische Revolten ausbrachen.
Bolivien, das heißt die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, hat von der mehrhundertjährigen Ausbeutung seines Reichtums nie etwas gehabt. Er floß ins Ausland oder in den Familienbesitz buchstäblich einer Hand voll von Tycoons.
Bolivien ist heute das ärmste und instabilste Land (seit der Unabhängigkeit gab es 200 Putsche und Putschversuche) Südamerikas. Und dieser Zustand hat direkt mit der die Politik dominierenden Ausbeutungspolitik zu tun. Die traf und trifft besonders die indigene Bevölkerung, aus der sich jene Arbeiterschaft rekrutierte, die in den Silber- und Zinnminen unter barbarischen Bedingungen und zu unsagbaren Löhnen für zuerst die ausländischen dann die einheimischen 'Investoren' arbeiteten.
Mit der Wahl des ersten indigenen Präsidenten hat sich die Situation erst vor kurzem geändert - wie grundlegend und vor allem wie nachhaltig, wagt niemand vorherzusagen.
Normalerweise interessiert sich niemand für derartige 'Geschichten', wenn sie und wie sie den Hintergrund einer Sammlung und ihrer Geschichte bilden. Im Gegenteil: Sammeln gilt als kulturell wertvolle und hoch angesehene Betätigung, das das Prestige des Sammlers bestimmt. Seine individuelle Befriedigung, seine sublime Gier, wird als erfolgreich sozialisiert angesehen, vor allem dann, wenn die Sammlung - mehr oder minder - öffentlich wird.
Was den privaten Sammler in den Augen der Öffentlichkeit auszeichnet ist die Vermutung oder Behauptung, daß seine Tätigkeit eine Art von Opfer sei, ein Opfer an Zeit, Energie, Leidenschaft und vor allem Geld, der Allgemeinheit dargebracht und zu ihrem Wohl verschwendet.
Im Fall von Ortiz waren dabei große Institutionen in Berlin London behilflich, wo in solchen Fällen weder die Provenienz der Sammlung und schon gar nicht deren politischer und ökonomischer Hintergrund interessiert, sondern allein der Wert und die Aura bedeutender Kulturgüter.
Alles vorgängig, direkt und indirekt Bedingung des Zustandekommens der Sammlung war, gilt als wie gelöscht durch eine, nun sagen wir ebenso großzügige wie leichtfertige Übertragung der individualpsychologischen Sublimationstheorie auf die sozioökonomischen Prozesse. Geld stinkt vor allem dann nicht, wenn es sich in Gold, in altes Gold, verwandelt, das noch dazu Kultur und Kunst ist.
Es fehlt nicht an Aufmerksamkeit gegenüber dem, was da vorgeht; beim Recherchieren zu Ortiz' Sammlung bin ich auf einen Blog gestoßen, wo umfangreiches Material und beträchtliche Rechercheanstrengungen in die Aktualität der globalen Raubkunst-Praktiken investiert wird. In "Looting Matters" wird man auch zur Sammlung Ortiz fündig und zu merkwürdigen Transfers zwischen Sammler, Auktionshäusern und Museen.
Anders als im lange zurückliegenden Interview scheint Ortiz jetzt auch die Notwendigkeit zur Rechtfertigung einzuholen. Und die fällt eindeutig aus. Als ziemlich dreiste Zurückweisung von gesetzlich verankerten Rechten und Pflichten im Namen seiner Humanität.
So klandestin, wie noch im Interview, muß Ortiz nicht mehr sein. Über eine Webseite kann man sich zur Sammlung informieren. Und dort weist er die einschlägige UNESCO-Konvention von 1970 ebenso zurück, wie die der UNIDROIT von 1995, denn "As a humanist and collector, I passionately oppose the Conventions as drafted, believe that their creators are misled by the Utopian idea that every created object has its perfect or natural location and must remain in situ, overlooking the fact that art is cross cultural and, in many aspects, timeless."
Und nun das Interview, das Fred David mit dem Kunstsammler George Ortiz führte. Auszüge. Quelle: Der Standard, 1.3.1996, Album, S.1f.
Sie wurden in Paris geboren, sind Bolivianer, lebten lange in den USA und Großbritannien. Warum sind Sie gerade in Genf hängengeblieben?
Ortiz: Wegen meiner Kunstsammlung. Die französische Regierung stellte den Kunsthandel unter scharfe Kontrollen, man darf keine französischen Kulturgüter aus dem Land nehmen. Ich war also nicht frei, über meine Sammlung zu verfügen. Deswegen ging ich 1964 nach Genf.
Ist der Kunsthandel von der Schweiz aus ungehindert möglich?
Ortiz: Im Moment noch. Aber die Schweiz will sich wie auch Deutschland dem Unesco-Vorschlag zur Einschränkung des Kunst- und Kulturgüterhandel anschließen. Das wird harte Konsequenzen haben.
Es geht vor allem um archäologische Kulturgüter. Insbesondere im letzten Jahrhundert geraubte und in westeuropäischen und amerikanischen Museen stehende Stücke sollen zurückgegeben werden.
Was künftig an Antikem gefunden wird, soll in den einzelnen Ländern bleiben. Ist doch gar nicht schlecht.
Ortiz: Da ist viel Ideologie und Desinformation im Spiel. Der Druck geht von den Enwicklungsländern aus. Es wird nicht berücksichtigt, daß Schutz und Bewahrung solcher Kulturgüter, ebenso die wissenschaftliche Erforschung stark eingeschränkt werden. Zudem haben die meisten dieser Länder keinerlei Möglichkeit, ihre Kulturgegenstände einem größeren Publikum zu zeigen.
Aber der private Kunsthandel floriert doch, die Preise steigen.
Ortiz: Drei Viertel des antiken Materials, das auf den Markt kommt, ist für Wissenschaft und Museen uninteressant. Wenn es kein Material mehr zu verkaufen gibt, gibt es auch keinen Markt. Höchstens im Untergrund.
Ihnen konnte das nur recht sein. Der Wert Ihrer Sammlung steigt damit ins Unermeßliche.
Ortiz: Stimmt, mir persönlich nützt dieses Gesetz. Aber. ich kämpfe aus idealistischen Gründen dagegen. Kulturgegenstände sind nicht nur Handelsware; es sind Botschaften des Humanismus. Sie gehören nicht nur einem Staat, sie sind ein Erbe der Menschheit.
Ihre Sammlung ist nur selten zu sehen, wie im März im Alten Museum in Berlin. Warum verbergen Sie diese Schätze sonst vor der Öffentlichkeit.
Ortiz: Das hat praktische und finanzielle Gründe. Ich habe kein eigenes Museum. Einen Teil gab ich als Leihgabe an Museen. Eigene Ausstellungen zu machen ist unglaublich aufwendig. Der größte Teil meiner Sammlung befindet sich in meinem Haus irgendwo im Großraum Genf.
Den genauen Ort wollen Sie nicht verraten?
Ortiz: Nein, um Gottes willen! Ich will keine ungerufenen Gäste. Das Risiko ist zu groß. Keines meiner Stücke ist versichert. Touch wood! Die Versicherungen sind zwar wie die Teufel hinter mir her. Aber auch als wohlhabender Zeitgenosse kann man das gar nicht mehr bezahlen.
Ihre Kollektion hat einen realen Hintergrund: Ihr Großvater war Simon Patino, der Zinnkönig Boliviens, einer der reichsten Männer seiner Zeit.
Ortiz: Natürlich, ich hatte das Glück, aus einer wirklich sehr reichen Familie zu stammen. Mein Vater war Botschafter in Den Haag und Paris und gehörte einer der angesehensten Aristokratenfamilien Boliviens an, mit großem Grundbesitz. Und der Vater meiner Mutter war Simon Patino, in dessen Zinn- und Silbergruben 5000 Bergleute arbeiteten.
Was blieb vom riesigen Patinoimperium übrig?
Ortiz: Simon Patino war schwer herzkrank. Die Gruben liegen in einer Höhe bis zu 5000 Metern. Er mußte in tiefere Regionen wechseln und Bolivien verlassen. Aber es gibt nichts Schlimmeres als ein dauernd abwesender Patron. Er hatte sich nie in die Politik eingemischt, was ein Fehler war. Seine Direktoren taten es umso mehr und sehr ungeschickt. Sie provozierten eine Revolution. 1952 wurden die Gruben von der Regierung konfisziert, ebenso die Ländereien meines Vaters.
Ihre Familie hatte beträchtlichen Besitz ins Ausland geschafft.
Ortiz: Dummerweise eben nicht. Ein Teil des Zinnprofits steckte in der Banco Mercantile. Im Ausland blieben ein paar Zinnminen-Holdings in Malaysia, der Zinnhandel in London und ein paar andere Dinge. 1976 krachte der Rest des Trusts völlig zusammen. Vom Patino-Glanz blieb nicht viel übrig.
(...) Welchen Wert hat Ihre Sammlung heute?
Ortiz: Ehrlich, ich weiß es nicht. Bis vor drei Jahren wußte ich nicht einmal, wie viele Objekte meine Sammlung umfaßt. Für meine erste Ausstellung 1993 in der Eremitage in St. Petersburg mußte ich dann ein Inventar machen, ich hab's in ein Schulheft eingetragen und kam auf 1600 Objekte. 300 wählte ich aus, es war eine Tortur, weil ich mich schwer entscheiden konnte, etwas
wegzulassen.
Erst ganz langsam wird an spektakulären Fällen, wie dem Einschleusen von gefälschter Kunst über nicht existierende Privatsammlungen, das jüngst in Deutschland aufflog, deutlich, welche illegitimen Energien und Potentiale im (weltweiten) Kunsthandel schlummern.
Ortiz' Interview ist weder besonders ausführlich noch in der Sache sehr weit führend, aber die Umstandslosigkeit mit der hier jemand sein auf Reichtum und sozialem Status gründendes 'Recht' erläutert, gibt einen Blick frei auf Praktiken, die umfassend geübt werden.
Um den Text verstehen, ist es sinnvoll, einige Umstände zu erläutern, die im Gespräch nur angetippt werden. So ist der erwähnte Großvater Simon Patino nicht einfach nur einer der reichsten Männer der Zeit, sondern er kontrollierte den Zinnabbau und die Verarbeitung weltweit. Er war kontrollierte nicht nur den Zinnbergbau in Bolivien, er dominierte auch die Politik dieses Landes, das ganz auf die Ausbeutung seiner Bodenschätze ausgerichtet war.
Seit dem 16.Jahrhundert war das so, wo zuerst das Silber abgebaut wurde, unter der Kontrolle Spaniens. Um 1900 wurde, als die Silbervorkommen erschöpft waren, Zinn abgebaut, das sich rasch zum gewinnträchtigen Wirtschaftszweig entwickelte, bis sich in den 50er-Jahren auch diese Vorkommen erschöpften, die Preise verfielen und politische Revolten ausbrachen.
Bolivien, das heißt die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, hat von der mehrhundertjährigen Ausbeutung seines Reichtums nie etwas gehabt. Er floß ins Ausland oder in den Familienbesitz buchstäblich einer Hand voll von Tycoons.
Bolivien ist heute das ärmste und instabilste Land (seit der Unabhängigkeit gab es 200 Putsche und Putschversuche) Südamerikas. Und dieser Zustand hat direkt mit der die Politik dominierenden Ausbeutungspolitik zu tun. Die traf und trifft besonders die indigene Bevölkerung, aus der sich jene Arbeiterschaft rekrutierte, die in den Silber- und Zinnminen unter barbarischen Bedingungen und zu unsagbaren Löhnen für zuerst die ausländischen dann die einheimischen 'Investoren' arbeiteten.
Mit der Wahl des ersten indigenen Präsidenten hat sich die Situation erst vor kurzem geändert - wie grundlegend und vor allem wie nachhaltig, wagt niemand vorherzusagen.
Normalerweise interessiert sich niemand für derartige 'Geschichten', wenn sie und wie sie den Hintergrund einer Sammlung und ihrer Geschichte bilden. Im Gegenteil: Sammeln gilt als kulturell wertvolle und hoch angesehene Betätigung, das das Prestige des Sammlers bestimmt. Seine individuelle Befriedigung, seine sublime Gier, wird als erfolgreich sozialisiert angesehen, vor allem dann, wenn die Sammlung - mehr oder minder - öffentlich wird.
Was den privaten Sammler in den Augen der Öffentlichkeit auszeichnet ist die Vermutung oder Behauptung, daß seine Tätigkeit eine Art von Opfer sei, ein Opfer an Zeit, Energie, Leidenschaft und vor allem Geld, der Allgemeinheit dargebracht und zu ihrem Wohl verschwendet.
Im Fall von Ortiz waren dabei große Institutionen in Berlin London behilflich, wo in solchen Fällen weder die Provenienz der Sammlung und schon gar nicht deren politischer und ökonomischer Hintergrund interessiert, sondern allein der Wert und die Aura bedeutender Kulturgüter.
Alles vorgängig, direkt und indirekt Bedingung des Zustandekommens der Sammlung war, gilt als wie gelöscht durch eine, nun sagen wir ebenso großzügige wie leichtfertige Übertragung der individualpsychologischen Sublimationstheorie auf die sozioökonomischen Prozesse. Geld stinkt vor allem dann nicht, wenn es sich in Gold, in altes Gold, verwandelt, das noch dazu Kultur und Kunst ist.
Es fehlt nicht an Aufmerksamkeit gegenüber dem, was da vorgeht; beim Recherchieren zu Ortiz' Sammlung bin ich auf einen Blog gestoßen, wo umfangreiches Material und beträchtliche Rechercheanstrengungen in die Aktualität der globalen Raubkunst-Praktiken investiert wird. In "Looting Matters" wird man auch zur Sammlung Ortiz fündig und zu merkwürdigen Transfers zwischen Sammler, Auktionshäusern und Museen.
Anders als im lange zurückliegenden Interview scheint Ortiz jetzt auch die Notwendigkeit zur Rechtfertigung einzuholen. Und die fällt eindeutig aus. Als ziemlich dreiste Zurückweisung von gesetzlich verankerten Rechten und Pflichten im Namen seiner Humanität.
So klandestin, wie noch im Interview, muß Ortiz nicht mehr sein. Über eine Webseite kann man sich zur Sammlung informieren. Und dort weist er die einschlägige UNESCO-Konvention von 1970 ebenso zurück, wie die der UNIDROIT von 1995, denn "As a humanist and collector, I passionately oppose the Conventions as drafted, believe that their creators are misled by the Utopian idea that every created object has its perfect or natural location and must remain in situ, overlooking the fact that art is cross cultural and, in many aspects, timeless."
Und nun das Interview, das Fred David mit dem Kunstsammler George Ortiz führte. Auszüge. Quelle: Der Standard, 1.3.1996, Album, S.1f.
Sie wurden in Paris geboren, sind Bolivianer, lebten lange in den USA und Großbritannien. Warum sind Sie gerade in Genf hängengeblieben?
Ortiz: Wegen meiner Kunstsammlung. Die französische Regierung stellte den Kunsthandel unter scharfe Kontrollen, man darf keine französischen Kulturgüter aus dem Land nehmen. Ich war also nicht frei, über meine Sammlung zu verfügen. Deswegen ging ich 1964 nach Genf.
Ist der Kunsthandel von der Schweiz aus ungehindert möglich?
Ortiz: Im Moment noch. Aber die Schweiz will sich wie auch Deutschland dem Unesco-Vorschlag zur Einschränkung des Kunst- und Kulturgüterhandel anschließen. Das wird harte Konsequenzen haben.
Es geht vor allem um archäologische Kulturgüter. Insbesondere im letzten Jahrhundert geraubte und in westeuropäischen und amerikanischen Museen stehende Stücke sollen zurückgegeben werden.
Was künftig an Antikem gefunden wird, soll in den einzelnen Ländern bleiben. Ist doch gar nicht schlecht.
Ortiz: Da ist viel Ideologie und Desinformation im Spiel. Der Druck geht von den Enwicklungsländern aus. Es wird nicht berücksichtigt, daß Schutz und Bewahrung solcher Kulturgüter, ebenso die wissenschaftliche Erforschung stark eingeschränkt werden. Zudem haben die meisten dieser Länder keinerlei Möglichkeit, ihre Kulturgegenstände einem größeren Publikum zu zeigen.
Aber der private Kunsthandel floriert doch, die Preise steigen.
Ortiz: Drei Viertel des antiken Materials, das auf den Markt kommt, ist für Wissenschaft und Museen uninteressant. Wenn es kein Material mehr zu verkaufen gibt, gibt es auch keinen Markt. Höchstens im Untergrund.
Ihnen konnte das nur recht sein. Der Wert Ihrer Sammlung steigt damit ins Unermeßliche.
Ortiz: Stimmt, mir persönlich nützt dieses Gesetz. Aber. ich kämpfe aus idealistischen Gründen dagegen. Kulturgegenstände sind nicht nur Handelsware; es sind Botschaften des Humanismus. Sie gehören nicht nur einem Staat, sie sind ein Erbe der Menschheit.
Ihre Sammlung ist nur selten zu sehen, wie im März im Alten Museum in Berlin. Warum verbergen Sie diese Schätze sonst vor der Öffentlichkeit.
Ortiz: Das hat praktische und finanzielle Gründe. Ich habe kein eigenes Museum. Einen Teil gab ich als Leihgabe an Museen. Eigene Ausstellungen zu machen ist unglaublich aufwendig. Der größte Teil meiner Sammlung befindet sich in meinem Haus irgendwo im Großraum Genf.
Den genauen Ort wollen Sie nicht verraten?
Ortiz: Nein, um Gottes willen! Ich will keine ungerufenen Gäste. Das Risiko ist zu groß. Keines meiner Stücke ist versichert. Touch wood! Die Versicherungen sind zwar wie die Teufel hinter mir her. Aber auch als wohlhabender Zeitgenosse kann man das gar nicht mehr bezahlen.
Ihre Kollektion hat einen realen Hintergrund: Ihr Großvater war Simon Patino, der Zinnkönig Boliviens, einer der reichsten Männer seiner Zeit.
Ortiz: Natürlich, ich hatte das Glück, aus einer wirklich sehr reichen Familie zu stammen. Mein Vater war Botschafter in Den Haag und Paris und gehörte einer der angesehensten Aristokratenfamilien Boliviens an, mit großem Grundbesitz. Und der Vater meiner Mutter war Simon Patino, in dessen Zinn- und Silbergruben 5000 Bergleute arbeiteten.
Was blieb vom riesigen Patinoimperium übrig?
Ortiz: Simon Patino war schwer herzkrank. Die Gruben liegen in einer Höhe bis zu 5000 Metern. Er mußte in tiefere Regionen wechseln und Bolivien verlassen. Aber es gibt nichts Schlimmeres als ein dauernd abwesender Patron. Er hatte sich nie in die Politik eingemischt, was ein Fehler war. Seine Direktoren taten es umso mehr und sehr ungeschickt. Sie provozierten eine Revolution. 1952 wurden die Gruben von der Regierung konfisziert, ebenso die Ländereien meines Vaters.
Ihre Familie hatte beträchtlichen Besitz ins Ausland geschafft.
Ortiz: Dummerweise eben nicht. Ein Teil des Zinnprofits steckte in der Banco Mercantile. Im Ausland blieben ein paar Zinnminen-Holdings in Malaysia, der Zinnhandel in London und ein paar andere Dinge. 1976 krachte der Rest des Trusts völlig zusammen. Vom Patino-Glanz blieb nicht viel übrig.
(...) Welchen Wert hat Ihre Sammlung heute?
Ortiz: Ehrlich, ich weiß es nicht. Bis vor drei Jahren wußte ich nicht einmal, wie viele Objekte meine Sammlung umfaßt. Für meine erste Ausstellung 1993 in der Eremitage in St. Petersburg mußte ich dann ein Inventar machen, ich hab's in ein Schulheft eingetragen und kam auf 1600 Objekte. 300 wählte ich aus, es war eine Tortur, weil ich mich schwer entscheiden konnte, etwas
wegzulassen.
Soll man das glauben? Hamburger Museums- und Kulturpolitik
"Soll man das glauben?" fragt sich der heutige "Perlentaucher", der in der taz gelesen hat, daß die Stadt Hamburg 570.000.- Euro ausgibt, um einem Privatsammler zu ermöglichen, seine Sammlung ("….wobei der Schwerpunkt bei der grellen Macker-Kunst liegt…" taz) 15 Jahre lang an die Deichtorhallen anzugliedern. 570.000.- im Jahr, dachte ich. Falsch gelesen: im Monat. Ein Verschreiber der taz? Das wäre ja dann per anno ein Mehrfaches der Einsparung bei den Museen? Soll man das glauben?
Kann man wohl, denn schon länger bemüht sich der Unternehmer und Jurist Harald Falckenberg, die Stadt Hamburg zum Kauf der Sammlung zu bewegen, von 30 Millionen Euro war noch im Jänner (zur Erinnerung: 30 Millionen investierte die Stadt in die ebenfalls private Sammlung des Schiffesammlers Tamm) dieses Jahres die Rede. Rechnet man die 'Monatsmiete' hoch, kommt man auf 102 Millionen. Soll man das glauben?
Kann man wohl, denn schon länger bemüht sich der Unternehmer und Jurist Harald Falckenberg, die Stadt Hamburg zum Kauf der Sammlung zu bewegen, von 30 Millionen Euro war noch im Jänner (zur Erinnerung: 30 Millionen investierte die Stadt in die ebenfalls private Sammlung des Schiffesammlers Tamm) dieses Jahres die Rede. Rechnet man die 'Monatsmiete' hoch, kommt man auf 102 Millionen. Soll man das glauben?
Freitag, 12. November 2010
Eine Schweizer Museumskrise: Das Alpine Museum in Bern
Kaum hat sich die Situation des Altonaer Museums, das knapp vor der von der Politik beschlossenen Schließung stand - zumindest kurzfristig - entspannt, gehen Meldungen über die Gefährdung eines weiteren großen kulturhistorischen Museums durch die Medien. Diesmal kommen die Nachrichten aus der Schweiz, wo dem in Bern angesiedelten Schweizerischen Alpinen Museum fast die Hälfte der Bundessubvention gekürzt werden soll, was die Kürzung der kantonalen Mittel nach sich ziehen würde.
Das Museum, kurz nach 1900 gegründet, zuletzt in den 90er-Jahren gründlich umgestaltet ist in einem interessanten und sachlichen Bau der 30er-Jahre untergebracht. Die Dauerausstellung unterscheidet sich nicht wesentlich von der vergleichbarer alpiner Museen. es geht um die Topografie und Geologie der Alpen, den Alpinismus und die technische Erschließung der Berge, um Flora und Fauna, um Tourismus und wissenschaftliche Erforschung. Wie jedes der einschlägigen Museen hat auch diese Besonderheiten in der Sammlung, großartige Reliefs oder etwa die Fragmente eines riesigen panoramatischen Gemäldes, das Ferdinand Hodler für eine Weltausstellung malte.
Als ich das Museum vor einigen Monaten besuchte, habe ich es mit großer Sympathie und Neugier kreuz und quer durchstreift und ich wurde selten in einem Museum so liebenswürdig empfangen, wie dort. Ich hätte mir nicht vorgestellt, daß ein gleichsam 'nationales' Museum ernstlich in Gefahr geraten könnte, obwohl schon damals von einer kritischen Finanzierungssituation gesprochen wurde.
Unglücklich ist die Situation auch, weil das Museum sichtlich einen gründlichen Relaunch braucht und dafür auch ein vielversprechender Wechsel in der Leitung schon beschlossen wurde. Beat Hächler, einer der Verantwortlichen der Ausstellungen in Lenzburg (Stapferhaus) wird das Museum übernehmen (oder ist gerade dabei). Das Stapferhaus in Lenzburg hat Ausstellungen gemacht, die nicht bloß thematisch von Interesse waren und sind, sondern wo eine gründliche begleitende Reflexion der medialen und sozialen Potentiale des Ausstellens stattgefunden hat. So sickerte das Gerücht schließlich auch über die österreichische Landesgrenze, "daß es da was Interessantes gäbe" und heuer führte mich mein Weg nach Bern (ohnehin verkehrstechnisch unvermeidlich) auch nach Lenzburg.
Wenn es ganz schlimm kommt, dann wird der neue Direktor am Berner Museum mit einer Konstellation konfrontiert sein, die der in Altona ähnelt: bei gekürzten Mitteln wird dem Museum eine Neukonzeption und Neupositionierung abverlangt werden.
Indes haben sich auf hoher politischer Ebene bereits Advokaten des Museums zu Wort gemeldet, und zwar genau deswegen, weil das Alpenland schlechthin wohl nicht so ohne weiteres auf sein - mit Abstand - wichtigstes alpines Museum verzichten kann.
Bei vielen Aufenthalten in der Schweiz habe ich ein wenig etwas von den formalisierten Verfahren der Bürgerbeteiligung mitbekommen, so daß ich mal drauf vertraue, daß die Stimmen einiger Bundesräte und - wie in Hamburg -, der zivilgesellschaftliche Widerstand letztendlich zu einem Weiterbestehen des Museums beitragen werden - und das unter guten Bedingungen für einen Neustart.
Das Museum, kurz nach 1900 gegründet, zuletzt in den 90er-Jahren gründlich umgestaltet ist in einem interessanten und sachlichen Bau der 30er-Jahre untergebracht. Die Dauerausstellung unterscheidet sich nicht wesentlich von der vergleichbarer alpiner Museen. es geht um die Topografie und Geologie der Alpen, den Alpinismus und die technische Erschließung der Berge, um Flora und Fauna, um Tourismus und wissenschaftliche Erforschung. Wie jedes der einschlägigen Museen hat auch diese Besonderheiten in der Sammlung, großartige Reliefs oder etwa die Fragmente eines riesigen panoramatischen Gemäldes, das Ferdinand Hodler für eine Weltausstellung malte.
Als ich das Museum vor einigen Monaten besuchte, habe ich es mit großer Sympathie und Neugier kreuz und quer durchstreift und ich wurde selten in einem Museum so liebenswürdig empfangen, wie dort. Ich hätte mir nicht vorgestellt, daß ein gleichsam 'nationales' Museum ernstlich in Gefahr geraten könnte, obwohl schon damals von einer kritischen Finanzierungssituation gesprochen wurde.
Unglücklich ist die Situation auch, weil das Museum sichtlich einen gründlichen Relaunch braucht und dafür auch ein vielversprechender Wechsel in der Leitung schon beschlossen wurde. Beat Hächler, einer der Verantwortlichen der Ausstellungen in Lenzburg (Stapferhaus) wird das Museum übernehmen (oder ist gerade dabei). Das Stapferhaus in Lenzburg hat Ausstellungen gemacht, die nicht bloß thematisch von Interesse waren und sind, sondern wo eine gründliche begleitende Reflexion der medialen und sozialen Potentiale des Ausstellens stattgefunden hat. So sickerte das Gerücht schließlich auch über die österreichische Landesgrenze, "daß es da was Interessantes gäbe" und heuer führte mich mein Weg nach Bern (ohnehin verkehrstechnisch unvermeidlich) auch nach Lenzburg.
Wenn es ganz schlimm kommt, dann wird der neue Direktor am Berner Museum mit einer Konstellation konfrontiert sein, die der in Altona ähnelt: bei gekürzten Mitteln wird dem Museum eine Neukonzeption und Neupositionierung abverlangt werden.
Indes haben sich auf hoher politischer Ebene bereits Advokaten des Museums zu Wort gemeldet, und zwar genau deswegen, weil das Alpenland schlechthin wohl nicht so ohne weiteres auf sein - mit Abstand - wichtigstes alpines Museum verzichten kann.
Bei vielen Aufenthalten in der Schweiz habe ich ein wenig etwas von den formalisierten Verfahren der Bürgerbeteiligung mitbekommen, so daß ich mal drauf vertraue, daß die Stimmen einiger Bundesräte und - wie in Hamburg -, der zivilgesellschaftliche Widerstand letztendlich zu einem Weiterbestehen des Museums beitragen werden - und das unter guten Bedingungen für einen Neustart.
Montag, 8. November 2010
Kunst der Anpassung. Eine Ausstellung im Grazer Stadtmuseum
Die Kunst der Anpassung. Steirische KünstlerInnen im Nationalsozialismus zwischen Tradition und Propaganda ist eine Ausstellung, die derzeit im Grazer Stadtmuseum zu sehen ist (bis 2.1.2011) und in Kooperation mit der Neuen Galerie des Universalmuseum Joanneum erarbeitet wurde.
Gezeigt werden Gemälde, Grafiken und Plastiken steirischer Künstler, die sich dem NS-Regime mehr oder weniger 'angepasst' bzw. in ihm eine aktive (kultur)politische Rolle gespielt haben.
Was zu sehen ist, ist mit wenigen Ausnahmen kaum von künstlerischem Belang, von Interesse sind sowohl die Funktionen, die Kunstwerke als Bildschmuck, Auftragsarbeiten oder direkt propagandistisch hatten als auch die Biografien, die oft jene 'Wendigkeit' hatten, die erlaubte, vom Avantgardisten zum ideologisch bemühten Heimatmaler zum christlichen Nachkriegskünstler zu werden.
Im Prinzip sind dies keine neue Einsichten, sondern ein bekanntes Muster mit Varianten, die gelegentlich durch besondere lokale Umstände interessant werden. Dabei hilft die Beschriftung, die die Angaben zum Werk von den biografischen trennt und gesondert noch zusätzliche biografische Informationen bietet. Also gleich drei Textsorten, die zumeist ihren Sachverhalt trocken und kanpp auf den Punkt bringen.
In Umrissen wird so ein Netzwerk von Beziehungen von Personen und Institutionen, von Ereignissen und Werken sichtbar, kurzum eine Geschichte einer Unkultur, die sich nicht auf die Daten 38/45 eingrenzen lässt. Dies ins Bewußtsein zu bringen ist wohl das größte Verdienst der Ausstellung.
Machen wir dazu eine kleine Probe, und informieren uns im Internet über einen der ausgestellten Künstler, Hans Mauracher, dem in Graz übrigens ein kleines, vom Universalmuseum Joanneum betreutes Museum gewidmet ist. Der so überdurchschnittlich und bis heute gewürdigte Maler und Bildhauer ist also "anerkannt", wie die aktuelle Webseite der Grazer Secession zu ihrem (Gründungs)Mitglied schreibt. Außerdem erfahren wir dort, wann er sich in Maria Trost niedergelassen hat oder wie lange er gelebt hat, kaum mehr. Zwei Werke werden erwähnt, zwei abgebildet, beide stammen aus der Zeit nach 1950.
Ausführlicher ist die Biografie Maurachers in Wikipedia. Die endet allerdings 1930. Kommentarlos wird ein Zitat von 1930 zur Charakterisierung Maurachers mit "Religiosität, Heimatliebe und Naturnähe" wiedergegeben. Der Kulturserver der Stadt Graz zeigt einige Werke, alle aus den 50er-Jahren, auf der Webseite des das Mauracher-Museum verwaltenden Universalmuseums Joanneum ergab die Suche nach Mauracher keinen Treffer. Auch die einschlägigen Seiten des Landes kennen Mauracher nicht.
Die Angaben zur Biografie Leo Bokh's, von dem ein Porträt in der Ausstellung zu sehen ist, machten mich neugierig. Er schaffte es, ohne Karrierebruch am Landesmuseum zu arbeiten. Zu ihm findet sich im Internet kaum etwas, mit Ausnahme von rezenter Restitutionsforschung - in diesem Fall auch des Joanneum selbst.
Kurzum, die Ausstellung rekonstruiert ein auch 65 Jahre nach Kriegsende erstaunlich lückenhaftes Wissen und arbeitet gegen eine offenbar noch immer wirksame Verdrängung und Verschlampung. Dabei hat sie insofern selbst Grenzen, als sie zwar den Blick auf Institutionen, auf Museen, Künstlervereine, Ausstellungen usw. erweitert, aber dabei oft nicht sehr weit geht - es sei eingeräumt, möglicherweise weil eine Ausstellung kaum fehlende Forschungsarbeit kompensieren kann.
Daß etwa Trachtenpflege an einem Objekt und in einer Vitrine thematisiert wird, ist in dem Kontext nicht selbstverständlich, aber sinnvoll, als Teil der visuellen Strategien, die der NS wie kein politisches Herrschaftssystem zuvor nutzte. Aber das Umfeld, die (pseudo)wissenschaftliche und museale Trachtenpflege mit ihren bekannten Protagonisten und ihrer über 45 weit nachhaltigen Ideolgie, dazu konnte ich nichts finden.
Vieles was man zu sehen bekommt, dreht einem den Magen um. Man sollte nicht zu sensibel sein, wenn man sich den ästhetischen und thematischen Zumutungen mancher Elaborate aussetzt, die wohl nie mehr anders denn als Dokumente einschlägiger Ausstellungen aus den Depots geholt werden. Manches ist schlicht skurill, wie zwei buchstäblich goldige Knaben, die einen Stab mit Leier präsentieren. Die ist aber erst nach 45 angebracht worden, statt der bekannten NS-Embleme. Diese "Symbolträger", wie sie mal hießen, waren nun eine Würdigung "An die Kunst". Autor: Hans Mauracher.
Man trifft auf einige solcher 'Mutanten', die, wie ihre Schöpfer, das Kriegsende in neuem ideologischen Gewand überlebten. "Deutsches Leid" oder auch "Deutsche Heimatvertriebene", 1940 in Bronze gegossen und Hitler als Geburtstagsgeschenk zugedacht, konnte nach 1945 als "Familie" reüssieren.
Symmetrisch dazu wird die Wandlungsfähigkeit mancher Künstler dokumentiert, wie die des Gebrauchsgrafikers, der seine Fähigkeiten bei Kastner & Öhler und dann in der NS-Propaganda anwendete, oder die des Grafikers, der nach 45 KPÖ-Plakate entwarf. Karl Mader, einer der prominenten NS-Künstler, einer mit der 'Auszeichnung' auf der Großen Deutschen Kunstausstellung vertreten gewesen zu sein, trat 1946 der Österreichisch-Sowjetischen Gesellschaft bei…
PS.: Der österreichische Museumstag fand heuer in Kärnten statt, in Klagenfurt und in Spittal an der Drau. In Spittal war das Schloß Porcia Tagungsort, in dem auch das Bezirksheimatmuseum untergebracht ist. Dieses Museum hütet einen Bestand von Gemälden von Karl Truppe, einem in der NS-Zeit eifrig tätigen, einschlägig geschätzten und auch von Hitler gemochten Künstler. Bis vor nicht langer Zeit hingen in einer Art Galerie diese Truppe-Bilder wie selbstverständlich als Teil der musealen Präsentation im Museum - nicht als Dokumente zur (Kunst)Geschichte der NS-Zeit, sondern als Würdigung eines 'Heimatmalers' und seiner Werke.
Jetzt wurden diese - übrigens durchwegs ziemlich scheusslichen - Bilder auf die sogenannten Repräsentationsräume aufgeteilt, womit sie eine noch größere Bedeutung erhalten haben, als Teil der (Selbst)Repräsentation der lokalen und gelegentlich auch regionalen politischen und kulturellen Eliten.
Und in diesen Räumen fand der Österreichische Museumstag statt.
Auch aus diesem Grund ist es zu begrüßen, wenn es Museen gibt, die wie das Grazer Stadtmuseum Geistesgegenwart zum Arbeitsprinzip machen wollen und können.
Fotos: GF
Gezeigt werden Gemälde, Grafiken und Plastiken steirischer Künstler, die sich dem NS-Regime mehr oder weniger 'angepasst' bzw. in ihm eine aktive (kultur)politische Rolle gespielt haben.
Was zu sehen ist, ist mit wenigen Ausnahmen kaum von künstlerischem Belang, von Interesse sind sowohl die Funktionen, die Kunstwerke als Bildschmuck, Auftragsarbeiten oder direkt propagandistisch hatten als auch die Biografien, die oft jene 'Wendigkeit' hatten, die erlaubte, vom Avantgardisten zum ideologisch bemühten Heimatmaler zum christlichen Nachkriegskünstler zu werden.
Im Prinzip sind dies keine neue Einsichten, sondern ein bekanntes Muster mit Varianten, die gelegentlich durch besondere lokale Umstände interessant werden. Dabei hilft die Beschriftung, die die Angaben zum Werk von den biografischen trennt und gesondert noch zusätzliche biografische Informationen bietet. Also gleich drei Textsorten, die zumeist ihren Sachverhalt trocken und kanpp auf den Punkt bringen.
In Umrissen wird so ein Netzwerk von Beziehungen von Personen und Institutionen, von Ereignissen und Werken sichtbar, kurzum eine Geschichte einer Unkultur, die sich nicht auf die Daten 38/45 eingrenzen lässt. Dies ins Bewußtsein zu bringen ist wohl das größte Verdienst der Ausstellung.
Machen wir dazu eine kleine Probe, und informieren uns im Internet über einen der ausgestellten Künstler, Hans Mauracher, dem in Graz übrigens ein kleines, vom Universalmuseum Joanneum betreutes Museum gewidmet ist. Der so überdurchschnittlich und bis heute gewürdigte Maler und Bildhauer ist also "anerkannt", wie die aktuelle Webseite der Grazer Secession zu ihrem (Gründungs)Mitglied schreibt. Außerdem erfahren wir dort, wann er sich in Maria Trost niedergelassen hat oder wie lange er gelebt hat, kaum mehr. Zwei Werke werden erwähnt, zwei abgebildet, beide stammen aus der Zeit nach 1950.
Ausführlicher ist die Biografie Maurachers in Wikipedia. Die endet allerdings 1930. Kommentarlos wird ein Zitat von 1930 zur Charakterisierung Maurachers mit "Religiosität, Heimatliebe und Naturnähe" wiedergegeben. Der Kulturserver der Stadt Graz zeigt einige Werke, alle aus den 50er-Jahren, auf der Webseite des das Mauracher-Museum verwaltenden Universalmuseums Joanneum ergab die Suche nach Mauracher keinen Treffer. Auch die einschlägigen Seiten des Landes kennen Mauracher nicht.
Die Angaben zur Biografie Leo Bokh's, von dem ein Porträt in der Ausstellung zu sehen ist, machten mich neugierig. Er schaffte es, ohne Karrierebruch am Landesmuseum zu arbeiten. Zu ihm findet sich im Internet kaum etwas, mit Ausnahme von rezenter Restitutionsforschung - in diesem Fall auch des Joanneum selbst.
Kurzum, die Ausstellung rekonstruiert ein auch 65 Jahre nach Kriegsende erstaunlich lückenhaftes Wissen und arbeitet gegen eine offenbar noch immer wirksame Verdrängung und Verschlampung. Dabei hat sie insofern selbst Grenzen, als sie zwar den Blick auf Institutionen, auf Museen, Künstlervereine, Ausstellungen usw. erweitert, aber dabei oft nicht sehr weit geht - es sei eingeräumt, möglicherweise weil eine Ausstellung kaum fehlende Forschungsarbeit kompensieren kann.
Daß etwa Trachtenpflege an einem Objekt und in einer Vitrine thematisiert wird, ist in dem Kontext nicht selbstverständlich, aber sinnvoll, als Teil der visuellen Strategien, die der NS wie kein politisches Herrschaftssystem zuvor nutzte. Aber das Umfeld, die (pseudo)wissenschaftliche und museale Trachtenpflege mit ihren bekannten Protagonisten und ihrer über 45 weit nachhaltigen Ideolgie, dazu konnte ich nichts finden.
Vieles was man zu sehen bekommt, dreht einem den Magen um. Man sollte nicht zu sensibel sein, wenn man sich den ästhetischen und thematischen Zumutungen mancher Elaborate aussetzt, die wohl nie mehr anders denn als Dokumente einschlägiger Ausstellungen aus den Depots geholt werden. Manches ist schlicht skurill, wie zwei buchstäblich goldige Knaben, die einen Stab mit Leier präsentieren. Die ist aber erst nach 45 angebracht worden, statt der bekannten NS-Embleme. Diese "Symbolträger", wie sie mal hießen, waren nun eine Würdigung "An die Kunst". Autor: Hans Mauracher.
Man trifft auf einige solcher 'Mutanten', die, wie ihre Schöpfer, das Kriegsende in neuem ideologischen Gewand überlebten. "Deutsches Leid" oder auch "Deutsche Heimatvertriebene", 1940 in Bronze gegossen und Hitler als Geburtstagsgeschenk zugedacht, konnte nach 1945 als "Familie" reüssieren.
Symmetrisch dazu wird die Wandlungsfähigkeit mancher Künstler dokumentiert, wie die des Gebrauchsgrafikers, der seine Fähigkeiten bei Kastner & Öhler und dann in der NS-Propaganda anwendete, oder die des Grafikers, der nach 45 KPÖ-Plakate entwarf. Karl Mader, einer der prominenten NS-Künstler, einer mit der 'Auszeichnung' auf der Großen Deutschen Kunstausstellung vertreten gewesen zu sein, trat 1946 der Österreichisch-Sowjetischen Gesellschaft bei…
PS.: Der österreichische Museumstag fand heuer in Kärnten statt, in Klagenfurt und in Spittal an der Drau. In Spittal war das Schloß Porcia Tagungsort, in dem auch das Bezirksheimatmuseum untergebracht ist. Dieses Museum hütet einen Bestand von Gemälden von Karl Truppe, einem in der NS-Zeit eifrig tätigen, einschlägig geschätzten und auch von Hitler gemochten Künstler. Bis vor nicht langer Zeit hingen in einer Art Galerie diese Truppe-Bilder wie selbstverständlich als Teil der musealen Präsentation im Museum - nicht als Dokumente zur (Kunst)Geschichte der NS-Zeit, sondern als Würdigung eines 'Heimatmalers' und seiner Werke.
Jetzt wurden diese - übrigens durchwegs ziemlich scheusslichen - Bilder auf die sogenannten Repräsentationsräume aufgeteilt, womit sie eine noch größere Bedeutung erhalten haben, als Teil der (Selbst)Repräsentation der lokalen und gelegentlich auch regionalen politischen und kulturellen Eliten.
Und in diesen Räumen fand der Österreichische Museumstag statt.
Auch aus diesem Grund ist es zu begrüßen, wenn es Museen gibt, die wie das Grazer Stadtmuseum Geistesgegenwart zum Arbeitsprinzip machen wollen und können.
Fotos: GF
Sonntag, 7. November 2010
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