Nach einem "Kulturgipfel" wird bekannt, daß das Altonaer Museum nicht (am Jahresende) geschlossen wird.
Auch andere Sparmaßnahmen im Kulturbereich wurden 'heruntergefahren'.
Wenn man das von Auszehrung schon gezeichnete Museum in Altona gesehen hat, kann man sich fragen, ob das allein das Museum 'retten' wird.
Zumal in dem Gespräch über dem Museum ein Damoklesschwert aufgehängt wurde: die gewünschte Einsparungssumme bleibt aufrecht, soll aber erst bis 2014 in Raten erbracht werden, allerdings von der gesamt Stiftung der historischen Museen. Es wird eine strukturelle Reform eingefordert, die im Falle des Altonaer Museums innerhalb sechs Monaten konzeptionell vorliegen soll.
Donnerstag, 28. Oktober 2010
Sonntag, 24. Oktober 2010
Goldene Zeit mit bleiernem Hintergrund
Cornelis de Man: Walfangstation auf Amsterdam Island/Smeerenburg in der Nähe von Spitzbergen, 1639 |
Der Kaufmann der Ostindien Compagnie Jacob Mathieusen mit seiner Frau und einem Sklaven; c. 1640-1660 |
Henrik van Schuylenburg: Faktorey in Hugley. 1665. Hugley war eine Niederlassung der Ostindischen Compagnie in Bengalen und lag am Ganges. Die Ostindische Compagnie war damals das größte Handelsunternehmen der Welt. |
Die Überraschung ist der Auftakt, der dem ganzen einen Rahmen gibt und der daran erinnert, daß das Rijksmuseum nicht nur ein Kunstmuseum sondern auch ein nationales historisches Museum mit einer einschlägigen Sammlung ist.
Im Gestus eines Geschichtsmuseum wird in den ersten Räumen eine Skizze dessen gegeben, was das "Goldene Zeitalter" der Niederlande ausmachte:
die Seemacht, der Fernhandel, die Kolonisierung entlegenster Gebiete, die Unterwerfung oder Versklavung der dortigen Bevölkerungen, geschickte Bündnispolitik, die den Kleinstaat lange Zeit in prekärer Balance zwischen den Großmächten hielt, ein Regime der wohlhabenden (männlichen) Bürgerschaft, die jederzeit militant ihre Privilegien und ihren Status zu verteidigen bereit war aber und effizient zu ihrem Vorteil verwaltete.
Nirgends entwickeln die Ausstellungsmacher den Ehrgeiz, aus der Ansammlung von Trophäen und Dokumente eine Gegenerzählung gegen den nationalen Mythos des "golden" genannten Zeitalters zu machen. Aber die Exponate selbst mit ihrer knappen Beschriftung genügen, um einem etwas von der 'anderen Seite' der Macht sehen zu lassen.
Seestücke, als Memorabilia für gefallene Admiräle sind eben auch Dokumente eines Gemetzels unter Schiffen, bei denen alles auf dem Spiel stand; ein Bürgerporträt eines Funktionärs-Ehepaares der Handelsgesellschaft zeigt auch deren Leibsklaven; die minutiöse Schilderung einer kolonialen Siedlung zeigt diplomatische wie gewaltförmige Aspekte der Aufrechterhaltung der Macht und die Instrumentalisierung der Einheimischen für deren eigene Unterdrückung.
Die beispiellose Brutalität, mit der innere Konflikte ausgetragen wurden, wird in einem ebenso beispiellosen Gemälde dokumentiert, das die gefolterten, verstümmelten, ausgeweideten und aufgehängten Körper von Cornelius und Johan de Witt in einem beängstigend beklemmenden Nachtstück zeigt, mit demselben Realismus unbestechlich festgehalten, der die niederländische Malerei jener Zeit so berühmt macht.
Diese hoffnungsvolle Nachwuchskraft malte Bartholomeus van der Hulst 1642. Gerard Bicker wird in die damals mächtigste Familie Amsterdams geboren. Etwa Zehn Patrizierfamilien halten die Macht in der Stadt und in den Niederlanden. |
Obwohl dann, im Stockwerk darüber, die Hochkunst ganz bei sich sein darf und die Kunsthistoriker-Texte kaum über die Angaben über Lage des Horizonts, Strich des Pinsels oder Würdigung bestimmter Malweisen hinauskommen, verschiebt sich die Wahrnehmung dennoch. So manches Porträt ist dann eben nicht nur ein malerisches Glanzstück eines glanzvollen Malers, sondern das Dokument patriarchaler, auf Reichtum gegründeter Macht, des Luxus einer kleinen Kaste von Händlern und Geschäftsleuten, des Repräsentationsbedürfnisses von Männern und Männerbünden, deren Eitelkeit heute auch schon mal lächerlich wirken darf. Plötzlich kontrastieren die berühmten Interieurs als detaillierte Schilderungen eines ganz und gar weiblichen Haushaltes mit den offiziös-bombastischen Gruppenporträts.
Gerrit Adriansz Berckheydes Ansicht der Herrengracht - ein besispiellos sachlicher Blick auf eins der größten Immobilienprojekte des Goldenen Zeitalters und der Erweiterung Amsterdams |
Solche und andere Werke lassen sich mühelos doppelt lesen: als Dokumente der (Sozial)Geschichte wie der Geschichte ihrer absichtsvollen Repräsentation, aber auch als symptomatische Dokumente, die gleichermaßen ästhetisch faszinieren, wie überraschende Aufschlüsse vermitteln.
Der historische 'Vorspann' ist ganz selbstbewußt unter dem Titel "Weltmacht" zusammengefasst, dennoch betreibt er nicht nur die Affirmation einer historischen 'goldenen Zeit'. Jedes einzelne der Exponate läßt sich so oder so lesen. Der unglaublich kostbare Pokal, der dem siegreichen Admiral von der Stadt gestiftet wurde, ist nicht nur ein Zeugnis höchster Kunstfertigkeit, er macht auch deutlich, wie - buchstäblich - kostbar ein solcher Seesieg war. Das Gemälde, das das neue Rathaus zeigt, einen Bau von unglaublichem Volumen, entpuppt sich beim genaueren Studium des 'Gegenstücks' als Dokument der Transformation des Politischen. Das Gemälde des kleinen mittelalterlichen Rathauses, sichtlich vom Verfall gezeichnet, war mit seinen Arkaden (wie viele Rathäuser in jener Zeit in ganz Europa), Brennpunkt der städtischen Öffentlichkeit. Hier fanden Gerichtsverhandlungen statt - vor dem Volk, hier war die 'Börse' und hier war der Sitz der Verwaltung und des Bürgermeisters. Das bombastische neue Rathaus dagegen ist ein abweisendes Gehäuse für nichtöffentliches Verwalten und für elitistische Politik.
Willem van de Velde: Die Seeschlacht von Terheide, 1653. Die zwei Eckpfeiler des "Goldenen Zeitalters": Die Seestreitkräfte - die größten der damaligen Welt und die Ostindische Compagnie |
Das Wenige, was sich über das dann 'neue' Rijksmuseum derzeit erfahren läßt, protzt mit Quantitäten: Erweiterung der Ausstellungsflächen, auf denen etwa 7000 (!) Objekte gezeigt werden können; aber es wird auch angedeutet, daß die hier im überschaubaren Maßstab eines starken Dutzends von Räumen (wie angenehm, einmal in einer so 'handlichen' Ausstellung zu sehen) gezeigte Durchdringung von historischer und ästhetischer Perspektive beibehalten werden könnte. Die Ausstellung zeigt, wie mit sparsamsten Mitteln, das heißt mit Verzicht auf lange Texte und bemühte Pädagogisierung allein durch Wahl, Hängung und - knappste, gezielte - Betextung, vielfache Wechselbeziehung zwischen Werken und Deutungsmöglichkeiten entstehen können.
Wer tiefergehende Informationen sucht, wird auf der - technisch tadellosen - Webseite des Rijksmuseum und der Ausstellung fündig. Gleichsam aufeinandergestapelt, mit den einfachsten Informationen ganz 'oben', kann man sich gut in Historische oder Kunsthistorische Fragen einlesen, die hervorragenden und ausreichend großen Reproduktionen nutzen, diverse Register und die Suchfunktion zum Stöbern nutzen und last but not least Texte auch hören.
Bartholomeus van der Helst: Schützenmahlzeit zur Feier des Friedens von Münster, 1648. Dieser Frieden bedeutete die Anerkennung der politischen Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Niederlande. |
Samstag, 23. Oktober 2010
Die leere Mitte Berlins und die Sprachlosigkeit der Gesellschaft
Mit dem Beschluß, die 'Rekonstruktion' des Berliner Schlosses aufzuschieben, kommt offenbar nicht die Debatte über die Sinnhaftigkeit dieses Projekts zu Stillstand. Eine besonders scharfe Kritik übt der Schriftsteller Ingo Schulze in der Frankfurter Rundschau vom 22.10.2010 (hier).
Sein Kernsatz ist ein Argument, das sich auf die Unfähigkeit der Gestaltung als Unfähigkeit zur Formulierung einer gesellschaftlich vermittelten Idee bezieht: "Die Unsicherheit, welche Funktion die historische Mitte erhalten und wie sie dementsprechend gestaltet werden soll, hat ihren Grund auch darin, dass wir als Gesellschaft über Wachstumsbestrebungen hinaus kaum noch sagen können, was wir wollen."
Er wendet sich vor allem gegen die Behauptung, beim Schloß ginge es um eine Rekonstruktion. Was da geplant sei, se ein Surrogat, so fragwürdig, daß es durch kein auch noch so gutes Konzept zu retten sei. Das "Imitat" Schloß sei so ziemlich das Gegenteil dessen, was es seinen Befürwortern nach sein soll: "Wer die Schlossattrappe als Reaktion auf die Geschichtsvergessenheit der Moderne sieht, als Kompensation globaler Gleichförmigkeit, übersieht bewusst oder unbewusst, dass es gerade hier um Geschichtsvergessenheit und das Aufgeben des Eigenen geht.
Was hat das Selbstverständnis einer föderalen Republik mit dem Bau der Attrappe eines preußisch-deutschen Königs- bzw. Kaiserschlosses zu tun? Leben wir im Zeitalter der Restauration?"
Das Beste am langen Artikel ist ein langes Zitat von Franz Fühmann, das mehr als eine Breitseite gegen die Schlosspläne ist, sondern eine Kritik an Musealisierung generell als Surrogatkultur. "„Der Höllenbezirk der Surrogate: ... der Bürger, der zum Adel aufschaut und sich sehnt, dessengleichen zu werden (...) will, da Grund und Boden mobil wird, das Rittergut nicht nur als Produktionsmittel, sondern auch als seine Standeserhöhung durch den konkreten historischen Ort. Sein Geld, das alles zu können scheint, zielt auf das verbürgt wahre Alte samt Chronik und Ahnengalerie und Hausspuk, doch das verkaufte Schloß ist das Schloß schon nicht mehr, wiewohl es das alte Gemäuer ist. – Die Gespenster verschwinden als erste. –
Und dann war auch das alte Gemäuer nicht mehr, sein Stein wurde Staub, seine Balken wurden Rauch, doch das Schloß ist getreu wieder aufgebaut, Zierde des Naherholungsgebietes, und wir nennen es anheimelnd, was unheimlich ist (...) doch viel unheimlicher, ein anderes Unheimlich, ist die Bereitwilligkeit der das Bürgertum ablösenden Gesellschaft, die Attrappe als das Echte zu nehmen und, weiterhin Altes beharrlich tilgend, keine Mühen für einen Schein zu scheuen, dem das Sein so demonstrativ mangelt. – Was geht da vor? – Darf ich niederzuschreiben wagen, dass mich vor diesen Fassaden schaudert, die ohne einen alten Stein uns den Fortbestand des Alten heucheln? – Surrogate eines Surrogats. (...) Diese Attrappen sind ein grauenvoller Spiegel unseres Mangels an Eigensinn. – Sie sehen gut aus, wir belügen uns selbst. – Wir täuschen Tradition vor, die wir nicht haben, denn es ist ein Irrtum, zu glauben, dass man sie sich linienweise aussuchen kann. Was juridisch vom Erbe gilt, gilt auch historisch: Man hat es ganz, oder man hat es gar nicht, das jeweils Passende gibt es da nicht, und am wenigsten das so gierig Begehrte: ein Widerspruchloses von gestern als Ahnherr des Widerspruchlosen von heute und morgen.“
Sein Kernsatz ist ein Argument, das sich auf die Unfähigkeit der Gestaltung als Unfähigkeit zur Formulierung einer gesellschaftlich vermittelten Idee bezieht: "Die Unsicherheit, welche Funktion die historische Mitte erhalten und wie sie dementsprechend gestaltet werden soll, hat ihren Grund auch darin, dass wir als Gesellschaft über Wachstumsbestrebungen hinaus kaum noch sagen können, was wir wollen."
Er wendet sich vor allem gegen die Behauptung, beim Schloß ginge es um eine Rekonstruktion. Was da geplant sei, se ein Surrogat, so fragwürdig, daß es durch kein auch noch so gutes Konzept zu retten sei. Das "Imitat" Schloß sei so ziemlich das Gegenteil dessen, was es seinen Befürwortern nach sein soll: "Wer die Schlossattrappe als Reaktion auf die Geschichtsvergessenheit der Moderne sieht, als Kompensation globaler Gleichförmigkeit, übersieht bewusst oder unbewusst, dass es gerade hier um Geschichtsvergessenheit und das Aufgeben des Eigenen geht.
Was hat das Selbstverständnis einer föderalen Republik mit dem Bau der Attrappe eines preußisch-deutschen Königs- bzw. Kaiserschlosses zu tun? Leben wir im Zeitalter der Restauration?"
Das Beste am langen Artikel ist ein langes Zitat von Franz Fühmann, das mehr als eine Breitseite gegen die Schlosspläne ist, sondern eine Kritik an Musealisierung generell als Surrogatkultur. "„Der Höllenbezirk der Surrogate: ... der Bürger, der zum Adel aufschaut und sich sehnt, dessengleichen zu werden (...) will, da Grund und Boden mobil wird, das Rittergut nicht nur als Produktionsmittel, sondern auch als seine Standeserhöhung durch den konkreten historischen Ort. Sein Geld, das alles zu können scheint, zielt auf das verbürgt wahre Alte samt Chronik und Ahnengalerie und Hausspuk, doch das verkaufte Schloß ist das Schloß schon nicht mehr, wiewohl es das alte Gemäuer ist. – Die Gespenster verschwinden als erste. –
Und dann war auch das alte Gemäuer nicht mehr, sein Stein wurde Staub, seine Balken wurden Rauch, doch das Schloß ist getreu wieder aufgebaut, Zierde des Naherholungsgebietes, und wir nennen es anheimelnd, was unheimlich ist (...) doch viel unheimlicher, ein anderes Unheimlich, ist die Bereitwilligkeit der das Bürgertum ablösenden Gesellschaft, die Attrappe als das Echte zu nehmen und, weiterhin Altes beharrlich tilgend, keine Mühen für einen Schein zu scheuen, dem das Sein so demonstrativ mangelt. – Was geht da vor? – Darf ich niederzuschreiben wagen, dass mich vor diesen Fassaden schaudert, die ohne einen alten Stein uns den Fortbestand des Alten heucheln? – Surrogate eines Surrogats. (...) Diese Attrappen sind ein grauenvoller Spiegel unseres Mangels an Eigensinn. – Sie sehen gut aus, wir belügen uns selbst. – Wir täuschen Tradition vor, die wir nicht haben, denn es ist ein Irrtum, zu glauben, dass man sie sich linienweise aussuchen kann. Was juridisch vom Erbe gilt, gilt auch historisch: Man hat es ganz, oder man hat es gar nicht, das jeweils Passende gibt es da nicht, und am wenigsten das so gierig Begehrte: ein Widerspruchloses von gestern als Ahnherr des Widerspruchlosen von heute und morgen.“
Freitag, 22. Oktober 2010
Der Museumsshop als eigenständiger Dienstleistungsbetrieb
Der Museumsshop als eigenständiger Dienstleistungsbetrieb. Der Pavillon mit dem gemeinsamen Shop des van Gogh Museum und des Rijksmuseum |
van Gogh Museum Amsterdam
"Geld", sagt der Kurator eines großen Amsterdamer Museums, "sollen wir über Geld reden?". "Gibt es denn ein Problem damit?". "Nein". "Das habe ich schon lange nicht mehr gehört. Wenns kein Problem damit gibt, brauchen wir auch nicht darüber zu reden." "Na ja. Wir haben eine neue Regierung." Er schaut mich fragend an. "Wer weiß was da kommt."
Ein paar Stunden davor ein Besuch im van Gogh Museum. Schon kurz nach der Öffnung haben sich kleine Schlangen gebildet, obwohl mehrere Kassen offen sind und man flott ist. Auch die Sicherheitsschleuse, die es auch in anderen Museen hier gibt, hat man rasch passiert. WelcheÄngste hat man hier?
Ich war schon lange in keinem Museum mehr, wo man schon im Foyer merkt, daß man in einem Museum ist, hier deswegen weil der Blick in den Ausstellungsraum freigehalten ist.
Gerrit van Rietveld, der Architekt des Museums, hat offene Räume geschaffen, um einen lichten Hof gruppiert, klar und komplex zugleich und Bildern und Publikum eine Bühne mit vielerlei Auftrittsmöglichkeiten bietet. Immer wieder bleibe ich stehen, um mir die Treppe anzusehen. Sie arbeitet sich in einer Ecke des Lichthofes hoch, frei um einen Pfeiler hochgeführt. Die Konstruktion und Ästhetik erinnert ein wenig an einen Sprungturm eines Freibades und ganz oben gibt es auch eine Plattform, die wie ein Sky Walk in den Raum ragt.
Große Fenster zur Stadt lassen viel natürliches lIcht herein, das sich mit dem Kunstlicht geschlossener Ausstellungsteile mischt. Der Raum ist großzügig ausgelegt, die Besucher verteilen sich locker, nur dort wo relativ schmale Zugänge an Raumecken freigehalten sind, gibt es Stau, erst recht, wenn da gleich die "Kartoffelesser" hängen.
Vor dem großen Text mit dem Foto eines Sebstporträt van Goghs läuft ein wie es scheint permanentes Ritual: Frauen werden hier von ihrer Begleitung fotografiert. Als wär das die Fontana Trevi. Der Repro-van Gogh, allgegenwärtig nicht nur im Shop, darf für ein solches Ritual genügen.
Geld. Soll man hier, im van Gogh-Museum, über Geld reden? Kaum. Die Museumskrise, wenn es je eine echte geben wird, wird viele Museen verschlingen, aber das van Gogh Museum wird es so lange geben, wie sich Japaner, Amerikaner, Spanier, Brasilianer, Österreicher, Luxemburger, Inder, Schweizer die Fahrt nach Amsterdam leisten können. Konjunkturischerer ist kaum ein Museum. Allerdings gibt es da ja den Zubau und der wird für Sonderausstellungen genutzt, auch für solche, die wenig bis nichts mit van Gogh zu tun haben. Zuletzt habe ich hier eine Ausstellung über Max Beckmann's Zeit des Exils in Amsterdam gesehen, eine sehr informative Ausstellung mit einer Vielzahl eindrucksvoller Bilder.
Kann man aus der Existenz dieser 'Expositur fürs Ephemere' schließen, das auch ein van Gogh-Museum Dauerausstellungen benötigt, um Besucher immer neu zu motivieren und zu mobilisieren? Reichen die T-Shirts, Moleskine-Notizbüchlein, Puzzle, Halstücher mit Lilien und Blumen nicht, um das Museum zu erhalten.
Und wie geht es van Gogh selber, in seinem Museum? Schwer zu sagen. Die Dauerausstellung ist chronologisch gegliedert, folgt der Topografie, die das Leben des Malers gezeichnet hat und interveniert gelegentlich mit Biografischem, Zitate aus den Briefen, Äußerungen von Freunden, Fotografien - worunter die zu Plakatgröße aufgeblasene, die van Gogh während der Zeit seiner malerischen Betätigung zeigt, wie es heißt und die als solche die einzig erhaltene ist, symptomatisch gelesen werden darf. An einem Fluß in einer Vorstadt sitzt van Gogh einem seiner Malerfreunde auf einem Klappsessel gegenüber, in eine Gespräch vertieft. Er kehrt dem Betrachter (und Fotografen) den Rücken zu.
Das Museum kann mit vielen Werken aus der eigenen Sammlungen einen kunstgeschichtlichen Kontext darstellen und damit das Klischee des nie akademisch ausgebildeten 'Naturgenies' zurechtrücken. Anregungen, Effekte auf zeitgenössische Malerei können an erstrangigen Werken gezeigt werden. Doch Vorurteile Biografie und Werk betreffend und die Kanonisierung eines Werkes, oder soll man sagen - seine andauernde Rehabilitierung im Kanon der Hochkunst der Moderne verstellen einem eher den Blick.
Wie man in der Van-Gogh-Museumsmaschinerie noch zu einem eigenen Blick kommen kann, weiß ich nicht. Selbst die Kinder werden zum Van-Gogh-Malen angehalten. Und last but not least: die Museen arbeiten mit ihrem marketing und ihren Gadgets und Nippes in den Shops selbst an jener infantilisierenden Sicht der Dinge, die sie als Agenturen bürgerlicher Hochkultur von innen her anfrisst wie ein Hausschwamm. Wer Sonnenblumen-T-Shirts sät wird Jungs in Sonnenblumen-T-Shirts ernten, die vor Sonnenblumenrepros Teenies in Sonnenblumen-T-Shirts knipsen.
So schrecklich wird das ausgehen. Jawoll.
Ein paar Stunden davor ein Besuch im van Gogh Museum. Schon kurz nach der Öffnung haben sich kleine Schlangen gebildet, obwohl mehrere Kassen offen sind und man flott ist. Auch die Sicherheitsschleuse, die es auch in anderen Museen hier gibt, hat man rasch passiert. WelcheÄngste hat man hier?
Ich war schon lange in keinem Museum mehr, wo man schon im Foyer merkt, daß man in einem Museum ist, hier deswegen weil der Blick in den Ausstellungsraum freigehalten ist.
Gerrit van Rietveld, der Architekt des Museums, hat offene Räume geschaffen, um einen lichten Hof gruppiert, klar und komplex zugleich und Bildern und Publikum eine Bühne mit vielerlei Auftrittsmöglichkeiten bietet. Immer wieder bleibe ich stehen, um mir die Treppe anzusehen. Sie arbeitet sich in einer Ecke des Lichthofes hoch, frei um einen Pfeiler hochgeführt. Die Konstruktion und Ästhetik erinnert ein wenig an einen Sprungturm eines Freibades und ganz oben gibt es auch eine Plattform, die wie ein Sky Walk in den Raum ragt.
Große Fenster zur Stadt lassen viel natürliches lIcht herein, das sich mit dem Kunstlicht geschlossener Ausstellungsteile mischt. Der Raum ist großzügig ausgelegt, die Besucher verteilen sich locker, nur dort wo relativ schmale Zugänge an Raumecken freigehalten sind, gibt es Stau, erst recht, wenn da gleich die "Kartoffelesser" hängen.
Vor dem großen Text mit dem Foto eines Sebstporträt van Goghs läuft ein wie es scheint permanentes Ritual: Frauen werden hier von ihrer Begleitung fotografiert. Als wär das die Fontana Trevi. Der Repro-van Gogh, allgegenwärtig nicht nur im Shop, darf für ein solches Ritual genügen.
Geld. Soll man hier, im van Gogh-Museum, über Geld reden? Kaum. Die Museumskrise, wenn es je eine echte geben wird, wird viele Museen verschlingen, aber das van Gogh Museum wird es so lange geben, wie sich Japaner, Amerikaner, Spanier, Brasilianer, Österreicher, Luxemburger, Inder, Schweizer die Fahrt nach Amsterdam leisten können. Konjunkturischerer ist kaum ein Museum. Allerdings gibt es da ja den Zubau und der wird für Sonderausstellungen genutzt, auch für solche, die wenig bis nichts mit van Gogh zu tun haben. Zuletzt habe ich hier eine Ausstellung über Max Beckmann's Zeit des Exils in Amsterdam gesehen, eine sehr informative Ausstellung mit einer Vielzahl eindrucksvoller Bilder.
Kann man aus der Existenz dieser 'Expositur fürs Ephemere' schließen, das auch ein van Gogh-Museum Dauerausstellungen benötigt, um Besucher immer neu zu motivieren und zu mobilisieren? Reichen die T-Shirts, Moleskine-Notizbüchlein, Puzzle, Halstücher mit Lilien und Blumen nicht, um das Museum zu erhalten.
Und wie geht es van Gogh selber, in seinem Museum? Schwer zu sagen. Die Dauerausstellung ist chronologisch gegliedert, folgt der Topografie, die das Leben des Malers gezeichnet hat und interveniert gelegentlich mit Biografischem, Zitate aus den Briefen, Äußerungen von Freunden, Fotografien - worunter die zu Plakatgröße aufgeblasene, die van Gogh während der Zeit seiner malerischen Betätigung zeigt, wie es heißt und die als solche die einzig erhaltene ist, symptomatisch gelesen werden darf. An einem Fluß in einer Vorstadt sitzt van Gogh einem seiner Malerfreunde auf einem Klappsessel gegenüber, in eine Gespräch vertieft. Er kehrt dem Betrachter (und Fotografen) den Rücken zu.
Das Museum kann mit vielen Werken aus der eigenen Sammlungen einen kunstgeschichtlichen Kontext darstellen und damit das Klischee des nie akademisch ausgebildeten 'Naturgenies' zurechtrücken. Anregungen, Effekte auf zeitgenössische Malerei können an erstrangigen Werken gezeigt werden. Doch Vorurteile Biografie und Werk betreffend und die Kanonisierung eines Werkes, oder soll man sagen - seine andauernde Rehabilitierung im Kanon der Hochkunst der Moderne verstellen einem eher den Blick.
Wie man in der Van-Gogh-Museumsmaschinerie noch zu einem eigenen Blick kommen kann, weiß ich nicht. Selbst die Kinder werden zum Van-Gogh-Malen angehalten. Und last but not least: die Museen arbeiten mit ihrem marketing und ihren Gadgets und Nippes in den Shops selbst an jener infantilisierenden Sicht der Dinge, die sie als Agenturen bürgerlicher Hochkultur von innen her anfrisst wie ein Hausschwamm. Wer Sonnenblumen-T-Shirts sät wird Jungs in Sonnenblumen-T-Shirts ernten, die vor Sonnenblumenrepros Teenies in Sonnenblumen-T-Shirts knipsen.
So schrecklich wird das ausgehen. Jawoll.
Edutainment
Schon im dem Museum benachbarten Cafe mehr Kinder als Erwachsene. Aber das Maritim Museum Rotterdam ist kein Kindermuseum. Im Foyer des Museums dann fast nur Kinder. An langen Tischen basteln und malen sie. Die Orientierung ist leicht. Eine Rampe erschließt die Stockwerke. Das erste ist dem Hafen gewidmet der mit einem saalgroßen Modell und die Wände bespielenden Filmprojektionen vorgestellt wird. Dann ein wenig Geschichte der Schiffahrt, mit den üblichen Verdächtigen bestritten: Modelle, Fragmente, Werkzeuge, Gemälde, Dokumente, Bücher. Der offene Raum ist mit Stellwänden unterteilt, die ein wenig wie Staffeleien gestaltet sind. Hier eine echte Prinzessin im Tonfilm, dort eine kleine Vitrine zur Sklaverei, 1 Text, 1 Objekt.
Noch ein Stock höher eine extra Abteilung nur für Kinder, eine Mode-Ausstellung, die um 'maritime' Bekleidung kreist, aber weder historisch plausibel ist noch als 'Modenschau'. Daneben eine zweite Wechselausstellung zur Organisation der Handelsschiffahrt, so langweilig, wie man eine solche Ausstellung nur machen kann. Bild-Text-Dokument-Bild-Text-Dokument…
So, da waren wir also schon im Maritimen Museum gewesen. - Nicht ganz. Denn vorm Museum gibt es einen Leuchtturm, Leuchtbojen und vor Anker liegende, betretbare Schiffe.
In den Niederlanden gibt es eine lange Tradition solcher explizit didaktischer Museen, die eher für ein jugendliches (schulisches) Publikum gedacht sind. Ich erinnere mich an den lange zurückliegenden Besuch des Museon in den Haag, das ja als Schulmuseum gegründet wurde, und daß mich ob der Naivität seines pädagogischen Anspruch schon damals perplex gemacht hat.
In Rotterdam war ich eher frustriert, fühlte mich getäuscht. Ein Museum wie ein Kinderbuch, hier ein nettes Objekt, dort was zum Klappen, Drehen, Schauen, hier ein bisschen echte Prinzessin.
Im Museumsladen bin ich in die Falle getappt. Ich frage nach einer Publikation zum Museum. Gibt es nicht. Der Ladenbesitzer erklärt mir wortreich, es gibt Ausstellungen und Kataloge dazu, das Museum zeige halt nicht alles was es hat usw. Wir kommen auf keinen grünen Zweig. Doch, ja, vor zwei Jahren sei ein kleines Büchlein erschienen. Man bringt mir das Heft strahlend und überreicht es mir. "Ist gratis". Und handelt von einem der Museumsschiffe vor der Tür.
Solche Museen müssen keine historische Identität ausbilden, wahrscheinlich brauchen sie überhaupt keine, es sind bestenfalls Orte des Edutainments, die ab und zu in ihrem Design und mit neuesten Medien aufgefrischt werden müssen, um ihre Funktion der unterhaltenden und zerstreuenden Belehrung gerecht zu werden.
Ich hätte besser auch malen sollen.
Noch ein Stock höher eine extra Abteilung nur für Kinder, eine Mode-Ausstellung, die um 'maritime' Bekleidung kreist, aber weder historisch plausibel ist noch als 'Modenschau'. Daneben eine zweite Wechselausstellung zur Organisation der Handelsschiffahrt, so langweilig, wie man eine solche Ausstellung nur machen kann. Bild-Text-Dokument-Bild-Text-Dokument…
So, da waren wir also schon im Maritimen Museum gewesen. - Nicht ganz. Denn vorm Museum gibt es einen Leuchtturm, Leuchtbojen und vor Anker liegende, betretbare Schiffe.
In den Niederlanden gibt es eine lange Tradition solcher explizit didaktischer Museen, die eher für ein jugendliches (schulisches) Publikum gedacht sind. Ich erinnere mich an den lange zurückliegenden Besuch des Museon in den Haag, das ja als Schulmuseum gegründet wurde, und daß mich ob der Naivität seines pädagogischen Anspruch schon damals perplex gemacht hat.
In Rotterdam war ich eher frustriert, fühlte mich getäuscht. Ein Museum wie ein Kinderbuch, hier ein nettes Objekt, dort was zum Klappen, Drehen, Schauen, hier ein bisschen echte Prinzessin.
Im Museumsladen bin ich in die Falle getappt. Ich frage nach einer Publikation zum Museum. Gibt es nicht. Der Ladenbesitzer erklärt mir wortreich, es gibt Ausstellungen und Kataloge dazu, das Museum zeige halt nicht alles was es hat usw. Wir kommen auf keinen grünen Zweig. Doch, ja, vor zwei Jahren sei ein kleines Büchlein erschienen. Man bringt mir das Heft strahlend und überreicht es mir. "Ist gratis". Und handelt von einem der Museumsschiffe vor der Tür.
Solche Museen müssen keine historische Identität ausbilden, wahrscheinlich brauchen sie überhaupt keine, es sind bestenfalls Orte des Edutainments, die ab und zu in ihrem Design und mit neuesten Medien aufgefrischt werden müssen, um ihre Funktion der unterhaltenden und zerstreuenden Belehrung gerecht zu werden.
Ich hätte besser auch malen sollen.
Sonntag, 17. Oktober 2010
Samstag, 16. Oktober 2010
Der Rücktritt des Direktors des Völkerkundemuseums. Eine Museumskrise der besonderen Art.
Nur einen Tag lang hielt sich die Meldung über den Rücktritt des Direktors des Völkerkundemuseums Wien, Christian Feest, in den Medien. Sein Vertrag sei „wegen Differenzen bezüglich der Zukunft des Museums einvernehmlich aufgelöst“ worden.
Der Rücktritt steht sicher in Zusammenhang mit der Entwicklung des Museums während der letzten Jahre. Unter dem Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums Wilfried Seipel wurde das Museum in das KHM eingegliedert (2001). Offiziell, weil es Einsparungspotential und Synergien gebe. Inofiziell wurde die Eingliederung als persönlicher Wunsch des KHM Generaldirektors gehandelt.
Das Völkerkundemuseum war jedenfalls nicht in der Lage, eine neue Dauerausstellung zu etablieren, nur eine Art Preview auf mehreren hundert Quadratmetern existiert. Die Highlights des Museums provisorisch zu zeigen, sei, so hört man aus dem Völkerkundemuseum, aus finanziellen Gründen vom KHM nicht genehmigt worden.
Inzwischen läuft ein Planungsprozess, der die Zusammenlegung des Völkerkundemuseums mit dem Volkskundemuseum vorsieht. Die Hypothek dieses Vorhabens ist, daß es nicht als strategische Erneuerung initiiert wurde, sondern aus einer fast ausweglos scheinenden Notlage des Volkskundemuseums. Der Bund zierte sich, das Museum zu retten, weil die Verantwortung bei einem Trägerverein liege. Selbstverständlich weiß jeder, daß das den Verein überfordert. Sich ganz aus der bisherigen Verantwortung zu ziehen, wäre blamabel gewesen, also kam man auf die Idee mit der Zusammenlegung.
Die Arbeitsgruppe, in der auch das KHM vertreten war, erarbeitete ein Konzept unter der weitgehend unbestrittenen Annahme, daß die fusionierten Museen wieder zu einem eigenständigen Bundesmuseum werden würden.
Im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Feest versicherte die zuständige Ministerin sofort, daß - ich zitiere aus den Medien - ein neues Bundesmuseum nicht infrage käme. Nun ist aber das Völkerkundemuseum kein neues Museum, sondern eines, das vor einigen Jahren seine Selbständigkeit ohne zwingenden Grund verloren hat. Mir ist nicht bekannt, daß die Zusammenlegung je auf ihre - vor allem finanzielle Effizienz - hin evaluiert worden wäre. Es ist auch schwer vorstellbar, worin eigentlich Synergien zwischen dem Kunst- und dem Völkerkundemuseum in Hinblick auf Sammlung, Ausstellungen oder Forschung liegen sollen.
Die Haltung des Ministeriums, keinerlei zusätzliche Kosten in die Neuorientierung des Museums zu investieren und dem Museum seine ursprüngliche Selbständigkeit zurückzugeben, ist wohl der Anlass für Feests Demission - die in einigen Medien nicht als einvernehmlich, sondern als Schritt der Resignation oder des Protestes kolportiert wird.
Zuletzt hatten die beiden Direktoren Feest und Schindler (Volkskundemuseum) unmißverständlich gegen die sich abzeichnende Entwicklung protestiert: "Unter den vorgeschlagenen Rahmenbedingungen sind die angepeilten Ziele und die hohen Ansprüche (...) nicht zu erreichen (…) Es wäre unverantwortlich, der Öffentlichkeit ein ,Museum Neu' vorzuspiegeln, wo doch nur an die möglichst kostenneutrale ,Abwicklung' des ,Problems Volks- und Völkerkundemuseum' gedacht ist."
Der Rücktritt Feests bedroht vor allem das Volkskundemuseum, dessen Zukunft nun wieder ungewisser geworden ist. Betroffen ist damit ein unterschätztes Museum, dessen Dauerausstellung noch immer zum museologisch innovativsten gehört, was es in Museen in Wien zu sehen gibt und das eine ganze Reihe von thematisch, konzeptionell und gestalterisch bemerkenswerten Ausstellungen gemacht hat. Ausgerechnet ein Museum gering zu schätzen und auszuhungern, das aktiv an einer Neuorientierung schon lange gearbeitet hat, ist sehr bedauerlich.
Kompliziert wird die Situation dadurch, daß das Museum im Vergleich zu manch anderen europäischen Völkerkundemuseen und vor allem im Vergleich zur ethnologischen universitären Forschung einen - freundlich gesagt - konservativen Kurs hielt. Das Völkerkundemuseum geriet anlässlich mehrerer Ausstellungen in die Kritik, wobei immer wieder der Mangel an Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit neuen Prinzipien und Paradigmen der Ethnologie im Zentrum stand. Während etwa das Tropenmuseum in Amsterdam schon in den 60er-Jahren seine koloniale Vergangenheit abstreifte, und in einem ständigen Prozess auf der Suche nach zeitgemäßen Formen des Umgangs mit dem Fremden und dem und den Anderen ist, reagiert das Wiener Museum kaum auf solche Entwicklungen.
Bereits unter dem Vorgänger von Christian Feest betrieb das Museum eine Politik, z.B. im Zusammenhang mit den Rückgabeforderungen die sogenannte Federkrone Montezumas betreffend, die äußerst befremdlich war. Bei der großen Benin-Ausstellung wurde wohl die Grundlage des Vorhandenseins von Sammlungen in europäischen Museen dokumentiert, also die koloniale blutige Unterdrückungs- und Zerstörungspolitik und der dadurch mögliche Raubzug. Aber bezüglich der museologischen Implikationen der gewaltförmigen Herkunft der Sammlung zeigte sich das Museum ebenso ungeschickt wie im diplomatischen Umgang mit den heutigen afrikanischen Interessen.
Man muß deswegen auch skeptisch sein, daß vor dem Hintergrund dieser Ereignisse ausgerechnet das Völkerkundemuseum - im Verein mit dem Volkskundemuseum - Träger und Moderator einer neuen Museumsidee und eines neuen Museumstyps werden kann. Das in Diskussion befindliche Konzept ist zwar voll guter Absichten, die auf geduldigem Papier ausgebreitet werden, aber letztlich läuft es darauf hinaus, die Identität beider Häuser zu bewahren und eine Schnittstelle zwischen beiden Sammlungen zu schaffen.
Die Direktion des Völkerkundemuseums soll rasch ausgeschrieben werden und das unter der Regie des KHM. Wie soll jemand bereit sein unter derartigen Umständen und mit derartigen Vorgaben das Museum zu übernehmen, wie will man jemanden unter diesen Bedingungen finden, der dem Völkerkundemuseum und dem neuen Konstrukt eines Verbundmuseums neue Perspektiven eröffnet - ohne Budget, ohne Eigenständigkeit und ohne politischen Willen?
Wahrscheinlich will man das auch gar nicht.
"Museumskrise". Zum ersten Mal habe ich das Wort in einer österreichischen Zeitung entdeckt. Sogar als Überschrift einer Glosse. Zur Krise gehört aber auch die Kurzatmigkeit der Medien und die notorische Personalisierung ebenso, wie jene strukturellen Fragen, die darunter nicht mehr sichtbar werden. Seit ich mich mit einschlägigen Fragen beschäftige, ist immer "der Minister" das Zentrum an das appelliert wird oder das attackiert wird. Man übersieht, daß der Staat auch Museumspolitik nur treuhänderisch macht, aber schwerlich im gesellschaftlich luftleeren Raum agieren kann. Wenn weder die Museen selbst substantielle Diskurse zustandebringen, noch eine analoge zivilgesellschaftliche Debatte entsteht, bleibt nur das paternalistische Agieren des "Ministers". Museumspolitik kann letztlich nur allgemeine Rahmenbedingungen schaffen, aber mit Sinn und Inhalt gefüllt werden muss sie von den Museen selbst und den Communities, von denen sie getragen und unterstützt werden.
Ein Blick nach Hamburg: die dort vom Senat beschlossen Schließung eines Museum mit etwa 70 Mitarbeitern, 300.000 Objekten und einer Geschichte von etwa 150 Jahren hat tausende Menschen auf die Straße gebracht, ist täglich Gegenstand auch überregionaler Medien, solidarisierte diverse Kulturinstitutionen in der Stadt und mobilisierte namhafte Persönlichkeiten, wie Jürgen Flimm, Werner Hofmann oder Helmut Schmidt, die sich als Bürger zu Wort melden. Zentraler Kritikpunkt: der Senat habe ohne jede Bürgerbeteiligung gehandelt.
Nichts, aber wirklich nichts davon, in Wien. Wo aber solche Öffentlichkeit komplett fehlt, hat die ministerielle Politik und haben auch sehr idiosynkratische Direktoren freie Bahn. Das Pochen von Museumsleitern auf Autonomie, legt diese Autonomie ziemlich mißverständlich aus, wenn man glaubt, damit auch das Publikum negieren zu können.
Das Völkerkundemuseum z.B. kommuniziert die Tatsache, daß die Schausammlung bis auf kleine Teile nicht zu sehen ist (seit Jahren) praktisch nicht. Das Besucherbuch ist voll von langen, gewichtigen Einträgen von enttäuschten, verärgerten oder empörten Besuchern. Bei Besuchen des Museums bin ich mehrmals zufälliger Zeuge von Szenen geworden, wo weitgereiste Besucher fassungslos nach der Sammlung fragten und ebenso fassungslos ein " das wissen wir nicht" zu hören bekamen, das sie auf die Frage, wann denn die Sammlungen wieder zu sehen sein würden, bekamen.
Auf der Internetseite kann ich keinerlei Hinweis auf diesen Umstand finden. Im Gegenteil, unter Sammlungen werden diese und ihre Highlights im Präsens gewürdigt und die Erwartung bedient, adß sie zu sehen sind. Man kann Infos über Preise, Schließzeiten zu Feiertagen, behindertengerechte Besuchsmöglichkeiten etc. finden, so viel ich sehe, keinen über den Umstand, daß es die Sammlungen fast ganz abgeräumt sind.
Als mir das aufgefallen ist, habe ich zweimal ein höflich-fragendes Mail an die einschlägige für Besucher gedachte Adresse geschickt. Eine Reaktion gab es nicht.
Den Museen könnte eine solche Haltung noch einmal auf den Kopf fallen. So gewinnt mein keine Besucher und vor allem keine, die im Krisenfall zum Haus stehen und es unterstützen.
Der Rücktritt steht sicher in Zusammenhang mit der Entwicklung des Museums während der letzten Jahre. Unter dem Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums Wilfried Seipel wurde das Museum in das KHM eingegliedert (2001). Offiziell, weil es Einsparungspotential und Synergien gebe. Inofiziell wurde die Eingliederung als persönlicher Wunsch des KHM Generaldirektors gehandelt.
Das Völkerkundemuseum war jedenfalls nicht in der Lage, eine neue Dauerausstellung zu etablieren, nur eine Art Preview auf mehreren hundert Quadratmetern existiert. Die Highlights des Museums provisorisch zu zeigen, sei, so hört man aus dem Völkerkundemuseum, aus finanziellen Gründen vom KHM nicht genehmigt worden.
Inzwischen läuft ein Planungsprozess, der die Zusammenlegung des Völkerkundemuseums mit dem Volkskundemuseum vorsieht. Die Hypothek dieses Vorhabens ist, daß es nicht als strategische Erneuerung initiiert wurde, sondern aus einer fast ausweglos scheinenden Notlage des Volkskundemuseums. Der Bund zierte sich, das Museum zu retten, weil die Verantwortung bei einem Trägerverein liege. Selbstverständlich weiß jeder, daß das den Verein überfordert. Sich ganz aus der bisherigen Verantwortung zu ziehen, wäre blamabel gewesen, also kam man auf die Idee mit der Zusammenlegung.
Die Arbeitsgruppe, in der auch das KHM vertreten war, erarbeitete ein Konzept unter der weitgehend unbestrittenen Annahme, daß die fusionierten Museen wieder zu einem eigenständigen Bundesmuseum werden würden.
Im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Feest versicherte die zuständige Ministerin sofort, daß - ich zitiere aus den Medien - ein neues Bundesmuseum nicht infrage käme. Nun ist aber das Völkerkundemuseum kein neues Museum, sondern eines, das vor einigen Jahren seine Selbständigkeit ohne zwingenden Grund verloren hat. Mir ist nicht bekannt, daß die Zusammenlegung je auf ihre - vor allem finanzielle Effizienz - hin evaluiert worden wäre. Es ist auch schwer vorstellbar, worin eigentlich Synergien zwischen dem Kunst- und dem Völkerkundemuseum in Hinblick auf Sammlung, Ausstellungen oder Forschung liegen sollen.
Die Haltung des Ministeriums, keinerlei zusätzliche Kosten in die Neuorientierung des Museums zu investieren und dem Museum seine ursprüngliche Selbständigkeit zurückzugeben, ist wohl der Anlass für Feests Demission - die in einigen Medien nicht als einvernehmlich, sondern als Schritt der Resignation oder des Protestes kolportiert wird.
Zuletzt hatten die beiden Direktoren Feest und Schindler (Volkskundemuseum) unmißverständlich gegen die sich abzeichnende Entwicklung protestiert: "Unter den vorgeschlagenen Rahmenbedingungen sind die angepeilten Ziele und die hohen Ansprüche (...) nicht zu erreichen (…) Es wäre unverantwortlich, der Öffentlichkeit ein ,Museum Neu' vorzuspiegeln, wo doch nur an die möglichst kostenneutrale ,Abwicklung' des ,Problems Volks- und Völkerkundemuseum' gedacht ist."
Der Rücktritt Feests bedroht vor allem das Volkskundemuseum, dessen Zukunft nun wieder ungewisser geworden ist. Betroffen ist damit ein unterschätztes Museum, dessen Dauerausstellung noch immer zum museologisch innovativsten gehört, was es in Museen in Wien zu sehen gibt und das eine ganze Reihe von thematisch, konzeptionell und gestalterisch bemerkenswerten Ausstellungen gemacht hat. Ausgerechnet ein Museum gering zu schätzen und auszuhungern, das aktiv an einer Neuorientierung schon lange gearbeitet hat, ist sehr bedauerlich.
Kompliziert wird die Situation dadurch, daß das Museum im Vergleich zu manch anderen europäischen Völkerkundemuseen und vor allem im Vergleich zur ethnologischen universitären Forschung einen - freundlich gesagt - konservativen Kurs hielt. Das Völkerkundemuseum geriet anlässlich mehrerer Ausstellungen in die Kritik, wobei immer wieder der Mangel an Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit neuen Prinzipien und Paradigmen der Ethnologie im Zentrum stand. Während etwa das Tropenmuseum in Amsterdam schon in den 60er-Jahren seine koloniale Vergangenheit abstreifte, und in einem ständigen Prozess auf der Suche nach zeitgemäßen Formen des Umgangs mit dem Fremden und dem und den Anderen ist, reagiert das Wiener Museum kaum auf solche Entwicklungen.
Bereits unter dem Vorgänger von Christian Feest betrieb das Museum eine Politik, z.B. im Zusammenhang mit den Rückgabeforderungen die sogenannte Federkrone Montezumas betreffend, die äußerst befremdlich war. Bei der großen Benin-Ausstellung wurde wohl die Grundlage des Vorhandenseins von Sammlungen in europäischen Museen dokumentiert, also die koloniale blutige Unterdrückungs- und Zerstörungspolitik und der dadurch mögliche Raubzug. Aber bezüglich der museologischen Implikationen der gewaltförmigen Herkunft der Sammlung zeigte sich das Museum ebenso ungeschickt wie im diplomatischen Umgang mit den heutigen afrikanischen Interessen.
Man muß deswegen auch skeptisch sein, daß vor dem Hintergrund dieser Ereignisse ausgerechnet das Völkerkundemuseum - im Verein mit dem Volkskundemuseum - Träger und Moderator einer neuen Museumsidee und eines neuen Museumstyps werden kann. Das in Diskussion befindliche Konzept ist zwar voll guter Absichten, die auf geduldigem Papier ausgebreitet werden, aber letztlich läuft es darauf hinaus, die Identität beider Häuser zu bewahren und eine Schnittstelle zwischen beiden Sammlungen zu schaffen.
Die Direktion des Völkerkundemuseums soll rasch ausgeschrieben werden und das unter der Regie des KHM. Wie soll jemand bereit sein unter derartigen Umständen und mit derartigen Vorgaben das Museum zu übernehmen, wie will man jemanden unter diesen Bedingungen finden, der dem Völkerkundemuseum und dem neuen Konstrukt eines Verbundmuseums neue Perspektiven eröffnet - ohne Budget, ohne Eigenständigkeit und ohne politischen Willen?
Wahrscheinlich will man das auch gar nicht.
"Museumskrise". Zum ersten Mal habe ich das Wort in einer österreichischen Zeitung entdeckt. Sogar als Überschrift einer Glosse. Zur Krise gehört aber auch die Kurzatmigkeit der Medien und die notorische Personalisierung ebenso, wie jene strukturellen Fragen, die darunter nicht mehr sichtbar werden. Seit ich mich mit einschlägigen Fragen beschäftige, ist immer "der Minister" das Zentrum an das appelliert wird oder das attackiert wird. Man übersieht, daß der Staat auch Museumspolitik nur treuhänderisch macht, aber schwerlich im gesellschaftlich luftleeren Raum agieren kann. Wenn weder die Museen selbst substantielle Diskurse zustandebringen, noch eine analoge zivilgesellschaftliche Debatte entsteht, bleibt nur das paternalistische Agieren des "Ministers". Museumspolitik kann letztlich nur allgemeine Rahmenbedingungen schaffen, aber mit Sinn und Inhalt gefüllt werden muss sie von den Museen selbst und den Communities, von denen sie getragen und unterstützt werden.
Ein Blick nach Hamburg: die dort vom Senat beschlossen Schließung eines Museum mit etwa 70 Mitarbeitern, 300.000 Objekten und einer Geschichte von etwa 150 Jahren hat tausende Menschen auf die Straße gebracht, ist täglich Gegenstand auch überregionaler Medien, solidarisierte diverse Kulturinstitutionen in der Stadt und mobilisierte namhafte Persönlichkeiten, wie Jürgen Flimm, Werner Hofmann oder Helmut Schmidt, die sich als Bürger zu Wort melden. Zentraler Kritikpunkt: der Senat habe ohne jede Bürgerbeteiligung gehandelt.
Nichts, aber wirklich nichts davon, in Wien. Wo aber solche Öffentlichkeit komplett fehlt, hat die ministerielle Politik und haben auch sehr idiosynkratische Direktoren freie Bahn. Das Pochen von Museumsleitern auf Autonomie, legt diese Autonomie ziemlich mißverständlich aus, wenn man glaubt, damit auch das Publikum negieren zu können.
Das Völkerkundemuseum z.B. kommuniziert die Tatsache, daß die Schausammlung bis auf kleine Teile nicht zu sehen ist (seit Jahren) praktisch nicht. Das Besucherbuch ist voll von langen, gewichtigen Einträgen von enttäuschten, verärgerten oder empörten Besuchern. Bei Besuchen des Museums bin ich mehrmals zufälliger Zeuge von Szenen geworden, wo weitgereiste Besucher fassungslos nach der Sammlung fragten und ebenso fassungslos ein " das wissen wir nicht" zu hören bekamen, das sie auf die Frage, wann denn die Sammlungen wieder zu sehen sein würden, bekamen.
Auf der Internetseite kann ich keinerlei Hinweis auf diesen Umstand finden. Im Gegenteil, unter Sammlungen werden diese und ihre Highlights im Präsens gewürdigt und die Erwartung bedient, adß sie zu sehen sind. Man kann Infos über Preise, Schließzeiten zu Feiertagen, behindertengerechte Besuchsmöglichkeiten etc. finden, so viel ich sehe, keinen über den Umstand, daß es die Sammlungen fast ganz abgeräumt sind.
Als mir das aufgefallen ist, habe ich zweimal ein höflich-fragendes Mail an die einschlägige für Besucher gedachte Adresse geschickt. Eine Reaktion gab es nicht.
Den Museen könnte eine solche Haltung noch einmal auf den Kopf fallen. So gewinnt mein keine Besucher und vor allem keine, die im Krisenfall zum Haus stehen und es unterstützen.
Heimat und Dilettantismus. Helmut Schmidt und Werner Hofmann zur Schließung des Altonaer Museums
Der Protest gegen die Schließung des Altonaer Museums und gegen die Kulturpolitik des Hamburger Senats bekommt Gewicht durch prominenete Äußerungen. Jürgen Flimm wurde wieder jung ("Als alter Apo-Fuzzi sage ich Ihnen, dass man eine Strategie entwickeln muss. Wir wissen doch, wo der Gegner steht") und der Direktor des betroffenen Hauses argumentiert sozialanthropologisch ("Museen waren früher heilig. Sie hatten eine Aura, weil dort die Vergangenheit aufbewahrt wurde.")Die größte Aufmerksamkeit galt nicht überraschend der Helmut Schmidts ("Für mich ist seit Kinderzeiten das Altonaer Museum ein fester Bestandteil meiner hamburgischen Heimat"), die am elegantesten formulierte kann man heute lesen, sie ist von Werner Hofmann und findet sich in der WELT: "Erneut gilt deshalb die Warnung, die Alfred Lichtwark (der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle) vor genau hundert Jahren an die Gegner des Universitätsprojekts richtete: 'Der kostspielige Luxus, den sich der Einzelne und der Staat leisten kann, ist Beschränktheit und Unwissenheit!"
Dienstag, 12. Oktober 2010
Bürger! Revoltiert! Ruft die FAZ
Ausführlich widmet sich die heutige FAZ noch einmal der Hamburger Kulturpolitik. Neue Fakten gibt es nicht, dafür ziemlich viel Hohn für namentlich attackierte einstige und jetzige (Kultur)politiker. Bemerkenswert ist die Sehnsucht des konservativen Blattes nach bürgerlicher Revolte.
"Formiert sich das immer noch starke Bürgertum dieser fiskalisch armen, aber an Privatvermögen und Stiftungen so reichen Stadt, gibt es gar Großdemonstrationen? Nein. Nichts, was über eher hilflos anmutende Aktionen der direkt Betroffenen hinausgeht." Der Autor des Artikels, Volker Corsten, stöhnt entsetzt auf, wenn er miterleben muß, daß Kultursenator und Bürgermeister "weitgehend unbehelligt" zu einer Diskussionsveranstaltung gehen konnten, auf der es keine Zwischenrufe" gab. Die Zeitung, die es gerne widerständiger hätte, räumt ein: "Die Politiker kommen auch deshalb so glimpflich davon, weil der Kultursenator sich die Institutionen vorgenommen hat, die in der Stadt keine Lobby (mehr) haben.".
"Formiert sich das immer noch starke Bürgertum dieser fiskalisch armen, aber an Privatvermögen und Stiftungen so reichen Stadt, gibt es gar Großdemonstrationen? Nein. Nichts, was über eher hilflos anmutende Aktionen der direkt Betroffenen hinausgeht." Der Autor des Artikels, Volker Corsten, stöhnt entsetzt auf, wenn er miterleben muß, daß Kultursenator und Bürgermeister "weitgehend unbehelligt" zu einer Diskussionsveranstaltung gehen konnten, auf der es keine Zwischenrufe" gab. Die Zeitung, die es gerne widerständiger hätte, räumt ein: "Die Politiker kommen auch deshalb so glimpflich davon, weil der Kultursenator sich die Institutionen vorgenommen hat, die in der Stadt keine Lobby (mehr) haben.".
Samstag, 9. Oktober 2010
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