Sonntag, 17. Oktober 2010
Samstag, 16. Oktober 2010
Der Rücktritt des Direktors des Völkerkundemuseums. Eine Museumskrise der besonderen Art.
Nur einen Tag lang hielt sich die Meldung über den Rücktritt des Direktors des Völkerkundemuseums Wien, Christian Feest, in den Medien. Sein Vertrag sei „wegen Differenzen bezüglich der Zukunft des Museums einvernehmlich aufgelöst“ worden.
Der Rücktritt steht sicher in Zusammenhang mit der Entwicklung des Museums während der letzten Jahre. Unter dem Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums Wilfried Seipel wurde das Museum in das KHM eingegliedert (2001). Offiziell, weil es Einsparungspotential und Synergien gebe. Inofiziell wurde die Eingliederung als persönlicher Wunsch des KHM Generaldirektors gehandelt.
Das Völkerkundemuseum war jedenfalls nicht in der Lage, eine neue Dauerausstellung zu etablieren, nur eine Art Preview auf mehreren hundert Quadratmetern existiert. Die Highlights des Museums provisorisch zu zeigen, sei, so hört man aus dem Völkerkundemuseum, aus finanziellen Gründen vom KHM nicht genehmigt worden.
Inzwischen läuft ein Planungsprozess, der die Zusammenlegung des Völkerkundemuseums mit dem Volkskundemuseum vorsieht. Die Hypothek dieses Vorhabens ist, daß es nicht als strategische Erneuerung initiiert wurde, sondern aus einer fast ausweglos scheinenden Notlage des Volkskundemuseums. Der Bund zierte sich, das Museum zu retten, weil die Verantwortung bei einem Trägerverein liege. Selbstverständlich weiß jeder, daß das den Verein überfordert. Sich ganz aus der bisherigen Verantwortung zu ziehen, wäre blamabel gewesen, also kam man auf die Idee mit der Zusammenlegung.
Die Arbeitsgruppe, in der auch das KHM vertreten war, erarbeitete ein Konzept unter der weitgehend unbestrittenen Annahme, daß die fusionierten Museen wieder zu einem eigenständigen Bundesmuseum werden würden.
Im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Feest versicherte die zuständige Ministerin sofort, daß - ich zitiere aus den Medien - ein neues Bundesmuseum nicht infrage käme. Nun ist aber das Völkerkundemuseum kein neues Museum, sondern eines, das vor einigen Jahren seine Selbständigkeit ohne zwingenden Grund verloren hat. Mir ist nicht bekannt, daß die Zusammenlegung je auf ihre - vor allem finanzielle Effizienz - hin evaluiert worden wäre. Es ist auch schwer vorstellbar, worin eigentlich Synergien zwischen dem Kunst- und dem Völkerkundemuseum in Hinblick auf Sammlung, Ausstellungen oder Forschung liegen sollen.
Die Haltung des Ministeriums, keinerlei zusätzliche Kosten in die Neuorientierung des Museums zu investieren und dem Museum seine ursprüngliche Selbständigkeit zurückzugeben, ist wohl der Anlass für Feests Demission - die in einigen Medien nicht als einvernehmlich, sondern als Schritt der Resignation oder des Protestes kolportiert wird.
Zuletzt hatten die beiden Direktoren Feest und Schindler (Volkskundemuseum) unmißverständlich gegen die sich abzeichnende Entwicklung protestiert: "Unter den vorgeschlagenen Rahmenbedingungen sind die angepeilten Ziele und die hohen Ansprüche (...) nicht zu erreichen (…) Es wäre unverantwortlich, der Öffentlichkeit ein ,Museum Neu' vorzuspiegeln, wo doch nur an die möglichst kostenneutrale ,Abwicklung' des ,Problems Volks- und Völkerkundemuseum' gedacht ist."
Der Rücktritt Feests bedroht vor allem das Volkskundemuseum, dessen Zukunft nun wieder ungewisser geworden ist. Betroffen ist damit ein unterschätztes Museum, dessen Dauerausstellung noch immer zum museologisch innovativsten gehört, was es in Museen in Wien zu sehen gibt und das eine ganze Reihe von thematisch, konzeptionell und gestalterisch bemerkenswerten Ausstellungen gemacht hat. Ausgerechnet ein Museum gering zu schätzen und auszuhungern, das aktiv an einer Neuorientierung schon lange gearbeitet hat, ist sehr bedauerlich.
Kompliziert wird die Situation dadurch, daß das Museum im Vergleich zu manch anderen europäischen Völkerkundemuseen und vor allem im Vergleich zur ethnologischen universitären Forschung einen - freundlich gesagt - konservativen Kurs hielt. Das Völkerkundemuseum geriet anlässlich mehrerer Ausstellungen in die Kritik, wobei immer wieder der Mangel an Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit neuen Prinzipien und Paradigmen der Ethnologie im Zentrum stand. Während etwa das Tropenmuseum in Amsterdam schon in den 60er-Jahren seine koloniale Vergangenheit abstreifte, und in einem ständigen Prozess auf der Suche nach zeitgemäßen Formen des Umgangs mit dem Fremden und dem und den Anderen ist, reagiert das Wiener Museum kaum auf solche Entwicklungen.
Bereits unter dem Vorgänger von Christian Feest betrieb das Museum eine Politik, z.B. im Zusammenhang mit den Rückgabeforderungen die sogenannte Federkrone Montezumas betreffend, die äußerst befremdlich war. Bei der großen Benin-Ausstellung wurde wohl die Grundlage des Vorhandenseins von Sammlungen in europäischen Museen dokumentiert, also die koloniale blutige Unterdrückungs- und Zerstörungspolitik und der dadurch mögliche Raubzug. Aber bezüglich der museologischen Implikationen der gewaltförmigen Herkunft der Sammlung zeigte sich das Museum ebenso ungeschickt wie im diplomatischen Umgang mit den heutigen afrikanischen Interessen.
Man muß deswegen auch skeptisch sein, daß vor dem Hintergrund dieser Ereignisse ausgerechnet das Völkerkundemuseum - im Verein mit dem Volkskundemuseum - Träger und Moderator einer neuen Museumsidee und eines neuen Museumstyps werden kann. Das in Diskussion befindliche Konzept ist zwar voll guter Absichten, die auf geduldigem Papier ausgebreitet werden, aber letztlich läuft es darauf hinaus, die Identität beider Häuser zu bewahren und eine Schnittstelle zwischen beiden Sammlungen zu schaffen.
Die Direktion des Völkerkundemuseums soll rasch ausgeschrieben werden und das unter der Regie des KHM. Wie soll jemand bereit sein unter derartigen Umständen und mit derartigen Vorgaben das Museum zu übernehmen, wie will man jemanden unter diesen Bedingungen finden, der dem Völkerkundemuseum und dem neuen Konstrukt eines Verbundmuseums neue Perspektiven eröffnet - ohne Budget, ohne Eigenständigkeit und ohne politischen Willen?
Wahrscheinlich will man das auch gar nicht.
"Museumskrise". Zum ersten Mal habe ich das Wort in einer österreichischen Zeitung entdeckt. Sogar als Überschrift einer Glosse. Zur Krise gehört aber auch die Kurzatmigkeit der Medien und die notorische Personalisierung ebenso, wie jene strukturellen Fragen, die darunter nicht mehr sichtbar werden. Seit ich mich mit einschlägigen Fragen beschäftige, ist immer "der Minister" das Zentrum an das appelliert wird oder das attackiert wird. Man übersieht, daß der Staat auch Museumspolitik nur treuhänderisch macht, aber schwerlich im gesellschaftlich luftleeren Raum agieren kann. Wenn weder die Museen selbst substantielle Diskurse zustandebringen, noch eine analoge zivilgesellschaftliche Debatte entsteht, bleibt nur das paternalistische Agieren des "Ministers". Museumspolitik kann letztlich nur allgemeine Rahmenbedingungen schaffen, aber mit Sinn und Inhalt gefüllt werden muss sie von den Museen selbst und den Communities, von denen sie getragen und unterstützt werden.
Ein Blick nach Hamburg: die dort vom Senat beschlossen Schließung eines Museum mit etwa 70 Mitarbeitern, 300.000 Objekten und einer Geschichte von etwa 150 Jahren hat tausende Menschen auf die Straße gebracht, ist täglich Gegenstand auch überregionaler Medien, solidarisierte diverse Kulturinstitutionen in der Stadt und mobilisierte namhafte Persönlichkeiten, wie Jürgen Flimm, Werner Hofmann oder Helmut Schmidt, die sich als Bürger zu Wort melden. Zentraler Kritikpunkt: der Senat habe ohne jede Bürgerbeteiligung gehandelt.
Nichts, aber wirklich nichts davon, in Wien. Wo aber solche Öffentlichkeit komplett fehlt, hat die ministerielle Politik und haben auch sehr idiosynkratische Direktoren freie Bahn. Das Pochen von Museumsleitern auf Autonomie, legt diese Autonomie ziemlich mißverständlich aus, wenn man glaubt, damit auch das Publikum negieren zu können.
Das Völkerkundemuseum z.B. kommuniziert die Tatsache, daß die Schausammlung bis auf kleine Teile nicht zu sehen ist (seit Jahren) praktisch nicht. Das Besucherbuch ist voll von langen, gewichtigen Einträgen von enttäuschten, verärgerten oder empörten Besuchern. Bei Besuchen des Museums bin ich mehrmals zufälliger Zeuge von Szenen geworden, wo weitgereiste Besucher fassungslos nach der Sammlung fragten und ebenso fassungslos ein " das wissen wir nicht" zu hören bekamen, das sie auf die Frage, wann denn die Sammlungen wieder zu sehen sein würden, bekamen.
Auf der Internetseite kann ich keinerlei Hinweis auf diesen Umstand finden. Im Gegenteil, unter Sammlungen werden diese und ihre Highlights im Präsens gewürdigt und die Erwartung bedient, adß sie zu sehen sind. Man kann Infos über Preise, Schließzeiten zu Feiertagen, behindertengerechte Besuchsmöglichkeiten etc. finden, so viel ich sehe, keinen über den Umstand, daß es die Sammlungen fast ganz abgeräumt sind.
Als mir das aufgefallen ist, habe ich zweimal ein höflich-fragendes Mail an die einschlägige für Besucher gedachte Adresse geschickt. Eine Reaktion gab es nicht.
Den Museen könnte eine solche Haltung noch einmal auf den Kopf fallen. So gewinnt mein keine Besucher und vor allem keine, die im Krisenfall zum Haus stehen und es unterstützen.
Der Rücktritt steht sicher in Zusammenhang mit der Entwicklung des Museums während der letzten Jahre. Unter dem Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums Wilfried Seipel wurde das Museum in das KHM eingegliedert (2001). Offiziell, weil es Einsparungspotential und Synergien gebe. Inofiziell wurde die Eingliederung als persönlicher Wunsch des KHM Generaldirektors gehandelt.
Das Völkerkundemuseum war jedenfalls nicht in der Lage, eine neue Dauerausstellung zu etablieren, nur eine Art Preview auf mehreren hundert Quadratmetern existiert. Die Highlights des Museums provisorisch zu zeigen, sei, so hört man aus dem Völkerkundemuseum, aus finanziellen Gründen vom KHM nicht genehmigt worden.
Inzwischen läuft ein Planungsprozess, der die Zusammenlegung des Völkerkundemuseums mit dem Volkskundemuseum vorsieht. Die Hypothek dieses Vorhabens ist, daß es nicht als strategische Erneuerung initiiert wurde, sondern aus einer fast ausweglos scheinenden Notlage des Volkskundemuseums. Der Bund zierte sich, das Museum zu retten, weil die Verantwortung bei einem Trägerverein liege. Selbstverständlich weiß jeder, daß das den Verein überfordert. Sich ganz aus der bisherigen Verantwortung zu ziehen, wäre blamabel gewesen, also kam man auf die Idee mit der Zusammenlegung.
Die Arbeitsgruppe, in der auch das KHM vertreten war, erarbeitete ein Konzept unter der weitgehend unbestrittenen Annahme, daß die fusionierten Museen wieder zu einem eigenständigen Bundesmuseum werden würden.
Im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Feest versicherte die zuständige Ministerin sofort, daß - ich zitiere aus den Medien - ein neues Bundesmuseum nicht infrage käme. Nun ist aber das Völkerkundemuseum kein neues Museum, sondern eines, das vor einigen Jahren seine Selbständigkeit ohne zwingenden Grund verloren hat. Mir ist nicht bekannt, daß die Zusammenlegung je auf ihre - vor allem finanzielle Effizienz - hin evaluiert worden wäre. Es ist auch schwer vorstellbar, worin eigentlich Synergien zwischen dem Kunst- und dem Völkerkundemuseum in Hinblick auf Sammlung, Ausstellungen oder Forschung liegen sollen.
Die Haltung des Ministeriums, keinerlei zusätzliche Kosten in die Neuorientierung des Museums zu investieren und dem Museum seine ursprüngliche Selbständigkeit zurückzugeben, ist wohl der Anlass für Feests Demission - die in einigen Medien nicht als einvernehmlich, sondern als Schritt der Resignation oder des Protestes kolportiert wird.
Zuletzt hatten die beiden Direktoren Feest und Schindler (Volkskundemuseum) unmißverständlich gegen die sich abzeichnende Entwicklung protestiert: "Unter den vorgeschlagenen Rahmenbedingungen sind die angepeilten Ziele und die hohen Ansprüche (...) nicht zu erreichen (…) Es wäre unverantwortlich, der Öffentlichkeit ein ,Museum Neu' vorzuspiegeln, wo doch nur an die möglichst kostenneutrale ,Abwicklung' des ,Problems Volks- und Völkerkundemuseum' gedacht ist."
Der Rücktritt Feests bedroht vor allem das Volkskundemuseum, dessen Zukunft nun wieder ungewisser geworden ist. Betroffen ist damit ein unterschätztes Museum, dessen Dauerausstellung noch immer zum museologisch innovativsten gehört, was es in Museen in Wien zu sehen gibt und das eine ganze Reihe von thematisch, konzeptionell und gestalterisch bemerkenswerten Ausstellungen gemacht hat. Ausgerechnet ein Museum gering zu schätzen und auszuhungern, das aktiv an einer Neuorientierung schon lange gearbeitet hat, ist sehr bedauerlich.
Kompliziert wird die Situation dadurch, daß das Museum im Vergleich zu manch anderen europäischen Völkerkundemuseen und vor allem im Vergleich zur ethnologischen universitären Forschung einen - freundlich gesagt - konservativen Kurs hielt. Das Völkerkundemuseum geriet anlässlich mehrerer Ausstellungen in die Kritik, wobei immer wieder der Mangel an Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit neuen Prinzipien und Paradigmen der Ethnologie im Zentrum stand. Während etwa das Tropenmuseum in Amsterdam schon in den 60er-Jahren seine koloniale Vergangenheit abstreifte, und in einem ständigen Prozess auf der Suche nach zeitgemäßen Formen des Umgangs mit dem Fremden und dem und den Anderen ist, reagiert das Wiener Museum kaum auf solche Entwicklungen.
Bereits unter dem Vorgänger von Christian Feest betrieb das Museum eine Politik, z.B. im Zusammenhang mit den Rückgabeforderungen die sogenannte Federkrone Montezumas betreffend, die äußerst befremdlich war. Bei der großen Benin-Ausstellung wurde wohl die Grundlage des Vorhandenseins von Sammlungen in europäischen Museen dokumentiert, also die koloniale blutige Unterdrückungs- und Zerstörungspolitik und der dadurch mögliche Raubzug. Aber bezüglich der museologischen Implikationen der gewaltförmigen Herkunft der Sammlung zeigte sich das Museum ebenso ungeschickt wie im diplomatischen Umgang mit den heutigen afrikanischen Interessen.
Man muß deswegen auch skeptisch sein, daß vor dem Hintergrund dieser Ereignisse ausgerechnet das Völkerkundemuseum - im Verein mit dem Volkskundemuseum - Träger und Moderator einer neuen Museumsidee und eines neuen Museumstyps werden kann. Das in Diskussion befindliche Konzept ist zwar voll guter Absichten, die auf geduldigem Papier ausgebreitet werden, aber letztlich läuft es darauf hinaus, die Identität beider Häuser zu bewahren und eine Schnittstelle zwischen beiden Sammlungen zu schaffen.
Die Direktion des Völkerkundemuseums soll rasch ausgeschrieben werden und das unter der Regie des KHM. Wie soll jemand bereit sein unter derartigen Umständen und mit derartigen Vorgaben das Museum zu übernehmen, wie will man jemanden unter diesen Bedingungen finden, der dem Völkerkundemuseum und dem neuen Konstrukt eines Verbundmuseums neue Perspektiven eröffnet - ohne Budget, ohne Eigenständigkeit und ohne politischen Willen?
Wahrscheinlich will man das auch gar nicht.
"Museumskrise". Zum ersten Mal habe ich das Wort in einer österreichischen Zeitung entdeckt. Sogar als Überschrift einer Glosse. Zur Krise gehört aber auch die Kurzatmigkeit der Medien und die notorische Personalisierung ebenso, wie jene strukturellen Fragen, die darunter nicht mehr sichtbar werden. Seit ich mich mit einschlägigen Fragen beschäftige, ist immer "der Minister" das Zentrum an das appelliert wird oder das attackiert wird. Man übersieht, daß der Staat auch Museumspolitik nur treuhänderisch macht, aber schwerlich im gesellschaftlich luftleeren Raum agieren kann. Wenn weder die Museen selbst substantielle Diskurse zustandebringen, noch eine analoge zivilgesellschaftliche Debatte entsteht, bleibt nur das paternalistische Agieren des "Ministers". Museumspolitik kann letztlich nur allgemeine Rahmenbedingungen schaffen, aber mit Sinn und Inhalt gefüllt werden muss sie von den Museen selbst und den Communities, von denen sie getragen und unterstützt werden.
Ein Blick nach Hamburg: die dort vom Senat beschlossen Schließung eines Museum mit etwa 70 Mitarbeitern, 300.000 Objekten und einer Geschichte von etwa 150 Jahren hat tausende Menschen auf die Straße gebracht, ist täglich Gegenstand auch überregionaler Medien, solidarisierte diverse Kulturinstitutionen in der Stadt und mobilisierte namhafte Persönlichkeiten, wie Jürgen Flimm, Werner Hofmann oder Helmut Schmidt, die sich als Bürger zu Wort melden. Zentraler Kritikpunkt: der Senat habe ohne jede Bürgerbeteiligung gehandelt.
Nichts, aber wirklich nichts davon, in Wien. Wo aber solche Öffentlichkeit komplett fehlt, hat die ministerielle Politik und haben auch sehr idiosynkratische Direktoren freie Bahn. Das Pochen von Museumsleitern auf Autonomie, legt diese Autonomie ziemlich mißverständlich aus, wenn man glaubt, damit auch das Publikum negieren zu können.
Das Völkerkundemuseum z.B. kommuniziert die Tatsache, daß die Schausammlung bis auf kleine Teile nicht zu sehen ist (seit Jahren) praktisch nicht. Das Besucherbuch ist voll von langen, gewichtigen Einträgen von enttäuschten, verärgerten oder empörten Besuchern. Bei Besuchen des Museums bin ich mehrmals zufälliger Zeuge von Szenen geworden, wo weitgereiste Besucher fassungslos nach der Sammlung fragten und ebenso fassungslos ein " das wissen wir nicht" zu hören bekamen, das sie auf die Frage, wann denn die Sammlungen wieder zu sehen sein würden, bekamen.
Auf der Internetseite kann ich keinerlei Hinweis auf diesen Umstand finden. Im Gegenteil, unter Sammlungen werden diese und ihre Highlights im Präsens gewürdigt und die Erwartung bedient, adß sie zu sehen sind. Man kann Infos über Preise, Schließzeiten zu Feiertagen, behindertengerechte Besuchsmöglichkeiten etc. finden, so viel ich sehe, keinen über den Umstand, daß es die Sammlungen fast ganz abgeräumt sind.
Als mir das aufgefallen ist, habe ich zweimal ein höflich-fragendes Mail an die einschlägige für Besucher gedachte Adresse geschickt. Eine Reaktion gab es nicht.
Den Museen könnte eine solche Haltung noch einmal auf den Kopf fallen. So gewinnt mein keine Besucher und vor allem keine, die im Krisenfall zum Haus stehen und es unterstützen.
Heimat und Dilettantismus. Helmut Schmidt und Werner Hofmann zur Schließung des Altonaer Museums
Der Protest gegen die Schließung des Altonaer Museums und gegen die Kulturpolitik des Hamburger Senats bekommt Gewicht durch prominenete Äußerungen. Jürgen Flimm wurde wieder jung ("Als alter Apo-Fuzzi sage ich Ihnen, dass man eine Strategie entwickeln muss. Wir wissen doch, wo der Gegner steht") und der Direktor des betroffenen Hauses argumentiert sozialanthropologisch ("Museen waren früher heilig. Sie hatten eine Aura, weil dort die Vergangenheit aufbewahrt wurde.")Die größte Aufmerksamkeit galt nicht überraschend der Helmut Schmidts ("Für mich ist seit Kinderzeiten das Altonaer Museum ein fester Bestandteil meiner hamburgischen Heimat"), die am elegantesten formulierte kann man heute lesen, sie ist von Werner Hofmann und findet sich in der WELT: "Erneut gilt deshalb die Warnung, die Alfred Lichtwark (der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle) vor genau hundert Jahren an die Gegner des Universitätsprojekts richtete: 'Der kostspielige Luxus, den sich der Einzelne und der Staat leisten kann, ist Beschränktheit und Unwissenheit!"
Dienstag, 12. Oktober 2010
Bürger! Revoltiert! Ruft die FAZ
Ausführlich widmet sich die heutige FAZ noch einmal der Hamburger Kulturpolitik. Neue Fakten gibt es nicht, dafür ziemlich viel Hohn für namentlich attackierte einstige und jetzige (Kultur)politiker. Bemerkenswert ist die Sehnsucht des konservativen Blattes nach bürgerlicher Revolte.
"Formiert sich das immer noch starke Bürgertum dieser fiskalisch armen, aber an Privatvermögen und Stiftungen so reichen Stadt, gibt es gar Großdemonstrationen? Nein. Nichts, was über eher hilflos anmutende Aktionen der direkt Betroffenen hinausgeht." Der Autor des Artikels, Volker Corsten, stöhnt entsetzt auf, wenn er miterleben muß, daß Kultursenator und Bürgermeister "weitgehend unbehelligt" zu einer Diskussionsveranstaltung gehen konnten, auf der es keine Zwischenrufe" gab. Die Zeitung, die es gerne widerständiger hätte, räumt ein: "Die Politiker kommen auch deshalb so glimpflich davon, weil der Kultursenator sich die Institutionen vorgenommen hat, die in der Stadt keine Lobby (mehr) haben.".
"Formiert sich das immer noch starke Bürgertum dieser fiskalisch armen, aber an Privatvermögen und Stiftungen so reichen Stadt, gibt es gar Großdemonstrationen? Nein. Nichts, was über eher hilflos anmutende Aktionen der direkt Betroffenen hinausgeht." Der Autor des Artikels, Volker Corsten, stöhnt entsetzt auf, wenn er miterleben muß, daß Kultursenator und Bürgermeister "weitgehend unbehelligt" zu einer Diskussionsveranstaltung gehen konnten, auf der es keine Zwischenrufe" gab. Die Zeitung, die es gerne widerständiger hätte, räumt ein: "Die Politiker kommen auch deshalb so glimpflich davon, weil der Kultursenator sich die Institutionen vorgenommen hat, die in der Stadt keine Lobby (mehr) haben.".
Samstag, 9. Oktober 2010
Mittwoch, 6. Oktober 2010
Schließung des Altonaer Museum. News
__ 20.000 Unterschriften für die Erhaltung des Altonaer Museums wurden gesammelt
__ Es gibt (Überraschung!) ein Gegengutachten des Senats gegen das der Stiftung, das der Schließung rechtliche Unbedenklichkeit bezeugt
__ der ICOM Präsident Klaus Weschenfelder wird poetisch, wenn er sich zur Schließung des Museums äußert: «Eine Sammlung von über 600 000 Exponaten zur Kultur des norddeutschen Küstengebietes wird damit zum Strandgut einer verfehlten Museumspolitik».
__ Es gibt (Überraschung!) ein Gegengutachten des Senats gegen das der Stiftung, das der Schließung rechtliche Unbedenklichkeit bezeugt
__ der ICOM Präsident Klaus Weschenfelder wird poetisch, wenn er sich zur Schließung des Museums äußert: «Eine Sammlung von über 600 000 Exponaten zur Kultur des norddeutschen Küstengebietes wird damit zum Strandgut einer verfehlten Museumspolitik».
Montag, 4. Oktober 2010
Altonaer Museum. Schließen geht vielleicht gar nicht...
Vielleicht geht das ja gar nicht.
Das mit dem Schließen. Des Altonaer Museums.
Weil das Museum Teil einer Stiftung ist, die in vielen Dingen eben autonom ist, ist der Beschluß des Senats, sagt ein Rechtsgutachten eine "Kompetenzanmaßung".
Das wird spannend.
Und vielleicht auch peinlich für den Senat?
Das mit dem Schließen. Des Altonaer Museums.
Weil das Museum Teil einer Stiftung ist, die in vielen Dingen eben autonom ist, ist der Beschluß des Senats, sagt ein Rechtsgutachten eine "Kompetenzanmaßung".
Das wird spannend.
Und vielleicht auch peinlich für den Senat?
Sonntag, 3. Oktober 2010
Schließung des Altonaer Museum. News
___ Eine Bürgerinitiative, die für den Erhalt des Altonaer Museums kämpft, wurde gegründet.
___ Der Senat hat bekanntgegeben, daß das Museum bis Ende des Jahres, also in nicht mal drei Monaten, geschlossen sein soll.
___ Eine Unterschriftenliste steht hier zum Download bereit.
Donnerstag, 30. September 2010
"Politik nach Gutsherrenart". Die ZEIT zur Schließung des Altonaer Museums
Mit zwei Beträgen reagiert die in Sachen Kulturpolitik Hamburgs schon lange verstimmte, lokal aber höchst zuständige ZEIT heute. In der Reihe "Museumsführer" wird das "großartige Altonaer Museum für Kunst und Kulturgeschichte" gewürdigt und in einem Essay wird ziemlich heftg die Kulturpolitik generell und die Attacke auf gleich mehrere Einrichtungen der Stadt kritisiert.
"Das Deutsche Schauspielhaus und die städtischen Bücherhallen, beide längst heruntergespart, werden durch Kürzungen im Millionenbereich ruiniert. Das Altonaer Museum aber, das bedeutendste Haus für norddeutsche Kulturgeschichte, das eben für drei Millionen Euro saniert und vor kaum einem Jahr neu eingeweiht wurde, soll liquidiert werden. Es wäre die erste Schließung eines Museums dieser Größenordnung in Deutschland. Ein Signal: nicht nur Kulturbruch, sondern Politik nach Gutsherrenart. Weil die Sparmaßnahmen nicht offen debattiert wurden, weder mit den Betroffenen noch mit den Bürgern, die bei Beschlüssen solcher Tragweite vielleicht doch gern gewusst hätten: Warum haben wir ein Haushaltsloch? Und warum muss man es so und nicht anders stopfen?, fühlen viele sich düpiert."
Die Zeit kritiert die auch wirtschaftlich ziemlich unstimmige Schließung des Museums und rechnet den "Pfeffersäcken" (Wortwahl der ZEIT) nicht nur deren Reichtum vor (die Zahl der in Hamburg ansässigen von Vermögenssteuer befreiten Milliardäre und Millionäre) und ihre Milchmädchenrechnung der sogenannten Einsparung detailliert durch.
"Am teuersten bei der Museumsschließung, sagt Hinrichsen, sei die Vernichtung von geldwertem Eigentum. Alle Objekte zusammen seien 100 bis 200 Millionen Euro wert. Hat das Museum Bestand, dann akzeptieren die Banken die Objekte als Sicherheit für etwaige Staatskredite. Was jedoch nicht heißt, dass man die Stücke einzeln zu diesem Preis losschlagen könnte. Wertvoll sei die Beleihungssumme. »Nachdem Hamburg zuhauf Grundstücke und öffentliche Gebäude verhökert hat, gehört das Museumsgut zu den letzten dinglichen Sicherheiten für Staatskredite.« Wir verstehen: In den Museen liegt der Staatsschatz. Wer hat das Recht, ihn zu verschleudern? Ein seit vier Wochen amtierender Kultursenator? Ein neuer Oberbürgermeister, der übermorgen vielleicht wieder weg ist?"
"Das Deutsche Schauspielhaus und die städtischen Bücherhallen, beide längst heruntergespart, werden durch Kürzungen im Millionenbereich ruiniert. Das Altonaer Museum aber, das bedeutendste Haus für norddeutsche Kulturgeschichte, das eben für drei Millionen Euro saniert und vor kaum einem Jahr neu eingeweiht wurde, soll liquidiert werden. Es wäre die erste Schließung eines Museums dieser Größenordnung in Deutschland. Ein Signal: nicht nur Kulturbruch, sondern Politik nach Gutsherrenart. Weil die Sparmaßnahmen nicht offen debattiert wurden, weder mit den Betroffenen noch mit den Bürgern, die bei Beschlüssen solcher Tragweite vielleicht doch gern gewusst hätten: Warum haben wir ein Haushaltsloch? Und warum muss man es so und nicht anders stopfen?, fühlen viele sich düpiert."
Die Zeit kritiert die auch wirtschaftlich ziemlich unstimmige Schließung des Museums und rechnet den "Pfeffersäcken" (Wortwahl der ZEIT) nicht nur deren Reichtum vor (die Zahl der in Hamburg ansässigen von Vermögenssteuer befreiten Milliardäre und Millionäre) und ihre Milchmädchenrechnung der sogenannten Einsparung detailliert durch.
"Am teuersten bei der Museumsschließung, sagt Hinrichsen, sei die Vernichtung von geldwertem Eigentum. Alle Objekte zusammen seien 100 bis 200 Millionen Euro wert. Hat das Museum Bestand, dann akzeptieren die Banken die Objekte als Sicherheit für etwaige Staatskredite. Was jedoch nicht heißt, dass man die Stücke einzeln zu diesem Preis losschlagen könnte. Wertvoll sei die Beleihungssumme. »Nachdem Hamburg zuhauf Grundstücke und öffentliche Gebäude verhökert hat, gehört das Museumsgut zu den letzten dinglichen Sicherheiten für Staatskredite.« Wir verstehen: In den Museen liegt der Staatsschatz. Wer hat das Recht, ihn zu verschleudern? Ein seit vier Wochen amtierender Kultursenator? Ein neuer Oberbürgermeister, der übermorgen vielleicht wieder weg ist?"
Mittwoch, 29. September 2010
Wer spricht? (Museumsphysiognomien 9)
Einer sitzt, einer steht. Einer ist bekleidet, einer nur halb. Einer spricht, einer nicht. Einer rudert, einer läßt sich rudern. Einer hat eine weiße Hautfarbe, der andere eine schwarze.
Der Fotograf und Sammler Gert Chesi spricht über Religiosität und Kultur der Afrikaner - in einem Video in dem von ihm gegründeten Museum "Haus der Völker" in Schwaz (Tirol).
Foto: Gottfried Fliedl, April 2004
News. Zur Schließung des Altonaer Museums in Hamburg
Jetzt hat die drohende Schließung des Altonaer Museums auch die überregionale Presse erreicht, heute etwa berichten taz und WELT, und da gibt es nicht nur Zusammenfassendes zum Status Quo.
So wird von der Leiterin der Stiftung Historische Museen Hamburg eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Schließung angekündigt. Sie argumetiert, daß die gesamte Stiftung betroffen sein würde und rechnet vor, wie fragwürdig die genannte Höhe der Einsparung eigentlich ist.
Höhe und Möglichkeiten der Einsparung werden inzwischen weithin bezweifelt. Indes gibt es viele Widerstandslinien: die Idee einer Unterschutzstellung des Gebäudes, eine Gegenoffensive in Form der Verdächtigung, das Museumsgebäude solle vermietet oder verkauft werden, Protestkundgebungen, Unterschriftensammlung und - möglicherweise - ein Volksbegehren.
Über den Tellerrand hamburger (Kultur)Politik bleibt das Faktum, daß ein großes (gemessen an MitarbeiterInnen, Sammlung, Ausstellungsflächen) und historisch hochinteressantes Museum geschlossen werden soll. Ein Präzedenzfall weit über Hamburg hinaus, ein Signal an viele Museen, die aufs Durchtauchen setzen.
So wird von der Leiterin der Stiftung Historische Museen Hamburg eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Schließung angekündigt. Sie argumetiert, daß die gesamte Stiftung betroffen sein würde und rechnet vor, wie fragwürdig die genannte Höhe der Einsparung eigentlich ist.
Auftauchen oder Untergang... |
Über den Tellerrand hamburger (Kultur)Politik bleibt das Faktum, daß ein großes (gemessen an MitarbeiterInnen, Sammlung, Ausstellungsflächen) und historisch hochinteressantes Museum geschlossen werden soll. Ein Präzedenzfall weit über Hamburg hinaus, ein Signal an viele Museen, die aufs Durchtauchen setzen.
Abonnieren
Posts (Atom)