Samstag, 31. Dezember 2011

Eine Jahresbilanz für (deutsche) Museen

Niemand geringerer als der Präsident des Deutschen Bundestages zieht in DIE ZEIT (hier der ganze Text) eine Museumsbilanz für das Jahr 2011.

Wirklich neu ist keine seiner Beobachtungen, aber Amt, Zeitpunkt und Publikationsort machen das doch zu einer bemerkenswerten Äußerung.

Der rote Faden des Essays ist die Unterdotierung der Museen, die weniger mit den Sparhaushalten zu tun habe, als mit einer unausgewogenen Kulturpolitik, die Neubauten oder private Gründungen asymmetrisch fördere und so die Budgets traditioneller Häuser schmälere.

Lammert hat also zwei Entwicklungen im Auge, die zwar ebenfalls nicht ganz neu sind, die aber in Zukunft noch mehr Rolle spielen werden - die Privatisierung der öffentlichen Aufgaben der Museen mit der Konsequenz größerer Einflussnahme Privater auch auf diesen kulturellen Sektor und die Orientierung der Museumspolitik an populären Standards unter Vernachlässigung der Nachhaltigkeit.

Letzteres illustriert er eindrucksvoll an den zum Teil dramatisch schrumpfenden Ankaufsbudget. Hier hat Lammerts Argumentationen seine Schwachstelle, weil sie völlig einseitig an der Idee der Bewahrung und Pflege des kulturellen glanzvollen Erbes orientiert ist. Noch interessanter würde die Kritik als eine auch an den inhaltlichen Ausrichtungen der Museen interessierte.

Seine Kritik schließt aber auch die Schwächung des öffentlichen Status des Museums mit ein, die Auszehrung der Idee der staatlichen Verantwortung für das Museum. Lammert nimmt mit Hinweis auf die mit öffentlichen Geldern geförderte Gründung des Privatsammler-Museums Brandhorst in München sogar das Wort "Refeudalisierung" in den Mund.

Immerhin bemerkenswert, daß mal eine "Jahresbilanz" Museen überhaupt auftaucht.

Mittwoch, 28. Dezember 2011

Bosnien-Herzegowina: Ende der kulturellen Institutionen

Bei keinem anderen Projekt, das wir seinerzeit in der Museumsakademie des Joanneum gemacht haben, war mir so mulmig zumute, wie bei dem in Sarajewo. Obwohl die Mitarbeiterinnen wohl das Beste getan haben, was unter den vorgefundenen Umständen getan werden konnte, war die Einladung, mit Museen, MuseumsmitarbeiterInnen und Studierenden an neuen Ideen zu arbeiten, immer prekär.
Zu offensichtlich war die fundamentale Notsituation, die nicht nur dem Mangel an Geld geschuldet war, sondern einer ungelösten politisch-administrativen Situation. Der rechtliche Status der Museen war und ist unklar, ebenso die administrativ-politische Zuständigkeit.
Die Museen befanden sich in einer Art Agonie, die MitarbeiterInnen in einer tief entmutigenden Situation.
Nun scheint man diese Agonie beenden zu wollen; angeblich sollen am 28.12. nicht nur das Landesmuseum geschlossen werden, sondern weitere Museen, Bibliotheken und Archive, allessamt Institutionen, die wie wir aus unseren Projekten wissen, letzte Bastionen kultureller Aktivität und Vernetzung nach Außen waren.
Vielleicht muß man zur Kenntnis nehmen, daß es gesellschaftlich-politische Krisen gibt, in denen Museen keine sinnvolle Rolle mehr spielen können. Vielleicht leitet der öffentliche Hilferuf des Landesmuseums aber auch einen Prozess der Rückbesinnung auf die Optionen ein, die Museen gerade in dieser Situation haben.

Hübsche Idee für ein "Haus der Geschichte"

Ein nationales historisches Museum Österreichs wird es wohl angesichts der ideologischen Brisanz des Projekts und wegen der Kosten wohl nicht geben, nicht in den nächsten Jahren.
Mit einer hübschen Idee, dieses Projekt dennoch zu verwirklichen, wartete unlängst der Staatssekretär im Finanzminsterium, Andreas Schieder, SPÖ, auf.
Wie realisiert man ein Museumsprojekt in Zeiten wie diesen? Na ganz einfach -: durch Sparen!
Unter den 19 sogenannten Verwaltungsreform-Vorschlägen, die er vorstellte, befand sich auch der, durch Zusammenlegung des Staatsarchivs und des Heeresgeschichtlichen Museums Geld zu sparen und ein "Haus der Geschichte" zu realisieren.
Irgendwann wird auch Herrn Schieder auffallen, daß ein Staatsarchiv und ein Heeresmuseum zwei sehr verschiedene Dinge mit sehr unterschiedlichen Aufgaben sind und daß die Zusammenlegung nicht nur kein zeitgeschichtliches historisches Museum ergibt, sondern ein teures und unbrauchbares Monstrum. Die Idee, durch Sparen Museen zu kreieren, verdient aber ein anerkennendes "wunderbar"!

Montag, 19. Dezember 2011

Finsterer Wald (Texte im Museum 251)

"Wald". Ausstellung im Museum für Völkerkunde, 2011

Die Gastfreundschaft der Museen, zum Beispiel der österreichischen Bundesmuseen

Angesichts des Redens vom besucherorientierten Museum oder der dienstleistungsorientierten Besucherfreundlichkeit werden Unfreundlichkeiten am Museum aussterben wie die grantigen Wiener Ober. Sicher! Sicher?
Na sicher nicht! Diese Folklore hält sich auch zäh.
Im eben eröffneten "21" (Museum des 21. Jahrhunderts) frage ich, ob Fotografieren erlaubt ist. "Ja, aber nur die Architektur, nicht die Werke". Ich fotografiere und ich gehe in das Obergeschoss und fotografiere und werde angeschnauzt wie nie mehr, seit ich beim Militär war. "Fotografieren ist hier verboten".
Hektisches hin- und herfunken, jede Aufsicht hat einen Knopf im Ohr und ein Mikro, als ich einwende, daß es vor ein paar Minuten grade noch erlaubt war.
Eine Wachmannschaft wie für einen russischen Oligarchen auf Skiurlaub in Kitzbühel. Und dazu jede Menge Videokameras. Jederzeit kann hier offenbar etwas ganz Fürchterliches losbrechen.
Dann darf ich wieder. Beiseitegemurmelte Entschuldigung.
Der überwachte Besucher. 21er-Haus (2011)

*
Am Morgen beschließe ich beim Frühstück, mal wieder das Pathologisch-Anatomische Bundesmuseum aufzusuchen, da käme ich grade um 10 Uhr zurecht, also wenn das Museum öffnet. Und es ist Samstag.
Ich gehe durch das menschenleere, kalte, windige Gelände des Uni-Campus bis ich vor dem 'Narrenturm' stehe, der aussieht wie immer: fast schon ruinös, mit blätternder Fassade. Jetzt gibt es einen Bauzaun rundherum, möglicherweise, weil der Zustand der Fassade schon gefährlich geworden ist.
In einem kleinen Kammerl empfangen mich zwei freundliche junge Frauen, die sichtlich frieren. Im Stehen erledigen Sie mein nicht so völlig unübliches Anliegen, ins Museum gehen zu dürfen, mit handschriftlichen Einträgen in eine Buch, das vor ihnen liegt. Den ICOM Ausweis kennen sie nicht. Sie beraten sich, ohne sachliches Ergebnis, zeigen sich aber großmütig. Ich darf kostenlos rein, nur für die Studiensammlung hätte ich zu zahlen.
Der Raum, in dem wir uns befinden, ist unbeschreiblich. Unaufgeräumt, abweisend, düster, kalt. Der Strom sei ausgefallen. Heuer werde mit einer Renovierung begonnen. Im obersten Stockwerk, leider, denn im untersten liegt die öffentlich zugängliche Schausammlung.
Ich denke mir, nein, warum soll ich mich in ein kaltes, ungemütliches Museum begeben, eins das einen empfängt, als wärs kurz vor dem Zugrundegehen? Ich drehe um, hab ich auch noch nie gemacht. Es gibt besser geheizte, freundlicher empfangende Museen.
Irgendwann wird die Museumsleitung ihre Mitarbeiterinnen ernst nehmen und über das Tarifsystem informieren und sich darum kümnmern, daß die einen vernünftigen Arbeitsplatz bekommen. Irgendwann wird die Museumsleitung entdecken, daß man kein Geld und nur ein paar Ideen braucht, um einen Empfangsraum erträglich zu gestalten (erst mal könnte man aufräumen).
Der sogenannte Narrenturm. So sieht er aus, seit etwa 30, 80, 120 Jahren?

*
Im Völkerkundemuseum halte ich mich sehr lange in der Ausstellung über die ehemalige Leiterin, Violetta Becker-Donner, auf. Ich kaufe einen Katalog und wende mich zum Gehen, als hinter mir zwei Besucher nach der Benin-Sammlung fragen. Nein, die Benin-Ausstellung sei schon längst geschlossen, mißversteht der Mitarbeiter die Frage. Ich gehe.
Ich habe es fast bei jedem Besuch erlebt, daß Besucher nach den Sammlungen oder auch nach bestimmten Sammlungsbeständen gefragt haben. Buchstäblich jahrelang gab es auf der Webseite des Museums keinen Hinweis darauf, daß es außer der "Götterbilder"-Ausstellung nichts von den Sammlungen des Hauses zu sehen gibt.
"Aufgrund einer Neukonzeption der Schausammlungen und noch nicht abgeschlossener Sanierungsarbeiten" heißt es nun auf der Webpage,  "ist im Augenblick abgesehen von den Sonderausstellungen nur die Sammlung Süd- und Südostasien und Himalayaländer: Götterbilder zugänglich." Im Augenblick? Welche Neukonzeption?
Im Besucherbuch, hier bemerkenswerterweise 'Beschwerdebuch' genannt, gab es viele und lange Einträge, wo Besucher auf diesen eklatanten Mangel aufmerksam machten. Das Buch ist weg, es war schon vor Monaten weg, und ich denke mir, man will keine Besucherreaktionen mehr. Kein Besucherbuch, keine Beschwerden. Und: Keine Sammlung, bis...??
Die Cafetteria des Museums für Völkerkunde (2011)




Stadtplan (Entrée 58)


Didaktisch sitzen, mit tiefviolett (Sitzen im Museum)

Jüdisches Museum der Stadt Wien (2011; GF)

Nächtliches Begehren (Texte im Museum 250)

"Mit ihrem "Museum der Wünsche" greift Kraus eine vierzig Jahre alte Idee auf. Pontus Hultén hatte 1963 im Moderna Museet in Stockholm seine Ausstellung "Museum of our Wishes" gezeigt und um den Ankauf von Werken gebeten. Angeblich hat er alle Arbeiten bekommen, die er sich gewünscht hatte. Und Kasper König trat 2001 seinen Direktorenposten im Kölner Museum Ludwig mit der Schau "Museum unserer Wünsche" an, und auch seine Institution konnte einen großen Teil der erbetenen Werke mit privater und städtischer Förderung kaufen. In einem Beitrag im Mumok-Katalog zur Ausstellung beschreibt König, wie die "argumentative Auswahl der gewünschten Neuzugänge" ihm selbst den "produktiven selbstkritischen Zugang zur eigenen Institution" ermöglicht habe. Gleichzeitig wurde für die Museumsbesucher transparent, warum welche Käufe getätigt wurden."(Der Spiegel, 20.9.2011)

Entrée 57

2011

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Grazgeflüster. Ein Musée Sentimental


Das 'Musée sentimental' ist ein fester Begriff in der Geschichte der 'Künstllermuseen' und gilt als eines der der interessantesten und erfolgreichsten Projekte, mit denen Künstler sich seit den 70er-Jahren (Claes Oldenburg, Andy Warhol, Marcel Broodthaers uva.) mit der Idee des Museums auseinandergesetzt haben.
 Daniel Spoerri hat selbst immer wieder und in unterschiedlichsten Rollen an seiner für den Kölner Kunstverein (1979) entwickelten Idee weitergestrickt, zuletzt etwa in Krems/Stein (in einer ziemlich verunglückten Form) und nun in Graz im Stadtmuseum in wiederum einer neuen Variante.
Sowohl Spoerri als auch die beiden Kuratoren sind am Grazer Stadtmuseum stark von der ursprünglichen Idee abgewichen. Spoerri steuerte drei 'Installatuionen' bei wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können, während unter dem Titel "Grazgeflüster" (wie werbewirksam und wie informativ ist so ein Titel eigentlich?) graztypische Objkete mit Geschichten, Anekdoten und Infos verknüpft und gezeigt werden.
Eine solche Ausstellung soll weder eine Stadgeschichte erzählen noch repräsentativ eine Stadt sozusagen abbilden. Es funktioniert eher wie ein Auslegen von Spuren, bei denen man eineige Indizien zusätzlich mitbekommt, im übrigen aber selbst dann weiterfahnden sollte. Nicht bloß die intellektuelle Auseiunandersetzung kommt dabei ins Spiel, das Wissen un geschichtliche Ereignisse und Abläufe, sondern eine emotionale Disposition wie sie religiösen wie profanen Reliquien eigentümlich ist (Einer der _ mehreren - Untertitel der Kölner Ausstellung lautete denn auch 'Entwurf zu einem Lexikon von Reliquien und Relikten). Als Dinge, die mit einem großen Ereignis oder einer bedeutenden Person buchstäblich einmal 'in Berührung' gestanden haben, vermittelt sich uns noch im Museum etwas von dieser einstigen Nähe - das aber in der zeitlichen und apparativen (Vitrinen, Sockel, Beschriftung) Distanz des Museums, die eine eigentümliche Dialektik der Museumserfahrung in Bewegung hält: daß uns nämlich, wie es Walter Bejamin formuliert hat, zeitlich und räumlich nahe ist, was ja unter Umständen zeitlich und räumlich unendlich entfernt sein kann.
Im glücklichsten Fall kommt im Spiel mit "Spur" und "Aura" (so die Begriffe Benjamins) eine witzige und gleichwohl politisch aktuelle Installation zustande wie bei der Dokumentation des juristischen Umgangs mit einem feinstaubgeschädigten Kind (mit echten Akten und echtem Husten), im schlechteren Fall, bleibt es eim Beliebigen und Anekdotischen stecken, wie z.B. bei Spoerris Sammlung Steirischer Panther, an denen ihn offenbar nur deren - gelegentlich zensierte, gelegentlich schamhaft entsorgte -, flammende Virilität interessiert hat.

Die Konjunktur des Musée sentimental hat mit der offenkundigen Irritation herkömmlicher Museumsparadigmen zu tun. Die beim 'Original', dem Kölner Musée sentimentale verwendete alphabetische Ordnung, war zur Zeit ihrer Entstehung eine befreiende Geste gegenüber der oft zwanghaften und sowieso fragwürdigen Ordnungssysteme aus den einschlägigen Wissenschaften. Zusätzlich bedeutete die Wahl alltäglicher, bescheidener, fragmentarischer usw. Objekte noch einmal einen kleinen Aufstand gegen das hochkulturelle Pathos des Museums zu inszenieren.
Wie es ist mit den Gesten der Avantgarde, irgendwann werden sie vereinnahmt oder ergeben sich freiwillig dem Sog der Institutionen. Museologisch kariöse Museen greifen zur Intervention, zur Installation zum Künstlermuseum wie sich nach physischer Wiederherstellung Sehnende zu Frischzellenkuren und Botoxspritzen.
Bei der Eröffnung war Daniel Spoerri ganz schön grantig. Angeblich wegen eines Ärgers mit seinem Hotel. Vielleicht aber auch, weil er selber, inzwischen über 80 Jahre alt, merkt, daß er selbst viel zur Erschöpfung einer Idee beiträgt, die einmal frischer und jünger gewesen sein könnte, als man auf den ersten Blick sieht. Denn neben neuartiger, spielerischer Repräsentation von 'Geschichte' hatte das Musée noch eine andere, weniger offenkundige Bedeutung.
Unter großem Zeitdruck entstanden, als Arbeit mit einer Gruppe von Studenten, und daher weit mehr kollektiv generiertes Projekt als 'Genie'-Künstler-Museum, könnte das Kölner Musée Sentimental etwas gewesen sein, was es wohl extrem selten gibt: eine kollektiv kuratierte Ausstellung.
"Grazgeflüster" hat über die Fortsetzung und Entwicklung einer Idee hinaus eine spezifische Funktion für das Museum selbst: in der Zeit der Vorbereitung einer neuen Dauerausstellung ist dieses Musée auch ein Probelauf für eine andere Art der Erzählweise, die jedes Pathos, jede Meistererzählung, jedes Anlehnen an kanonisierte Highlights vermeidet. In der Praxis zeigt sich etwas Erstaunliches: nicht jede Stadt scheint für eine derartige doppelbödige, ironische Repräsentation geeignet. In den Diskussionen um das Musée sentimental, die wir auf der Sommerakademie 2011 mit Susanne Padberg*) geführt haben, schien Köln auf Grund vieler lokaler Eigenheiten, Eigenheiten seiner Alltagskultur, seines Dialekts, seiner karnevalesken Tradition und anderes mehr, für ein solches Experiment wie das Musée sentimental besonders geeignet. Vielleicht ist ja Graz ironifreier, feinstaubbedeckter und eindimensionaler als man denkt.

Ich habe eine Grundsympathie für jede Form des experimentellen, tentativen Ausstellens, deswegen möchte ich hier weniger als Kritiker, denn als Berichterstatter auftreten und dazu ermutigen - die Ausstellung ist noch bis Februar zu sehen -, "Grazgeflüster" zu besuchen.

Definitiv empfehlen möchte ich den 'Katalog', der aufwändig gestaltet die Idee des 'Musée transformiert und einer der schönsten und intelligentesten Ausstellungskataloge seit langem ist.**)

*) Durch ein Projekt des Ludwig-Uhland Instituts der Universität Tübingen ist das Musée sentimental inzwischen zur Ehre einer Dokumentation und Analyse gekommen, die in Buchform und von Anke te Heesen und Susanne Padberg herausgegebenen 2011 publiziert wurde: Musée sentimental 1979. Ein Ausstellungskonzept, bezieht sich mit der Jahreszahl 1979 explizit überwiegend auf das Projekt im Kölner Kunstverein. Das Buch ist bei Hatje und Cantz erschienen.

**) Gerhard Schwarz, Otto Hochreiter, Beat Gugger (Hg.): Grazgeflüster. Einige Stichworte zu einem Musée Sentimental de Graz mit Daniel Spoerri. Graz 2011
Der Katalog wurde eben mit dem Award des Deutschen Designer Clubs ausgezeichnet.


Sonntag, 11. Dezember 2011

Bauschaden! Sorry! (Texte im Museum 248)

Porsche-Museum Stuttgart

Das Porsche-Museum Stuttgart

Sowohl das stuttgarter Mercedes-, (hier) als auch das Porsche Museum haben mich vor allem ihrer Architektur wegen interessiert, und kaum der Autos wegen. Beide Museen lavieren ja nicht nur das Image ihrer Konzerne, sie funktionieren dabei auch als Zeichen, als architektonische Gebärden, die auch um ihrer selbst Willen und dann auch für die Marke werben. So gibt es jede Menge spektakulärer Fotos und auch Entwurfszeichnungen, Modellfotos oder computergenerierte Ansichten.
Da hatte in meinen Augen das Porsche Museum mit der kühneren Geste etwas die Nase vorne, aber all die Versprechen, die mit mehr oder minder manipulativer Fotografie erzeugt werden, müssen sich erst einmal in der wirklichen Nutzung und Besichtigung bewähren.
Und da war das Porsche Museum eher eine Enttäuschung, wobei ich hier nicht den Architekturkritiker geben will, sondern nur über einige Erfahrungen und Eindrücke von einem einzigen Besuch erzähle.

Bequem kann man das Museum direkt von einer S-Bahnstation aus erreichen, der Bau liegt der Länge nach an der Bahnlinie, an der anderen Längsseite verläuft eine schmale Straße. Es gibt einen Vorplatz, der überwiegend von Bauten des Konzerns (hier liegt das Firmengelände) gebildet wird. Aus einem Grund, den ich mir nicht klar machen konnte, wirkte dieser Platz trotz Verkehr und Fußgängern nicht wirklich urban, eher unpersönlich, künstlich wie eine Filmkulisse.
Der Bau selbst bildet, über den Köpfen der Museumsbesucher, die sich nähern, auskragend, noch einmal so etwas wie einen Vorplatz, den man überquert um auf eine langgestreckte aber eher niedrige Glasfront zuzugehen.

Da das Museum mit mächtigen, schräg und verkantet geformten Pfeilern in die Höhe gestemmt wird, muss es ja irgendeine vermittelnde Erschließung geben, die von unten nach oben führt. Statt eine kühne Treppen- oder Liftanlage, innen oder außen (wie beim Ruhrland-Museum), die Besucher nach oben zu befördern, gibt es ein Erdgeschoß, in dem sich zwei Cafes, ein Shop und der Empfang befinden.
Von Außen sieht das wie ein zu niedrig geratener, bescheidener, fast ephemerer Bauteil. Der Witz des Baues ist ja dieses Hochstemmen eines gewaltigen, unregelmäßigen Kubus. Das darf durch ein Gebäude im Erdgeschoß nicht gestört werden, es muß sich sozusagen ducken, den Kopf einziehen.


Warum man aber nicht alles, also die Lobby, Kassa, Café usw. nicht gleich nach oben verlegt hat? Es kommt noch merkwürdiger: wenn man die Eingangstür passiert hat, steht man mehr oder weniger direkt vor einem der gewaltigen tragenden Pfeiler. Linker Hand erkennt man die Kassa und als erstes 'Angebot' kann man ein Café wählen. Erst wenn man an der Kassa vorbei ist, also im rückwärtigen Teil des Gebäudes angekommen ist, kann es nach oben gehen. Zwischen einem weiteren Cafe und der Rolltreppe ist nicht so sehr viel Platz. Warum diese Treppe nicht vom Eingang her betreten werden kann, ist auch ein Rätsel. Normalerweise ist in Museen eine repräsentative Gestaltung der den Ausstellungsräumen vorgelagerten erschließenden Räumen erwünscht. Hier dreht sich die Treppe vom Eingang sozusagen weg.

Die Rolltreppe führt in das erste Obergeschoß, von dort führt eine weitere in das zweite Ausstellungsgeschoß und von dort geht es direkt wieder ins Erdgeschoss. Wer also noch mal in das erste Geschoß zurückkehren will, muß eine Treppe nehmen, und die ist nicht so leicht zu finden. Das ist eine ziemlich verwirrende Erschließung, zumal auch die Disposition der Sammlung einem keinen zwingenden 'Besichtigunsparcour' nahelegt. Mit der Rolltreppe 'oben' angekommen findet man sich vor einem der 'mythischen' Objekte wieder. Hier steht eine Art Rohmodell eine s ersten Porsche, pures, von Hand gearbeitetes Metall, für die Entstehungszeit ungewöhnlich radikal aerodynamisch und ein wenig unheimlich und merkwürdig durch das geteilte Frontfenster.


Was man dann als Besucher tun soll, sagt das Museum nicht. Ab jetzt gilt es zu flanieren. Und da zeigt sich, etwa im Unterschied zum Mercedes-Museum, daß die Produktpalette einer auf einen Fahrzeugtyp spezialisiserten Firma nun mal etwas eintönig ist. Die Variabilität dessen, was man an 'Objekten' zu sehen bekommt, ist nun mal schmal und wird um so schmaler, je näher man der Gegenwart rückt. Jedes Objekt wird wie die Blaue Mauritius des Motorsportes präsentiert, viele Autos stehen auf eigen Sockeln, aber wenn alle Autos so übercodiert präsentiert werden, dann nivelliert sich das Museumserlebnis trotzdem.

Die Information ist ungleich reduzierter und inhaltlich enger als im schon erwähnten Mercedes-Museum, Zwiespältiges kommt hier erst gar nicht vor, kaum etwas zur Zeitgeschichte und selbst der firmengeschichtlich-biografische Kontext ist sehr bescheiden. Hier geht es um einen Markenfetisch und sonst nichts.

Es wird verschwenderisch mit Raum umgegangen, doch die zentrale Idee des Baues erweist sich als genau die problematisch leere Geste, die erst jüngst der Architekturkritiker und -historiker Vittorio Lampugnani kritisiert hat. Für das Ausstellen bringt der 'schwebende' Baukörper kaum etwas, es gibt kaum Ausblicke, so daß es während des Museumsbesuchs gar keine Erfahrbarkeit der spezifischen Geste des Bauwerks gibt.



Also wurde mein Besuch ein eher kurzer, da der gutwillige Versuch eines zweiten Rundganges auch nichts Überraschendes mehr zu Tage förderte. Ich habe weder von den Toninstallationen Gebrauch gemacht, wo man sich dröhnende Motoren buchstäblich um die Ohren heulen lassen kann, noch habe ich die Gelegenheit wahrgenoimmen, einige Sekunden in einem Sportwagen Platz zu nehmen, umdrängt von photografierenden, fachsimpelenden und fotografierenden Männern. Ich bin eben zu wenig Sportwagenfetischist...