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Dienstag, 3. Juni 2014

Das Zinsou-Museum. Ein Museum moderner Kunst in Afrika. (Ein Museum)

Die NZZ berichtete unlängst über "das erste Museum für Gegenwartskunst in Afrika".  Das klingt selbstverständlich interessant. Freilich stolpert man schon im Artikel selbst über einige Relativierungen. Es gibt in Afrike mehrere Plätze, wo moderne Kunst ausgestellt wird, nur entsprechen die nicht immer dem gängigen Bild von Museen. Wie auch übrigens der Ort, von dem die Rede ist: Es ist eine Fondation, die Wechselausstellungen veranstaltet, die sich wiederum in erster Linie an (Schul)Kinder wenden. Man könnte es also genausogut als Kunsterziehungsprojekt bezeichnen.
Es wird afrikanische Gegenwartskunst ausgestellt. Im Artikel bleibt aber unklar, ob das ausschließlich für Museen, Ausstellungen oder den Kunsthandel angefertigte Objekte sind, die also dem durch westliche Produktionsbedingungen geprägten Werk- und Kunstbegriff folgen, oder ob es sich nicht auch um - wie es die Aussage der Direktorin nahelegt, es würde Kunst aus allen Regionen Afrikas gezeigt -,  Objekte mit ganz anderen Funktionen handelt, denen nachträglich das Etikett (Museums)Kunst verliehen wurde.
Die Idee zum Projekt hat durch ihre Erfinderin durchaus westliche Konnotationen. Marie-Cecile Zinsou kommt aus einer angesehenen Familie Benins, die in Paris erzogen wurde und finanziert wird es in Form einer Familienstiftung durch ihren Vater, der als Geschäftsmann in Paris lebt.

Markus H. Haefliger: Das Zinsou-Museum in Ouidah. In: Neue Zürcher Zeitung, 30.5.2014 (hier der Link)








Sonntag, 10. Februar 2013

Das Ende der Harmlosigkeit. Übers Vermitteln (Teil 1)

 
Das Ende der Harmlosigkeit
Tagung mediamus, Lenzburg Vermittlung im Museum. Stellenwert und Handlungsspielräume.

Diese Überlegungen sind im Zusammenhang mit der Tagung Vermittlung im Museum. Stellenwert und Handlungsspielräume entstanden, die mediamus im September 2012 auf der Lenzburg (CH) stattfand. Alle Beobachtungen zur aktuellen „Vermittlungsszene“ sind sehr subjektiv und bruchstückhaft. Während ich am Beginn meiner Beschäftigung mit dem Museum viele Kontakte pflegte, ist heute die Aufmerksamkeit für Fragen der Vermittlung auf Grund anderer Arbeitsschwerpunkte in den Hintergrund gerückt. Dennoch hat es mich interessiert, aus Anlass der genannten Tagung, meine Beobachtungen einmal zusammenzufassen und jene Fragen zu stellen, die den Veranstalterinnen wichtig war: welchen Stellenwert und welche Handlungsspielräume hat „Vermittlung“?

(zum Teil 2 hier)

Ausstellung "Leidenschaften". Hygiene-Museum Dresden 2013















Museum should transform themselves
from beeing about something to being for somebody.
Stephen Weil

Das Feld der Vermittlung

Seit ich in den 80er-Jahren mit Museumspädagogik, so hieß das damals noch, wofür heute meist ‚Vermittlung’ verwendet wird, in Berührung gekommen bin, Akteure und Projekte kennengelernt habe und schließlich mit Freunden Weiterbildungsprojekte entwickelt habe, hat sich die Szene – ich kann nur von Österreich sprechen -, verändert. Es gibt mehr Museen denn je, die ihr eigenes Vermittlungspersonal und einschlägige Programme haben und seit einigen Jahren gibt es eine staatliche Kampagne in der Kombination von freiem Eintritt in Bundesmuseen für Kinder und Jugendliche und Projektgeldern für Vermittlung. Das Museum, an dem ich arbeite, beschäftigt, z.T. geringfügig, über einhundert in der Vermittlung tätige Personen.
Im Gegenzug dazu ist die ehedem bunte und innovative freie Szene geschrumpft. Entweder ist sie in Museen untergekommen oder hat angesichts der  institutionellen Konkurrenz aufgegeben.
Das Resultat ist weder in Hinblick auf die Ziele und Inhalte der Arbeit noch in Hinblick auf die Beschäftigungssituation eindeutig. Die Beschäftigungssituation hat sich vielleicht weniger verändert als man denkt, weil auch im Museum Vermittlung meist einen geringen Status hat und von prekär Beschäftigten geleistet wird - selbst dort, wo das Museum von der Attraktivität der Programme zählbar – und darum geht es Museumsleitungen oft – profitiert.
Der Organisationsgrad ist höher denn je, es gibt Verbände, Zeitschriften, Webauftritte, Tagungen und ungleich mehr an verschiedenartigsten Weiterbildungsangeboten als noch vor 20, 25 Jahren.
Was Inhalte und Methoden betrifft, so ist mein – sehr subjektiver Eindruck, daß es in Österreich -, und nur von Österreich, ich wiederhole mich, kann ich sprechen -, eine Stagnation gibt. Innovative Projekte scheint es eher in unabhängigen Gruppen zu geben oder solchen, die projektbezogen und daher zeitlich begrenzt mit Museen zusammenarbeiten.
Es scheint sehr viel Routine zu geben, viel Weiterverwenden des Bewährten und einen geringen Bedarf, Praxis und Theorie untereinander abzugleichen und an den Wandel des Museums, seines Umfeldes und seines Publikums anzupassen.
Trotz des vielfältigen Weiterbildungsangebotes sehe ich weit und breit keine echte Ausbildung, was aber nach wie vor für die Museumskernberufe generell auch weiter gilt, wo ja die fachliche, akademisch-wissenschaftliche Ausbildung nach wie vor der Königsweg zu den Schlüsselpositionen des Museums ist. Solange es kein einigermaßen klar definiertes Berufsfeld ‚Vermittlung’ gibt, kann es auch kaum so etwas wie eine Ausbildung geben: keine Professionalisierung ohne Profession.
Auch im Hinblick auf Erfahrungen und Beobachtungen aus der Institution, an der ich arbeite, schließe ich, daß sich im Kern an der Situation der Vermittlung in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht sehr viel geändert hat. In Status, Bezahlung und Machtpositionierung rangiert die Vermittlung meist noch immer im unteren Viertel der Machthierarchie, mit der Konsequenz, daß sie selbst kaum aus einer - freiwillig angenommenen oder aufgezwungenen -, innerinstitutionellen ,Dienstleister‘-Rolle herauskommt und diverse von ihr nicht hinterfragbare Zielsetzungen bedient. Und das mit Vermittlungsformen, die unter Harmlosigkeits- oder Verharmlosungsverdacht stehen, wie Kindergeburtstage, VIP-Führung, Ferienspiele, Nacht-im-Museum, Schatzsuchen, Malen und Basteln im Museum usw.
VermittlerInnen (MuseumspädagogInnen usw.) sehen sich im Museum in einer Rolle, die zwischen zwei Polen situiert ist: entweder als verantwortliche und aktive Akteure, die sich mit neuen technisch-medialen und sozialen Fragen konfrontiert sehen oder als passiv Ausführende von vorgegeben Aufgaben.

Marcel Broodthaers: Projet pour un musée sur un ile d´serte, Ile du Musée. 1971

Gerade die reflektierteren Tendenzen der Vermittlungsarbeit geraten dabei m.M. nach in eine mehrfach geschichtete Situation der Überforderung. Vereinfacht gesagt, weil sie einerseits den aktuell wichtiger werdenden und problematischen ,dienstleisterischen‘ und ,marktorientierten‘ Museumsstrategien zuwiderlaufende Ziele verfolgen, gleichzeitig aber selten gewahr werden, daß sie im Grunde immer auch schon ein Stück weit einer dem Museum seit je inhärentes Ziel verfolgen, nämlich eine letztlich analytische, selbstbewußte, kritische Öffentlichkeit zu generieren. Paradoxerweise tendiert gerade die reflektiertere Spielart der Vermittlung an ihrer Selbstabschaffung. An ihrer Auflösung in einer komplexen Museumspraxis, in der ja Vermittlung immer ein essentieller Bestandteil war. Avantgarde in der Vermittlerszene sein, heißt, so stellt es sich für mich dar, eher eine von institutionellen Praktiken in jeder Hinsicht abgekoppelte und sehr eigensinnige und selbstbewusste Arbeit zu betreiben, die viele Schnittstellen mit anderen kulturellen Praktiken hat, mit der Theaterarbeit, der Stadtteilarbeit, der künstlerischen Intervention und anderem mehr.
Die museologische und vermittlungstheoretische Tradition, in die sie sich einschreiben könnten, nehmen sie dabei selten als Potential wahr. Wie das Museum in seiner Alltagspraxis agiert auch die Vermittlung eigentümlich ‚geschichtslos’.
Wenn ich, was eher nur noch selten passiert, ein einschlägiges Projekt kennenlerne oder auf einer Fachtagung Gast bin, verhärtet sich das Gefühl, daß sowohl die Diskussionen - gerade in Bezug auf die grundsätzlichen Fragen - auf der Stelle treten als auch, daß sich das Methodenspektrum kaum erweitert hat.
Bei der Entwicklung einer kohärente Theorie als Grundlage der Vermittlung hat man vom Museum keine Unterstützung zu erwarten haben, weil es ja auch eher nur an kurzfristig-pragmatischen Zielen orientiert ist, an medialer Aufmerksamkeit, Besucher‘umsatz‘, politischer Akklamation usw. Und weil museologische Theoriebildung kaum an Museen stattfindet und umgekehrt auch kaum Anwendung findet. Museologie und Museum existieren in parallen Universen.
Die Herausforderung, die in dieser Situation steckt, läßt sich so zusammenfassen: spricht die Institution Museum gewissermaßen durch die Vermittlung hindurch und vollzieht Vermittlung die autoritative, hegemonialae Rolle der Institution fraglos mit? Oder ist Vermittlung in der Lage und Willens, so etwas wie eine Gegenöffentlichkeit innerhalb der Institution zu bilden? Erhebt Vermittlung eine eigne Stimme und soll und kann sie die haben, wenn man anerkennt, daß das Museum „Vermittlung ist“?
Der beschriebene prekäre Status der Vermittlung hat verschiedene Ursachen, über die ich bestenfalls Vermutungen anstellen kann. Eine Ursache ist wohl ein grundlegender struktureller Widerspruch. Der, ich wiederhole mich, daß Vermittlung ein Teil einer selbst vermittelnden Institution ist. Alles am Museum, von der Auswahl der Objekte über die wissenschaftliche Bearbeitung bis zur Ausstellung und der Erzeugung von Bedeutung durch Positionierung und Texte und anderes mehr, das ist Vermittlung. In ihr ist schon alles einbezogen, der, der über die Bedeutungen verfügt, sie „erzeugt“, in der privilegierten Position des „Sprechers“ (Autors) ist, all die Exponate, Dinge, Medien, Szenografien, Texte, mit deren Hilfe Bedeutungen kommuniziert werden und last but not least der Besucher, der wie der Leser oder Kinogänger den „Text“ mit produziert und immer schon „im Bild ist“ (W.Kemp). Wo hat hier die „Vermittlung“ als besondere Funktion oder Rolle ihren Platz?
Die relative Geringschätzung, der sich Vermittlung vielerorts noch ausgesetzt sieht, und die sich in einer diskriminierenden Situierung in der Hierarchie und der diskriminierenden Bezahlung niederschlägt, hat womöglich mit diesem strukturellen Widerspruch zu tun. Für die, die im Museum traditionellerweise die Machtpositionen besetzen, die fachlich-akademische ausgebildeten Kuratoren, mag Vermittlung als überflüssige Fleißaufgabe erscheinen, wenn nicht sogar als Konkurrenz um eine zentrale Aufgabe, die der (Re)präsentation, Visualisierung, kurzum des Ausstellens. Da nützt es noch immer wenig, wenn man darauf hinweist, daß diese sehr spezifische, zwischen Kunst und Wissenschaft oszillierende Kompetenz, in der akademische-fachlichen Ausbildung nahezu nie vermittelt wird, während andrerseits Vermittler oft sehr komplexe einschlägige Qualifikationen haben.

Technisches Museum. Wien. Semipermanente Ausstellung "In Arbeit". 2011ff


Das museologische Feld

Einige Stichworte, die in den letzten Jahren immer wieder aufgetaucht sind: Inklusion, Neue Museologie, Partizipation, Social Inclusion, Museum 2.0, Audience Development u.a.m. Allen Stichworten gemeinsam sind zwei Aspekte: alle beziehen sich auf das Verhältnis Museum - Öffentlichkeit – BesucherInnen und alle sind Chiffren für den Wunsch nach Veränderung, Reform, Entwicklung des Museums.
Derartige Schlagworte drücken den Wunsch nach Transformation des Museums aus, nach größerer Publikumsnähe, Nutzung neuer Kommunikationsformen Wobei immer wieder die New Museology als museologischer Bezugspunkt gewählt wird, (obwohl die inzwischen so ‚new’ nicht mehr ist) und alle verraten ein Missbehagen am herkömmlichen pragmatischen Selbstverständnis des Museums. Dessen Wappenschild ist die ,ICOM-Definition‘, die so viele vor sich hertragen, um sich und das Museum vor unangenehmen Fragen und Einsichten zu schützen.
Ich kann aber nicht erkennen, daß sich dieses Missbehagen, das sich in den Schlagworten ausdrückt, sich nachhaltig formiert und als in die Praxis wirkend und eingreifend etabliert hätte.
All den Beschwörungen, die ihre wiederkehrenden Formeln haben wie etwa den Kampfrufen ,Neue Museologie!‘ oder ,Partizipation!‘, haftet wegen der Ineffektivität im Feld der Praxis etwas Geisterhaftes an, so als ob diese Forderungsrituale eher nur den Zweck hätten, gelegentlich durch Berufung auf das ganz Andere die herrschende öde Realität unangetastet lassen zu können. Oder ist ein bisschen so wie in Robert Musil es (in seinen nachgelassenen Fragmenten nachzulesen) im Mann ohne Eigenschaften analysiert hat, daß die Menschen nicht gut, schön und wahrhaftig sind, sondern es lieber sein wollen?[1]
Die Dynamik des Museums wird sicher nicht von den fachlichen Debatten um Museum 2.0 oder Partizipation bestimmt, nicht von idealen Projektionen, die überdies fatal nach naiver Technik- und Mediengläubigkeit schmecken, deren praktische Einlösung aber nirgendwo stattfindet. Die Dynamik der Transformation des Museums kommt nicht aus dem Kern der Institution, nicht einmal aus den auf sie bezogenen Metadiskursen. Sondern überwiegend an das Museum von außen herangetragenen und von sehr unterschiedlichen Interessen getragenen Entwicklungen.
Positiv z. B. von der beispiellosen Entwicklung der Museumsarchitektur, der Museumsgestaltung (Szenografie usw. - nebenbei gesagt der inzwischen wohl bestorganisierte und offensivst aufgestellte museumsaffine Berufsstand), künstlerischen Interventionen und Experimenten.
Negativ vom allseits um sich greifenden Spardiktat, das heißt von der erzwungenen Erosion des wohlfahrtsstaatlichen Konzepts auch des Museums im Kontext einer umfassenden Verabschiedung der Politik von diesem Gesellschaftsmodell. Konkret von der von den Museen eilfertig vorangetriebenen Dienstleistungsorientierung, Ökonomisierung oder den Tendenzen der Reprivatisierung wenn nicht Refeudalisierung.
Den großen Herausforderungen, denen sich Museen heute gegenüber sehen, Kürzung der Mittel, verstärktes Vordringen privater Interessen, Konkurrenz anderer Medien oder Wandel des Publikumsinteresses und demografische Veränderung des Publikums (etwa Schrumpfen des Bildungsbürgertums), begegnen Museen eher defensiv oder gar willfährig. Der Kunsthistoriker und Museologe Walter Grasskamp hat unlängst festgestellt, daß Museen immer weniger imstande sind, sich zu legitimieren, ihre Existenz zu rechtfertigen, ihre Arbeit öffentlich zu deklarieren.
Die sozialtechnologischen Strategien, die sich etwa hinter dem Stichwort Web 2.0 verbergen oder dem der social inclusion, ignorieren den historisch-gesellschaftlichen Kontext, in dem Museen entstanden sind, wirken und zu entwickeln wären. Sie bieten punktuelles Basteln im Interesse eines reibungsloseren Funktionierens innerhalb der als Sachzwang hingenommenen und weitgehend affirmierten Gegenwartspraxis der Museen an.

Marco Lulic: Museum of Revolution. Wien 2010

Museum should transform themselves from beeing about something to being for somebody. Der Satz von Stephen Weil, den ich wie ein Motto über diesen Text gestellt habe, scheint ebenso trivial zu sein, wie die Forderung nach mehr oder anderer Öffentlichkeit. Denn waren Museen nicht immer öffentlich in einem essentiellen und emphatischen Sinn, das heißt, nicht bloß Dienstleistungsinstrumente, die eben auch ein Publikum hatten, sondern Gefäße der Herstellung (bürgerlicher) Öffentlichkeit, ein zivilierendes Ritual (C. Duncan. Sabine Offe), der immer auch schon ein subversives, Demokratie ermöglichendes und mit herstellendes Moment eingeschrieben war.
Wenn man heute feststellt, daß mit der Museumsöffentlichkeit etwas defizitär zu sein scheint, dann wäre es doch an der Zeit, einmal einen museumssoziologisch und museumsgeschichtlich unterfütterten Begriff vom Museum zu entwickeln, um präzise bestimmen zu können, woran genau es mangelt und wohin denn die Entwicklungsreise gehen soll. Wer will eigentlich was vom Museum?
Unglücklicherweise fehlt den Museen etwas, was andere kulturelle Institutionen selbstverständlich kennen: Kritik. So etwas wie Ausstellungskritik, die ihren Namen verdient, gibt es kaum. Museumskritik, die der Komplexität der Institution gerecht würde, kenne ich nehezu überhaupt nicht. Es gibt kaum eine Analyse der spezifischen Medialität und Disposition, mit der Inhalte transportiert und Bildungsziele und Erfahrungsmöglichkeiten anvisiert werden. Also entfällt auch eine Reflexion, die über das Mantra der Erbsenzählerei von Besuchern hinaus eine qualitative Bestimmung von Öffentlichkeit leisten könnte und damit – vor diesem Hintergrund – eine von Vermittlung. Warum soll mit welchen Zielen wem etwas vermittelt werden?

(Fortsetzung folgt) 

Ausstellung über die Occupy-Bewegung. Stadtmuseum Graz. 2012/13



[1] „Darum ist es das Lebenerhaltende schlechthin, daß es der Menschheit gelungen ist, anstatt dessen, ‚wofür es sich wirklich zu leben lohnt’, das ‚dafür’leben zu erfinden oder, mit anderen Worten, an die Stelle ihres Idealzustands den ihres Idealismus zu setzen.“ Mit dem „Dienst am Ideal“ wird „das Ideal selbst ausgeschlossen“. Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften.  Reinbek 2010. S.1458ff., Zitat S. 1460 und 1460f.

Montag, 17. September 2012

"Social Inclusion" oder hegemoniale Museumspolitik? Die "Vermittlungsoffensive" von Ministerin Claudia Schmied

Die für die Bundesmuseen zuständige Ministerin Claudia Schmied hat unlängst Bilanz nach drei Jahren "Vermittlungsoffensive" gezogen. Gemeint ist der von ihr eingeführte Gratiseintritt in Museen für unter 19jährige. Da es an Vergleichszahlen zur Zeit vor der Regelung fehlt, nimmt sich statistisch der Effekt des Gratiseintritts eindrucksvoll aus.
Dabei bleibt es nicht. 400.000 Euro werden für neue Vermittlungsprojekte ausgeschrieben.
Social inclusion auf Staatskosten?
Man darf nicht zu viel nachdenken und nachhaken.
Die Theoretikerin Carmen Mörsch hat vier Typen von Vermittlung ausgemacht: eine affirmative Funktion, „wenn sie“, wie sie schreibt „Institutionen der Hochkultur und das was sie produzieren, möglichst reibungslos an ein entsprechend initiiertes und bereits interessiertes Publikum vermittelt.“ Eine reproduktive Funktion hat sie dann, wenn es ihr und dem Museum in erster Linie um die Rekrutierung eines Publikums der Zukunft geht.
Die dritte Funktion nennt sie „kritisch – dekonstruktiv“, sie reflektiert die strukturellen Voraussetzungen des Museums und der Vermittlung und legt ihren Standpunktes offen, was Besuchern ermöglicht, sich an dieser Reflexion eigenständig zu beteiligen.
Die vierte Möglichkeit liegt darin, gesellschafts- und institutionenverändernd wirken zu wollen. Das geht aber nur dann, wenn man auf die Inhalte und die Rahmenbedingungen unter denen sie produziert und vermittelt werden selbst Einfluss nimmt und nehmen kann. Dies nennt Carmen Moersch transformativ.
Liege ich falsch, wenn ich vermute, daß die Mehrzahl der Vermittlungsprojekte diese beiden ersten Funktionen erfüllt? Die Propagierung und Initiierung in vorab beglaubigte kulturelle Werte um ihrer selbst willen mit dem Ziel das künftige Publikum heranzuziehen?
Das wäre ein Praktizieren kultureller Hegemonie, sozialen Machtverhältnissen entsprungen aber diese verschleiernd. Am Spiel von Kultur und Macht nehmen Bevorrechtete teil, die ihre Interessen als allgemein gültige ausgeben, und die ihre Werte durchzusetzen versuchen.
Der bildungspolitische Glanz, den die ministerielle Strategie (als einzig erkennbare museumspolitische) ausstrahlt, verblasst nicht nur angesichts dieser Vermutung. Sozialdemokratische Kulturpolitik war selten mehr als Affirmation und Adaption bürgerlicher Werte und das berühmte "Kultur für Alle" ebnete einer dienstleistungs- und marktorientierten Kulturpolitik Tür und Tor.
Claudia Schmied kann man die Lektüre von Karl Kraus' "Nachträgliche Republikfeier" empfehlen, ein Text in dem der Autor feststellt, daß "dem Proletarier Eingang (in das bürgerliche Theater GF) zu ermäßigten Preisen verschafft zu haben man für eine revolutionäre Errungenschaft hält." Und fortfährt: "Sollten sie wirklich dazu Revolution gemacht haben, um in der Kultur schließlich auf den leeren Plätzen der Bourgeoisie zu sitzen, die sie nicht etwa geräumt hat, weil sie sich vom Nachdrängen der Arbeiterklasse bedroht fühlt, sondern nur weil sie von den Leistungen ihres eigenen Kunstgeschäfts gelangweilt ist?"

Dienstag, 7. August 2012

Gegen den multimedialen Irrsin. Aber gibt es ein 'Zurück' zum 'guten alten Museum'?

6.Jahrhundert, bitte hinhören
"Gegen den multimedialen Irrsinn" in den Museen schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung an, in gleich drei, zum Teil älteren Essays, die ich ,gesammelt‘ habe und deren Autoren sich aber erfreulicherweise nicht restlos einig sind in ihren Verdammungsurteilen. Die Artikel sind einerseits recht informativ, es werden konkrete Museen und konkrete Projekte genannt und auch Erfahrungen referiert. Und es werden Schlüsselfragen diskutiert, ohne daß ein apodiktisches und eindeutiges Urteil übrigbleibt: das Problem der sprachlichen (textlichen) Erläuterungen, bei neueren Geräten auch Bilder, die in Konkurrenz zum Ausstellungssehen treten, die Schaffung von Distanz, die Unterbindung der Kommunikation der Besucher untereinander und last but not least die Tendenz, Medien zu nutzen, um Dinge (restlos) zu erklären. Dagegen halten die Autoren symphatischerweise am Fragen fest, wenngleich Besucher offenbar die 'neuen' (na ja, 'neu', Audioguides gibt es seit etwa 1950) Medien gerade deswegen suchen. Als Unterstützung beim Verstehen, als Trost im Alleingelassensein mit den Objekten.
Wo die AutorInnen auf den sozialen Elitismus der Kunst- und Museumsbetrachtung zu sprechen kommen, als einst romantisch gepflegten Modus der Begegnung mit dem Authentischen, werden die Grenzen einer Museumspolitik des 'zurück' (zum 'Eigentlichen' des Museums) schnell sichtbar. Das Vitrinenmuseum ist kaum der Ausweg aus den Dillemata des Ausstellungsmachens und Museumsbetreibens in Zeiten multipler Krisen.
Ein vierter Artikel, ein sehr umfangreicher Essay, diskutiert diverse Strategien, die Museen Jenseits des Alltags und des Mainstreams versuchen. wiederum ist das ein recht informativer Artikel, leider letztlich unentschlossen und zuwenig trennscharf in der Beschreibung der Widersprüche. Aber ein Essay ist nun mal kein wissenschaftlicher Aufsatz und man darf der Zeitung dankbar sein, für einen solch einen über langen Zeitraum hinweg betriebenen intensiven Debattenanstoß.

Melanie Mühl: Für das analoge Museum. Verteidigung des Schaukastens. FAZ, 6.August 2012 (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/fuer-das-analoge-museum-verteidigung-des-schaukastens-11844685.html)

Julia Voss: Audioguides. Der Betrachter ist im Ohr. FAZ 24. August 2009 (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/audioguides-der-betrachter-ist-im-ohr-1635067.html)

Swantje Karich: Zukunft der Museen. Holt die Bilder ans Licht!. FAZ, 2. April 2011 (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/2.1782/zukunft-der-museen-holt-die-bilder-ans-licht-1619827.html)

Donnerstag, 24. Mai 2012

"Partisanen im Gebälk meines Gehirns". Karl-Josef Pazzini über Kunsterfahrung, Kunstvermittlung und Partizipation



(...) Jemand geht in eine Ausstellung vermutlich mit dem Wunsch, etwas zu sehen, was man noch nicht kennt. Meistens ist der Anlass ein nicht genau definiertes Begehren. Dann kommt es darauf an, wie weit man sich von dem Gesehenen überraschen lassen kann. Können wir den Wunsch durchhalten, wenn sich vom Bild her gesehen nicht alles gleich einordnen lässt? Nun gibt es aber eine Kunstvermittlung, die genau da einspringt und sagt: Ich sage dir, was das ist. Da wird eine Identifikationsbrücke gebaut, die Werke werden passend gemacht zu dem, was ich ohnehin schon denke. Das halte ich für unproduktiv.[1]
(...) Und in der Partizipationskunst gibt es da manchmal Beteiligungskurzschlüsse, das finde ich nicht sehr hilfreich. Partizipation heißt ja wörtlich: sich seinen Teil zu nehmen.[2] Das Gegenteil einer "Partidonatio" gibt es ja nicht: seinen Teil zu geben. In der Partizipation steckt auch etwas von Kontrollierenwollen, sich gleichzeitig aber auch exkulpieren.[3] Auch wenn ich als Künstler keine tolle Idee habe, kann ich dennoch teilnehmen. Das hat etwas Vampiristisches. Das dann umstandslos als demokratische Errungenschaft auszugeben, sehe ich so nicht unbedingt.

(...) Ich habe den Eindruck, die Psychoanalyse reagierte auf eine Überlastung des individuellen bürgerlichen Subjekts, das ja als autonom gedacht wird, als Singular, der erst nachträglich in Kontakt mit anderen tritt. (...) Es fängt eine große Suche an: Wie entsteht eigentlich Verbindung? (...) Die Kunst vollzieht nun einen großen Wechsel: Sie wird performativ, sie will nicht mehr nur etwas schon Vorhandenes repräsentieren, zum Beispiel in der Malerei. So ähnlich sagt Freud: Es gibt eine psychische Realität, die im Kontakt immer neu evoziert wird und ihre Wirkung bekommt. In der Übertragung passiert mit den Leuten etwas, was sie vorher nicht waren. Das ist ja die einzige Chance, etwas zu verändern. So ähnlich machen das die Künstler.

(...) Identifikation ist ein Moment eines jeden Übertragungsprozesses. Wenn ich mit einem Fremden in Verbindung trete, brauche ich etwas, das ich schon kenne - ich identifiziere. Das kann ein einziger Zug sein, eine Augenlinie, eine Geste, eine Haarwelle. Wenn es aber dabei bleibt, wenn ich darauf beharre, dass etwas so ist, wie ich es sehe, wird ein Verständigungsprozess unmöglich. Es muss eine Fähigkeit einsetzen, diese Identifikation wieder zu durchbrechen. Durch Reflexion muss etwas umgearbeitet werden. (...) Bei einer Kunstbetrachtung fange ich mir Partisanen im Gebälk meines Gehirns ein, die ich dann weitermachen lassen kann.

(...) In Ausstellungen kriege ich Dispositive, die mir das Aushalten von Spannungen in dem anderen Job[4] ermöglichen. In der Kunst ist das oft noch verbunden mit einem sinnlichen Vergnügen. Deswegen bestehe ich auch darauf, dass es Kunst gibt, die mir ein ästhetisches Vergnügen bereitet. Nur eine Kunst über Kunst über Kunst ist nicht das, was mich vom Hocker reißt. (...)

Karl-Josef Pazzini, geboren 1950, Erziehungswissenschafter an der Universität Hamburg und Psychoanalytiker, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Prozessen des Kunsterlebens. Das Interview, das im Der Standard, 15.5.2012 (hier dergesamte Text, mit den Fragen) veröffentlicht wurde, bezieht sich auf einen Vortrag bei der Tagung "Angewandtes Ausstellen" an der Universität für angewandte Kunst.


[1] Das gilt nicht nur für die Kunstvermittlung, sondern für Vermittlung generell. Besonders für die Vermittlung, die die Ausstellung und das Museum als Medien darstellen. Inwieweit kommen sie dem Begehren zu sehen - ohne Kontrolle und Absicherung - offen oder auch risikoreich entgegen? Der Wunsch, sich (als Kurator etc.) und die Besucher vor dem Unkontrollierbaren zu bewahren, alles angstfrei (und möglichst auch noch anstrengungslos) werden zu lassen, ‚erspart’ einem die eigene Reflexion.
Der Kontrollunsch steht auch jener Museumssoziologie Pate, die über Erforschung des Besucherverhaltens zur Schaffung von Settings beitragen will, die 'gelingende' Kommunikation herstellen sollen.
[2] Zusammengesetzt aus pars, Teil und capere, fangen, ergreifen, sich aneignen, nehmen. Meist wird P. als Teilhabe übersetzt - und dann ist sie auch schon demokratisch...
[3] Exkulpieren wovon? Meinem Gefühl nach vor allem davon, Macht über andere zu haben. Mit anderen AutorInnen, die über Partizipation geschrieben haben, bin ich auch der Meinung, Partizipation beginnt dort, wohin sie meist kaum reicht und auch nicht reichen soll: zur Aufgabe/Übergabe dieser Macht.
[4] K.J. Pazzini ist Erziehungswissenschafter und Psychoanalytiker. Die Formulierung scheint mir weit über die ‚autobiografische’ Beispielhaftigkeit auf das ‚museale’ Ausstellen, also nicht nur auf das von Kunst, verallgemeinerbar. Etwa im Sinne von Sloterdijks Beschreibung des Museums als ‚Schule des Befremdens’, wo es um die Spannung von Eigenem und Fremden geht, wobei das ‚Andere’ in den unterschiedlichsten Registern – class, gender oder race – erscheinen kann.

Montag, 14. Mai 2012

Theorie der Vermittlung. Ein (fast neuer) Blog

Als ich unlängst nach sehr langer Zeit wieder einmal Gelegenheit hatte, an einer Diskussion unter Kulturvermittlerinnen teilzunehmen, hatte ich den Eindruck, als würde sich die jahrzehntelange Diskussion, die schon geführt worden ist, nicht bündeln und schärfen und die reichen Erfahrungen, die doch gemacht wurden, nicht akkumulieren.
Ich kann nicht sagen, woran das liegt. An Netzwerken, Gruppenbildungen, einschlägigen Veranstaltungen hat es doch nicht gefehlt. Aber warum muß jede neue Generation wie von Null beginnen, sowohl in den klassischen berufsständischen Fragen (Arbeitsverhältnisse, Beschäftigungsformen, Bezahlung etc.) als auch in den methodischen Fragen.
Mit einer durch Forschung gestützten Theoriebildung stand es schon immer nicht so gut, aber darin unterscheidet sich die Vermittlung nicht vom Museumswesen insgesamt. Hier wie dort wird die Kluft zwischen Theorie und Praxis eher größer als kleiner.
Durch Zufall habe ich eine Webseite entdeckt, die genau auf dieses Defizit zu reagieren scheint. Der Salon Kulturvermittlung ist ein Blog, der im Untertitel "Eine virtuelle Diskussion zu theoretischen Grundlagen der Kulturvermittlung in Österreich" verspricht.
Es gibt erst eine handvoll von Texten, die sind aber sehr ambitioniert und auch sonst verspricht die Aufmachung und das Inhaltsverzeichnis recht viel. Der Blog existiert offenbar erst seit wenigen Monaten und ich bin gespannt, wie er sich entwickeln wird.

Sonntag, 5. Februar 2012

Das Irdische Paradies der Österreichischen Museen (2: Kommentar)

Ich habe den Pressetext (hier), den die für die Museen zuständige Minsterin aussenden ließ, unkommentiert gelassen. Jetzt hole ich zwei Anmerkungen nach.

1) Als ich mich als Kunstgeschichtestudent mit - erste heute würde man sagen 'museologischen' - Fragen auseinanderzusetzen begann, kam ich in Kontakt mit der Museumspädagogik und lernte deren Praxis in vielfältigen Projekten schätzen und die verschiedenen ideologischen Grundanahmen dieser Arbeit kennen.
Ich habe mich auch eine Zeit lang engagiert, z.B. in der Weiterbildung und kam damit zwangsläufig in Kontakt mit der Kultur- und Bildungsbürokratie und mit der Haltung der Museen gegenüber der Museumspädagogik.
Das ist eine Erinnerung an eine fast lückenlose Abwehr und Nichtanerkennung, sowohl von den Museen als auch von den für deren Verwaltung Zuständigen. Gelegentlich schlug einem blanke Missachtung und Zynismus entgegen oder unglaubliche Ahnungs- und Interesselosigkeit.
Diese Situation hat sich grundlegend geändert. Aber ich tue mich schwer, dies allein dem Beharrungsvermögen der MuseumspädagogInnen oder, wie sie sich heute eher nennen, der VermittlerInnen zuzuschreiben.
Der 'turn' kam mit der wachsenden Bedeutung der kuulturellen Einrichtungen für die 'Freizeitgesellschaft', mit den populären Ausstellungen und der ebenso popularisierenden Berichterstattung sowie mit der wachsenden Konkurrenz der diversen Institutionen untereinander. So mancher Direktor mutierte in dieser Zeit vom 'Anti-Pädagogen' zum Freund aller Schulklassen, weil ihm da ein quotenbringendes (Zwangs)Publikum ohne eigenen Aufwand in die Säle gebracht wurde.
Meist kam dabei vom Museum kaum Unterstützung aber man überließ den - damals noch überwiegend privaten - Initiativen ein begrenztes Feld.
Vor diesem Hintergrund könnte man die heutige Situation - triumphalistisch reportiert in der minsteriellen Aussendung -, als Triumph der Kulturvermittlung verstehen.
Kann man?

2) In die Geschichte des Museums ist eine lange Geschichte der Disziplinierung, Kontrolle und sozialen Distinktion eingeschrieben. Schon in der Französischen Revolution, als die ersten modernen, staatlichen und allgemein zugänglichen und gesellschaftlich wirksam sein sollenden Museen gegründet wurden, erkannte man das Potential von Museen als ideologische Apparate, die soziale Distinktion sowohl herstellen als auch verschleiern konnte - entgegen dem Versprechen für jedermann zugänglich und wichtig zu sein.
Im industriell höchstentwickelten Land, in England, wo die sozialen Probleme auch zuerst und massenhaft sichtbar wurden, wurde die Pädagogisierung umfassend und regelrecht ordnungspolitisch verstanden - und das durchaus auch ambivalent. Einerseits öffnete man Museen für breite Bevölkerungsgruppen nicht einfach nur, sondern entwickelte Strategien, diese Gruppen auch erfolgreich anzusprechen, zu gewinnen, zu 'bilden'. Andrerseits lag das Ziel klar in einer sozialen Pazifizierung, wenn nicht in einer 'polizeilichen' Ordnungspolitik, die die 'rude populace' und 'laboring multitude' (John Ruskin) disziplineren sollte.
Heute begegnet man noch immer in England, wie wohl kaum anderswo, systematischen, umfassenden und sehr elaborierten Bemühungen um die Besucher, vor allem um die jungen. Hierzulande wird deshalb England oft als ein Eldorade der musealen Vermittlungskultur angesehen und bewundert, während die Aufmerksamkeit für die fortgesetzt disziplinierende und hegemoniale Seite dieser Museumspolitik kaum gesehen wird.
Auch der ministerielle Text - nicht verwunderlich für eine Image-Aussendung -, ist völlig frei von jeder Überlegung zu Sinn und Unsinn der Kampagne, freien Eintritt zu Museen für Jugendliche zu gewähren. Man kann das aus der Perspektive der Museen und der Coinnosseure der Hochkultur als großartige Entwicklung sehen, man kann sich aber auch fragen, ob das alles nicht auch ein Strategie ist, mit der partikulare kulturelle Interessen und Ausdrucksmöglichkeiten sozusagen universalisiert werden sollen. Vermeer für alle? Indische Sakralkunst für alle? Bemalte Bauernschränke für alle?  Wirklich?
Während das Universum der bürgerlichen Kultur am Erodieren ist, wird mit einer solchen Politik an einer ungebrochenen Affirmation festgehalten, ja ihre Ausweitung betrieben. Alle Museen und alles im Museum gilt als bewundernswürdig, Wissen stiftend, sozial und intellektuell wohltuend.
Niemand würde auf die Idee kommen, widerspruchslos eine entsprechende Kampagne für andere Medien zu akzeptieren. Man würde nach Inhalten, Bedeutungen, Wirkungen, Auswahl, Verantwortlichkeit usw. fragen. Nicht so hier. Das Museum ist sakrosankt. Und es soll es offenbar auch bleiben.