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Montag, 23. November 2020

Wir sind systemrelevant! Wir sind unverzichtbar!

Heute in der Süddeutschen Zeitung: Wir sind systemrelevant: Der Theaterbetrieb kreist in der Krise nur larmoyant um sich selbst. Damit tut er sich keinen Gefallen.

Dazu der SZ-Mitarbeiter Peter Laudenbach: Es genügt Ulrich Khuon (Präsident des Deutschen Bphnenvereuns. Anm.GF) und seinen Kollegen und Kolleginnen in den Chefetagen der Theater nicht, Ansteckungsrisiken kleinzureden. Sie überhöhen das Theater, als sei es die wichtigste Instanz des gesellschaftlichen Zusammenhalts, das letzte Bollwerk gegen Barbarei, Vereinsamung und Sinnkrisen. In dieser schrägen Logik erscheint eine vorübergehende Theaterschließung aus Gründen des Gesundheitsschutzes wie die administrative Anordnung zum Untergang des Abendlandes. So erklärt Khuon in seinem Brief an die Kanzlerin, 'das Schließen dieser wichtigen öffentlichen Orte' stifte 'großen gesellschaftlichen Schaden'. Theater und andere Kultureinrichtungen seien 'Orte des Austauschs, die für die Gesellschaft eine unverzichtbare Bedeutung haben' ... Außerhalb der Theaterblase mutet solch pathetische Rhetorik nicht nur schwer nachvollziehbar an. Sie ist Es genügt Ulrich Khuon und seinen Kollegen und Kolleginnen in den Chefetagen der Theater nicht, Ansteckungsrisiken kleinzureden. Sie überhöhen das Theater, als sei es die wichtigste Instanz des gesellschaftlichen Zusammenhalts, das letzte Bollwerk gegen Barbarei, Vereinsamung und Sinnkrisen. In dieser schrägen Logik erscheint eine vorübergehende Theaterschließung aus Gründen des Gesundheitsschutzes wie die administrative Anordnung zum Untergang des Abendlandes. So erklärt Khuon in seinem Brief an die Kanzlerin, 'das Schließen dieser wichtigen öffentlichen Orte' stifte 'großen gesellschaftlichen Schaden'. Theater und andere Kultureinrichtungen seien 'Orte des Austauschs, die für die Gesellschaft eine unverzichtbare Bedeutung haben' ... Außerhalb der Theaterblase mutet solch pathetische Rhetorik nicht nur schwer nachvollziehbar an. Sie ist peinlich."

Man kann mühelos das Wort Theater durch Museum ersetzen und sich fragen, ob die Kritik exakt genau so auch an den Museen und Museumsverbänden geübt werden müsste.

Sonntag, 9. August 2020

Bundesmuseen-"Pleite"?

Der Corona-Schock währte nur kurz. Als plötzlich Friseurinnen "systemrelevanter" waren und früher öffnen durften als Museen, scheuchte das einige DirektorInnen der Bundesmuseen auf und wir konnten Grundsätzliches zur Lage der Museen hören: nicht bloß etwas zur finanziellen Lage sondern nun, aus der Not heraus, auch zur gesellschaftlichen Rolle und den Aufgaben der Museen.

Das war schnell vorbei. Es war nicht zu erkennen, daß die Museen ihre materielle und ideelle Situation gründlich überdenken wollten und man konnte auch nichts programmatisch Neues ausmachen. Dabei war es nicht schwer abzusehen, daß die sogenannte Corona-Krise nicht schnell beendeten sein und irgendwann die Lage der Museen enger und enger werden würde.

Nun gibt es eine Aussage des für die Museen zuständigen Ministers: "Laut Information der Bundesmuseen/ÖNB mit Stand 30.6.2020 ist trotz massiver Gegensteuerungen zu befürchten, dass die Einrichtungen bis Jahresende ihre Reserven aufgebraucht haben und somit die Gefahr besteht, dass der Fortbestand ab 2021 nicht gegeben wäre".

Es ist nicht zu erwarten, daß die Bundesmuseen ernsthaft gefährdet wären. Sie werden alle weiterbestehen, aber zu welchen Bedingungen? Wird man nicht zwingend einsparen müssen, bei Institutionen, die ohnehin unterfinanziert sind? Und zu wessen Lasten wird die Existenz der Museen weiter garantiert werden? Doch zuungunsten des Personals?

Mit der Lage der Museen in den USA ist die der österreichischen Bundesmuseen sicher nicht zu vergleichen, aber der Umstand, daß das Metropolitan Museum trotz seiner milliardenschweren Stiftungsrücklagen hunderte Mitarbeiter kündigt und daß man mit der Schließung etwa eines Drittels der US-Museen rechnet, wirft doch die Frage auf, wie sich die Situation der Bundesmuseen entwickeln wird - und nicht nur der.

Worum es geht, beziehungsweise worum es gehen könnte, wird gerade in Berlin deutlich. Die Evaluation der Stiftung Preussischer Kulturbesitz, in der die Auflösung der bisherigen Stiftungskonstruktion empfohlen wird, hat zu einer öffentlich geführten Kontroverse geführt, in der sich nun auch die LeiterInnen der einzelnen Stiftungsmuseen sehr deutlich geäußert haben. Unbestritten ist auf allen Seiten, der Politik, der Evaluierungskommission und bei den Museen, daß es um nicht bloß eine organisatorische Reform gehen kann, sondern daß ein neues Selbstverständnis der Museen entwickelt werden muß.

Diese Diskussion hätte nach dem erwähnten "Schreckschuss", der die Bundesmuseen traf, eigentlich losgehen können, wurde aber nicht genutzt. Die damalige Versicherung, wie wichtig denn die Museen nun einmal seien, wird nicht genügen, nicht, wenn sich die Krise vertieft, was zu erwarten ist. Die Chance, die Krise offensiv für die Entwicklung eines neuen Leitbildes (im übertragenen Sinn) der Museen zu nutzen, hat man verstreichen lassen.

Donnerstag, 30. April 2020

Die Herausforderungen der Museen in der Corona-Krise. Ein Text von Helmut M. Bien

Inspiriert von einer Petition von Helmut M. Bien habe ich eine Replik auf seien Text geschrieben. Dabei ging es um die frage, ob und wie sich Museen in und nach der Coronakrise andern müssten und sollten. Auch wenn wir, Helmut Bien und ich, unterschiedlicher Meinung sind - gerade die Unterschiede interessieren mich-, wir gehen beide davon aus, dass die Situation die Museen grundlegend herausfordert.

Nun hat auf meinen Text Helmut Bien geantwortet:

Lieber Herr Fliedl,

herzlichen Dank für die freundliche Aufnahme meiner Petition an uns selbst, die Kulturschaffenden. Denn retten müssen wir uns vermutlich selbst...

Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie als Museologe und Museumshistoriker mit großer Erfahrung bei meinen optimistischen Einschätzungen Fragezeichen machen. Aber so ist es, wenn man wie ich der weit verbreiteten Verliebtheit ins Scheitern etwas entgegensetzen möchte. Da steht man schnell als naiver Optimist da, während Bedenkenträger auf sich selbst erfüllende Prophezeiungen setzen und sozusagen von der kulturpessimistischen sicheren Seite aus anstrengungslos recht behalten können. Damit meine ich natürlich nicht Sie sondern eine aktuelle Stimmung in Deutschland, die von anderen alles und von sich selbst kaum etwas erwartet und sich in der Opferrolle einrichtet. Gerade deshalb bin ich Ihnen so dankbar, mich noch ein wenig klarer artikulieren zu können zumal das vordergründige Ziel des Aufschließens der Museen erreicht zu sein scheint.  

Die augenblicklich kursierenden Utopien und Dystopien über den Untergang des Abendlandes und das Ende der Menschheit verfolgen weit weniger den Zweck, dass sie Wirklichkeit werden. Es sind Warnungen an die Handelnden, dass Gefahr besteht und dass die Voraussagen möglichst nicht eintreffen mögen. Insofern ist der Irrtum der Propheten kein Unglück und spricht auch nicht gegen sie. Sie sollen das Problembewusstsein schärfen und Handlungsbedarf signalisieren, wenn wir auf eine Wegscheide zusteuern. Das ist die paradoxe Situation in unserer auf Kommunikation basierenden Gesellschaft.

Und es gehört zur Dialektik der augenblicklichen Diskussionen von Wirtschaft gegen Gesundheit, Jung gegen Alt, Fressen gegen Moral dazu, dass sich so trefflich Freund-Feindschafts-Verhältnisse herstellen lassen, es aber in Wirklichkeit darum geht, möglichst viel unter einen Hut zu bekommen. Auch da gehört es zu den systemischen Merkwürdigkeiten von Rollenverteilungen, dass ein Virologe als Virologe erläutert, das vom Standpunkt seiner Wissenschaft aus der Shutdown möglichst lange aufrechterhalten bleiben muss, derselbe aber als verantwortungsbewusster Bürger genau diese seine Haltung für komplett absurd halten müsste.

Meine Petition an uns selbst versucht nichts weiter als relativ pragmatisch das aktuelle Geschäftsmodell des Museums auf seine Haltbarkeit hin zu bedenken und nicht darüber zu klagen, dass es so wie bisher vielleicht kaum mehr weitergeht sondern zu überlegen, welche Chancen bisher nicht genutzt wurden, vielleicht auch weil der Erfolg des Museums in den letzten Jahren nicht in Frage stand.

Die Fragmentierung unserer Gesellschaft hat die Museumslandschaft mitgemacht und eine kaum überschaubare Vielfalt von Institutionen geschaffen. Viele der Neu-, Um- und Ausgründungen verdanken sich der kulturellen Identitätspolitik, die darin bestand das Einzigartige und Unverwechselbare beispielsweise einer Stadt in Gestalt von Museumsanlagen erlebbar und vorzeigbar zu machen. Museen wurden zu Ankerinstitutionen des Stadtmarketings und der touristischen Aufwertung von Innenstädten, die von Verödung bedroht sind. Diese Problemlage wird sich durch die Coronakrise noch weiter verschärfen, weil der stationäre Einzelhandel ebenso bedroht ist wie die Gastronomisierung der Stadtzentren. Kulturinstitutionen werden da neben den Stadtbild beherrschenden Kirchen eine Rolle spielen. Kirchen und Sportstadien stehen mit den  Museen in einer Reihe, als diejenigen die den Stoff für die Selbstverständigung der Gesellschaft bieten. Natürlich auch die Konzerthäuser und Theater, Bibliotheken und Universitäten. Aber durchgehend geöffnet haben vor allem die Museen. Und sie sind voraussetzungslos zu besuchen und können jetzt schnell betriebsfähig gemacht werden.

Sie beschreiben sehr schön, wie die Quotenorientierung der Museumsausstellungen das Problem schafft, als dessen Lösung sie sich anbietet. Wenn viel Geld für Transporte und Versicherungen der Block-Busterausstellungen ausgegeben werden muss, dann müssen auch viele Besucher kommen. Es ist eine Art von Finanzialisierung des Kulturellen, bei dem viel viel kostet und viel viel bringt. Nur sollte das Angebot möglichst flach sein, damit es niemanden überfordert (Highlight, Weltpremiere, geniale Werke). Letztlich vielleicht doch ein Nullsummenspiel und angesichts der Tatsache, dass wir langfristig mit reduzierten Besucherzahlen klar kommen müssen, auch ökonomisch ohne Perspektive. Anstelle der Quote müssen die Qualität und die Tiefe des Bildungserlebnisses treten. Das lässt sich mit der Einbindung der Kreativszene und neuen Angeboten erreichen. Und mit der Entdeckung des lokalen/regionalen Publikums. Der Service, den man den Touristen angedeihen lässt, der lohnt sich auch für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort, wenn die das Gefühl bekommen, dass sich der Museumsbesuch immer und immer wieder lohnt und nicht nur etwas ist, das man in seiner Jugend ein Mal hinter sich bringt. 

Sie haben völlig recht, auch über das Selbstverständnis der Museumswissenschaftler und Mitarbeiter sollte neu nachgedacht werden. Museen sind keine Universitäten, die der freien Forschung und Lehre zugedacht sind. Manche Museen benehmen sich zwar so. Museen haben meistens einen Auftrag, so allgemein er auch formuliert sein mag. Forschen, Sammeln und Bewahren gehören ebenso dazu wie das Zeigen und Erklären. Letzteres ist eine in Deutschland eher unterentwickelte Qualität etwa im Vergleich zur angelsächsischen Welt, die viel marktkonformer um Besucher buhlen muss, um die Grundfinanzierung zu sichern. Klaus Biesenbach (Kurator, New York) ist aktuell der Meinung, dass 30 Prozent der amerikansichen Museen nach dem #Shutdown erstmal nicht wieder aufmachen werden.  Eine ‚Marktbereinigung’, die sich in unserem öffentlich-rechtlichen System so nicht stellen wird, die aber sicherlich neue Fragen nach Relevanz und effizienter Organisation aufwerfen werden, auf die man sich in seinem aktuellen Handeln schon einstellen sollte. Denn werden diese Fragen erst in den Gremien und der Öffentlichkeit gestellt, dann sind sie vielfach schon beantwortet und in der Regel negativ. Hier wäre also eine vorauseilende Relevanz-Evaluation sinnvoll und damit die Frage, welche inhaltlichen Brücken sich von den aktuellen Problemen der Gesellschaft schlagen lassen zu den Sammlungsbeständen und den Ausstellungsprojekten der Vergangenheit und Zukunft.

Sie haben recht. Dabei brauchen die Museen auch die Zusammenarbeit mit Externen, die aus anderen Wissensbereichen Erkenntnis und Erfahrung beisteuern. Hier läge das Potenzial, die transdisziplinäre Arbeit zu stärken.

Die Frage nach der Systemrelevanz wird im Augenblick gestellt, um zu begründen, dass die eigene Arbeit nicht schlechter gestellt werden dürfte als die anderer. Es ist eine die auf Gleichheit und gleiche Rechte zielt. Die Systemrelevanz ist theoretisch leicht zu begründen, praktisch muss sie sich in der Krise darin erweisen, dass die Institution sichtbar ist und bleibt und Beiträge leistet, das Gemeinwesen in Gang zu halten. Mein Vorschlag zielt darauf ab, dass die Museen Arbeit schaffen, indem sie sich neu positionieren und ihre implizite Rolle als herausragende Einrichtungen der Selbstverständigung auch explizit machen. Das können die Museen, indem sie ihre Räume nicht nur als Lager- und Schauräume sondern als Arbeitsräume neu erfinden. Das wäre das Neue gegenüber den Roosevelt-Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in der Großen Depression der 1930er Jahre.

Die Museumswissenschaftler müssten ihr Rollenverständnis erweitern. Sie sind nicht nur kompetente Fachleute und versierte Kustoden ihres Sammlungsgebietes, sie könnten auch die Rolle von Kuratoren und Moderatoren übernehmen, die Menschen miteinander verbinden und nicht nur unerbittlich auf hohem Niveau senden. Signale empfangen und Akteure vernetzen wäre ebenso wichtig. Resonanzräume schaffen, nicht nur Echokammern. Auch das ist als eine Kritik an manchem Social-Media-Enthusiasmus der Institutionen zu verstehen, die jetzt einfach nur den Taktschlag und die Intensität ihrer Zielgruppenansprache erhöhen ohne die Augenhöhe mit den Angesprochenen zu suchen und interaktivität anzustreben. 

Die Museen haben ihre Gäste in den Rollen von Konsumenten fixiert, Rundgänge ähneln den Verhaltensmustern beim Window-Shopping. Die Besucher goutieren das Gezeigte, erkennen Bekanntes wieder, repetieren Kontexte, lassen sich ein wenig überraschen und bewerten wie Kunde König: gefällt/gefällt nicht. Ein eher statisches Wahrnehmungsmodell mit narzistischen Zügen.

Aus der Rezeptions-Ästhetik etwa eines Bazon Brock wissen wir, dass vielmehr möglich ist. Kunstwerke brauchen professionalisierte Besucher, die sehen können, was sie wissen oder auch nicht. Die in der Lage sind, Exponate als Vorschläge der Problemstellung zu identifizieren und die selbst eine Haltung dazu entwickeln können.

Inzwischen gibt es noch andere Ebenen der Rezeption. Damit meine ich nicht nur Instagram-Trophäen-Schnappschüsse sondern auch Malkurse oder auch eigne Forschungsprojekte etwa in Natur- und Technikmuseen oder auch Maschinensprach-Kurse in Museums-Labs wie der Ars Electronica oder dem ZKM Karlsruhe, bei denen Besucher zu Usern und selbst produktiv werden.

Alle diese Aktivitäten zielen darauf, den Museumsbesuch zur Gewohnheit zu machen und in den Alltag zu integrieren ganz unabhängig davon, ob die jeweilige Ausstellung interessant ist oder nicht. Dazu gehören auch Vortragsangebote, Film- Performance- und Musikdarbietungen, Festivals oder Restaurant- und Cafe-Besuche.

Museen, das wäre die Anforderung, müssten Menschen um ein Thema herum versammeln und nicht nur Objekte. Und Museumswissenschaftler sind nicht nur Sender von Botschaften sondern auch Empfänger, die Anregungen in Kommunikationsangebote verwandeln können. 

Mir ist schon klar, dass diese Qualifikationen bisher eher die Ausnahme als die Regel sind, aber darin bestände gerade die Notwendigkeit und der Reiz, dass die Museen in der Krise die Mittel bekommen, diese Leute einzubinden und damit die Museen vielfältiger und auch resilienter zu machen.

Und es gibt den Faktor Zeit. Ich glaube wir sollten die kommenden Monate als eine Zeit der Improvisation sehen, in der es auf ein Learning by Doing ankommt. Die Älternen könnte das auch an die Zeit der Wiedervereinigung in Deutschland erinnern. Einer verrückten Zeit, in der das Gelingen vom Machen abhing und sich die Verliebtheit ins Scheitern niemand leisten konnte. Für eine Selbstverständigung  als Voraussetzung zum Handeln bleibt da nicht allzuviel Zeit. Beides könnte parallel und am praktischen Beispiel erfolgen  

Die Frage der Systemrelevanz ist auch eine der Konkurrenz der Begehrlichkeiten. Die entscheidet sich nicht nach Plausibilität und Prestige sondern im Wettbewerb und in der machtvollen Artikulation der Interessen. Es kann auch sein, dass systemrelevante Institutionen unter die Räder kommen. Davor schützt auch Systemrelevanz nicht. Denn die ist nur bedingt einklagbar und immer auch eine Frage der Konsensfindung: Systemrelevant ist das wofür Geld da war…

So hat Angela Merkel vor einem Zuviel an Künstlerprogrammen gewarnt, weil dann die Italiener und Spanier noch viel weniger verständen, warum Deutschland und die anderen Calvinisten ihnen die erbetenen EU-Mittel vorenthalten. So schnell kanns gehen. Und es gibt immer jemanden, dem es schlechter geht. Deshalb verbieten sich alle Klagen.

Wir werden uns also warm anziehen müssen und schnell eine Vernetzung in der Gesellschaft hinkriegen müssen, damit nicht nur die Big Player den Kassensturz glimpflich überstehen sondern auch die Museumslandschaft in ihrer Vielfalt.

Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. Davor schützen auch keine Verträge und Gesetzesklauseln. Im Ausnahmezustand ist vieles Verhandlungssache. Und auch Jens Spahn, der Gesundheitsminister, hat schon mal vorgebaut. Im Nachhinein werde man sich für vieles entschuldigen müssen. 

Das ist die unbequeme Wahrheit

Herzliche Grüße

Samstag, 25. April 2020

Wie „systemrelevant“ sind eigentlich Museen? Eine Replik auf Helmut M. Biens Petition „Öffnet die Museen!“

Wie „systemrelevant“ sind eigentlich Museen? Eine Replik auf Helmut M. Biens Petition „Öffnet die Museen!“

Der Text von Helmut M. Bien (der vor der Ankündigung geschrieben wurde, dass Museen wieder geöffnet werden können und der hier nachzulesen ist) ist mehr als nur eine Petition, in der das Aufschliessen gefordert wird. Bien verknüpft seinen Appell mit der Einforderung gesellschaftspolitischer Verantwortung der Museen. Mit praktischen Konsequenzen, für die er Beispiele gibt. Museen sollen einen Beitrag leisten zur Bewältigung und Verarbeitung der Krise und auch an Zukunftsentwürfen mitwirken.

Der Text gehört damit in ein derzeit weiterverbreitetes Genre von Krisen-Texten, in denen die Krise mit der Hoffnung auf Lernprozesse und daraus resultierend Veränderungen verknüpft wird. Das kann die Hoffnung auf mehr solidarisches Handeln sein, auf Verbesserung des Gesundheitssystems, auf Stärkung des Sozialstaates oder gar auf eine komplette Umwälzung des Wirtschaftssystems, wenn nicht gar auf das „Ende des Kapitalismus“. Kontrastierend dazu grassieren selbstverständlich auch Dystopien. Eben lese ich in einer Zeitung vom „Tod des Kinos“, vom Hotelsterben oder dem Zugrundegehen des Buchhandels. Und in Österreich wird eine hinsichtlich der Unterstützung Kulturschaffender und einschlägiger Institutionen zaudernden Politik, eine Ende der Kultur und damit der „Kulturnation“ überhaupt vorhergesagt. Noch heftiger sind Phantasien vom Überwachungsstaat oder dem Ende der Demokratie. 

Von einem Ende des Museums redet niemand. Deren finanzielle Krise scheint vorerst zumindest bewältigbar. Von der öffentlichen Hand alimentierte Museen brauchen ohnehin kaum etwas zu befürchten, aber möglicherweise werden kleinere, etwa von Vereinen oder finanzschwachen Gemeinden getragene Museen ähnliche wirtschaftliche Probleme bekommen wie viele andere Betriebe auch. Bei alledem wird die Bedeutung der Museen nicht in Frage gestellt. Die steht schon lange ausser Frage. 

Tut das den Museen gut, gerade jetzt, wo sie länger „verschwunden“ sind? Ich habe an anderer Stelle gefragt, warum die Museen nicht selbst radikal ihre Funktion und Bedeutung angesichts der Krise überdenken, warum sie die „Auszeit“ der Krise nicht nutzen, um ihre Aufgabe und ihre Arbeit zu überdenken. (Hier kann man den Text nachlesen). Wenn sie schon mit der von ihnen selbst veranlassten hyperventilierenden Digitalisierung implizit ihre Ersetzbarkeit als materiellen Überresten verschriebene Institutionen beweisen, warum denken sie die Krise nicht mal von der extrem negativen Utopie her: was wenn eine Gesellschaft ihre Museum „verliert“? Stellen Museen mit der vielfach problematischen Übertragbarkeit ins Netz, nicht sich selbst grundlegend in Frage? Wirken Museen damit nicht gerade an der Abschaffung dessen, was sie einmal waren mit? 

Der US-Museologe Stephen Weil hat vor vielen Jahren in einigen sehr witzigen und rabiaten Parabeln, genau diese Frage aufgeworfen und das Denkunmögliche probeweise durchgespielt - was ist, wenn die Existenzberechtigung der Museen in Fragte steht. (Hier der seiner Texte, der auf verblüffende Weise zur aktuellen Krise „passt) Ich hätte nie gedacht, dass seine Texte mehr sein könnten als ein Probehandeln im Denken. Jetzt wird seine Frage plötzlich praktisch: die Frage nach der Existenzberechtigung der Museen. Wozu braucht es sie?

Das ist die Frage, auf die ein Text, den Helmut M. Bien jüngst via Facebook veröffentlicht hat, hinausläft. Bien geht, wie viele andere, wie wohl die meisten, vom selbstverständlichen Existenzrecht des Museums aus. Es ist wichtig, weil es da ist und es ist da weil es wichtig ist. Zum Unterschied dieser gängigen, diskreten und zentralen Legitimation des Museums, das die am wenigsten und eigentlich nie in Frage gestellte unter den kulturellen Institutionen ist, wirft Biens „Petition“ aber die ausgesparte Frage auf: wozu brauchen wir Museen? Und das ist der Punkt, der mich an der Petition interessiert.

Dabei gibt Bien eine Antwort vor, die mir widersprüchlich erscheint, aber gerade darum produktiv für eine Diskussion. Das Museum soll als Speicherort des Wissens, eine Art von Gedächtnis, das historisches Lernen im kollektiven Massstab ermögliche. Die wichtigste Passage dazu lautet: "Alle, die Entscheidungen für sich und andere treffen müssen, brauchen Zugang zu den Wissensspeichern der Gesellschaft. Deshalb war es eine kontraproduktive Entscheidung, die Museen zu schließen. Dieser Fehler muss umgehend korrigiert werden. Öffnet sofort die Museen! Dort findet sich all das, was wir bisher an Wissen gesammelt haben über den Umgang mit Krisen und Seuchen, ihren Folgen und zu ihrer Bewältigung. Geschichte ist die beste Zukunftswissenschaft, die wir haben. Weil wir im Rückblick auf die Vergangenheit sehen können welche Zukunftsoptionen, Szenarien und Entwicklungspfade wir wählen können, wollen oder sollen.“

Ich teile diese Idee vom Museum, aber nicht den Optimismus, den Bien in die Institution setzt und, weit allgemeiner, auch nicht das Vertrauen in die historisch fundiertere Lernfähigkeit von Gesellschaften. Wo und wann haben je Museen solche grossen gesellschaftlichen Fragen aufgeworfen und wo haben sie je die nötigen Lernprozesse moderiert? Wenn ich meine Erfahrungen mit Museen in Österreich Revue passieren lasse, komme ich auf ganz wenige Museen oder Ausstellungen, die auch nur annähernd solchen Ansprüchen gerecht geworden sind oder heute und aktuell gerecht werden.

Ein Beispiel, um das Gegenteil zu vermuten: Es gibt grade eine in dieser Dichte einzigartige Welle von Dokumentations-Projekten zur Corona-Krise von vielen österreichischen Museen in nahezu allen Bundesländern. Es wird zur Einsendung von Objekten (materiellen Dingen, Fotos, Digitalisaten usw.) aufgerufen. Nirgendwo habe ich einen Hinweis darauf gefunden, wie dieses (unkoordinierte) Sammeln in solche Lernprozesse eingebunden werden sollen, von denen Bien spricht. Es fehlt dort an nahezu allem, an Einbeziehung der „Geber“, also an durchdachter Partizipation, die ihren Namen verdient, selbst an minimalen rechtlichen Regelungen, vor allem aber an formulierten Zielen und Strategien für dieses - wie mir scheint ziemlich überhastete und kopflose - Sammeln. Und es scheint beim Repräsentieren zu bleiben, beim nachträglichen „Bebildern“. Was dieses Sammeln zum Verständnis der Krise, zu ihrer Reflexion, ihrer Verarbeitung im Individuellen wie im Kollektiven beitragen soll, bleibt unklar. Das ist wohl sehr weit entfernt von dem, was Bin vorschwebt.

Praktisch bin ich sehr skeptisch. Als Museumshistoriker und Museologie bin ich allerdings ganz auf der Seite von Helmut Bien. Das Museum der Moderene wird als Agentur gesellschaftlicher Selbstauslegung und Selbstvergewisserung etabliert. Seit dem letzten Drittel des 18.Jahrhunderts entstehen in europäischen Staaten nach und nach Museen, die sich an das Gesamt der Bürger wenden und einem emphatischen Bildungsbegriff verpflichtet sind, der die Wohlfahrt aller zum Ziel hat, auch die materielle, nämlich dort, wo es um sehr praktische Konzepte technischer, naturkundlicher oder kunstgewerblicher Museen geht. Bei Kunstmuseen drehte es sich um an das Individuum adressierte Bildung, die damit aber kollektiv so etwas wie politische Sozialisation bewirken sollte. Teilhabe der Staatsbürger an ihren Angelegenheiten, an der res publica.

Der Philosoph Hermann Lübbe hat das Schinkelsche Museum am Lustgarten in Hinblick auf die Ideale der von Wilhelm von Humboldt geleiteten Kommission eine Einrichtung genannt, die nicht weniger als die „Humanisierung der Nation“ zum Ziel gehabt hätte. Aber das war eine nie realisierte Utopie. Die aufklärerische, frühbürgerliche Phase in der in Europa die Idee des Museums entwickelt und realisiert (und schnell auch auf alle Kontinente exportiert) wurde, war rasch vorbei und was damals als produktive, am Gesellschaftlichen arbeitende Öffentlichkeit vom Museum aktiv ausging, ist so gründlich verschwunden und auch vergessen, dass heute wieder - unter kulturökomischen und verwertungslogischen Gesichtspunkten - von der „Publikumsorientierung“ gefaselt wird, so als ob man völlig vergessen oder verdrängt hätte, was bürgerliche Öffentlichkeit als sich „zum Publikum versammelnde Privatleute“ eigentlich einmal war und was sie heute wieder sein könnte. 

Ein anderer Einwand, den ich gegen eine gesellschaftspolitische Instrumentalisierung von Museen habe, betrifft die Professionalität des Museums. Ich erläutere das an einem Beispiel: Vor wenigen Jahren hatte ich Gelegenheit, auf Einladung der Herausgeber einer museologischen Publikation (Museum und Gegenwart. Verhandlungsorte und Aktionsfelder für soziale Verantwortung und gesellschaftlichen Wandel. Bielefeld 2015) mit dem Präsidenten des englischen Museumsverbandes Mark Taylor ein längeres (schriftliches) Gespräch zu führen. Auch da ging es um die Krise der Museen und um einen „turn“ hin zu gesellschaftlich praktischem und eingreifenden Handeln, den sich der Museumsverband selbst verordnet hatte. Hintergrund war das politisch verursachte Ausbluten der britischen Museen, von denen sie in einem bei uns (noch) nicht denkbarer Weise existentiell betroffen waren. Der genannte „turn“ war eine Reaktion auf diese durch neoliberale Politik ausgelöste wirtschaftliche Krise der Institution und sollte den Museen frische Legitimation verschaffen. 

Meine Skepsis bezog sich damals auf die Kompetenz der Museen. Wieso sollten die plötzlich im Sozialbereich, in kultureller Altenbetreuung, in der Sozialarbeit und was auch immer, kompetent agieren können und sollen - und das in Konkurrenz zu etablierten und professionellen Einrichtungen? Woher käme denn plötzlich die Kompetenz des kunsthistorischen Kurators, der sich mit Zuschreibungs- und Datierungsfragen italienischer Renaissancemalerei beschäftigt, plötzlich zur Kulturgeschichte der Pest zu forschen und zu vermitteln? Und das nicht bloss retrospektiv, wie das historische Wissenschaften nun mal machen, sondern so, dass daran kontroverse aktuelle Diskurse praxisnahe anschliessen könnten?

Das Verdienst der Bienschen Petition sehe ich darin, dass überhaupt die Frage aufgeworfen wird, wozu wir Museen brauchen. Wie in den erwähnten wunderbaren Texten von Stephen Weil wirft auch Bien die - verwenden wir mal einen aktuell zirkulierenden Begriff - Frage nach der Systemrelevanz auf. Das gefällt mir. Wie auch sein Festhalten und Anknüpfen an aufklärerische Konzepte (aus denen ja das Museum entsteht). Solche Fragen werden sehr selten gestellt, noch seltener debattiert. Museen haben es normalerweise nicht nötig sie zu stellen, weil sie in aller Regel durch staatliche Gelder abgesichert sind und ihre Anerkennung stabil ist und nicht durch „gute“ oder „schlechte“ Arbeit infrage gestellt wird. Ein schlechter Film wird aus dem Programm genommen, eine missglückte Theaterinszenierung abgesetzt. Eine Ausstellung läuft so lange, so lange sie eben programmiert ist. Diesen Vorteil geniesst Das Museum, weil es gerade nicht marktkonform agieren muss. (Nebenbei: diesen Vorteil verspielen gerade grosse Museen dadurch, indem sie sich immer stärker marktkonformen Regel und Konkurrenzen aussetzen, deren verheerendste und dümmste, die Dauer-Schlacht mit den sogenannten Besucherstatistiken ist. Doch das ist einen andere Frage).

Sind also Museen systemrelevant? Helmut Bien geht davon aus und er möchte, dass Museen in diesem Sinn aktiv werden, weitaus aktiver als bisher. Ich glaube, dass die Systemrelevanz bei Museen möglicherweise woanders liegt, als er vorschlägt, nämlich als Medien und Agenturen einer politisch-sozialen Intervention und als Wissensort und Gedächtnisspeicher. Wichtig sind Museen (und all das andere, was wir unter „Hochkultur“ summieren) als „ideologische Staatsapparate“, als hegemoniale Praktiken im Feld der Kultur. Das wirkt sozial integrativ und zugleich Herrschaft sichernd (demokratische Herrschaft oder welche sonst auch immer). Die Selbstauslegung und Selbstvergewisserung, die Museen als „zivilisierende Rituale“ (Sabine Offe) ermöglichen, sind immer auch hegemoniale Strategien, Strategien von Eliten, ihren Status und ihre Macht und ihre kulturellen Präferenzen und ihr Geschichtsbild zu sichern und zwar so, dass diese partikulare Interesse immer hinter dem Anspruch ein Allgemeines zu sein, verschwindet. (Pierre Bourdieu und andere haben das eindrücklich und auch empirisch abgesichert gezeigt).

Ich erläutere es an einem Beispiel: Ich beschäftige mich aktuell aus Anlass des 150-Jahr-Jubiläums mit der Gründungsgeschichte des Metropolitan Museums oft Art. Es wird in den 1860er-Jahren von einer kleinen Gruppe von New-Yorker Bürgern ins Leben gerufen, die alle einer gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Elite angehörten und die in der Krise nach dem Bürgerkrieg an der Stabilisierung der staatlichen Einheit und der Erziehung zu einschlägiger Bürgerlichkeit mitwirken wollen. Mit „Metropolitan“ in der der Namensgebung erhebt das Museum gleichzeitig einen Anspruch auf Konkurrenzfähigkeit im Feld der Kultur mit europäischen Metropolen. Auf der einen Seite steht also das sozialintegrative „nationale“ und städtische Projekt, auf der anderen ein „Erziehungsziel“, das keineswegs an der Humanisierung einer Nation oder dergleichen ausgerichtet war, sondern an der Reproduktion einer herrschaftsfähigen Elite. An die wandte sich das Bildungsideal des Museums. Die soziale und politische Integration war dabei, und das entwickelte England in seinen Museumsgründungen, etwa der der National Gallery, schon viel früher, etwa ab den 1820er-Jahren, die Grundlage der Schaffung stabiler Marktverhältnisse und das im nationalen Massstab.

Wenn ich mich mit Helmut Bien über eine wünschbare Zukunft des Museums verständigen sollte, dann müsste meiner Meinung nach erst einmal eine theoretische wie praktisch Selbstreflexion der Museen selbst einsetzen und dann eine von den Museen, der Zivilbevölkerung und deren politischen Repräsentanten gemeinsam getragene tiefgreifende Änderung einsetzen.
Da sind wir wieder bei den aus der gegenwärtigen Krise heraus generierten Hoffnungen auf ein besseres „Danach“. Warum also nicht hoffen? Es gibt ja tatsächlich zaghafte Ansätze einer Besinnung: Die paradoxe Abhängigkeit von Blockbuster produzierenden Museen von Drittmitteln, die Abhängigkeit von touristischem Publikum bei gleichzeitiger breiter Absenz der einheimischen Bevölkerung oder die ganz zart sich anbahnende Skepsis gegenüber dem Messen der Bedeutung von Museen am „Besucherumsatz“. Doch alle diese Entwicklungen wurden über Jahrzehnte von den Museen selbst vehement vorangetrieben (hier als Beispiel die Wiener Albertina) und die Politik hat nicht eingegriffen und das Publikum ist sowieso von jeglicher Teilhabe ausgeschlossen. Reden wir also von einer Revolution der Museumsverhältnisse? Und wer würde sie tragen? Und würden Museen die Repolitisierung der Institution, die das Wahrnehmen der gesellschaftspolitischen, der wohlfahrtsstaatlichen und demokratischen Aufgabe bedeuten würde, mittragen?  

Das Museum am Ende der Zeit (Die Museen und der Corona-Virus)

Der folgenden Text stammen aus dem Buch Making Museums Matter von Stephen E. Weil. Smithsonian Institution, 2002. Er ist mit zwei weiteren Texten unter dem Übertitel To Help Think about Museums More Intensely als warm-up exercises in der Zeitschrift Museums News, November – December 1996) erschienen. 

Den Text veröffentliche ich im Zusammenhang mit einer "Petition" von Helmut M. Bien, die im Grunde die zentrale Frage, die auch Weil (wenn auch in ganz andrer Form) aufwirft: Wozu braucht es Museen?
Hier der Text von Helmut M. Bien und hier meine Replik.
Ich hätte nie gedacht, dass Weils Texte, vor allem dieser, je von der Wirklichkeit eingeholt hätte eingeholt werden können. Er verpackt die Grundfrage Wer braucht Museen wozu? In eine witzige, ironische Parabel, in der so nebenbei auch die Blindheit der fachlichen Zuständigkeit und Professionalität thematisiert wird.
Ich kann Weils Texte nur empfehlen. Ich kenne keine anderen, die so radikal die Frage nach der Existenzberechtigung - oder wenn man will: nach dem gesellschaftlichen Sinn - des Museums stellt. Dabei war Weil etwas Seltenes: sowohl ein mit der Pragmatik des Museums ausserordentlich vertrauter Kurator und Museumsleiter wie auch ein brillanter musenlogischer Denker. Das macht seine Texte um so gewichtiger.

Zu Stephen Weils Biografie siehe am Ende des Textes.

Stephen E. Weil: The Museum at the End of Time


To: Members of the Staff
Metropolitan Museum of Life From: Office of the Director
Metropolitan Museum of Life

As all of you must be aware by now, it has been established beyond any pos­sible doubt that the universe will cease, abruptly and without a trace, a few seconds after 11:43 P.M. Greenwich mean time on August 16, 2125. At its most recent meeting, the museum's board of trustees asked me to be in touch with various of the museum's stakeholders (including the staff) to so­licit their views as to how this impending cessation of the universe might impact the museum's operations during the interim and also to inquire as to what changes in its programming, budget allocations, staffing, and so forth they might think appropriate in the light of this unprecedented situa­tion. Responses may be sent directly to my attention. For the sake of brevity, you may refer to the date of cessation as "C-Day".
Responses to the C-Day Memo from a history curator: Humankind will never again be the same. As the clock ticks toward its final tock, people, communities, and na­tions will behave toward one another in entirely unpredictable ways. These new relationships will be reflected in works of art, architecture, the de­ign of household objects, the content of publications of every kind, and nore. I am proposing (a) that we immediately establish apocalyptica as a major new collecting category that would cut across all previous depart-nental boundaries and (b) that we undertake a series of exhibitions to be given at regular intervals (perhaps once a decade through 2100, and at five-ear intervals after that) documenting the ways -sometimes somber, sometimes amusing - in which various communities are coping with their anticipated nullification. To provide just a touch of drama, the last of these night be timed to close on C-Day.

FROM   THE   ASSISTANT   DIRECTOR   FOR   FINANCE   AND   ADMINISTRATION: 
Now that the "Big Gnab" theory has finally been verified, I have two principal concerns: the endowment and the impact of end-time inflation. Concerning the endowment, it would clearly be absurd if any of this were left unspent on C-Day. How and when we can get the court's permission to spend the restricted part is something we'll need to consider. Given the freedom to do so, ought we treat it as an annuity and plan to have it run out just as our own time expires? Complicating this is he prospect of an inflation that will certainly rise to ever-more-hyper dimensions as C-Day approaches and the future value of money sinks toward nil. In those final days, what will induce our employees to come to work when their wages are no longer meaningful? The availability of canned food and bottled water might well be the answer. One of the things I hope we an commission somewhere down the line is a computer simulation indicating how and when we might optimally begin to shift parts of the endowment from securities to edibles.

FROM A RECENTLY HIRED AND JUNIOR MEMBER OF THE REGISTRAR´S DEPARTMENT: 
One of my museum studies classmates argues that registration work will start to slacken off as C-Day gets loser. He says that, in the end, nobody will care. I think that's wrong. If I were here, I would care. Even if the work weren't finished until the very afternoon of C-Day, I'd want to know that there's not a single object in this collection that hasn't been properly measured, photographed, and cataloged. It's a matter of duty. If something's the right thing to do, it's the right thing to do no matter what the circumstances. I hope that you and your successors will agree and maintain a fully staffed registrar's department right up to the very last minute.

From the curator of film and video: 
Being a frus­trated artist myself, I can envision exactly what I'd like to have on view in our new video gallery if I were still to be around when toodle-oo time comes along. What I see is a huge, floor-to-ceiling globe with the world's twenty-four time zones clearly marked. Inside each time zone, a television monitor would be mounted. Displayed on each of these twenty-four moni­tors would be real-time images televised in each case from the pertinent time zone. These would be selected so that adjacent monitors showed con­trasting images of tumultuous urban life and placid natural beauty. As the countdown to C-Day nears its end, and as the constraints of civilized be­havior begin first to loosen and then finally to fall away entirely, the juxta­positions and multiple ironies would be remarkable. Imagine images of Shanghai in the throes of a Saturnalian revelry, played off against images of the Pacific's steady roll as it heaves itself westward. Think of a bacchana­lian festival sweeping through the streets of Buenos Aires, while the next monitor over shows images of the Andes in all their cold, unearthly beauty; orgiastic London, and the night-shadowed fjords of Norway; San Francisco, and the imperturbable Rockies. As humankind hurtles back toward a state of nature, mute nature itself will be blindly marching down the path to its own oblivion. All right there on the screen, all right here in the museum. Oh, how I would like to live long enough to see it. I greatly envy my re­mote successor, who most likely will.

From the head of security: 
People are motivated to obey the law primarily by their fear of the consequences that may follow from breaking it. As C-Day approaches, the consequences that follow anything will become increasingly unlikely, and we can almost certainly expect to see a gradual increase in crime. This will pose a threat to our collection, our visitors, and our building. Although we would normally plan to counter this threat with a corresponding increase in the size of our guard force, the approach of C-Day may also prove to be a disincentive to work. If our col­lection, visitors, and building are to be properly protected until the end, priority must be given to the acquisition and development of a fully auto­mated security system that would not only apprehend potential perpetrators but might actually put them on trial and, if it found them to be guilty, carry out their sentences as well.

FROM   THE    DEPUTY   ASSISTANT    DIRECTOR   FOR   FINANCE AND ADMINISTRATION: 
If the museum is to make the maximum possible use of its resources, what will be required is a strategic plan pur­suant to which those resources can be gradually redeployed from future-focused activities to present-oriented ones, most particularly to public pro­gramming. By crunch-time on C-Day, every last vestige of infrastructure should have been phased out. Whatever remaining resources we've still got should (at least ideally) by then have been dedicated to active public use. In terms of space, this will mean converting our various working spaces (the conservation laboratory, the library, the registrar's area, the carpentry and other shops, and ultimately even our executive offices themselves) to gallery and/or special-events spaces. Likewise, collections storage must eventually be converted to open storage. The timing will be tricky. On the one hand, we don't want to terminate vitally important activities prematurely. On the other, it would be important to do this before terminal inflation makes the work prohibitively costly.

From the head of development: 
Tempting as it may be to concentrate on last things first - to wring our hands and complain that the glass is already half empty - the fact is that C-Day is more than a century and a quarter away. That's a half-full glass if I've ever seen one. Important now is not to brood about how we'll end our days but to exult over what we can be doing in the meanwhile to make them better. Development-wise, I think we can do well - not just well, but very well. How do we turn this oblivion thing to good use?
Well, for instance, since we won't be able to celebrate any anniversaries after the event, why not celebrate them before? I could see a benefit dinner dance to be held every August 16 with a regular recurring theme like "The Last Supper? Not Quite Yet, but Still Counting." If the curators weren't too finicky, a highlight of the evening might be an auction of some things from the collection. The idea would be to get an up-front payment for some fu­ture delivery (for example, on C-Day minus ten). In the same vein, since our costume collection no longer has to be preserved indefinitely, why couldn't we rent out some of the more famous items for people to wear to these events? Ditto the jewelry collection? Samuel Johnson once said that the knowledge that one was shortly to be hanged "concentrates [the] mind wonderfully." Well, if that's so, then the end of the universe should really get our creative juices flowing!!!

Assignment
Think about your own museum. Assume the contrary of what was imag­ined above. Assume that the "Big Gnab" theory has been discredited, and that the universe is not going to cease without a trace on August 16, 2125 or at any other time soon. To what extent has your museum articulated a distinct obligation to future generations? To what extent is that obligation explicitly reflected in its day-to-day operations? To what extent is it implicit? Are you satisfied with the extent to which future obligations are reflected in the operation of your museum? If not, what would you change?

Stephen E. Weil: A lawyer by training and a former official of the Whitney Museum of American Art, Mr. Weil became the deputy director of the Smithsonian's Hirshhorn Museum and Sculpture Garden in 1974. He retired from that post in 1995 and became senior scholar emeritus at the Smithsonian Center for Education and Museum Studies.
A native New Yorker, Mr. Weil graduated from Brown University in 1949 and received an L.L.B. from Columbia University Law School in 1956. He practiced as an associate with what was then the New York firm of Rosenman, Colin, Kaye, Petschek & Freund. He was a vice president and general manager of the Marlborough Gallery from 1963 to 1967 and an administrator, secretary and trustee of the Whitney in New York from then until 1974. 
Mr. Weil was an expert in copyrights, trusteeships and the sale of artworks from museum collections. He was on the faculty of the Museum Management Institute at the University of California, Berkeley, from 1979 to 1996. 
He wrote often for art and museum periodicals, and he was a co-author of "Art Law: Rights and Liabilities of Creators and Collectors" (1986). His books now in print are "Rethinking the Museum and Other Meditations" (1990), "A Cabinet of Curiosities: Inquiries Into Museums and Their Prospects" (1995), "A Deaccession Reader" (1997) and "Making Museums Matter" (2002). (New York Times, 15. August 2005)




Montag, 30. März 2020

Klaus Albrecht Schröder spricht von der Krise der Albertina. Aber die ist hausgemacht, von ihm

Die Bundesmuseen trifft die Coronavirus-Krise auf paradoxe Weise. Gerade die „erfolgreichen“ Museen trifft es am stärksten. Wer die meisten (touristischen) Besucher hatte, also wer einen großen Teil seines Budgets selbst erwirtschaftete, hat nun auch den größten Ausfall an Einnahmen. 
Vor diesem Hintergrund hat der Direktor der Albertina Klaus Albrecht Schröder im Standard „Alarm geschlagen“. (23.3.2020) Er beziffert den Ausfall mit mehreren Millionen Euro über das gesamte Jahr berechnet, aber bereits im August könnte die Albertina nicht mehr liquide sein, also z.B. keine Gehälter mehr zahlen können. 
In der Krise sieht Schröder keinerlei Chancen, mit der Absage und der Verschiebung von Ausstellungen seien nicht genügend Einsparungen möglich und ein Ausweichen auf ein digitales Angebot kommt kaum in Frage: „Das Erlebnis vor dem Original ist nicht substituierbar.“
Doch ganz so mechanisch und kausal ist der Zusammenhang von medizinischer und Museumskrise nicht. Da spielt die unter Schröder entwickelte Konzeption der Albertina eine große Rolle. Die Entwicklung zum vollgültigen Kunstmuseum, das auf exorbitanten Ausstellungsflächen immer mehrere Ausstellungen gleichzeitig und mehrere Blockbuster pro Jahr anbieten m u ß, weil sonst die im Vergleich zur alten Graphischen Sammlung enorm aufgeblähte Institution nicht finanzierbar ist, zwingt zu einer hyperaktiven Ausstellungstätigkeit.
Schröder spricht das selber an und verteidigt diese Museumsphilosophie, die ohne Hunderttausende von Besuchern gar nicht mehr funktionieren kann. „Auch wenn jährlich etwa 350.000 Österreicher die Albertina besuchen, benötigen wir weitere 700.000 internationale Besucher, um unseren allgemeinen Museumsbetrieb finanzieren zu können...Ausstellungen wie jene zu Dürer, die 450.000 Besucher in drei Monaten hatte und mehrere Millionen Euro gekostet hat, refinanzieren sich selbst und erwirtschaften einen wichtigen Deckungsbeitrag zum allgemeinen Museumsbetrieb. Für die Modigliani-Ausstellung im Herbst brauchen wir mindestens 250.000 Besucher, um sie durchführen zu können.“ 
Schröder ist gezwungen, und das ist nicht neu und hat mit der Coronakrise nichts zu tun, Ausstellungen anzubieten, die möglichst hohe Besucherzahlen und damit hohe Einnahmen generieren. 
Auf vorsichtiges Nachfragen, ob eine solche Entwicklung denn überhaupt wünschenswert sei, antwortet Schröder unwirsch. Der Kunstgenuss werde geschmälert? Nicht in der Albertina. „In der Albertina konnten wir trotz über einer Million Besucher im Jahr die Intensität des Kunsterlebnisses sicherstellen. Ich kann dieser Rückbesinnung auf provinzielle Zustände nichts abgewinnen. Sind 200.000 Besucher glücklicher, wenn sie Matisse oder van Gogh nicht sehen können? Wenn sie nicht mit einer Monet-Ausstellung belästigt werden?“ 
Wie immer, es ist schwer über die Qualität von Museen zu sprechen. Die polemische Verkürzung, die im Vorwurf der an Quoten gemessenen „Provinzialität“ zum Ausdruck kommt, überspielt die Frage, wofür die Albertina eigentlich steht, welche Vorstellung von Kunst und Kunstvermittlung hier eigentlich regiert. Es scheint Schröder um internationale Reputation zu gehen, wobei er in einer Nebenbemerkung den Maßstab wohl höher hängt, als er je für die Albertina in Reichweite war: „Womöglich werden wir in den kommenden zwölf Monaten wieder ein wesentlich weniger internationales Programm haben als ein MoMA, ein Grand Palais oder eine Tate Modern.“ 

Wird die Krise neue Perspektiven ermöglichen, eine Revision der bisherigen Museumspolitik. Kaum. Eben ist das „größer und mehr“ fortgesetzt worden - mit der Eröffnung der „Albertina Modern

Mittwoch, 2. Oktober 2019

Es gibt keinen Fall „Eike Schmidt“. Es gibt nur eine schlechte Museumspolitik

Der vor zwei Jahren zum neuen Leiter des Kunsthistorischen Museums bestellte Kunsthistoriker hat sehr kurz vor seinem Antreten im neuen Job abgesagt. In jenen Medien, in denen überhaupt noch Kulturberichterstattung existiert, also in wenigen, herrscht die übliche Aufregung. Die ist weniger ein Symptom des Vorfalls als der Modi der Berichterstattung selbst, die Aufregung der Sachlichkeit vorzieht, um eben durch die Aufgeregtheit eher Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen will als durch nüchterne Information und Analyse.
Der Dauereregtheit der Medien („Jetzt ist schon wieder etwas passiert“) korrespondiert die notorische Personalisierung. Schuld sein muß ja immer wer. Ist es nun der Eike Schmidt oder der Thomas Drozda oder vielleicht irgendwie nicht auch der Klaus Albrecht Schröder, von dem Olga Kronsteiner in ihrem Standard-Artikel nahelegt, daß er Drozda bei der Bestellung Schmidts beeinflusst haben könnte? 
Zuerst einmal wird angepatzt. Daß Schmidt ein „Blender“ sei, wird nicht durch Informationen gestützt, also gar nicht wirklich behauptet, sondern mit einem Verweis auf „eine Fraktion“ unterstellt, die das „hinter vorgehaltener Hand“ weiß. 
Ob das Konzept Schmidts, das die Berufungskonzeption beeindruckte, wirklich als wesentlichsten Punkt die Erhöhung der Besuchszahlen um 500.000 enthielt, könnte man dann wissen, wenn es veröffentlicht würde. Ohne diese Information, legt uns das nahe, Herrn Schmidt als relativ primitiv argumentierenden Manager zu sehen, dem die schiere Quote alles bedeutet.
Es mag ja alles so sein: ein seine Karriere optimierender Wissenschafter spielt Institutionen gegeneinander aus, ein in seinem Urteilsvermögen nicht gerade sicherer Politiker hört auf einen Kunsthistoriker und Museumsleiter, der bei seinem Rat seine persönliche Museumsphilosophie als Maßstab nimmt.  
Das alles ist nicht so besonders interessant.
Interessant ist allein das, was wieder mal gar nicht zur Sprache kommt. Daß kulturpolitische Entscheidungen nicht nach inhaltlichen Kriterien entschieden werden, daß völlig intransparent entschieden wird und last but not least, daß Politiker entscheiden. ,
Es ist unerträglich, daß einzelne Politiker püber leitende Funktionen kultureller Einrichtungen und damit über deren Entwicklung entscheiden. Ohne seriöse Grundlage, ohne Öffentlichkeit und ohne jede Verantwortunge.
Die großen Kultureinrichtungene gehörten dem Einfluß der (Partei)Politik vollkommen und auf allen Ebenen entzogen, es  eee emuß auch Schluß sein mit der Entsendung von Politikern in die diversen Gremien und Kuratorien.

Es sollten auf Zeit oder nur für den Anlassfall gebildete zivilgesellschaftliche Gremien mit hoher Fachkompetenz, wenn es sinnvoll erscheint unter Einbeziehung ausländischer Expertinnen entscheiden.

Dienstag, 17. September 2019

Das Museum als Krematorium

Herr Schütte, Ihre Architekturmodelle von Museen mit Kaminen und Schloten erinnern an Krematorien. Was läuft falsch im System Museum?
Die Museen können ihrer Aufgabe nicht mehr gerecht werden. Früher gab es acht bis zwölf Ausstellungen im Jahr, heute sind es drei bis vier. Für jeden Handschlag gibt es eine Person im Museum. Ich bin immer überrascht, aus wie vielen Kellern oder Kojen da Leute rauskommen. Ich habe schon in den achtziger Jahren geahnt, dass Museen Versorgungsanstalten sind und 96 Prozent der Künstler eben nicht von ihrer Arbeit leben können. Da kam dieser Gedanke vom Museum als riesigem Krematorium, in das die Künstler ihre Arbeiten reinschleppen. Und dann wird das nach Kilo oder Wertstoff abgenommen und verbrannt. Damit wird dann der Behördenturm beheizt, dort ist es schön warm. Die Künstler werden nach Rohstoff belohnt, weil sie sowieso nicht davon leben können.

Der Bildhauer Thomas Schütte im Interview

Dienstag, 25. Oktober 2016

Haus der Geschichte Österreich. Die jüngste Entwicklung. Farce, Hängepartie, Kompromiß?

Es kommt nicht unerwartet. Das Ende des Hauses der Geschichte. Es wird durch seine Errichtung herbeigeführt. Als Jubiläums-Ausstellung auf einem um ein Drittel zusammengestrichener Ausstellungsfläche. Kombiniert mit der Ankündigung eines Museumsneubaues - auf dem Heldenplatz.
Der geschickte Politiker ist der, der aus einem Nachteil mehrere Vorteile macht. Vorteile für sich. Die Reduktion der Ausstellungsfläche um ein Drittel schlägt sich wunderbarerweise in einer Reduktion der Kosten um gleich zwei Drittel nieder. "Spar-Budgetgerechte" zehn statt dreißig Millionen (Der Minister als Sparefroh). Und es bleiben die Sammlungen des Kunsthistorischen Museums unangetastet. (Der lösungskompetente Minister). Ja vielleicht kann sogar später einmal das (unfreiwillige) "Opfer" des Weltmuseums zurückgenommen werden und es darf seine ursprünglichen Pläne in vollem Umfang verwirklichen. Wenn. Wenn es ein "neues" Haus der Geschichte Österreich" gibt.
Der Leiter des wissenschaftlichen Beirates - schon längst nur noch in der Rolle des Regierungssprechers, der auch die feinsten Regungen des jeweiligen politischen Amsträgers und Vorgesetzten der Öffentlichkeit diplomatisch übersetzen muß -,  kommt mir aus dem Medien mehrfach gespalten entgegen. Im TV mit einer vom Beirat unterstützten Forderung, es müssen die weiteren Module ebenfalls verwirklicht werden (welche Module? Wer hat je von Modulen geredet), sonst "mache sich die Republik lächerlich" (O.R.), in der Presse mit einem "großartig" für die für Sparzeiten angemessene Lösung.
Inzwischen übersieht das staunende und von den vielen Wendungen, die der "Fall Haus der Geschichte" nimmt, abgelenkte und möglicherweise auch überforderte Publikum, daß es ja um die Hofburg geht, auch um einen ominösen "Balkon" und einen Platz davor, auf dem sich so allerlei früher und heute versammelt hat und versammelt und wo gerade ein Minister (an anderer, aber ein Parteifreund) ein Denkmal errichten möchte und wohl auch wird. Ein Soldaten-Denkmal. Ein Opfermal. Noch eins. Das überraschte, oder überforderte oder verwirrte Publikum bekommt nicht mit, daß da schon wieder ein Politiker-Phantasma lanciert wird, noch eins, da ja auch das Museum in der Fassung Ostermeyer ein Politiker-Phantasma ist, eine Bundeskanzleramts-Museum. Also Museum und Denkmal auf dem Platz, von dem uns im Zuge der Museumsplanung und -debatte versprochen wurde, daß er in das Konzept eines "demokratischen Museums" einbezogen würde. Ein wichtiger, weil immer wieder zivilgesellschaftlich genutzter Platz in wichtigen Momenten der Republik. Einer, vom dem Politiker die Finger lassen sollten.
In einem Ministers Drozda nicht ganz so elegant. Mit der Ankündigung eines Neubaues. Auf dem Heldenplatz. Denn auch unbedarftere Kommentatoren riechen den Braten. Die Ankündigung eines Museumsneubaues schießt das Projekt in den Orbit zurück und läßt es wieder dort kreisen, wo es schon mal endlos in den unendlichen Weiten des diskursiven Raumes gekreist ist. Im Nirgendwo.
Also macht man es so: Eine Ausstellung erhält / behält den Namen Museum und irgendwann auch einen Leiter oder eine Leiterin. Dahinter versteckt man alle Fragen, was dieser Leiter eigentlich zu tun haben wird, nämlich mehr als eine fertige / unfertige / schon konzipierte Ausstellung zu verwalten um danach bitte was zu machen? Ein Museum (eine Sammlung, Forschung, Vermittlung) aufbauen, mit welchen Mitteln (?) und in welchem Verhältnis eigentlich zu den ihm vor / beigeschalteten Beirat und den ihm Vorgesetzen (Johanna Rachinger als Leiterin der Nationalbibliothek) und zu den politischen Instanzen, von denen er abhängig ist (Kanzleramtsminister / Bundeskanzleramt).
Kandidaten oder Kandidatinnen für eine solche Leitungsfunktion wird es trotzdem geben. Da ist z.B. der Leiter des Graz Museums, Otto Hochreiter, im Gespräch. Der ist Historiker und hat umfassende Erfahrung mit dem Museum und mit dem Ausstellen. Grade hat er seine Dauerausstellung überarbeitet und da das Graz Museum über keine attraktive Sammlung verfügt, wenig Budget hat, mäßig interessierte Politiker und nicht grade enthusiastische GrazerInnen, wäre er über den Wechsel in seine Wohnsitz-Stadt wohl nicht unglücklich.
Politisch passt er auch gerade. Sagen wir mal, bis zur nächsten Bundespräsidenten- oder Nationalratswahl. Dann ist ohnehin alles anders. Dann gibts zwar ein "Haus". Aber eine ganz andere Geschichte.

Donnerstag, 11. August 2016

Das Wort zum Tag

„Die museale Landschaft ist viel zu eintönig nicht zuletzt deshalb, weil der Mut und die Bereitschaft fehlen, jede Ausstellung als einmaliges Experiment zu verstehen.“ 

Daniel Tyradellis

Montag, 8. August 2016

Der "Fall Husslein", die Strukturreform der Bundesmuseen und die Notwendigkeit die Probleme zu historisieren

Die "großen" medialen Reaktionen auf Museumsereignisse betreffen entweder Blockbusterausstellungen oder Personalia. Beides trägt nichts zur Kritik des Zustandes der Bundesmuseen bei und wird auch nichts bei einer von Minster Drozda angekündigten (in seiner Reichweite unklaren) "Reform" der Museen beitragen.
Auf Facebook ist inzwischen eine im Umfang bescheide Debatte darüber entbrannt, wer denn nun in der Geschichte des Kunsthistorischen Museums als erster Reformen begonnen hat. Wilfried Seipel, Hermann Fillitz oder Friederike Klauner.
Damit wird aus der Personaldebatte eine über Qualitäten der Museumsleitung und -arbeit und eine über die Entwicklung des Flaggschiffs der Bundesmuseen.
Gut.
Der Anlass ist ein Interview, das Thomas Miessgang in DIE ZEIT mit Hermann Fillitz geführt hat (hier der Link), der seinerzeit, nicht unumstritten, zugleich das Kunsthistorische Institut der Universität und das Kunsthistorische Museum geleitet hat.
An Fillitz' Tätigkeit am Museum erinnere ich mich überhaupt nicht, seltsam, aber ziemlich gut an Friederike Klauner, die wie er, auf einem Museumverständnis als wissenschaftlicher Anstalt behartte und recht offen gegen jede Popularisierung polemisierte. Was im Widerspruch steht zu dem, was sie, ich zitiere Almuth Spiegelrs Artikel über sie aus 2009, in die Gänge gebracht hat: "Sie richtete die Sekundärgalerie ein, eröffnete in Schloss Ambras Porträtgalerie, Kunstkammer und Rüstkammer, in Schönbrunn die Wagenburg, in der Neuen Burg das Ephesus Museum. Außerdem forcierte sie Kinderführungen und richtete das erste Café-Restaurant im KHM ein."
Ich denke, Seipel ist nicht schlecht charakterisiert in der genannten Facebook-Diskussion, wo ihn Matthias Dusini gegen seine Kritiker verteidigt: "...er hat als erster erkannt, was für ein kulturindustrielles Potential in den Museen steckt. Und er hat der Politik klargemacht, dass die Museen einen ähnlichen Rang besitzen sollten wie die großen Theater." 
Nur, welche Kriterien haben wir denn, die uns erlaubt diese Genealogie der Direktionen und ihrer Verdienste angemessen zu beurteilen - bis zu Sabine Haag? 
Aufgefallen ist mir in jüngerer Zeit, daß zur Verteidigung angegriffener Leitungspersonen oft behauptet wird, die jeweilige Institution habe sich bis dahin in verstaubten, muffligen, altmodischen Zustand befunden und sei nun sozusagen "erweckt" worden. Modernisierung wird so erklärt und fetischisiert. Einerseits stimmt das nicht mal vordergründig, aber ein Argument versteckt sich in einer solchen Argumentation: die Abwertung der wissenschaftlichen Arbeit und Qualifikation. Die Albertina z.B. hatte vor dem jetzigen Direktor hervorragende wissens- und forschungsbasierte Ausstellungen und Publikationen gemacht, die sich nichjt immer nur an Experten richteten. In dieser Hinsicht gibt es, da muß man Herrmann Fillitz recht geben, Rückschritte. Auch bei Berufungen spielt die wissenschaftliche Qualifikation nicht die zentrale Rolle - und schon gar nicht die museologische Kompetenz.
Lohnen würde es sich wohl, diese Genealogie bzw. Museumsgeschichte erst einmal zu vervollständigen und möglicherweise mit nicht mehr zu beginnen als einer "dichten Beschreibung" dessen, was in den jeweiligen Direktionszeiten denn so entwickelt und verwirklicht wurde.
Die Kriterien wären verallgemeinerbar und man könnte sie auf die Bundesmuseen anwenden und in einer Strukturreforms-Debatte sehr gut brauchen.
Es lohnte sich sehr, die Geschichte der Entwicklung der staatlichen Museen bis in die erste Republik (mindestens) auszudehnen, bis zu jenem - gescheiterten - und sehr ambitionierten Versuch Hans Tietzes, des Kunsthistorikers und für die Museen zuständigen Beamten, die Sammlungen der Monarchie zu "Republikanisieren".  Er war Ministerialreferent für Museen und Denkmalpflege des Unterrichtsministerium, wo er bis 1925 in Konzepten - Die Zukunft der Wiener Museen, Wien 1923 - und Zeitungsartikeln die Reform anbahnte. Er scheiterte an der konservativen Politik und wohl auch am Widerstand der Museen.
Hier liegt ein Versäumis vor, an dessen Folgen sich schon Generationen abgearbeitet haben - ohne möglicherweise über die Quelle so mancher strukturellen Eigentümlichkeit der Museen des Bundes Bescheid zu wissen.
Wenn Hermann Fillitz in dem Interview eine umfassende Strukturreform fordert, hat er wohl recht. Bloß gibt es nicht das kleinste Anzeichen dafür, daß die Beteiligten zu jenen tiefgreifenden Umbrüchen fähig werden, wie man sie von der sehr zentralsierten Politik und Verwaltung Frankreichs her kennt. Und kaum ein Minister wird sich auf eine umfassende Reform einlassen, die schlafende Hunde weckt - gar nicht zu reden von den Leichen im Keller der Versäumnisse...