Posts mit dem Label Haus der Geschichte Österreich werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Haus der Geschichte Österreich werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Dienstag, 3. Juli 2018

Zwei Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates des Hauses der Geschichte Österreichs sind zurückgetreten. Ein Interview über ihre Gründe

Vier Monate vor der Eröffnung sind dem Wissenschaftlichen Beirat des Hauses der Geschichte Österreichs zwei Mitglieder abhanden gekommen. Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien und Gerhard Baumgartner, wissenschaftlicher Leiter des Dokumentationsarchives des Österreichischen Widerstands sind ausgetreten. Das wirft Fragen auf.

Gottfried Fliedl: Warum die Austritte? Warum jetzt? Gab es einen Anlass oder geht es um Grundsätzliches?

Eva Blimlinger: Es ging uns um Grundsätzliches, was schon am Anfang nach Bestellung der Direktorin Thema war und zwar die Frage was ist die Rolle, was sind die Aufgaben des wissenschaftlichen Beirats. Dazu hat man sich bemüßigt gefühlt sogar eine Stellungnahme des Verfassungsdienstes einzuholen. Im Gesetz steht ja, dass spätestens sechs Monate nach der Bestellung die wissenschaftliche Direktorin in Abstimmung mit dem wissenschaftlichen Beirat im Rahmen der budgetären Festlegungen ein Konzept für die fachliche Ausrichtung des Hauses der Geschichte Österreich entwickeln soll. Angesichts der knappen Zeit war klar, dass die Ausstellung anlässlich 100 Jahre Republik im Vordergrund steht, denn ein Konzept für die fachliche Ausrichtung des Hauses der Geschichte Österreich wurde uns bis zu unserem Austritt nicht vorgelegt. Es hat doch auch lange gedauert bis ein Rohkonzept für die Ausstellung da war. Der wissenschaftliche Beirat wurde aber mit vielen Dingen die wir dann oft aus der Zeitung erfahren haben gar nicht informiert oder damit befasst , wie zB die Ausschreibung für die Ausstellungsarchitektur, die Ausschreibung für das CI das ja wohl mit der fachlichen Ausrichtung zusammenhängt, die Frage von zusätzlichen Konsulent_innen, die Entscheidung über die Soundinstallation am Heldenplatz und und und. Unsere Position war immer, es muss eine super gute Ausstellung werden um den Fortbestand des Hauses der Geschichte Österreich langfristig zu sichern.

Gerhard Baumgartner: Ich habe die Möglichkeit der Mitwirkung an einem Projekt wie dem HdGÖ immer als eine große Ehre empfunden und als eine große Herausforderung, geht es doch um eine zentrale politische und identitätsstiftende Positionierung Österreichs, die sich in solch einer historischen Ausstellung manifestiert, oder nach meinem Verständnis manifestieren sollte. Von Beginn an gab es unterschiedliche Auffassung darüber, wie die Formulierung des betreffenden Gesetzes auszulegen sei, dass gewissen Entscheidungen der Direktion „in Abstimmung“ mit dem wissenschaftlichen Beirat zu erfolgen haben. Die Interpretation durch den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes, dass dies „Anhörung, Information und Konsenssuche, jedoch keine Mitentscheidungskompetenz umfasst“ muss ich als im besten Falle „eigenwillig“ charakterisieren und sie hat unsere Möglichkeiten als Beiratsmitglieder bei der Mitgestaltung der Ausstellung meiner Meinung nach wesentlich beschnitten. Konkreter Anlass aber war schlussendlich das Fehlen einer schlüssigen Darstellung der zentralen Aussagen und inhaltlichen Positionen der Ausstellung. Meine Fragen wurden von einzelnen Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirates als unzulässige Behinderung abqualifiziert und das führte schließlich zu Auffassungsunterschieden, unter denen ein gedeihliches Zusammenarbeiten nicht mehr möglich erschien.

GF: Wie ich höre, geht es um nicht weniger als unzulängliche Texte und sogar um faktisch Falsches. Ist es denkbar, daß ein Museumsteam und ein Beirat das zulassen? Kam das nicht zu Sprache?

EB: Doch das kam es durchaus. Auf der einen Seite wurden wir immer wieder darauf hingewiesen, dass wir lediglich beratend tätig sein sollen, was wir auch waren und andererseits haben wir dann Raumtexte und Erklärungstexte grundlegend überarbeitet, was wir gerne gemacht haben, aber doch wohl über die Arbeit eines wissenschaftlichen Beirat weit hinausgeht. Also auch hier konnte man sich nicht entscheiden was man eigentlich von uns erwartet.

GB: Unsere teils sehr ausführliche Bearbeitung oder Kommentierung der vorgelegten Texte entsprang einem Verständnis, dass – falls es irgendeine Zukunft für dieses Museumsprojekt geben sollte – diese Ausstellung sehr gut werden müsse, und zweitens unserem Gefühl einer besonderen Verantwortung für dieses geschichtspolitisch zentrale Projekt. Da ich aber nie mehr als einen Bruchteil der geplanten Texte zu sehen bekommen habe, erschien mir diese Verantwortung immer problematischer. Da andere Beiratsmitglieder dies nicht so sehen konnten oder wollten, war der Rücktritt schließlich die logische Konsequenz.

GF: Hat der Wissenschaftliche Beirat überhaupt Einfluss auf die kommende Ausstellung? Oder „begleitet“ er bloß den Prozess? Angesichts der Webseite des Hauses der Geschichte Österreichs frage ich mich, welche Diskussionskultur es dort gibt. Da wird z.B. das Haus als „Verhandlungsort und Diskussionsforum“ vorgestellt, aber es findet sich keine Spur der kritischen Debatten und Publikationen der letzten Jahre. Der Pressspiegel enthält nur - wenige - affirmative Berichte, nichts von den Auseinandersetzungen. Es gab auch keine partizipativen Elemente im Vorfeld, kein Einbeziehen der Zivilgesellschaft.

EB: Naja das mit dem Diskussionsforum steht schon im Gesetz und es gibt ja ein Publikumsforum *) das ja auch ein bisschen eingebunden war, aber auch hier nur das Wichtigste, also schon ein bisschen Zivilgesellschaft. Es hat Workshops gegeben es wurde der Kontakt zu Kooperationspartner_innen hergestellt und es gab das Bemühen viele Informationen zu versammeln. Und kritische Debatten war nicht so wirklich gefragt muss ich sagen, vor allem wenn es um das Konzept für die Ausstellung gegangen ist, ganz nach der Frage was ist die Erzählung dieser Ausstellung, die ja letztlich als eine staatsrepräsentative  gedacht ist. Es konnte bis zu unserem Rücktritt nicht erklärt werden.

GB: Selbst in jenen Bereichen, in denen uns das Gutachten des Verfassungsdienstes beschränkten Kompetenzen zusprach, wurden sie systematisch ignoriert. Die Wahl der Ausstellungsarchitekten, viel wichtiger aber noch der drei Ausstellungskurator_innen sowie der drei Ausstellungskonsulent_innen – inklusive der Modalitäten ihrer Beauftragung – erfolgten ohne Konsultation oder Information des wissenschaftlichen Beirates.**) Meine Forderung nach dringender personeller Aufstockung des Ausstellungsteams wurde abgewiesen. Die viel zitierten wissenschaftlichen Diskurse scheinen mir in der Ausstellungsvorbereitung nur in Form einiger Expertenrunden eingeflossen zu sein, im Publikumsforum und im wissenschaftlichen Beirat gab es das so gut wie nie, nicht einmal im so genannten Internationalen Wissenschaftlichen Beirat, der ja laut Gesetz überhaupt keine Funktion mehr hat, aber immer noch existiert. Nebenher gab es noch so genannte „Arbeitsgruppen“, aber ob die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppen sich irgendwo niedergeschlagen haben, ist für mich nicht nachvollziehbar. Eine Arbeitsgruppe, in der ich auch kurzfristig mitgemacht habe, scheint einfach irgendwann eingeschlafen zu sein.

GF: Bei der Entscheidung, das HdGÖ zu etablieren und in der Hofburg unterzubringen, spielten politische Überlegungen und direkte Interventionen (etwa bei der Standortwahl) eine große Rolle. Die Abhängigkeit von politischen Instanzen ist auch in die Zukunft hinein festgeschrieben. Spielte das je in den Diskussionen im wissenschaftlichen Beirat eine Rolle oder für den Austritt?

EB: Nein das spielte überhaupt keine Rolle für unseren Austritt, denn dann hätten wir ja gar nicht die Funktion annehmen dürfen, denn das war ja von Anfang an eine parteipolitische Entscheidung. Die Gründung war ja dadurch bestimmt, dass dem Weltmuseum unter BM Ostermayer Räume weggenommen worden sind, dass dann unter BM Drozda gleich wieder verkleinert worden ist und die Sammlung alter Musikinstrumente doch nicht übersiedeln musste. Seither wurde nichts an den Rahmenbedingungen verändert.

GB: Die Diskussion um den Standort im wissenschaftlichen Beirat neuerlich zu führen wäre doch reine Zeitverschwendung und völlig sinnlos gewesen. Das haben alle Beteiligten so akzeptiert, ebenso den Bestellungsmodus der Mitglieder des Beirates. Das war eigentlich überhaupt kein Thema und auch für den Rücktritt nicht von Belang.

GF: Angesichts der parteipolitisch-ideologischen Begleitmusik zum Projekt, frage ich mich einerseits wie sich das Museum in der aktuellen, seit der Gründung drastisch veränderten politischen Lage entwickeln wird, andrerseits ob das ganz praktisch etwas bedeuten wird. Und wenn ja, was? Wird es denn das Haus, das ja als zeitlich begrenzte Ausstellung eröffnet, denn je als Museum geben? Und unter welchen leitenden Prämissen?

GB: Eine tolle Ausstellung ist sicher die Voraussetzung für das Weiterbestehen dieses ehrgeizigen Projekts. Aber unter geänderten politischen Voraussetzungen können auch gute Projekte scheitern. Entscheidend wird wohl sein, ob und wie viele Österreicherinnen und Österreicher sich mit der im HdGÖ gezeigten Version identifizieren, sich in ihr wiedererkennen können – mit all dem was gut und auch was schlecht und falsch gelaufen ist in 100 Jahren Republik, nach dem Motto: „Das haben wir gut gemacht, das haben wir noch nicht richtig hingekriegt, da gibt´s noch was zu tun!“.  Und wenn man das auch noch den ausländischen Besucherinnen und Besuchern vermitteln kann, dann wird sie erfolgreich sein.
EB: Ich glaube es wird sehr viel davon abhängen, wie die Ausstellung rezipiert wird, wie viele Besucher_innen sie haben wird, ob sie also in den gängigen Vorstellungen, die sich ja vor allem nach Quantitäten ausrichten, ein Erfolg ist. Ich befürchte, dass die Qualität der Ausstellung dann wenig Rolle spielen wird, ob es als Museum in der Hofburg weitergeführt wird.




*) Anm. GF Hier der Link zur Zusammensetzung des Publikumsforums - https://www.hdgoe.at/wp-content/uploads/2018/06/Das-Publikumsforum-des-Hauses-der-Geschichte-%C3%96sterreich_Stand-22.01.18-1.pdf


**) Hier die Zusammensetzung des wissenschaftlichen Beirates - https://www.hdgoe.at/ueber-uns/#gremien


-->

Samstag, 30. September 2017

Objekt Nummer eins

Vom Haus der Geschichte Österreich hört man nicht sehr viel. Die Webseite schlummert so vor sich hin und hat sich, wenn ich nichts übersehen habe, seit vielen Monaten nur minimal verändert. Die Facebookseite ist karg und, ganz konträr zur Aufgabe so einer Seite, hoffnungslos veraltet. Von einer kleine Öffentlichkeitsoffensive ist mir die Mitteilung in Erinnerung geblieben, daß man in der künftigen Ausstellung 100 Jahre Geschichte auf 60 Metern sehen werde. Oder verwechsle ich da etwas, zum Beispiel mit dem Geschichtsmuseum des Joanneum, pardon, Universalmusem Graz, das mir dir Geschichte der Steiermark in 100 Objekten zu zeigen verspricht. Aber auf wie vielen Metern?
Eben habe ich wieder etwas gelesen über das Wiener Geschichtshaus, nämlich, daß man das erste Objekt erworben hat. Aus den Berichten geht ncht ganz klar hervor, ob der eher unscheinbare metallbeschlagene Koffer bloß inventarisch die Nr.1 ist, gewissermaßen sybolisch, zumal es sich ja um eine Wahlurne handelt, oder tatsächlich um die erste Erwerbung überhaupt.
Das würde mich wundern, denn was wäre denn dann in der Zeit bisher geschehen? Eine Hypothek des Projekts ist ja, daß es keine Sammlung gibt, daß erst eine aufgebaut wird. Und da hätte man bis jetzt gewartet? Wohl kaum!?
Großhofen schenkt also dem künftigen Haus der Geschichte Österreich einen zur Wahlurne zurechtgebastelteten Koffer. Das ist eine Presseaussendung wert und eine Fotostrecke, auf der wir den Koffer von allen Seiten und die zeremonielle Übergabe zwischen Bürgermeister und Museumsdirektorin in mehreren Fotos bewundern dürfen. Das Objekt selbst ist unanschaulich und ich bin ziemlich sicher daß mir der Pelzkragen der Frau Direktor länger in Erinnerung bleiben wird, als der Koffer.
"Da Demokratieentwicklung, ihre Brüche und Transformationen ein wichtiges inhaltliches Thema des HGÖ sein werden, wollten wir die Nummer eins mit diesem Thema besetzen", sagt Monika Sommer. Was es zu dem in einer Ausstellung nicht sonderlich sexy auftretenden Ding als Veranschaulichungs-Medium von Demokratie so auf sich hat, erfahren wir erst in dreizehn Monaten, da wird sich dann zeigen, wo sich das Haus auf dem polaren Spannungsseil zwischen "Wahl als Essenz von Demokratie" einerseits und "Whale als Idiotenfalle" (Jean Paul Sartre) andrerseits positionieren wird.

Montag, 29. Mai 2017

Der Weg zum demokratischen Museum ist mit gutem Willen gepflastert. Wie gehts dem "Haus der Geschichte Österreich"?

Hundert Tage „Amtszeit“ der Direktorin des Wiener Hauses der Geschichte bieten verschiedenen Tageszeitungen Gelegenheit nachzufragen, wie es denn um das Museum so steht. Nun wird eine Leiterin eines solchen ambitionierten und umstrittenen Projekts kaum selbst Salz in die Wunden des Projekts streuen, sondern im Gegenteil alle kniffligen Probleme als „Vorteile“ sehen wollen. So wird Minister Ostermayers Entscheidung, das Museum in der Neuen Burg einzurichten, als eine Art Überbrückung dargestellt bis ein Neubau errichtet ist. Nur: Von einem Neubau war damals nie die Rede, sondern das was für die neue Burg vorgesehen war, sollte das Museum sein.
Seit nun der Nachfolger Ostermayers, Drozda, das Projekt finanziell um zwei Drittel gekürzt hat und einen Neubau Spiel brachte - natürlich ohne Standort, Zeitpunkt und Finanzierungsmöglichkeiten zu nennen -, ist eine merkwürdige Situation entstanden. Auf dem (Gesetzes)Papier gibt es Haus der Geschichte, aber in der Neuen Burg gibt es vorerst eine Ausstellung zur Republiksgründung. Was danach kommt, ist unklar. Weitere Ausstellungen? Ein provisorisches Museum?
Unlängst hat der Geschäftsführer des Kunsthistorischen Museums, dem die Räume gehören, in dem die Ausstellung stattfindet, gesagt, daß diese Räume für den Eigenbedarf hergerichtet würden. Das klingt danach, als rechne man mit einer Nutzung durch das KHM nach der Ausstellung.
Wenn jetzt Monika Sommer von ihren Vorstellungen spricht, was das Museum sein und leisten soll, sollte man immer im Auge behalten, daß von etwas die Rede ist, was es zumindest in naher Zukunft gar nicht geben wird. So zu tun, als baue man ein Museum auf, etwa durch das Anlegen einer Sammlung, schafft Tatsachen. Aber mit durchaus unsicherem Gewicht für noch fällige politische Entscheidungen.
Zwischen einer Ausstellung und einem Museum ist nun mal ein Unterschied. Ab dem November 2018 wird etwas gezeigt, was um ein bestimmtes Thema kreist, kein Längsschnitt der österreichischen Zeitgeschichte und man entkommt auch vorerst einem Problem, das eine Hypothek der Museumsidee darstellt: für die Ausstellung kann man weit unbeschränkter mit Leihgaben arbeiten, als später in einem Museum, dem ja eine Sammlung noch weitgehend fehlt. Man entkommt vorerst der Erwartung, eine Deutung des großen historischen Bogens der österreichischen Geschichte - programmatisch vorgesehen soll das mit der Mitte des 19.Jahrhunderts einsetzen -, und kann sich mit einer üblichen historischen Ausstellung begnügen.
Also haben alle Erläuterungen zum Konzept eines Museums einen Vorbehalt. "Ich verstehe“ sagt Monika Sommer im Standard vom 26.5. „das Museum des 21. Jahrhunderts als Reflexionsort. Diskurse werden hier angestoßen, aber nicht im Sinne eines Imperativs. Wir wollen die Diskussion zeigen und keine Bilder verfestigen." Sicher, das kann auch eine Ausstellung leisten, aber als Vorschau auf ein Museum ist das ungedeckter Scheck. Ob es je eine langfristig sich entwickelnde Institution geben wird, scheint mir weitaus ungewisser als zum Zeitpunkt als Minister Ostermayer in einem politischen und dezisionistischen Akt das Museum ins Leben rief.
In wenigen Monaten gibt es Nationalratswahlen und wie wahrscheinlich ist es, daß es über die Wahl hinaus inneren sehr wahrscheinlich neuen Regierungskonstellation eine Kontinuität in der Kultur- und Museumspolitik der Republik geben wird? Wer weiß schon, wie andere Parteien mit diesem Projekt - zwischen Abwicklung und ideologischer Instrumentalisierung - umgehen werden? Da könnte den „Erfindern“ des Projektes die für ein Bundesmuseum ganz ungewöhnliche Politikabhängigkeit ganz schön auf den Kopf fallen. Die direkte Ungebundenheit ans Bundeskanzleramt und das eindeutig der SPÖ zuzuordnende Umfeld, das das Museum protegiert und entwickelt, werden in einer anderen politischen Konstellation zur weiteren Hypothek fürs Museum. Die typisch österreichische Koalitionäre „Arbeitsteilung“ zwischen dem „konservativen“ Haus in St. Pölten und dem „sozialdemokratischen“ in Wien wird möglicherweise nicht mehr funktionieren.
Über das was alles an konzeptuellen Ideen angekündigt wird, wird man erst urteilen können, wenn die erste Ausstellung eröffnet wird. Dann erst wird man sehen wie Versprechen eines „demokratischen Museums“, eines Ortes wo „Identität verhandelt“ wird, eingelöst werden. Wie soll etwa das „Verhandeln“ aussehen, wenn es um die begriffliche Deutungshoheit über "Austrofaschismus" und "Ständestaat" geht? Das soll, liest man, nicht im Museum entschieden, sondern „offen zur Schau gestellt“ werden. Sommer: "Hier wird dann an die eigene Urteilskraft der Besucher appelliert“. Was mich dann interessieren wird, ob man Diskussionen „zeigen“ kann, ob es genügt konfligierende Fakten zu präsentieren oder ob es dann nicht auch neuer Gefäße bedarf, in denen sich der beschworene Diskurs überhaupt erst entfalten kann. Überhaupt klingt das danach, als könne sich das Museum auf eine wissenschaftlich gefestigte Position zurückziehen und die Deutung den Besuchern überlassen. Aber diese gefestigten wissenschaftlichen Positionen gibt es oft nicht und ein Museum kann nie der Deutung entkommen, die allein schon durch Wahl der Objekte, ihr Arrangement und ihre textliche Kommentierung unvermeidlich ist.
Was mich auch bei anderen Konzepten stört, hier aber ganz besonders, ist, wie sehr auf Jugendliche als Zielgruppe geachtet wird. „Die Jugend“ war nie hauptverantwortlich für all den gesellschaftspolitischen Schlamassel, den wir nachträglich als historisiert mit Entsetzen oder Kopfschütteln als „unsere Geschichte“ wahrnehmen. Wieso wendet sich das Museum nicht auch - und energisch - gerade an diejenigen, die in Entscheidungsfunktionen sind, an der Wahlurne, in Ämtern und Kammern, in Gemeindestuben, in Vorständen, in Familienbetrieben, in Landtagen…?
Mit der Fokussierung auf Jugendliche, so scheint mir, kommen gleich zwei fragwürdige Vorentscheidungen ins Museum. Einmal die, das Museum nicht wirklich ernsthaft als gesamtgesellschaftlichen Ort des Diskurses zu sehen wollen, sondern eher als pädagogische Anstalt, wo die jüngeren Generationen gleichsam zur Demokratie erzogen werden sollen. Und: steckt da nicht ganz pragmatisch die Strategie dahinter, wie andere Museen das auch tun, sich der Jugendlichen als zählbares Publikum zu versichern zumal die z.T. ja Zwangsbesucher sind, etwa als Schulklassen. Jedenfalls ist auffallend, daß hier die Pläne zur Rekrutierung - in Kooperation mit einschlägigen Organisationen - weitaus konkreter sind, als die, die Auskunft geben könnten, was denn das nun für ein Museum werden wird. Die Frage des Zeithistorikers Gerhard Botz nach der ideologisch-politischen Zielsetzung, also nach dem gesellschaftspolitischen Zweck des Ganzen bleibt ebenso unbeantwortet wie die Entscheidung (die daraus abzuleiten wäre), was es denn nun für ein Museumstyp werden soll: ein Museum der politischen also Herrschaftsgeschichte, der Sozial- oder Kulturgeschichte, eines der Lebenswelten der österreichischen Bevölkerung, eines der zunehmenden globalisierten Vernetzung des Landes?

Freitag, 27. Januar 2017

Das "Haus der Geschichte Österreich" hat eine Leiterin

Gestern wurde Monika Sommer-Sieghart als Leiterin des Hauses der Geschichte Österreich vorgestellt. Sie hat alle Voraussetzungen für diese Aufgabe und wenn mich nicht alles täuscht, ist es das erste mal, daß ein österreichisches Museum eine Leitung mit profunden theoretischen Kenntnissen bekommt. Dazu kommt die Ausbildung als Historikerin, die Erfahrung im Organisieren von Ausstellungen, die langjährige leitende Mitarbeit am Wien Museum und anderes mehr. Kurzum, es ist jemand mit hohem Problembewußtsein und profundem museologischem Wissen. Sie repräsentiert auch einen generationellen Wechsel im Verständnis von Museen generell und es wird zeigen, wie sehr das in Ihrer Arbeit ablesbar werden wird.
Das alles will nun auf etwas angewendet werden, das ganz schön stachelig ist: die Konstruktion des Hauses, seine Finanzierung, der Umstand, daß keine Sammlung existiert, die (partei)politischen Implikationen des Projekts, die nach wie vor umstrittenen Abschnitte einer Zeitgeschichte, die offenbar noch immer nicht ganz vergangen ist und anderes machen dieses "Haus" schwierig. Abgesehen von den praktischen Fragen, der Raumqualität und -quantität, der unklaren Zukunft, was danach eigentlich geschehen soll, dem Konkurrenzdruck zu anderen Wiener Museen und das Verhältnis zum Haus der Geschichte des Niederösterreichischen Landesmuseums und last but not least die Aufgabe, in etwa einem Jahr das Haus mit einer Ausstellung zum Republik-Jubiläum eröffnen zu sollen und damit aber schon beweisen zu müssen, daß das Haus der Geschichte Österreich lebensfähig ist.
Da gibts jede Menge Ärmel, die aufgekrempelt werden müssen.

Donnerstag, 10. November 2016

Ausschreibung Haus der Geschichte Österreich

Mit BGBl. I Nr. 20/2016 führt die Österreichische Nationalbibliothek das Haus der Geschichte Österreich als fachlich eigenständiges Museum. Dieses soll die Geschichte Österreichs ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit thematischen Rückblicken in die Zeit der Aufklärung und davor und einem besonderen Schwerpunkt auf die Zeit von 1918 bis in die Gegenwart in ihrem europäischen und internationalen Kontext vermitteln. Das Haus der Geschichte Österreich soll auch ein aktives und offenes Diskussionsforum für zeithistorische Fragestellungen und Themen der Gegenwart sein und ist zu einer wissenschaftlichen Darstellung geschichtlicher Entwicklungen und Ereignisse verpflichtet (siehe § 13 Abs. 6 Bundesmuseen-Gesetz i.d.g.F.). Die Österreichische Nationalbibliothek sucht daher gemäß § 16 Abs 6 Bundesmuseen-Gesetz zum ehestmöglichen Eintritt eine/n 
DirektorIn für das Haus der Geschichte Österreich
(38,5h/Woche)
Ihre Aufgaben
  • Nutzerseitige Begleitung der baulichen Planung und Umsetzung der Museumserrichtung
  • Wissenschaftliche sowie organisatorische Leitung des Hauses
  • Gesamtkoordination und Formulierung wissenschaftlicher und sammlungspolitischer Ziele
  • Entwicklung eines Museums- und Ausstellungskonzepts samt Vermittlungsstrategie mit Fokus auf eine Sonderausstellung in der Neuen Burg in Wien zum 100jährigen Republiksjubiläum (12. Nov. 1918 – 2018) unter Berücksichtigung der Umsetzungsstrategie des Hauses der Geschichte Österreich vom 4. September 2015 und in Abstimmung mit dem Wissenschaftlichen Beirat
  • Erarbeitung und Umsetzung eines Sonderausstellungsprogramms für die ersten Jahre nach der Eröffnung in Abstimmung mit dem Wissenschaftlichen Beirat
  • Enge Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung der Österreichischen Nationalbibliothek und dem Wissenschaftlichen Beirat
  • Verwaltung des veranschlagten Budgets (derzeit sind für die  Vorbereitung und den laufenden Betrieb 2017-2019 ca. 4 Mio. EUR, davon ca. 50-60% für Personalkosten; für die Architektur, Einrichtung, Museumsgestaltung und Infrastrukturinvestitionen ca. 3,2  Mio. EUR kalkuliert)
Unsere Anforderungen
  • Abgeschlossenes Universitätsstudium (mind. Master-Abschluss oder Magisterium), vorzugsweise Geistes- oder Kulturwissenschaften oder vergleichbare Eignung
  • Wissenschaftliche Kompetenz und Publikationstätigkeit vor allem im Bereich der Österreichischen Geschichte mit Schwerpunkt 19. und 20. Jahrhundert
  • Mehrjährige Erfahrung in der Leitung und Steuerung einer Einrichtung vorzugsweise im Museums- oder Ausstellungsbereich
  • Ausgewiesene Erfahrung in der Konzeption, Organisation und Durchführung von Ausstellungen sowie in der Entwicklung innovativer Vermittlungskonzepte von Ausstellungsinhalten einschließlich dem Einsatz neuer Medien
  • Ausgeprägte Fähigkeit zur MitarbeiterInnenführung und -motivation, hervorragende Kommunikationskompetenz
  • Erfahrung im Umgang mit Medien und Öffentlichkeit
  • Erfahrung in der Akquisition und Betreuung von Sponsoren
  • Ausgezeichnete deutsche und englische Sprachkenntnisse in Wort und Schrift

Museums- und Ausstellungskonzept 
Den Bewerbungsunterlagen ist eine höchstens fünfzehnseitige Rohkonzeption (1,5 Zeilenabstand, Schriftgröße 12. Pt.) zur Gestaltung der Jubiläumsausstellung 2018, die auch Ideen einer künftigen Bespielung (vgl. dazu http://www.hdgoe.at/wp-content/uploads/2015/11/HGOE_Strategie_Download.pdf) enthalten soll, beizulegen. Bei der ersten Grundkonzeption der musealen Gestaltung sollte auf die Geschichte der vorgesehenen Ausstellungsräume in der Neuen Burg Rücksicht genommen werden beziehungsweise auch die Geschichte des Hauses punktuell in die Kuratierung einbezogen werden. Details zur Ausstellungsfläche finden sich auf http://www.hdgoe.at/wp-content/uploads/2016/10/Raumkonzept-Neue-Burg-und-Corps-de-Logis-HGO-20-10-2016.pdf 

Bewerbung 
Inkl. ausführlichem CV, Zeugnisse und Empfehlungsschreiben ausschließlich online über unser Bewerberportal (http://jobs.onb.ac.atbis spätestens 8.12.2016 mit Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung sowie der Museums- und Ausstellungskonzepte. Die Hearings finden am Montag, 9. Jänner 2017 statt. 


Das Jahresbruttogehalt für diese Position auf Basis 38,5h/Woche liegt je nach Qualifikation und Erfahrung bei mindestens EUR 84.000,-. Diese Stelle wird vorerst auf die Dauer von fünf Jahren besetzt, gegebenenfalls ist eine anschließende Wiederbewerbung für die Stelle möglich. Frauen werden bei gleicher Qualifikation i. S. d. Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes bevorzugt aufgenommen.

Mittwoch, 26. Oktober 2016

Haus der Geschichte Österreich. Ein Vorschlag


Und was kommt dann ins Haus der Geschichte? 
Ein Tintenfass vom Kaiser Franz Josef 
Die Peitsche vom Fiaker Bratfisch 
Ein Hut von der Schratt 
Eine Bartbinde vom Renner 
Ignaz Seipels Rosenkranz 
Die Uniformjacke vom Dollfuss (Größe XS) 
Ein russisches Schnapsglas (unzerbrochen) aus dem Nachlass von Leopold Figl 
Schuhe vom Kreisky 
Der Koffer von Bela Rabelbauer 
Die Brille vom Sallinger und die Hosenträger vom Benya 
Kurt Waldheims Satteltaschen 
Erwin Proells Exemplar von "Der Schatz im Silbersee" 
Der Trachtenjanker von Joerg Haider 
10 Mascherln von Wolfgang Schuessel 
Werner Faymanns Taxischein 
Die Modelleisenbahn von Christian Kern.


Poster/in "mape 2301" im "Standard" von heute, "Nationalfeiertag", 31.10.2016

Dienstag, 25. Oktober 2016

Haus der Geschichte Österreich. Die jüngste Entwicklung. Farce, Hängepartie, Kompromiß?

Es kommt nicht unerwartet. Das Ende des Hauses der Geschichte. Es wird durch seine Errichtung herbeigeführt. Als Jubiläums-Ausstellung auf einem um ein Drittel zusammengestrichener Ausstellungsfläche. Kombiniert mit der Ankündigung eines Museumsneubaues - auf dem Heldenplatz.
Der geschickte Politiker ist der, der aus einem Nachteil mehrere Vorteile macht. Vorteile für sich. Die Reduktion der Ausstellungsfläche um ein Drittel schlägt sich wunderbarerweise in einer Reduktion der Kosten um gleich zwei Drittel nieder. "Spar-Budgetgerechte" zehn statt dreißig Millionen (Der Minister als Sparefroh). Und es bleiben die Sammlungen des Kunsthistorischen Museums unangetastet. (Der lösungskompetente Minister). Ja vielleicht kann sogar später einmal das (unfreiwillige) "Opfer" des Weltmuseums zurückgenommen werden und es darf seine ursprünglichen Pläne in vollem Umfang verwirklichen. Wenn. Wenn es ein "neues" Haus der Geschichte Österreich" gibt.
Der Leiter des wissenschaftlichen Beirates - schon längst nur noch in der Rolle des Regierungssprechers, der auch die feinsten Regungen des jeweiligen politischen Amsträgers und Vorgesetzten der Öffentlichkeit diplomatisch übersetzen muß -,  kommt mir aus dem Medien mehrfach gespalten entgegen. Im TV mit einer vom Beirat unterstützten Forderung, es müssen die weiteren Module ebenfalls verwirklicht werden (welche Module? Wer hat je von Modulen geredet), sonst "mache sich die Republik lächerlich" (O.R.), in der Presse mit einem "großartig" für die für Sparzeiten angemessene Lösung.
Inzwischen übersieht das staunende und von den vielen Wendungen, die der "Fall Haus der Geschichte" nimmt, abgelenkte und möglicherweise auch überforderte Publikum, daß es ja um die Hofburg geht, auch um einen ominösen "Balkon" und einen Platz davor, auf dem sich so allerlei früher und heute versammelt hat und versammelt und wo gerade ein Minister (an anderer, aber ein Parteifreund) ein Denkmal errichten möchte und wohl auch wird. Ein Soldaten-Denkmal. Ein Opfermal. Noch eins. Das überraschte, oder überforderte oder verwirrte Publikum bekommt nicht mit, daß da schon wieder ein Politiker-Phantasma lanciert wird, noch eins, da ja auch das Museum in der Fassung Ostermeyer ein Politiker-Phantasma ist, eine Bundeskanzleramts-Museum. Also Museum und Denkmal auf dem Platz, von dem uns im Zuge der Museumsplanung und -debatte versprochen wurde, daß er in das Konzept eines "demokratischen Museums" einbezogen würde. Ein wichtiger, weil immer wieder zivilgesellschaftlich genutzter Platz in wichtigen Momenten der Republik. Einer, vom dem Politiker die Finger lassen sollten.
In einem Ministers Drozda nicht ganz so elegant. Mit der Ankündigung eines Neubaues. Auf dem Heldenplatz. Denn auch unbedarftere Kommentatoren riechen den Braten. Die Ankündigung eines Museumsneubaues schießt das Projekt in den Orbit zurück und läßt es wieder dort kreisen, wo es schon mal endlos in den unendlichen Weiten des diskursiven Raumes gekreist ist. Im Nirgendwo.
Also macht man es so: Eine Ausstellung erhält / behält den Namen Museum und irgendwann auch einen Leiter oder eine Leiterin. Dahinter versteckt man alle Fragen, was dieser Leiter eigentlich zu tun haben wird, nämlich mehr als eine fertige / unfertige / schon konzipierte Ausstellung zu verwalten um danach bitte was zu machen? Ein Museum (eine Sammlung, Forschung, Vermittlung) aufbauen, mit welchen Mitteln (?) und in welchem Verhältnis eigentlich zu den ihm vor / beigeschalteten Beirat und den ihm Vorgesetzen (Johanna Rachinger als Leiterin der Nationalbibliothek) und zu den politischen Instanzen, von denen er abhängig ist (Kanzleramtsminister / Bundeskanzleramt).
Kandidaten oder Kandidatinnen für eine solche Leitungsfunktion wird es trotzdem geben. Da ist z.B. der Leiter des Graz Museums, Otto Hochreiter, im Gespräch. Der ist Historiker und hat umfassende Erfahrung mit dem Museum und mit dem Ausstellen. Grade hat er seine Dauerausstellung überarbeitet und da das Graz Museum über keine attraktive Sammlung verfügt, wenig Budget hat, mäßig interessierte Politiker und nicht grade enthusiastische GrazerInnen, wäre er über den Wechsel in seine Wohnsitz-Stadt wohl nicht unglücklich.
Politisch passt er auch gerade. Sagen wir mal, bis zur nächsten Bundespräsidenten- oder Nationalratswahl. Dann ist ohnehin alles anders. Dann gibts zwar ein "Haus". Aber eine ganz andere Geschichte.

Montag, 12. September 2016

Haus der Geschichte Österreich. Ja. Und 2018

Minister Drozda: "Ich habe daher die Nationalbibliothek, das Kunsthistorische Museum und die Burghauptmannschaft beauftragt, mir bis Ende September Vorschläge zu unterbreiten, wie und unter welchen Voraussetzungen eine Realisierung bis 2018 realisierbar ist. Am Ziel, dass wir sinnvollerweise zum Republiksjubiläum 2018 fertig sind, halte ich jedenfalls fest."

Dienstag, 9. August 2016

Vortrag zum "Haus der Geschichte" bei der Österreichischen Forschungsgemeinschaft. Ein zweites Mal "nein" zum Projekt

Wie kann man Geschichte ausstellen?

I Ein österreichisches historisches Museum? Warum nicht!

Ich stehe dem Projekt eines Hauses der Geschichte Österreich sehr skeptisch gegenüber, und ich denke, diese Skepsis ist mit vielen Argumenten unterlegt. Das bedeutet aber nicht, daß ich ein österreichisches Geschichtsmuseum für sinnlos und überflüssig halte. Wäre ein solcher Ort nicht wünschenswert? Einer, an dem Prozesse gesellschaftlicher Selbstdeutung und Orientierung stattfinden könnten, an dem uns in der Erfahrung der Differenz der drei Zeithorizonte Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft neue Orientierungsmöglichkeiten eröffnet würden und das alles mit den genuin musealen Mitteln, also im Rückgriff auf dokumentarisch wie identitätsbedeutsame Gegenstände?
Meine Vorstellungen von einem solchen Museum unterschieden sich in so gut wie allen zentralen Merkmalen vom Konzept des Hauses der Geschichte Österreich. Statt einer paternalistischen Gründung und ideologisch fragwürdigen geschichtspolitischen Intervention, würde das Museum aus der Mitte der Zivilgesellschaft entspringen und von ihr getragen werden. Statt überdiskreter Planung in Hinterzimmern der Macht, gäbe es eine klar deklarierte Autorschaft, statt demokratische Offenheit bloß deklamatorisch zu beschwören, würden Partizipation und transparente Planung von Anfang gepflegt.
Statt allein auf die gewiss unverzichtbare fachliche Kompetenz der akademischen Geschichtswissenschaften zu setzen, müsste man sich gewärtig sein, daß es um die Geschichtskultur und politische Kultur allgemein geht und dementsprechend eine ungemein breitere Fachkompetenz wünschenswert wäre, wenn es um die Arbeit an musealer Repräsentation geht. Und ist es denkbar, da heute das Wort Partizipation in aller Munde ist, wo es um Museen und Ausstellungen geht, sich allein auf Experten zu stützen und nicht auch andere Gruppen einzubeziehen?
Methodisch hieße das, von den weitgehend umhinterfragten Prämissen der Historikerausstellung Abstand zu nehmen, also von der Praxis, auf Schriftquellen gestützte Texte zu generieren, denen Objekte alibihaft und illustrativ zugeordnet werden. Im Museum wie ich es mir erträume, müßte man die hohe Kunst der visuell vorgetragenen Argumentation beherrschen - diese seltene Fähigkeit zwischen fachlicher, ästhetischer und museologischer Kompetenz, die nicht einfach deren Quersumme bildet, sondern etwas Anderes, schwer zu Fassendes.
Statt auf so etwas wie kollektive hegemoniale Identität hinzuarbeiten, auf eine - wenngleich nicht offen deklarierte - identitätspolitische Zielsetzung, müsste ein anderes Geschichtsmuseum der Republik auf ein offenes, flexibles Konzept des Projizierens und Verhandelnds von konkurrierenden Identitäten setzen. Die Betreiber eines solchen Museums wüßten, daß Identität auch im Museum, so verführerisch die Institution dafür geeignet erscheint, nicht festzustellen oder festzuhalten ist.
Statt des weitgehend bekannten und voraussehbaren, chronologisch vorgetragenen Kanons von Tatsachen und Ereignissen setzte mein Museum auf eine rabiate Zuspitzung all jener Gegenwartsfragen, die uns beschäftigen und uns beunruhigen. Diese Zuspitzung käme nicht aus dem Museum, sie ist längst in der politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit derart brisant geworden, daß mir nicht einleuchten will, daß eine Art von neohistorisierender Panoramatik genügen soll, um dem etwas entgegenzusetzen. Eine historisierende Rückschau auf das was und wie es einmal gewesen ist, scheint mir angesichts der Gegenwartsprobleme vollkommen ungenügend.
Der Rückbau des Sozial- und Wohlfahrtsstaates, die Erosion demokratischer Institutionen und Regeln, die Entfesselung destruktiver neoliberaler Ökonomie, ja die Kassierung des Politischen überhaupt, das Anwachsen rechtsextremer Bewegungen, das alles braucht kein Museum als Unschuldskomödie, das uns die gefahrlose Besichtigung unserer politischen Elendslandschaften erlauben soll.

II Das überschätzte Museum

Eine einfachen Frage: Worin besteht der erwünschte Effekt, den das Haus der Geschichte Österreich haben soll? Was wird von ihm erwartet, was soll es leisten?
Ich meine damit nicht Absichten, sondern Effekte, die deklariert werden und deren Eintreten oder Ausbleiben auch kontrolliert werden kann.
In meiner Einladung zur Veranstaltung ist die Rede vom „für unser Land so bedeutenden Projekt“. Sicher, ein historisches Museum wäre etwas Neues in der österreichischen Museumslandschaft. Als Argument taugt das allein aber wenig. Der Hinweis, anderswo gäbe es so etwas, also müße es das endlich auch hier geben, ist weder zwingend noch sachlich richtig. Große nationale Geschichtsmuseen sind in Europa seltener als man glaubt. Ich wüßte weder in London oder Paris oder Rom, einen Ort, wo ich hingehen könnte, um über die Geschichte des Landes umfassend und aktuell informiert zu werden.
Aber worin liegt die Bedeutung der aktuellen Wiener Museumsgründung genau?
Soll das Nationalbewusstsein gestärkt werden? Immerhin war im Entwurf zur Abänderung des Bundesmuseumsgesetzes von nicht weniger die Rede als einer "Stätte der geistig-kulturellen Identität Österreichs“. Geht es allgemein um Sachwissen zur Geschichte Österreichs? Soll das Museum das Geschichtsbewusstsein der breiten Bevölkerung verbessern? Sollen aktuelle gesellschaftliche Probleme im Licht historischer Entwicklungen zur Diskussion gestellt werden? Soll es eine Visitenkarte für Wien-Touristen sein? Ein Informationspool für an Geschichte Interessierter? Ein Medium der Popularisierung der Zeitgeschichtsforschung?
Dieses Ziel ist unklar und Historiker wie Gerhard Botz haben gefordert, im Konzept für das Museum muß das identitätspolitischen Ziel offengelegt werden. Die Antwort darauf ist von den Moderatoren des Projekts nicht zu bekommen.
Stattdessen wird über Inhalte gesprochen, über Periodisierung, über die Tauglichkeit oder z.B. über die Untauglichkeit der Hofburgarchitektur, über den Zeitplan, aber nicht über den gesellschaftspolitischen Sinn des Projektes, den es jetzt, in diesen Tagen, in den kommenden Jahren hat und haben soll.
Da gibt es aber eine zweite Frage: Wieso erwartet man, daß dieses oder jenes Ziel  mit den Mitteln des Museums, mit den Mitteln einer Ausstellung tatsächlich erreicht werden kann?
Es scheint so, als wäre das Projekt eines Hauses der Geschichte Österreich Nutznießer einer diskreten Anerkennung der Institution als solcher - aber unter Aussparung aller seiner strukturellen Widersprüche. Das Museum erscheint als eine Art von black box, die man auf der einen Seite mit guten Absichten, programmatischen Deklarationen und vollmundigen Versprechungen füttert um auf der anderen Seite frisches Geschichtsbewusstsein herauszubekommen.
Ich zitiere die wesentliche Passage des sogenannte Mission Statement des vorliegenden Konzepts: „Das ‚Haus der Geschichte Österreich‘ (…) vermittelt die Geschichte Österreichs ab der Mitte des 19. Jahrhunderts (…) einem möglichst breiten Publikum in ihrem europäischen und internationalen Kontext und ermöglicht eine historische Auseinandersetzung. Das Haus der Geschichte Österreich wird ein aktives und offenes Diskussionsforum für historische Fragestellungen und Themen der Gegenwart sein.“
Als solches wird es, so der Leiter des Beirates, Oliver Rathkolb, zu „ausgeprägtem kritischen Geschichtsbewusstsein“ beitragen und zu „positivem Demokratiebewußtsein“. Wie Oliver Rathkolb ist auch Johanna Rachinger als Leiterin der Nationalbibliothek, der das Haus der Geschichte eingegliedert wird, in zentraler verantwortlicher Position. Ihr geht es um eine „kritische Erinnerungskultur“, um die „offene Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte“ und die „Vermittlung eines wissenschaftlich fundierten Geschichtsbildes“. Nicht daß man solchen Zielen nicht gerne zustimmen wollte, aber warum wird die Frage ausgeklammert, auf welchem Weg und mit welchen Mitteln alle diese und andere hehre Ziele denn erreicht werden können?
Noch nie ist ein Museum allein wegen eines schriftlichen Konzepts gelungen. Sondern immer erst in seiner organisatorischen und museografischen Realisierung. Dazu findet sich kaum etwas im Konzept und ein Mitglied des Beirates hat mir glaubhaft versichert, daß ein bereits verfasster museologischer Teil komplett aus dem Konzept wieder herausgenommen wurde. Warum? Ist er misslungen?
Das Museum ist ein höchst komplexes aus vielen Medien zusammengesetztes hybrides aber auch plastisches Medium mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten der Gestaltbarkeit auf allen Ebenen. Aber sein Status zwischen Wissenschaft, Kunst, Ästhetik und Didaktik ist unklar und auch die Autorschaft oszilliert zwischen den Rollen des Wissenschafters und Künstlers, zwischen wissenschaftlicher und sehr spezifischer ästhetischer Kompetenz. Haben die gerade die Historiker und Historikerinnen?
Interessant ist, daß zum ersten Mal, der Ruf nach Museologen erhoben wird. Aber Museologie ist weder ein Beruf noch eine Wissenschaft, eher ein Feld von Forschungen und Diskursen der unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen deren Gemeinsamkeit ist, sich mit dem "Museum als Schlüsselphänomen der Moderne" (Sharon MacDonald), zu beschäftigen.
Alle meine Fragen lassen sich in einer bündeln: Kann die wissenschaftliche und künstlerische Repräsentationen der Vergangenheit, wie sie Museen und Ausstellungen zu leisten beanspruchen, ganzen Gesellschaften oder zumindest Gruppen von ihnen Identität, Selbstwert, Erinnerungsfähigkeit oder Reflexionswissen vermitteln?

III Zwischen dem Gewissheitsanspruch der Geschichtsdidaktik und dem Generalverdacht der Undarstellbarkeit der Geschichte

Die Antwort auf die Frage der Repräsentierbarkeit von Geschichte vermeint man in einer Methodik oder Didaktik des Museums zu finden, in der besonderen Art und Weise des Zeigens und Zu-Sehen-Gebens, des Arrangieren von Objekten, des räumlichen Inszenierens, des Kommentierens durch Texte oder weitere Objekte. Wohl wegen meiner museologischen und ausstellungspraktischen Erfahrung hat man mich gebeten, über die Darstellbarkeit von Geschichte zu sprechen.
Allerdings ist das Thema derart komplex und es gibt theoretisch wie praktisch derart viele Antworten auf diese Frage. Es ist nicht möglich hier auch nur annähernd die diversen Optionen darzustellen und an Beispielen zu illustrieren. Deshalb habe ich mich entschieden, eine sehr enge Auswahl zu treffen. In ihr liegt der Schwerpunkt auf der Formierung des Publikums, auf der Herstellung von Öffentlichkeiten, und nicht auf Objekten, Medien und Inszenierung.
Der Grund für die Auswahl liegt darin, daß ich damit, statt mich allgemein zu halten, jenen Formen von Vermittlung Aufmerksamkeit schenke, die in unserem Fall, also bei einem historischen - und wie immer auch - „nationalen“ Museum mir wünschbar scheinen. Meine Beispiele illustrieren also nicht nur eine bestimmte Form der Geschichtsvermittlung, sondern ich habe sie auch als Anregung gewählt, für ein Haus der Geschichte Österreich an derartige Praktiken zu denken und sich an ihnen zu messen.
Als Kriterien der Auswahl dienten mir zwei Aspekte. Der eine Aspekt ist die Frage, wie Ausstellungen mit dem zivilisierend-rituellen, dem vergesellschaftungs- und öffentlichkeitsbildenenden Potential umgehen, das meiner Überzeugung nach den Kern des europäischen Aufklärungsprojektes Museum ausmacht. Den anderen Aspekt borge ich mir von Heidemarie Uhl. Sie hat in ihrem Beitrag in der Tagungsdokumentation zum Haus der Geschichte Österreich die Undarstellbarkeit der Geschichte als unvermeidliche Grundbedingung moderner Geschichtsdarstellung angeführt. Ausstellungen machen hieße, ich zitiere sie, die „Gemachtheit und Kontingenz der Geschichtserzählung“ anzuerkennen und erkennbar zu machen. Dem stimme ich zu und aus dieser Einsicht heraus sind ja auch viele faszinierende Projekte entstanden.

Die ehemalige Dauerausstellung des Jüdischen Museums der Stadt Wien

Wenn ich beide Aspekte zusammenfüge, fällt mir als erstes die Dauerausstellung des Jüdischen Museums der Stadt Wien ein, die bis 2011 bestanden hat und die auf Anordnung der damals bestellten neuen Leiterin abgebrochen wurde.
Die damalige Chefkuratorin des Museums, Felicitas Heimann-Jelinek und der Architekt Martin Kohlbauer konzipierten in einem salonartigen Raum des Palais Eskeles eine aus Hologrammen bestehende Platzstruktur.


Begibt sich der Besucher in den von den Tafeln gebildeten Raum sieht er sich umgeben von Bildern. Nach Maßgabe der Position, die der Besucher einnimmt, scheinen auf jeder Tafel Objekte auf, Fragmente ehemaligen Wiener jüdischen Lebens, eine Straßenansicht der Leopoldstadt, ein Porträt von Theodor Herzl, Ritualobjekte, Industrieerzeugnisse, alltägliche Gegenstände, - und sie verschwinden wieder, wenn der Besucher weiter geht, sich bückt oder wendet.
Die Kuratorin schrieb dazu: „Das Medium der Transmissionshologramme thematisiert (das) Verschwinden, thematisiert, dass sich Geschichte uns entzieht. Darüber hinaus stellt es den absoluten Ausgangspunkt des historischen Objekts ebenso in Frage in Frage wie das Konzept einer ‚wahren’ historischen Rekonstruktion. Keine Ausstellung kann deutlich machen, was österreichisch-jüdische Geschichte in ihrem ganzen Ausmaß tatsächlich war.“


Das ‚Verschwinden’, das Ephemere der ‚Bilder’ des Hologramms verweigert auch eine phantasmatische an das Museum gerichtete Erwartung: dass es durch dauerhafte Sicherung, Fest-Stellung von Dingen dauerhaft Erinnerung sichern und aufbewahren könnte.
Selbst das memoriale Zeichen, das auf fast keinem Platz fehlen darf, bietet hier trotz seiner monumentalen Festigkeit nur neue Ambivalenzen. Der aus der  Mitte des Gevierts gerückte Block – der ganz allgemein die Form- und Gedächtnisgelegenheit des Denkmals evoziert -  trägt eine Tafel mit einem der ältesten Aufzeichnungsmedien, eine chronologische Liste. Doch aus der lakonischen Aufzählung von zwischen 903 und 1994 ausgespannten Daten lässt sich keine zusammenhängende Erzählung rekonstruieren. Die räumliche und thematische Inszenierung der Hologramme stellt ebenfalls keinen Zusammenhang her, vielmehr sagen sie etwas aus über das Fehlen solchen Zusammenhangs, über die Abwesenheit der vernichteten Wiener jüdischen Kultur vor 1938, die sich dem Besucher nicht zu schönen Erinnerungsbildern verklärt. 05_Hologramme von Synagogen
Die Hologrammbilder vermitteln zwischen dem, was das Museum zeigen und dem, was der Besucher sehen kann und bringen zur Anschauung, dass das Vergangene eine gegenwärtige Konstruktion des Museums und dass der Besucher an dieser Konstruktion beteiligt ist.

Die voids des Jüdischen Museums Berlin

Noch radikaler hat sich der Architekt Daniel Libeskind bei seiner Architektur des Jüdischen Museum Berlin jeder Repräsentation verweigert. Hier gibt es Räume, die von Spuren, Bedeutungen, von Objekten vollkommen frei sein sollen. Er entwickelte die Architektur nicht für ein Ensemble von mit Objekten bespielbarer Ausstellungsräume, was, soweit ich sehe, in der Geschichte der Museumsarchitektur insofern einzigartig ist, als damit die Last der Repräsentation von der Sammlung und Ausstellung auf die Architektur übertragen wird. Im Grunde macht sie eine Ausstellung und Objekte entbehrlich, allerdings um den Preis extremer Abstraktion. Hier gibt es keine Vermittlung zwischen Dingen und Besuchern, keine Erzählung, sondern einen evokativen Raum, in dem sich Erinnern einstellen kann - oder auch nicht.



Libeskind schuf mehrere durch die Geschosse führenden, schachtartigen Räume, sogenannte voids. Es gab aber auch mitten im Museum einen voided void, also, wenn das überhaupt denkbar ist, so etwas wie eine geleerte Leere. Dieser voided void ist nicht betretbar aber man kann in ihn hineinsehen.
Die voids wurden z.T. zur Installation von Kunstwerken genutzt aber auch, und das war die Intention des Architekten, als Räume der Kontemplation, der Erinnerung und des Eingedenkens.
Es geht auch beim Jüdischen Museum in Berlin um ein Sich-Sammeln, wie im Grunde bei jedem Museum, um eine Sammeln von Personen um Objekte zum Zweck der Selbstdeutung. Wo aber Objekte fehlen, wie hier, kann im geglückten Fall, liebendes Eingedenken freigesetzt werden, wie in unvordenklichen Zeiten, da Bild und Text das Erinnern noch nicht stützten, eine Erinnerungspraxis, deren mythologischen Agentinnen, die Musen, die sich des Gesangs und Tanzes als Medium bedienten, der modernen institutionellen Erinnerungsform des Museums ihren Namen geliehen haben.

Ein Viertel Stadt. Jüdisches Museum Hohenems

Methodisch und strategisch ungleich pragmatischer ist da das Jüdische Museum im Vorarlbergischen Hohenems gewesen, das meiner Beobachtung nach derzeit interessanteste Museum Österreichs. Es hat mit der Projektreihe Ein Viertel Stadt eine sehr inspirierende Form der Auseinandersetzung mit der lokalen Geschichte entwickelt. Im Teilprojekt „Belichtete Häuser“, wurden nach intensiven Recherchen zur Hausgeschichte einige Schlüsselobjekte der Gemeinde sozusagen bespielt, an mehreren sommerlichen Abenden, mit Projektionen von Texten, Bildern, Dokumenten usw. zur Haus- und Familiengeschichte.


Angesichts teils spekulativer Überlegungen zu Abriss und Bautätigkeit inmitten des ehemaligen Jüdischen Viertels, gab das Projekt gewissermaßen dem Stadtteil und seinen Bewohnern vergessene oder verdrängte Geschichte zurück. Es war eine Konfrontation mit verschütteter Erinnerung, sicherte Spuren der vernichteten jüdischen Gemeinde und stellte Fragen nach dem sinnvollen Umgang mit dem Viertel.


Greifbarstes Ergebnis war die Beendigung der Nutzung der baulich erhaltenen barocken Synagoge als Feuerwehrdepot und deren Umwidmung zum Versammlungsraum, den das Museum aber auch die Stadt nutzen. Bis heute wirkt diese Ausstellung ganz praktisch in Politik, Stadtplanung und öffentlich-kommunalen Debatten nach.
Statt auf Besucher zu warten, stellt das Museum hier von sich aus ein Stück Öffentlichkeit aktiv her, in diesem Fall auch außerhalb seiner Mauern, und bildet damit einen Raum für demokratische Debatten und auf sie aufbauende Entscheidungsgrundlagen. Dabei war und ist ein Umstand hier ganz besonders wichtig. Das Hohenemser Jüdische Museum ist aus einer noch dazu höchst kontroversen zivilgesellschaftlichen Debatte entstanden und hat bis heute diese Verankerung in einer inzwischen buchstäblich weltweit existierenden Community vertieft.

Democracy. Group Material. New York

1988-89 organisierte die New Yorker Künstlergruppe Group Material auf Einladung der Dia Art Fundation unter dem Titel Democracy eine mehrteilige Veranstaltung darunter eine multithematische Ausstellung. Hier wird das Ausstellen direkt und explizit zum sozialen und diskursiven Raum und zur Öffentlichkeit, die sich ihrer fundamental politischen Rolle bewußt ist.
Es gab vier nichtöffentliche ExpertInnen-Diskussionen, vier Ausstellungen und vier öffentliche Foren, sogenannte town meetings. Die Ausstellungen genügten sich nicht selbst, sondern bildeten für die Debatten Informationsmöglichkeiten und Kontexte zu den vier Hauptthemen Education, Politics and Election, Cultural Partizipation und AIDS and Democracy. Die town meetings fanden in den Ausstellungsräumlichkeiten statt. Das heißt, der Stoff der Ausstellung war unmittelbar auch Stoff der Debatten.


Bemerkenswert scheint mir hier einerseits die Vermischung der Formgelegenheiten, Ausstellung, künstlerische Installation, soziale Intervention, Vermittlung, politischer Intervention. Dann vor allem aber der Umstand, daß hier durchaus in der Tradition des Museums selbst und seiner Genese im Kontext von bürgerlicher Aufklärung und Revolution, ein dezidiert politischer Begriff von Öffentlichkeit ins Spiel gebracht wird. Vergessen wir nicht, daß einer der ältesten Erprobungsräume liberaler Öffentlichkeit die Kunstausstellungen der Königlichen Akademie in Paris war. Museen waren von Anfang Orte der Konstituierung von Gesellschaftlichkeit im Medium diskursiver Öffentlichkeit. Democracy von Group Material zielt direkt ins Herz der politischen Öffentlichkeit, indem Demokratie in demokratischer Form und inhaltlich zum Thema gemacht wird. Democracy zeigt uns, wie man selbstreflexiv an Demokratie arbeiten kann.

Flamme eternelle. Musée d’Art moderne de la Ville de Paris

Heute würde man das Projekt von Group Material vielleicht mit dem in der Theorie des Kuratierens modischen Begriff der contact zone bezeichnen. Damit sind gesellschaftliche Räume gemeint, keineswegs nur museale, in denen AkteurInnen mit unterschiedlichen Positionen und Anliegen aufeinandertreffen und diese miteinander und alltäglich austauschen und sich mit ihnen konfrontieren. Ans Museum richtet sich das wie ein Appell, unterschiedliche Wissensformenen zu verhandeln. Weder werden existierende Machtverhältnisse damit aus der Welt geschafft, noch jene idealtypische Gleichheit aller hergestellt, die im habermasschen Modell bürgerlicher liberaler Öffentlichkeit idealtypisch behauptet wird. Stattdessen ist eine „unebene Reziprozität“ (James Clifford) zwischen Teilnehmerinnen bzw. Gruppen zu erwarten, also auch konfliktträchtiges Aufeinanderprallen von Interessen. Der Idee der contact zone liegt ein radikal-partizipatives Verständnis zugrunde, daß ein Ort unterschiedliche Öffentlichkeiten integrieren kann. Das kann eben auch ein Museum sein, oder eine Ausstellung, an dem Menschen aus freien Stücken und in frei gewählter Form der Kooperation und des Diskurses zusammenkommen.


Als ich vor Jahren unerwartet beim Besuch des Palais de Tokyo in Paris in die Installation flamme eternelle von Thomas Hirschhorn geraten bin, war ich unversehens Teil einer Versammlung um eine Art Lagerfeuer, Hestia, Grillplatz, Ewiges Licht, denn die flamme eternelle loderte tatsächlich und es hatte sich grade ein Cellospieler und im Zuhören versunkene Menschen um sie wie in einem feierlichen Moment unbestimmter Ritualität versammelt.
Während es beim Projekt von Group Material um einen politisch-didaktischen Impuls geht, bei Belichteten Häusern um eine relativ klar umrissene Debatte um Geschichte und Gestalt einer Stadt, bleibt bei einem künstlerisch-politischen Projekt wie flamme eternelle der Inhalt offen. Denn Partizipation macht nur so weit Sinn, als Kuratoren ihre Deutungsmacht, ihre Macht der Auswahl und Ordnung zugunsten anderer aufgeben. Im Grunde ist Partizipation niemals vollständig zu erreichen, denn entweder es bleibt immer ein Rest auktorialer Macht bei einem Kurator oder bei Veranstaltern oder es geht über diesen Punkt hinaus bis zu einer Selbstermächtigung einer Gruppe, die aber dann selbst die Autorschaft übernimmt. Flamme eternelle ist so ein Ort, der sehr weit der Selbstbestimmung seiner Nutzergemeinschaft überlassen wurde. Hier war zwar der Künstler, Thomas Hirschhorn täglich anwesend und in seiner Biografie wird flamme eternelle wie ein Werk angeführt, aber das ist hier ein Rahmen, eine Gelegenheit, ein Ort, der genutzt werden kann, ohne Barriere eines Eintrittsgeldes in der Zeit von 12 Uhr Mittag bis Mitternacht, täglich und der damit auch die museale Institution transformiert, in den er implementiert ist.


Partizipation ist insofern aporetisch, als sie, ernst genommen und konsequent realisiert, sich selbst abschafft. Ich denke, das war das Dilemma, das ich instinktiv bei mehrmaligen Besuch der Ausstellung im Pariser Museum spürte. Im Alltag fühlten sich die Räume nach wenig mehr an als Freizeiträume mit sehr begrenztem Unterhaltungswert. Aber möglicherweise war ja auch das durch das Konzept gedeckt. Und was da alles stattgefunden haben mag, das konnte sich mir als Zufalls-Zuschauer nicht erschließen. Denn es gab Auftritte von über zweihundert Experten, was flamme eternelle auch zu einer Art welcome center für Intellektuelle machte und die Frage aufwirft, ob ein ausdrücklicher Wunsch Hirschhorns in Erfüllung gegangen sein kann, ein nicht exklusives Publikum anzulocken.

63 Jahre danach. Graz 2010ff.

Im Jahr 2008 beauftragte der Steirische Landtag und die Landesregierung Jochen Gerz - ich zitiere - „ ein Gedenkzeichen zum Machtmissbrauch in der NS-Zeit zu entwickeln“. Ein Teil des Projektes war eine 2008 enthüllte und erinnernde Inschrift im Grazer Burgtor. Der zweite, ab 2010 in Graz und einigen steirischen Gemeinden präsente Teil, mit dem Titel 63 Jahre danach, war das Ergebnis eines sorgfältig konzipierten und komplexen Prozesses, in den steirische Politiker und die Bevölkerung einbezogen worden waren.
Am Beginn stand die Bildung einer interdisziplinären Forschungsgruppe aus steirischen Historikern, Kunsthistorikern, Soziologen, Germanisten, die sich auf die Suche nach Fotografien machten, die den Nationalsozialismus in der Steiermark dokumentierten. 96 der ausgewählten Fotografien wurden in der Kleinen Zeitung veröffentlicht und dort kommentiert. Dann wurde die Leserschaft aufgefordert, eine weitere Auswahl zu treffen, in der die Zahl der Fotodokumente auf die Hälfte, 48, reduziert wurde.


Diese Fotos werden nun den Landtagsabgeordneten mit der Bitte um einen persönlichen Text zu jeweils einem Foto vorgelegt. Deren Texte wurden wiederum in der Zeitung publiziert. Daraus wählt wiederum die Leserschaft 24 Beiträge aus und die 24 Plätze in Graz und in steirischen Gemeinden, an denen Texte und Bilder gezeigt werden.
Was komplizierter als eine Dogenwahl klingt, ermöglichte eine einzigartige Verschränkung noch dazu normalerweise gegeneinender abgeschotteter Öffentlichkeiten. „63 Jahre danach“ verschränkt Politik, Medien und Gesellschaft in eine einzige großen Interaktion und es entstehen mehrmals innerhalb des Entstehungsprozesses Räume autonomer Autorschaft. Selbst die Zeitung zieht sich, etwa ein ganzes Jahr lang, auf sachliche Berichterstattung und Dokumentation zurück und wird, zumindest auf Zeit, selbst zum Medium für von ihr nicht kontrollierbarer oder formierbarer Teilöffentlichkeiten. Politiker treten aus ihrer repräsentativen Rolle heraus und artikulieren sich auch als Privatpersonen, die mit ihren Erinnerungen und Erfahrungen über die Zeitdifferenz von dreiundsechzig Jahren hinweg direkt und indirekt über die aktuelle Bedeutung und Brisanz der subjektiven wie kollektiven Erinnerungen räsonieren. Sie werden damit wiederum zu einem Teil jener Zivilgesellschaft, die in der Leserschaft der Zeitung repräsentiert ist.
Zu den vielen außergewöhnlichen Qualitäten gehörte zum Beispiel auch die Aufmerksamkeit für die Dialektik von Stadt und Land - auf deren brisante gesellschaftspolitische Bedeutung uns eben die Bundespräsidentenwahl noch einmal nachdrücklich hingewiesen hat. Es gab ja Projektstationen in Graz und in einer Handvoll von Gemeinden, wobei es sich zeigte, daß sich einige Gemeinden der Aufstellung verweigerten.
Eine andre Besonderheit: Die Arbeitsgruppe, die eingesetzt wurde, um mit der Auswahl der Fotografien den ersten Schritt ins Projekt hinein zu machen, war interdisziplinär. Obwohl es ein zeitgeschichtliches Projekt war, überließ man es nicht allein der akademischen Geschichtswissenschaft. Ich könnte mir vorstellen, daß man diesen Kreis noch bunter hätte machen können.
Last but not least war auch das Landesmuseum involviert, und zwar als organisatorischer Rahmen, als Instanz der Realisierung in engster Kooperation mit Jochen Gerz. Das Museum trat aber nicht als Mitautor auf, wenngleich Werner Fenz, damals Leiter des dem Joanneum eingegliederten Instituts für Kunst im Öffentlichen Raum, Initiator war, griff nirgends inhaltlich in den Prozess ein und war auch kein räumlicher Gastgeber. Es gab eben keine Museumsausstellung, sondern, wenn man dem überhaupt einen Namen geben will, Interventionen oder Installationen im öffentlichen Raum, die dann jahrelang gezeigt wurden.



IV Nein

Museen sind Orte der Selbstdarstellung und Selbstauslegung von Gesellschaften und Gemeinschaften. In Museen sammeln sich Menschen um Gesammeltes und konstituieren sich dadurch als Publikum. Es geht ums Sammeln und ums Sich-Sammeln. Über Gegenstände und ihre Ausstellung und Ordnung deuten Menschen ihre Herkunft und Zukunft vor allem aber den Grund und den Zweck ihrer Zusammengehörigkeit.
Als Versammlung um eine Sammlung bilden die Beteiligten ein zivilisierendes Ritual, in dem sich körperliche und affektive Involvierung mit kognitiver Reflexion mischt, in der der Wahrheits- und Geltungsanspruch des Verhandelten geprüft und abgewogen wird.
Insofern bildet und bietet das Museum einen Raum liberaler bürgerlicher Öffentlichkeit, mit der das Museum genealogisch verbunden ist und durch das es selbst politisch und demokratisch wird, sofern es aus dem Diskurs niemanden ausschließt und sich die Beteiligten in wechselseitiger Anerkennung begegnen können.
Öffentlich ist das Museum aber vor allem als vom Staat im Interesse der Gesellschaft  eingerichtete, in ihrem Namen treuhänderisch verwaltete und aus Steuermitteln unterhaltene Institution, die, neben vielen anderen, einem Gesellschaftsziel dient. Seit den frühen republikanischen Verfassungen wird dieses Ziel mit allgemeiner und sozialer Wohlfahrt beschrieben.
Eine dritte öffentliche Funktion von Museen besteht in der symbolischen Vergemeinschaftung. Zum ersten Mal an den Museen greifbar, die in der Französischen Revolution gegründet wurden, ist das Museum ein sozialer Ort, nicht weniger als einer der Teilhabe der Bürger am Gründungsakt einer Nation. Sie konstituieren die neue Gesellschaft und reziprok werden sie, die Bürger durch diese Teilhabe zu Staatsbürgern.
Diese Form der Teilhabe steht ab nun, auch als verbrieftes demokratisches Recht, etwa in der Form des Rechtes auf Bildung in der Französischen Verfassung von 1793, jedermann zu und verleiht dem Ritual, mit dem sich Menschen im Museum zum Publikum zusammenfinden, eine bislang nicht denkbare und im Sammelwesen der frühen Neuzeit auch nicht angelegte politische und soziale Bedeutung.
Das Museumsritual ist unter den Bedingungen einer demokratisch verfassten Gesellschaft überdeterminiert. Denn die Frage nach dem Grund der Gesellschaft, nach ihrem Zusammenhalt, zielt einerseits auf eine Antwort die definitiv gültig sein soll. Andrerseits darf der Platz der Macht nie und schon gar nicht auf Dauer besetzt werden. In der Demokratie darf und kann es kein Objekt geben, das den Platz der Macht auf Dauer besetzt. Der geregelte und kontinuierliche Wechsel der Macht ist ein essentielles Strukturmerkmal von Demokratien.
Dazu gehört aber auch die Ahnung, dass es unmöglich ist, unter demokratischen Bedingungen ein Objekt zu denken und zu konstruieren, das die Gesellschaft repräsentiert, eint und zusammenhält. Wie immer man es nennen will, Patrimoine, Erbe, Heritage, I beni culturali, dieses Objekt das wir und das Museum vermeintlich besitzen, es entzieht sich uns ständig.
Ein Museum, das dieser Problemlage standhält, muß genau jene Eigenschaften besitzen, die auch angesichts der schwierigen Frage der Darstellbarkeit bzw. Undarstellbarkeit von Geschichte nötig sind. Angesichts der Unmöglichkeit, Identität festzustellen und festzuschreiben, etwa in einer großen nationalen Erzählung, bedarf es einer Reflexivität, die sich nicht nur auf Inhalte richtet, sondern auf das Verfahren.
Anders gesagt, ein Museum, das das Eigenschaftswort demokratisch zu Recht beanspruchen kann, bedarf einer doppelten Reflexivität. Es muß einerseits der Konstruktivität und Kontingenz des Vermittelten jederzeit gewärtig sein und andrerseits der Mechanismen der visuellen Repräsentation im Feld des Politischen. So fällt die Entscheidung, ob und wie weitgehend ein Museum demokratisch ist oder nicht.
Und wenn das Museum, genealogisch und strukturell ein Ort der gesellschaftlichen Selbstauslegung und -deutung ist, dann muß es sich selbst als Ort des Konflikts und des „polarisierenden Umdenkens“ (Jürgen Habermas) ausbilden, dann fungiert es als „agonistische Arena“, wo Demokratie immer wieder neu hergestellt und immer wieder aufs Neue verteidigt werden soll.
Davon ist das vorliegende Konzept nicht nur weit entfernt, es hat im Gegenteil Züge einer paternalistischen, geschichtspolitischen und hegemonialen Intervention, durch die die abgestandene Luft großkoalitionärer Politik weht und in dem keine Funken geschichtstheoretischer, ästhetischer und museologischer Innovation zünden.
Ich habe deshalb keinen Grund, meine Meinung, die ich auf der Tagung im Oktober vorgestellt habe, zu ändern. Damals habe ich gesagt: Ein Museum kann nicht nur von Demokratie sprechen, wie es im Konzept für ein Haus der Geschichte in der Neuen Burg der Fall ist, es muss auch selbst unter demokratischen Bedingungen entstehen und arbeiten.
Deshalb auch heute noch einmal: Ein klares Nein zu diesem Projekt.

Gottfried Fliedl
im August 2016

Samstag, 2. Juli 2016

Tagung der Österreichischen Forschungsgemeinschaft zum Haus der Geschichte Österreich

ÖFG-Tagung zum geplanten Haus der Geschichte Österreich(s): Konzepte. Inhalt. Erzählung.

Wien (OTS) - Mehr als 100 Gäste folgten gestern der Einladung der Österreichischen Forschungsgemeinschaft (ÖFG) zur Tagung "Haus der Geschichte Österreich(s): Konzepte. Inhalt. Erzählung.". Im Augustinertrakt der Österreichischen Nationalbibliothek wurde das im März vom Parlament beschlossene Projekt von Historikern und Fachleuten aus dem In- und Ausland aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und mit dem Publikum kontrovers diskutiert. "Der Österreichischen Forschungsgemeinschaft ist es ein Anliegen, den Diskurs über dieses für Österreich bedeutende Projekt mitzugestalten", so Karlheinz Töchterle, Präsident der ÖFG. Auch künftig wird die ÖFG Veranstaltungen zu gesellschaftspolitisch relevanten Fragestellungen initiieren, um damit den evidenzbasierten wissenschaftlichen Diskurs in der Öffentlichkeit zu fördern.

Im ersten Teil der Tagung stellte Oliver Rathkolb, Vorsitzender des Internationalen Beirats des geplanten Museums, die Pläne und Konzeption für das Haus der Geschichte Österreich dar und eröffnete damit die Standort- und Periodisierungsdebatte. Artur Rosenauer thematisierte die Geschichte der Wiener Hofburg und skizzierte die unterschiedlichen Ausbaustufen des historischen Burgkomplexes. Anschließend folgten Überlegungen von Gottfried Fliedl, der sich eine offene, demokratische und geschichtsvermittelnde Institution wünscht. Anhand von exemplarischen Beispielen von Museumsprojekten und Ausstellungen im In- und Ausland versuchte er zu zeigen, wie man sich auf die Bildung sozialer und öffentlicher Räume konzentrieren und dem Problem der Vermittlung von Geschichte stellen könnte.

Der zweite Teil der Tagung diente dem Erfahrungsaustausch vergleichbarer Projekte. Einem Vortrag von Philipp Lesiak über die Planungen zum Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich folgte ein Vortrag von Hermann Schäfer, dem Gründungspräsidenten des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dieser zog nicht nur Parallelen zur kontroversen Berichterstattung im Vorfeld der Gründungen der beiden Häuser, sondern sieht in der ernsthaften und kontinuierlichen Unterstützung von Seiten der Politik bei ausreichend finanziellen Mitteln die Grundsäulen für die Realisierung eines solchen Museums. Schäfer thematisierte überdies die Bewertungsfaktoren für Museumserfolge, die notwendige Museums- und Ausstellungsevaluationen und die Einflussfaktoren von Politik und Gremien, die es auszuloten gelte.

Der dritte Teil war grundsätzlichen Fragestellungen zur inhaltlichen Basis des Projekts gewidmet. Thomas Winkelbauer und Roman Sandgruber zeigten die unterschiedlichen Periodisierungsansätze auf und warnten vor politischer Geschichtsinterpretation. Die Deutungshoheit über die österreichische Geschichte ginge immer mehr von der berufsmäßigen und akademischen Geschichtsforschung auf die Journalistik über, so Sandgruber. Es folgte eine kontroversielle Debatte über die räumlichen und zeitlichen Grenzen der Geschichte Österreichs.

In der abschließenden von Ö1-Journalistin Elisabeth J. Nöstlinger moderierten Podiumsdiskussion, an der Johanna Rachinger, Heidemarie Uhl, Franz Schausberger, Oliver Rathkolb und Thomas Winkelbauer teilnahmen, wurden die Gremienbesetzung des künftigen Beirats, des Publikumsrats sowie die kalkulierten Kosten thematisiert und diskutiert. 
Einig war man sich darin, dass die Finanzierung schnellstmöglich fixiert und Direktion sowie Gremien alsbald eingesetzt werden müssen, damit die inhaltliche Detailkonzeption des Projekts gestartet werden kann. Im Rahmen der Veranstaltung nahm die oft vermisste inhaltliche Diskussion breiten Raum ein, wenngleich Grundfragen der museologischen Ausrichtung mit Verweis auf die künftige Leitung etwas zu kurz kamen.

Donnerstag, 23. Juni 2016

Beginnt die scheibchenweise Demontage des "Hauses der Geschichte Österreich"?

Die Medien scheinen des Themas "Haus der Geschichte" (egal ob es Wien ist oder St.Pölten) überdrüssig zu sein. Die kritischen Töne, die bei der Buchpräsentation des Bandes zur Tagung im Oktober, gestreut wurden, wurden trotz der mundgerechten Aufbereitung als APA-Meldung von kaum einer Zeitung übernommen.
Daß grade die nächste und beachtliche Verzögerung bekaannt geworden ist, erfahre ich nur per Zufall - aus den Salzburger Nachrichten. Daß die für Juni geplante Ausschreibung eines Leiters oder einer Leiterin, nicht erfolgt, wurde mit dem Warten eines Sideletter des Finanzministeriums begründet.
Im Internet lese ich nach, was eigentlich eine Sideletter ist. Also: Ein Sideletter "enthält Nebenvereinbarungen von Vertragsparteien, die diese nicht in den Hauptvertrag aufnehmen wollen. Gegenstand sind häufig auch Vereinbarungen, die nicht alle Parteien des Hauptvertrages betreffen.
Da die Vereinbarungen auch Auswirkungen auf den Hauptvertrag haben können, sind sie nicht unproblematisch und sollten mit der entsprechenden Vorsicht gehandhabt werden."
Na gut. Thomas Drozda, der das "Haus" von Minster Ostermayer geerbt hat, sagt, er möchte die "Finanzierung definitiv sicherstellen" (also war sie das bis jetzt nicht) und das sei erst im Rahmen der Budgetverhandlungen möglich. Und die sind erst im Herbst. Da wartet jemand nicht auf den Sideletter, sondern darauf, ob das Kulturbudget überhaupt oder erst später oder gar nicht reicht. Also gibt es auch eine Eröffnung 2018 "sicher nicht".  Sagt Drozda und: 2019 sei "relativ wahrscheinlich". Relativ. Und. Wahrscheinlich. 

Montag, 20. Juni 2016

Häuser der Geschichte. Ein Elendsbefund



Offenbar soll so auch der Eindruck erzeugt werden, dass für das gegenwärtige Klima des politischen Frusts und der sozial gespeisten Fremdenfeindlichkeit vornehmlich die Zeitgeschichte "zuständig" sei. Die geplanten "Häuser" sind daher eher ein Alibi denn eine vordringliche politische Aufgabe, es sei denn die auslaufende rot-schwarze Koalition und die alte bipolare Sozialpartnerschaft wollten sich noch ein Denkmal und dem von ihnen seit 1945 geprägten Österreich ein Museum setzen.

Wenn eine österreichische Prognose zulässig ist, dann die: Beide Konzeptionen, sollten sie realisiert werden, werden vorher noch zu einem koalitionären Einheitsbrei verschmolzen werden. Es ist zu befürchten, dass es dann vornehmlich um Folgendes geht: um - ich zögere, dieses missbrauchbare Wort auszusprechen - staatspolitisches "Show-Business" mal Sozialpartnerschaftsgeschichte.


Der Zeithistoriker Gerhard Botz, im Standard. Vor sechzehn Jahren. 

Neues vom Haus der Geschichte Österreich

So, jetzt gibt es ihn. Den Beirat, den neuen, zum Haus der Geschichte Österreich. Es gibt schon einen? Einen alten, und jetzt noch einen? Jaa, schon, aber der, der zweite und neue, der darf jetzt den Direktor bestellen der wiederum, so Oliver Rathkolb laut Der Standard: "die Feinkuratierung" mit dem Beirat "verhandeln" soll.
Wir fassen kurz zusammen. Beirat 1, wissenschaftlich, hat ein Konzept gemacht, ist gewissermaßen der wissenschaftlich-administrative Produktionsort, unter dem Leiter Oliver Rathkolb. Beirat 2, neu, eingesetzt, aber eigentlich auch nicht, weil da noch auf was vom Finanziminsterium gewartet werden muß, bestellt dann den Direktor und wirkt an der Feinkuratierung mit. E vero? Ein Beirat, der kuratiert?
Mitglied im Beirat 2: Oliver Rathkolb. Und Ex-Landeshauptmann Schausberger, der Leiter des Staatsarchivs, der Leiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands, Gerhard Baumgartner, Aleida Assmann, die sich als Professorin der Universität Konstanz mit ihren Forschung zum kulturellen Gedächtnis einen Namen gemacht hat, sowie Eva Blimlinger, Rektorin der Angewandten, die als ehemalige öffentlichkeitswirksame Fundamental-Kritikerin (als die sie im von Thomas Winkelbauer herausgegebenen Band "Haus? Geschichte? Österreich?" eingestuft wurde) nun einerseits das Feigenblatt macht für eine gelungene Integration der besonderen Art (Kritikerin eingebunden...) und dafür sorgen darf, daß das Projekt prachtvollst gelingt. E vero?
Erneuert wurde inzwischen, bei der Vorstellung des erwähnten Buches, die Kritik an der Nicht-Einbindung von Museologen. Die konterte Oliver Rathkolb bisher immer mit dem Hinweis, daß ja Museumsleiter und MuseumsmitarbeiterInnen in den Beirat (obacht, hier ist von Beirat 1 die Rede, im Beirat 2 gibts diese Kompetenz gar nicht mehr) berufen worden seien.
Da verwechselt er (und nicht nur er) etwas. MuseumsmitarbeiterInnen sind keine Museologen. Museologie ist weder ein Beruf noch eine Wissenschaft, eher ein Feld von Forschungen und Diskursen der unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen von der Philosophie bis zur Ethnologie, von der Volkskunde bis zur Soziolgie usw., deren Gemeinsamkeit ist, sich mit dem "Museum als Schlüsselphänomen der Moderne" (Sharon MacDonald) (und damit mit einem seiner wesentlichen Aufgaben, dem Ausstellen), zu beschäftigen. Jedenfalls ist die Schnittmenge Museumsmitarbeiter / Museologie klein, beide Bereiche sind gegeneinander abgeschottet, die Museumspraxis gegenüber museologischen Theorie ziemlich vollkommen (Donald Preziosi).
Und dann: Museologen sind eher selten Ausstellungsmacher, für diese selten als hohe Kunst betriebene Betätigung ist eine schwer zu definierende Kompetenz notwendig, die unter anderem aus wissenschaftlicher, ästhetischer und museologisch-reflexiver Kompetenz besteht, aber nicht als einfache Quersumme, sondern als etwas anderes, in dem die genannten Kompetenzen enthalten sind, aber nicht restlos aufgehen.
Der langen Rede kurzer Sinn: Oliver Rathkolb  weiß entweder nicht oder will nicht wissen, wovon er redet. Dafür ist er auf Grund seiner kleinen hübschen Ämterkumulation (Beirat1 + Beirat 2) der einzig Berechtigte, der schon jetzt, ehe der dazu eigentlich bestellte Beirat (Beirat 2) zusammengetreten ist, wissen kann, wie ausgeschrieben werden wird. Und zwar "definitiv" (O.R.) E vero?
Daß man vom inzwischen schon veränderten Zeitplan weiter abgeht und nun eine Wanderausstellung konzipiert (über die auf der Webseite des HdGÖ über Allgemeinplätze hinaus nichts zu erfahren ist), daß man mit dem WienMuseum und dem Weltmuseum zum Thema "Orient und Nahost" zusammenarbeitet und daß man die Idee habe, mit den Nachbarstaaten zusammenzuarbeiten, das  nebenbei.
Apropos Webseite. Dort findet man unter dem Punkt "Zielsetzungen" folgenden Satz:  "Das HGÖ wird ein aktives und offenes Diskussionsforum für historische Fragestellungen und Themen der Gegenwart sein." (Hervorhebung von den Autoren der Webseite). Genau. Es wird. Es ist es aber jetzt nicht.
Die Seite nimmt nirgendwo bezug auf die aktuelle Debatten, erwähnt nicht, daß es Veranstaltungen zum Haus der Geschichte Österreich gegeben hat und geben wirdt. Auch die Publikation, die Thomas Winkelbauer herausgegeben hat, und die nun wahrlich Diskussionsstoff bietet findet keine Erwähnung.
Es gibt auch keinerlei Verlinkung zu anderen Webseiten und Informationen, nicht einmal das. Also auch nicht zu jenen, die penibel die Geschichte des Projektes referien und nicht zu denen, wo alle einschlägigen Dokemente zu dieser langen Geschichte abrufbar sind.
Würde das Projekt nicht gewinnen, wenn es gewichtige Einwände ernst nehmen, abwägen, mit den Kritikern gemeinsam erörtern würde, kurzum wenn es sofort mit dem beginnen würde, was für ein derartiges Unterfangen unbedingt nötig ist: Öffentlichkeit, Diskurs, Vielstimmigkeit, Inklusion.
Nichts davon. Die Webseite zeichnet sich nicht einfach nur durch Abwesenheit jeder Diskursivität aus und agiert nahe an Usancen staatlicher Verlautbarungspolitik, nein, sie verweigert sich ganz gezielt und nachdrücklich jeder Involvierung in Debatten. E vero?