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Freitag, 21. Dezember 2018

Schutz des Urheberrechts oder Einschränkung der Öffentlichkeit des Museums? Das Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum und der Österreichische Museumsbund sägen am eigenen Ast

Das Reiss-Engelhorn,Museum Museum hat gegen die Wikipädia-Stiftung prozessiert, weil sie ein an sich rechtefreies Richard-Wagner-Porträt aus dem Museum abgebildet hatte. Gestützt hat sich das Museum auf das in der Hausordnung verankerte Fotografierverbot und das Urheberrecht eigener Fotografien. 

Das hat paradoxe Konsequenzen: Bilder, die gemeinfrei wären, weil der Urheber seit 70 oder mehr Jahren tot ist, verlieren die Gemeinfreiheit, weil das fotografische Abbild, das das Museum selbst - etwa für einen Katalog - angefertigt hat, selbst keine Gemeinfreiheit hat und das auf 50 Jahre. Da auch das Fotografieren - eines an sich gemeinfreien Werkes - verboten wird, gibt es keine gemeinfreien Museums-Bilder mehr

Dieser Sicht der Dinge hat sich nun der Deutsche Bundesgerichtshof im Fall des Reiss-Engelhorn-Museum versus Wikimedia-Stiftung angeschlossen. Eine Entscheidung, die überwiegend als katastrophale urheberrechtliche Entscheidung eingeschätzt wird. 

Denn: "Wenn ein Museum die von ihm selbst erstellten Digitalisate mit Verweis auf Lichtbildrechte rechtlich unter Verschluss hält und zusätzlich auch von seinem Hausrecht Gebrauch macht und keine Fotografien durch Besucherinnen und Besucher zulässt, gibt es keinen Weg, unser aller kulturelles Erbe so frei zugänglich zu machen, wie es die Gemeinfreiheit dieser Werke rechtlich eigentlich vorsieht." (Blog der Wikimedia-Stiftung)

Praktisch betrifft der Richterspruch vor allem die digitale Verbreitung. Er trifft aber auch eine Grundlage des Museums - dessen Öffentlichkeit als steuerfinanzierter, also von der Allgemeinheit erhaltener Institution, deren eine Grundlage der daraus resultierende Gemeinbesitz der Museumsobjekte selbst ist. Das Paradoxe der Entscheidung des OGH geht also übers Urheberrecht hinaus. Er trifft, initiiert vom Museum selbst, als Kollateralschaden die Öffentlichkeit des Museums selbst, also auch seinen umfassenden Bildungsanspruch und das Recht auf umfassende und uneingeschränkte freie Zugänglichkeit.

Was immer man von der Digitalisierung von Museumsobjekten (zu welchem Zweck auch immer) halten mag: das Mannheimer Museum stemmt sich gegen eine breite Entwicklung des - auch technisch einfach geworden Fotografierens in Museen und Ausstellung und das mit einem - vermutlich einzigem - Motiv, die entgeltliche Verwertung selbst in der Hand zu behalten. Aber auch das ist eine grundsätzlicher Regelverstoß bei einer Institution deren Sinn gerade darin liegt eben keiner wirtschaftlichen Verwertung unterworfen zu sein.

Sowohl in der Konkurrenz der Museen untereinander als auch in der Außenwahrnehmung der Museen als - etwa für den Tourismus - wirtschaftlich relevant, scheint die "Rentabilität" des Museums zunehmend zum Thema zu werden. Erst kürzlich hat der österreichische Museumsbund eine Studie vorgestellt, die von ihm selbst und dann in der medialen Rezeption vor allem als Nachweis diente, daß Museen "sich rechnen".

Der Versuch, die Legitimität von Museen dadurch zu stärken, daß man ihre Wirtschaftlichkeit nachweist, wird dazu führen, daß man kulturpolitisch in Zukunft Museen vermehrt auch danach bemißt. Und das kann bei einer Institution, die traditionell in der wohlfahrtstaatlichen Idee der uneingeschränkt zugänglicher Bildung verankert ist, nur schief gehen. Die allermeisten Museen sind nun mal nicht wirtschaftlich "rentabel". Und sollen das auch gar nicht sein. Und eigentlich sollten Museen und der sie vertetende Museumsbund, genau diesen unikalen und wichtigen Status des Museums mit Zähnen und Klauen verteidigen.

Was das Mannheimer Museum macht und was der österreichische Museumsbund lanciert gehört zu einer Entwicklung, die man unter der Schlagzeile "Das Museum - eine erfolgreich aufgegebene Institution" zusammenfassen kann.

Dienstag, 3. Juli 2018

Zwei Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates des Hauses der Geschichte Österreichs sind zurückgetreten. Ein Interview über ihre Gründe

Vier Monate vor der Eröffnung sind dem Wissenschaftlichen Beirat des Hauses der Geschichte Österreichs zwei Mitglieder abhanden gekommen. Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien und Gerhard Baumgartner, wissenschaftlicher Leiter des Dokumentationsarchives des Österreichischen Widerstands sind ausgetreten. Das wirft Fragen auf.

Gottfried Fliedl: Warum die Austritte? Warum jetzt? Gab es einen Anlass oder geht es um Grundsätzliches?

Eva Blimlinger: Es ging uns um Grundsätzliches, was schon am Anfang nach Bestellung der Direktorin Thema war und zwar die Frage was ist die Rolle, was sind die Aufgaben des wissenschaftlichen Beirats. Dazu hat man sich bemüßigt gefühlt sogar eine Stellungnahme des Verfassungsdienstes einzuholen. Im Gesetz steht ja, dass spätestens sechs Monate nach der Bestellung die wissenschaftliche Direktorin in Abstimmung mit dem wissenschaftlichen Beirat im Rahmen der budgetären Festlegungen ein Konzept für die fachliche Ausrichtung des Hauses der Geschichte Österreich entwickeln soll. Angesichts der knappen Zeit war klar, dass die Ausstellung anlässlich 100 Jahre Republik im Vordergrund steht, denn ein Konzept für die fachliche Ausrichtung des Hauses der Geschichte Österreich wurde uns bis zu unserem Austritt nicht vorgelegt. Es hat doch auch lange gedauert bis ein Rohkonzept für die Ausstellung da war. Der wissenschaftliche Beirat wurde aber mit vielen Dingen die wir dann oft aus der Zeitung erfahren haben gar nicht informiert oder damit befasst , wie zB die Ausschreibung für die Ausstellungsarchitektur, die Ausschreibung für das CI das ja wohl mit der fachlichen Ausrichtung zusammenhängt, die Frage von zusätzlichen Konsulent_innen, die Entscheidung über die Soundinstallation am Heldenplatz und und und. Unsere Position war immer, es muss eine super gute Ausstellung werden um den Fortbestand des Hauses der Geschichte Österreich langfristig zu sichern.

Gerhard Baumgartner: Ich habe die Möglichkeit der Mitwirkung an einem Projekt wie dem HdGÖ immer als eine große Ehre empfunden und als eine große Herausforderung, geht es doch um eine zentrale politische und identitätsstiftende Positionierung Österreichs, die sich in solch einer historischen Ausstellung manifestiert, oder nach meinem Verständnis manifestieren sollte. Von Beginn an gab es unterschiedliche Auffassung darüber, wie die Formulierung des betreffenden Gesetzes auszulegen sei, dass gewissen Entscheidungen der Direktion „in Abstimmung“ mit dem wissenschaftlichen Beirat zu erfolgen haben. Die Interpretation durch den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes, dass dies „Anhörung, Information und Konsenssuche, jedoch keine Mitentscheidungskompetenz umfasst“ muss ich als im besten Falle „eigenwillig“ charakterisieren und sie hat unsere Möglichkeiten als Beiratsmitglieder bei der Mitgestaltung der Ausstellung meiner Meinung nach wesentlich beschnitten. Konkreter Anlass aber war schlussendlich das Fehlen einer schlüssigen Darstellung der zentralen Aussagen und inhaltlichen Positionen der Ausstellung. Meine Fragen wurden von einzelnen Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirates als unzulässige Behinderung abqualifiziert und das führte schließlich zu Auffassungsunterschieden, unter denen ein gedeihliches Zusammenarbeiten nicht mehr möglich erschien.

GF: Wie ich höre, geht es um nicht weniger als unzulängliche Texte und sogar um faktisch Falsches. Ist es denkbar, daß ein Museumsteam und ein Beirat das zulassen? Kam das nicht zu Sprache?

EB: Doch das kam es durchaus. Auf der einen Seite wurden wir immer wieder darauf hingewiesen, dass wir lediglich beratend tätig sein sollen, was wir auch waren und andererseits haben wir dann Raumtexte und Erklärungstexte grundlegend überarbeitet, was wir gerne gemacht haben, aber doch wohl über die Arbeit eines wissenschaftlichen Beirat weit hinausgeht. Also auch hier konnte man sich nicht entscheiden was man eigentlich von uns erwartet.

GB: Unsere teils sehr ausführliche Bearbeitung oder Kommentierung der vorgelegten Texte entsprang einem Verständnis, dass – falls es irgendeine Zukunft für dieses Museumsprojekt geben sollte – diese Ausstellung sehr gut werden müsse, und zweitens unserem Gefühl einer besonderen Verantwortung für dieses geschichtspolitisch zentrale Projekt. Da ich aber nie mehr als einen Bruchteil der geplanten Texte zu sehen bekommen habe, erschien mir diese Verantwortung immer problematischer. Da andere Beiratsmitglieder dies nicht so sehen konnten oder wollten, war der Rücktritt schließlich die logische Konsequenz.

GF: Hat der Wissenschaftliche Beirat überhaupt Einfluss auf die kommende Ausstellung? Oder „begleitet“ er bloß den Prozess? Angesichts der Webseite des Hauses der Geschichte Österreichs frage ich mich, welche Diskussionskultur es dort gibt. Da wird z.B. das Haus als „Verhandlungsort und Diskussionsforum“ vorgestellt, aber es findet sich keine Spur der kritischen Debatten und Publikationen der letzten Jahre. Der Pressspiegel enthält nur - wenige - affirmative Berichte, nichts von den Auseinandersetzungen. Es gab auch keine partizipativen Elemente im Vorfeld, kein Einbeziehen der Zivilgesellschaft.

EB: Naja das mit dem Diskussionsforum steht schon im Gesetz und es gibt ja ein Publikumsforum *) das ja auch ein bisschen eingebunden war, aber auch hier nur das Wichtigste, also schon ein bisschen Zivilgesellschaft. Es hat Workshops gegeben es wurde der Kontakt zu Kooperationspartner_innen hergestellt und es gab das Bemühen viele Informationen zu versammeln. Und kritische Debatten war nicht so wirklich gefragt muss ich sagen, vor allem wenn es um das Konzept für die Ausstellung gegangen ist, ganz nach der Frage was ist die Erzählung dieser Ausstellung, die ja letztlich als eine staatsrepräsentative  gedacht ist. Es konnte bis zu unserem Rücktritt nicht erklärt werden.

GB: Selbst in jenen Bereichen, in denen uns das Gutachten des Verfassungsdienstes beschränkten Kompetenzen zusprach, wurden sie systematisch ignoriert. Die Wahl der Ausstellungsarchitekten, viel wichtiger aber noch der drei Ausstellungskurator_innen sowie der drei Ausstellungskonsulent_innen – inklusive der Modalitäten ihrer Beauftragung – erfolgten ohne Konsultation oder Information des wissenschaftlichen Beirates.**) Meine Forderung nach dringender personeller Aufstockung des Ausstellungsteams wurde abgewiesen. Die viel zitierten wissenschaftlichen Diskurse scheinen mir in der Ausstellungsvorbereitung nur in Form einiger Expertenrunden eingeflossen zu sein, im Publikumsforum und im wissenschaftlichen Beirat gab es das so gut wie nie, nicht einmal im so genannten Internationalen Wissenschaftlichen Beirat, der ja laut Gesetz überhaupt keine Funktion mehr hat, aber immer noch existiert. Nebenher gab es noch so genannte „Arbeitsgruppen“, aber ob die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppen sich irgendwo niedergeschlagen haben, ist für mich nicht nachvollziehbar. Eine Arbeitsgruppe, in der ich auch kurzfristig mitgemacht habe, scheint einfach irgendwann eingeschlafen zu sein.

GF: Bei der Entscheidung, das HdGÖ zu etablieren und in der Hofburg unterzubringen, spielten politische Überlegungen und direkte Interventionen (etwa bei der Standortwahl) eine große Rolle. Die Abhängigkeit von politischen Instanzen ist auch in die Zukunft hinein festgeschrieben. Spielte das je in den Diskussionen im wissenschaftlichen Beirat eine Rolle oder für den Austritt?

EB: Nein das spielte überhaupt keine Rolle für unseren Austritt, denn dann hätten wir ja gar nicht die Funktion annehmen dürfen, denn das war ja von Anfang an eine parteipolitische Entscheidung. Die Gründung war ja dadurch bestimmt, dass dem Weltmuseum unter BM Ostermayer Räume weggenommen worden sind, dass dann unter BM Drozda gleich wieder verkleinert worden ist und die Sammlung alter Musikinstrumente doch nicht übersiedeln musste. Seither wurde nichts an den Rahmenbedingungen verändert.

GB: Die Diskussion um den Standort im wissenschaftlichen Beirat neuerlich zu führen wäre doch reine Zeitverschwendung und völlig sinnlos gewesen. Das haben alle Beteiligten so akzeptiert, ebenso den Bestellungsmodus der Mitglieder des Beirates. Das war eigentlich überhaupt kein Thema und auch für den Rücktritt nicht von Belang.

GF: Angesichts der parteipolitisch-ideologischen Begleitmusik zum Projekt, frage ich mich einerseits wie sich das Museum in der aktuellen, seit der Gründung drastisch veränderten politischen Lage entwickeln wird, andrerseits ob das ganz praktisch etwas bedeuten wird. Und wenn ja, was? Wird es denn das Haus, das ja als zeitlich begrenzte Ausstellung eröffnet, denn je als Museum geben? Und unter welchen leitenden Prämissen?

GB: Eine tolle Ausstellung ist sicher die Voraussetzung für das Weiterbestehen dieses ehrgeizigen Projekts. Aber unter geänderten politischen Voraussetzungen können auch gute Projekte scheitern. Entscheidend wird wohl sein, ob und wie viele Österreicherinnen und Österreicher sich mit der im HdGÖ gezeigten Version identifizieren, sich in ihr wiedererkennen können – mit all dem was gut und auch was schlecht und falsch gelaufen ist in 100 Jahren Republik, nach dem Motto: „Das haben wir gut gemacht, das haben wir noch nicht richtig hingekriegt, da gibt´s noch was zu tun!“.  Und wenn man das auch noch den ausländischen Besucherinnen und Besuchern vermitteln kann, dann wird sie erfolgreich sein.
EB: Ich glaube es wird sehr viel davon abhängen, wie die Ausstellung rezipiert wird, wie viele Besucher_innen sie haben wird, ob sie also in den gängigen Vorstellungen, die sich ja vor allem nach Quantitäten ausrichten, ein Erfolg ist. Ich befürchte, dass die Qualität der Ausstellung dann wenig Rolle spielen wird, ob es als Museum in der Hofburg weitergeführt wird.




*) Anm. GF Hier der Link zur Zusammensetzung des Publikumsforums - https://www.hdgoe.at/wp-content/uploads/2018/06/Das-Publikumsforum-des-Hauses-der-Geschichte-%C3%96sterreich_Stand-22.01.18-1.pdf


**) Hier die Zusammensetzung des wissenschaftlichen Beirates - https://www.hdgoe.at/ueber-uns/#gremien


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Freitag, 11. Mai 2018

Sigmund Freud Museum 2020


Sigmund Freud Museum 2020

Sigmund Freuds ehemalige Wirkungsstätte in der Wiener Berggasse 19, der Ursprungsort der Psychoanalyse, wird sich ab 2020 der Öffentlichkeit in einer Form präsentieren, die den Ansprüchen dieses einzigartigen Museums- und Wissenschaftsstandorts gerecht wird.
Renovierung Haus Berggasse 19
Die Planung sieht die Sanierung der Fassade vor. Das historische Eingangsportal, wie es zu Beginn des vorigen Jahrhunderts den PatientInnen und BesucherInnen von Sigmund Freud offen stand, wird  weiterhin dem Museumspublikum Einlass zur geschichtsträchtigen Wiener Adresse Berggasse 19 gewähren.
Grundlegenden internationalen Museumsstandards entsprechend werden mit der Einrichtung eines Empfangs- und Kassaraumes im Erdgeschoss, dem auch ein kleines Café und ein Museumsshop angeschlossen sind, und den darunter liegenden Garderoben- und Sanitäranlagen adäquate Bedingungen für die mehr als 100.000 BesucherInnen jährlich geschaffen. Die Ausstellungsfläche des Sigmund Freud Museums im Mezzanin des Hauses wird auf 400 m2 erweitert und durch zusätzlich gewonnene Ausstellungsflächen im ersten Halbstock eine weitere Vergrößerung um ca. 150 m2 erfahren.
Der Zugang zu Museum und Bibliothek wird durch einen Aufzug barrierefrei erschlossen und unter Wahrung der Auflagen des Denkmalschutzes und der aktuellen Bauordnung den Bedürfnissen für Menschen mit Behinderung angepasst.
Re-Organisation des Museums
Das Museum als Erfahrungsort: Unter Berücksichtigung des gründerzeitlichen Charakters von Sigmund Freuds Wohn- und Arbeitsräumen werden erstmals auch die privaten Räume der Familie für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie geben Aufschluss über die bewegte Familiengeschichte, erzählen vom Alltag einer Wiener Familie um die Jahrhundertwende und schreiben Freuds Wirken in den gesellschaftlichen Kontext seiner Zeit ein. In der psychoanalytischen Praxis von Freud vermittelt die im Original erhaltene Möblierung des Wartezimmers die für Wien so kennzeichnende Atmosphäre eines Interieurs des 19. Jahrhunderts. Die museale Präsentation im Arbeitszimmer der Praxis widmet sich der psychoanalytischen Theoriebildung wie auch Freuds kulturtheoretischen Schriften. Seine vielfältigen Korrespondenzen mit KollegInnen, FreundInnen und PatientInnen, die insgesamt ein Konvolut von knapp 20.000 Briefen umfassen, werden hier vergegenwärtigt. In Freuds Behandlungsraum werden Kernthemen der psychoanalytischen Behandlungsmethode und Praxis verhandelt. Der Leerstelle, die durch die Abwesenheit der Couch in diesem Raum zurückgeblieben ist, kommt in der neuen Dauerausstellung besondere Bedeutung zu. Das Fehlen dieses zur Ikone der Psychoanalyse avancierten Möbels kennzeichnet das Museum als einen entkernten Erinnerungsort und liefert den Verlusten, die unsere Geschichte schrieb, ein Sinnbild: Freuds Flucht vor dem Nationalsozialismus steht pars pro toto für Millionen Geflüchteter und Ermordeter.
Freuds „erste Ordination“ im Hochparterre der Berggasse 19, in der er zwischen 1896 und 1908 PatientInnen wie „Dora“ behandelte, ist auch jener Ort, an dem der „Vater der Psychoanalyse“ die zentralen Texte der Entstehungsphase seiner Wissenschaft wie Die Traumdeutung oder Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie verfasste. Hier werden ausgewählte Werke der  Zeitgenössischen Konzept-Kunstsammlung des Sigmund Freud Museums – unter anderem Arbeiten von Paolo Calzolari, Joseph Kosuth, Franz West, Heimo Zobernig, Sherri Levine und Georg Herold wesentliche Aspekte der Psychoanalyse wie auch deren Wirkungsgeschichte im Bereich der Kunstproduktion beleuchten.
Die Neukonzeption des Museums ermöglicht es, der einstigen Bedeutung und Funktion der historischen Räume in der Berggasse 19nachzuspüren. Durch zeitgemäße Vermittlungsinstrumente werden die vielschichtigen Inhalte dieses Kulturstandortes – von der Darstellung der Entwicklung der Psychoanalyse als Wissenschaft des Unbewussten über die Gefahr ihrer Auslöschung im Nationalsozialismus bis hin zur Befragung ihrer aktuellen Bedeutung – fachgerecht aufbereitet, kritisch beleuchtet und einer breiten Öffentlichkeit vermittelt.
Die ArchitektInnen Hermann Czech, Walter Angonese und ARTEC, Bettina Götz und Richard Manahl fassen das Konzeption ihres  Museumsentwurfs „SIGMUND FREUD MUSEUM 2020“ wie folgt zusammen:
Der Informationsgehalt des Sigmund Freud Museums beinhaltet zwei Aspekte:
Sachliche Information: die wissenschaftliche, historische und biografische Information über die Psychoanalyse und ihre Entstehung, über ihren Schöpfer Sigmund Freud und seine Familie, besonders auch über Anna Freud. Dieser Aspekt ist nicht an das Freud-Haus bzw. an bestimmte Räume darin gebunden.

Örtliche und räumliche Präsenz: die physische Erfahrung der wichtigsten authentischen Lokalität, in der diese wissenschaftliche Arbeit und die persönliche Lebensführung der beteiligten Menschen stattgefunden hat. Insofern ist das Haus ein Museum seiner selbst.  Dieser Aspekt kann nur im Freud-Haus und im Verständnis seiner Räume und ihres Zusammenhangs wahrgenommen werden.
Die beiden Aspekte werden im Sigmund Freud Museum gleichzeitig und als Einheit dargeboten und erfahren; in einzelnen Fällen werden sie sogar in Zusammenhang treten. Es dient aber doch der methodischen Klarheit und Verständlichkeit der vermittelten Inhalte, sie gedanklich auseinanderzuhalten.
Im Prinzip sollten daher der allgemeine Informationsaspekt und der Örtlichkeitsaspekt nicht medial vermischt werden. In die Mittel der Ausstellung übersetzt, bedeutet das, die nicht den Raum betreffende Information im Regelfall von den Raumwänden abzulösen. Auf den Raumwänden verbleiben ausschließlich die Hinweise zu den Hausräumen und ihrer ehemaligen Nutzung, Einrichtung, ihren Oberflächen (und deren konservatorisch-restauratorischen Befunden).
Der Weg durch das Museum liefert also einerseits eine Erfahrung der Räume und ihrer Anordnung, ihrer ehemaligen Nutzung und Geschichte, sowie Hinweise zu ihrem ehemaligen Aussehen, andererseits liefert er eine abgestufte allgemeine Information durch Texte und Bilder, die von den Räumen inhaltlich weitgehend unabhängig ist.
Der Parcours sollte dem Besucher weitgehend freigestellt werden; möglichst früh sollte jedoch eine Orientierung (mental map) entstehen können, die eigenständige Rück- und Querwege begünstigt.
(Auszug aus dem Konzept der Weittbewerbseinreichung von Hermann Czech, Walter Angonese und ARTEC, Bettina Götz und Richard Manahl, 2017)
 „Bibliothek der Psychoanalyse“ – Sanierung und Neuaufstellung
Das über dem Museum befindliche Stockwerk wird zur Gänze den umfassenden wissenschaftlichen Aktivitäten der Sigmund Freud Privatstiftung gewidmet: Der „Wissenschaftsstock“ wird neben dem Archiv die Bibliothek der Psychoanalyse beherbergen, die mit ihrem Bestand von knapp 40.000 Titeln die größte psychoanalytische Fachbibliothek Europas darstellt – weltweit die zweitgrößte. Erstmals werden sämtliche Bücher und Bestandsgruppen auf einer Ebene zusammengeführt und allen LeserInnen zugänglich gemacht. Mit ihrer inhaltlich geordneten Freihandaufstellung bietet die Entlehnbibliothek Zugang zu historischen Zeitschriften der frühen Psychoanalyse, zu zahlreichen gegenwärtigen Fachjournals sowie zu sämtlichen internationalen Neuerscheinungen, die den gegenwärtigen internationalen Forschungsstand rund um Theorie und Praxis der Psychoanalyse abbilden. Werke, die Verbindungslinien zwischen der Psychoanalyse und anderen Disziplinen herstellen, etwa Kulturwissenschaften, Gender Studies, Filmtheorie, Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft etc., ergänzen den Sammelschwerpunkt.
In die Studienbibliothek werden Arbeitsplätze integriert, die dem eigenen Wissenschaftspersonal sowie Gästen aus dem In- und Ausland zur Verfügung stehen: KooperationspartnerInnen, PsychoanalytikerInnen, ForscherInnen universitärer und außeruniversitärer Einrichtungen sowie privaten InteressentInnen. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs werden zusätzlich spezielle Programme wie Rechercheworkshops für Studierende und die Betreuung von SchülerInnen im Rahmen ihrer vorwissenschaftlichen Arbeiten (VWA) angeboten.
Das Herzstück des Wissenschaftsbereichs bildet der Vortrags- und Lesesaal: Der berggassenseitig gelegene „historische Salon“ im ersten Obergeschoß wird umsichtig renoviert, mit zeitgemäßer Infrastruktur und Technik ausgestattet und so multifunktional für die BibliotheksnutzerInnen wie für unterschiedliche wissenschaftliche Veranstaltungsformate – Vorträge, Konferenzen, Workshops und Filmscreenings – nutzbar gemacht.

BIBLIOTHEK DER PSYCHOANALYSE #FREUD2020 Um den bedeutenden Wissenschaftstandort Berggasse 19 lebendig zu halten wurde auf der Plattform RESPEKT.NET die Aktion „Freud spenden auf respekt.net“ initiiert – helfen auch Sie mit, das Wissen der „Wiener Wissenschaft“ Psychoanalyse für unsere Zukunft nutzbar zu machen: respekt.net/freudspenden
 Zur Verfügung gestellt vom Freud-Museum

Donnerstag, 19. April 2018

Die zehn besten Museen Österreichs. Die zehn schlechtesten Museen Österreichs. Resonanz und Staunen

Heute hat mein Post mit den zehn besten und den zehn schlechtesten Museen Österreichs den zehntausendsten Zugriff gehabt. Über Facebook gab es mindestens noch einmal so viele Zugriffe. Damit ist dieser Post der meistgelesene in meinem Blog seit seinem Bestehen.

Die persönlichen Reaktionen mir gegenüber waren auch dementsprechend zahlreich, überwiegend positiv und insofern ermutigend, weil ein Defizit an analytischer und kritischer Beschäftigung mit den Museen sichtbar wurde.

Hier der Link für die, die diesen Post noch nicht kennen:  https://museologien.blogspot.co.at/2018/01/die-zehn-besten-museen-osterreichs-die.html

Wie geht es weiter? - Ich denke, daß ich im Juni, eher im Juli eine "zweite Auflage" des Ranking veröffentlichen werde (an dem ich schon arbeite), mit mehr Museen, wahrscheinlich auch mit einer differenzierteren Abstufung - aber bei Beibehaltung der sehr subjektiven Auswahl und Beurteilung.

Also, ein wenig warten, dann gibts Neuigkeiten, vielleicht sogar mehr gute, denn mir fallen mehr "gute" Museen in letzter Zeit auf, als "schlechte" (die sind dann aber wirklich unterirdisch). Wir hören und lesen voneinander...!

Freitag, 19. Januar 2018

Das Museumsranking. Nachwort in eigener Sache

Das Echo auf das „Ranking“ österreichischer Museen nach „besten“ und „schlechtesten“ ist erstaunlich. Seit ich den Blog betreibe, hat es erst einmal einen Post mit so vielen „Besuchen“ gegeben. Das war am Höhepunkt des Skandals um den Abbruch der Dauerausstellung des Jüdischen Museums der Stadt Wien.

Warum gibt es diese Resonanz? Hat es mit der Beliebtheit von Listen zu tun? (101 Most beautiful places you must visit before you die). Oder mit dem Phänomen, daß schlechte Nachrichten faszinieren - was nur den zweiten Teil des Rankings betrifft. Oder genereller damit, daß man wissen will, ob man (als MitarbeiterIn eines Museums z.B.) „dabei“ ist oder weil man sich die kleine Schäbigkeit gönnen will, andere auf der (Negativ)Liste zu ertappen.

Ich denke mir, daß es eher mit dem Umstand zusammenhängen könnte, daß man Museen überhaupt nie schlecht findet und daher auch nie einschlägig kategorisiert, anders gesagt, daß es keine Museumskritik gibt und man Museen an sich als sinnvolle und wichtige kulturelle Institutionen ansieht.

Wer das so sieht, den muß allein schon die Tatsache überraschen, daß es eine wertende Beurteilung bei Museen gibt, eine Unterscheidung, nichts anderes meint ja Kritik. Im Internet wird man, etwa bei Tripadvisor, die sehenswerten Museen einer Stadt finden, sicher keine, die man meiden soll, die „schlecht“ sind.

Wenn es so etwas wie Listen oder Rankings zu Museen gibt, dann berufen die sich auf Größe, Besucherzahlen oder Abseitigkeit (The ten weirdest museums in the world, Time Magazine). Oder auf Bewunderung - nicht auf Qualität -, wie bei der Forbes-Liste Ranking The World's Most Admired Art Museums, And What Big Business Can Learn From Them (!). Auf der Liste finden sich achtzehn Museen, durchweg Kunstmuseen und, Überraschung, auch in jeder Besuchsstatistik die vordersten Plätze belegen.

Meine Liste konfrontiert möglicherweise mit der Überraschung, daß es überhaupt so etwas wie Kritik an Museen gibt und daß es daher sehr unterschiedliche Niveaus gibt, sie konfrontiert also mit etwas, was wir z.B. von Filmen gewohnt sind (wo es viele, sehr differenzierte, auch nummerierte Listen - Rotten Tomatoes - gibt), aber vom Museum eigentlich gar nicht. Die Reaktionen auf die Liste sind mehrheitlich positiv, neugierig, überrascht. Einige Leser sind irritiert. Ja, es gibt schlechte Filme, schlechte Theateraufführungen, schlechte Fernsehserien - aber schlechte Museen? Wir sind gewohnt, Besuchszahlen als ultimative Qualitätskriterien anzusehen. Aber ist ein Fußballspiel, das 60.000 gesehen haben besser als eines mit halb so vielen Fans?

Kritik wird oft als Angriff verstanden. Museen scheinen mir, aus den genannten Gründen, besonders empfindlich zu sein. Während meiner beruflichen Tätigkeit habe ich es zwei oder drei Mal erlebt, daß Museen, an denen ich Seminare oder Projekte veranstaltet habe, Kritik als unzuläßig zu unterbinden oder einzuschränken. Dabei ist Kritik eine wichtige Ressource. Museen sollten nicht nur Kritik von außen „dulden“, sie sollten sie annehmen und sie sollten sie selbst organisieren. Aus vielen Gesprächen mit KollegInnen, die in Museen arbeiten, glaube ich zu wissen, daß internes Feedback, sei es während eines Projektes und als ein Teil davon, sei es nach einem Projekt, zwar wünschenswert erschein, sehr selten stattfindet.

Mein „Ranking“ provoziert die Frage nach der Kritisierbarkeit des Museums, die Frage nach der Qualität der Kritik, nach ihren Kriterien, nach ihren Rückwirkungen auf die Museen, nach ihren Effekten auf das Publikum, die Rolle, die sie in den Medien spielt. Anders gesagt, mein Ranking, oberflächlich eine geballte, heftige Ladung harscher, apodiktischer Urteile hat nicht das Ver/Urteilen zum Ziel, sondern die Debatte über den gesellschaftlichen Sinn des Museums und seine Qualitäten.

In mindestens einer Hinsicht unterscheidet sich meine Spielerei, meine knappen Kritiken im Stil „raw and dirty“, mehr ist es nicht, von einschlägigen Restaurantführern. Dort gibt es nur indirekt ein Ranking. Denn Restaurants werden nach Qualitätsgruppen zusammengefasst (mit Ausnahme des erwähnten Tripadvisor, wo man, gestützt angeblich ausschließlich auf die Bewertung von Konsumenten, etwa das 342-beste Restaurant von Paris finden kann).

Ich habe mir überlegt, ob man das mit Museen auch machen könnte. Nicht mit Hauben, Gabeln oder einem Punktesystem, sondern mit einer Art von Typologie, die man auch ohne Probleme über die herkömmliche Typolgie (Kunstmuseen, Heimatmuseen usw.) drüberlegen könnte.

Etwa „Museen, die sich erfolgreich aufgegeben haben“. „Museen, die um sich kämpfen.“ „Museen, die an ihr Publikum Anforderungen haben“. Museen, an denen man rumkaut, als hätte man zu viele Gummibären im Mund". „Museen, die infantilisieren“. „Museen, die sich selbst nicht verstehen.“ „Museen, die niemand in ihrem Schlaf stören will“. „Museen, die man besser nicht besuchen sollte“. „Museen, die für“ hier darf man selbst ein Wort einsetzen, „eine Bereicherung sind“. "Museen für deren Besuch man getrost einen 700.- Euro Flug buchen sollte".

Wer Museen kennt, oder besser noch, wer ein Museum als Arbeitsplatz hat, kann die Fragen ja mal im anonymen, stummen Selbstversuch testen.

Ich bleibe dran, und habe noch weitere, neue Ideen und habe in Gesprächen, die großen Spaß machten, die Ausbaufähiggkeit des „Rankings“ entdeckt. Und die gute Nachricht zum Schluß: Ich arbeite schon an der „zweiten Auflage“ und bei mir wird mn nicht, wie beim Gault Millau ein Jahr warten müssen, meine überarbeitete und erweiterte Liste wird früher kommen!

P.S.: Ich nehme gerne Anregungen für „gute“ wie für „schlechte“ Museen entgegen und mir ist auch Kritik an meiner Liste willkommen. So habe ich, auf eine Anregung hin, ein Museum ausgetauscht.

Donnerstag, 18. Januar 2018

Die zehn besten Museen Österreichs. Die zehn schlechtesten Museen Österreichs

Geblödelt habe ich schon öfter darüber, mit verschiedenen Leuten - über ein „Gault-Millau für Museen“, das heißt ein Ranking, an dem sich der „Konsument“ orientieren und sich die Restaurants, sprich Museen, untereinander vergleichen können. Der Gault-Millau und andere Restaurantführer teilen mit einem „Museumsführer“ den Nachteil und Vorteil, daß es kaum Kriterien der Bewertung gibt, schon gar keine empirischen. In Restaurantführen wird das mit der (anonymen) Autorität der Kritiker und ihren apodiktischen Urteiln verschleiert. Originalzitat: „Die lauwarme Mohntarte mit Nusskrokant und Cassis-Birne war ein würdiger Abschluss.“

Hier, in meinem „Museumsführer“ ist das anders. Ich leugne gar nicht, daß ich ungerecht, hemmungslos subjektiv, gemein oder gutmütig und außerdem sehr wählerisch bin. Sowie, daß es keine verbindlichen und anerkannten Kriterien gibt, mit denen man noch dazu Birnen mit Äpfeln vergleicht, Großmuseen mit Ausstellungsorten, professionelle Kulturmaschinerien mit ephemeren Orten. Es kommt sehr drauf an, wie man die beiden Listen selber nutzt.

Wer reklamieren, Einspruch erheben will, Ideen hat von Museen, die in die Liste der „guten“ und der „schlechten“ gehören - her damit, gerne. Unterm Post findet sich der Link, mit dem man mir ein Mail senden kann.

So, und jetzt geht es los!


Die zehn besten Museen Österreichs

 

01 Jüdisches Museum, Hohenems, Vorarlberg

Seit seiner Gründung vor sechundzwanzig Jahren wird das Museum mit großer gesellschaftspolitischer Verantwortung und auf der Basis sorgfältiger wissenschaftlicher Forschung, mit Schwerpunkt Familienforschung, geführt. Es ist nicht bloß die Dauerausstellung, es sind die Sonderausstellungen mit ihren originellen Themen und ihrer methodischen Vielfalt und Innovativität, die die Qualiät des Museums ausmachen - zusammen mit vielen Projekten, Kooperation und der überregionalen Vernetzung. Mit dem Nachkommentreffen, der Zusammenkunft von Nachfahren der Hohenemser Jüdischen Gemeinde, hat sich sogar ein buchstäblich weltweit verzweigtes Netz gebildet. Das Haus, mit seinem kleinen, ingeniösen Cafe und Leseraum ist ein wichtiger urbaner Ort, aber auch für alle, die als Besucher und Gäste hierher kommen oder, so wie ich, manchmal einfach nur einen Espresso brauchen und eine gute Zeitung. Wobei es mir dann auch deswegen dort gut geht, weil ich auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffe, die ich sehr schätze.

02 Frauenmuseum, Hittisau, Vorarlberg

Nachdem das Museum eine schwierige Phase der Neuorganisation der Trägerschaft - hoffentlich endgültig - hinter sich gebracht hat und es 2017 den Österreichischen Museumspreis bekommen hat, kommt das Museum wieder in ruhiges Fahrwasser. Alles ist hier bemerkenswert, die schlichte, einladende Architektur, das Teambuilding, der Umgang mit den Besuchern, die direkte, konfliktträchtige Nachbarschaft mit der Feuerwehr, das ständige Neuerfinden von Themen, Methoden und Formaten und last but not least die engagierten aber mit leichter Hand gestalteten Ausstellungen.

03 Weltmuseum

Hätte ich im Vorjahr schon so ein Ranking gemacht, wäre das Weltmuseum jetzt der Aufsteiger des Jahres. Daß ich das noch erleben darf! Ein Bundesmuseum, ein großes und wichtiges noch dazu, erfindet sich neu und bietet seinen Besuchern vielschichtige Information und durchaus tiefgehende Reflexion. Auch nach vier langen Besuchen innerhlb kurzer Zeit, habe ich das Gefühl, daß sich das Museum für mich noch lange nicht erschöpft hat und auch nicht für viele Freunde und Kollegen, mit denen sich im und übers Museum lebhafteste -auch kontroverse -, Diskussionen ergeben. Ich gönnte dem Museum die Rückgewinnung des an das Republikmuseum abgetretenen Raum und vor allem die Wiederherstellung seiner institutionellen Autonomie, also Abnabelung vom Kunsthistorischen Museum.

04 Museum und Art Brut Center, Klosterneuburg-Gugging, Niederösterreich 


Aus der großen Sammlung, die aus der Arbeit des Psychiaters Leo Navratil seit den 1950er-Jahren an der damaligen NÖ Landesnervenheilanstalt entstanden ist, ist, nach Auflösung der Klinik, ein Museum entstanden, das seinen Horizont auf Art Brut erweitert hat und regelmäßig Ausstellungen, mit dem Schwerpunkt „Gugginger Künstler“ ausrichtet. Meine Faszination angesichts des unglaublich reichen und vielfältigen Sammlungsfundes ist auch nach Dutzenden Besuchen ungebrochen. Die Originalität dieses Museums liegt in seiner wie es aussieht unerschöpflichen Sammlung und in der Ausstellungspolitik, weniger in der Innovativität der Ausstellungsmethoden.

05 Feldermuseum, Schoppernau, Vorarlberg

Ist das überhaupt ein Museum und nicht doch nur eine Dokumentation, eine zu groß geratene Gedenktafel, eine Erweiterung der Dorfbibliothek? Eine große Wand mit Texten und einer handvoll einmontierter Bildrepros. Das wars dann auch schon. Aber: Am liebsten würde ich dort alle Leiter und Kuratoren von Geschichtsmuseen hinverpflichten. An Schoppernau kann man nämlich sehen, was emphatisches Erzählen bedeutet und bewirkt, wie liebevoll etwas gestaltet und durchdacht werden kann, und wie eine einzelne Biografie Geschichte aufschließen kann und dann auch noch gegenwärtige Verhältnisse sich im Licht geschichtlicher Entwicklung erhellen lassen.

06 vorarlberg museum Bregenz

Das derzeit ohne wenn und aber beste der neun Landesmuseen. Die modulare Mischung aus Daueraustellung(en), mittelfristigen und kurzfristigen Ausstellungen ist logistisch sicher aufwändig, erlaubt aber sowohl die Sammlungsbestände wechselweise in Themenausstellungen zu zeigen, als auch originelle Themen zu forcieren oder über entliehene Ausstellungen zu bekommen. Das ergibt bei den Ausstellungen eine große Schwankungsbreite, klar, aber ich orientiere mich eher an den geglückteren unter ihnen. „Römer oder so“ ist für so eine. Launig, gewitzt und unter Nutzung des archäologischen Sammlungsbestandes wird der landespolitischen Mythologisierung eines römischen Ursprungs von Bregenz zu Leibe gerückt und gleichzeit das Museum las Ort der Dekonstruktion und des Fragen-Stellens genutzt. Und das so, daß es etwas abwirft für eine der großen Gegenwartsfragen: wer sind wir, woher kommen wir, wodurch unterscheiden uns wir...Die Dauerausstellung leistet sich das Museum als work in progress, wobei nicht nur das making of der Landesidentität konstruktivistischer Theorie folgt, sondern dem auch noch das making of der Ausstellungsrealisierng vorgeschaltet ist.

07 Ausstellungshaus Spoerri, Hadersdorf am Kamp, Niederösterreich


Sobald der Winterschlaf beendet ist, mache ich mich nach Hadersdorf auf den Weg, stelle das Auto am schönen Hauptplatz ab und freue mich auf das, was mich erwartet. Spoerri ist nicht nur ein mir symphatischer Künstler, er ist auch ein außerordentlicher Sammler und Ausstellungsmacher, der zusammen mit Freunden und Kolleginnen federleichte, wunderbare Ausstellungen kreiert. Zusammen mit dem wunderbaren Garten, dem zugehörigen Gasthaus und sowieso dem kulinarischen Angebot in der Region ist das eine der schönsten Museums-Ausflüge, die man machen kann.

08 Museum Arbeitswelt, Steyr, Oberösterreich

Nach der langen und verdienstvollen Gründungsphase des Museums - verdienstvoll wegen der Zuwendung zur Geschichte der Industrialisierng, zur Arbeiterbewegung, zur Sozialgeschichte -, schien das Museum angesichts des rasanten Wandels, der seinen Darstellungsgegenstand betraf, an Bedeutung zu verlieren. Als ich vor gar nicht so langer Zeit das Museum wieder einmal besuchte, schien es spröde, leer, fast tot zu sein, wie erschöpft. Das war aber eine Täuschung, da hatte ich einen schlechten Tag erwischt. Denn am Museumstag, der im Museum stattfand, entpuppte sich ds Haus und sein Team als in einer Weise politisch engagiert, daß ich aus dem Staunen gar nicht herauskam. Ich kenne kein anderes Museum, das so offensiv, mit derart vielen Veranstaltungen und last but not least mit der offenbar sehr klug und umsichtig betrieben Demokratiewrkstatt um Demokratie debattiert, kämpft, für sie wirbt - angesichts aktueller besorgniserregender Entwicklungen. Wir bräuchten mehr solcher Museen. Und im kommenden Mai eird eine neue Dauerausstellung eröffnet.

09 GrazMuseum, Graz, Steiermark

Von der Stadt nicht sonderlich unterstützt, von der übermächtigen Konkurrenz des riesigen Landesmuseums bedrängt, hat das Grazer Stadtmuseum keine so guten Karten. Die Dauerausstellung, die in heftigen internen Turbulenzen entstanden und inzwischen einmal überarbeitet wurde, leidet vor allem an der Schwäche der Sammlung und an der Überdidaktisierung, in der Dinge zu Belegen von Erzählungen und Thesen werden. Was das Museum verdienstvoll macht, sind einerseits viele kleinere Ausstellungen mit sehr interessanten Themen und dann das Engangement, mal mehr mal weniger mutig, aber gelegentlich ganz aktuell sich positionierend zu Problemen der Stadt Graz.

10 Erstes Kärntner Handwerksmuseum, Baldramsdorf

Es gibt solche und solche Heimatmuseen. Ich bin nicht der einzige, dem aufgefallen ist, daß Baldramsdorf besonders ist. Auf den ersten Blick: das Übliche, das Erwartbare. Handwerk, Gewerbe, Landwirtschaft, Vereine, Heimatkunde. Auf den zweiten Blick: ein mit große Liebe zu den Dingen und sehr viel Feingefühl arrangierte Sammlungen. Wichtiger als Sachinformation ist hier der behutsame Umgang mit den Sachen, das subtile Arrangement, die kunstvoll gebildeten Ensembles. Und je weniger Erzählung es gibt, je mehr due Dinge mit anderen Dingen in Bezieh7ng geraten, desto mehr lassen sich sie sich in alle Richtungen selbst zum Geschichtenerzählen verleiten. Aufheben, das rettende Sammeln ist hier eine respektvolle transgenerationelle Rückversicherung, daß nicht alles verschwinden soll, vor allem nicht die Erinnerung an die Menschen.


Die zehn schlechtesten Museen Österreichs


01 Heeresgeschichtliches Museum, Wien

Veraltet, schwer veraltet! Hinsichtlich der militärgeschichtlichen Forschung, hinsichtlich der Museumstechnik- und Gestaltung, hinsichtlich des heutigen Wissens und Forschungsstandes der Geschichtswissenschaften, hinsichtlich der gesellschaftlichen Interessen und Ansprüche an ein solches Museums, hinsichtlich der militaristischen Ideologie. Zeitgemäß bloß hinsichtlich seiner Funktion als Wärmestube für Militaria-Fetischisten uam. Kann man nur sagen: Sofort schließen!

02 Tirol Panorama und Kaiserjäger-Museum, Innsbruck

Mit der Verlegung des sogenannten Rundgemäldes mit der Darstellung der Schlacht am Bergisel 1809 aus dem Tal auf den Bergisel, der baulichen und thematischen Verbindung mit dem schon bestehenden Kaiserjägeruseum und der Ergänzung des Rundgemäldes um einen Ausstellungsbereich, hat sich die Tiroler Politik explizit eine „Neue Mitte“ Tirols geschaffen. Das auch in einer feierlichen Eröffnung zelebrierte Identitätsangebot gründet also das Landesbewußtsein auf den sogenannten Freiheitskampf. Aber auch, über das Kaiserjägermuseum, also einen militärischen Traditionsverbund, der nur scheinbar eine Kontinuität zur ehemaligen unabhängigen Wehrhaftigkeit des Landes herstellen und bewahren will, auf eine explizit militärische, in der Monarchie gebildeten und bis heute gepflegte Tradition. In diesem Museum wird die Monarchie unkritisch zum Rahmen einer affirmativen Darstellung der dort thematisierten Kriege, die auch Angriffskriege waren, wobei als Brennpunkt der Erinnerspolitik ein auf die toten Soldaten gegründeter, katholisch ummantelter Opferkult (in den unteren Geschoßen des Museum) angeboten wird. Umgeben ist das Doppelmuseum von einer Park- und Denkmallandschaft, die vor allem die Trias Monarchie, Katholizismus, Militär/Wehrhaftigkeit visualisiert. Ich kenne kein anderes Museum in Österreich, das unserem Demokratieverständnis derart fern stünde, gerade seit der Ort mit der Verlegung des Rundgemäldes aufgewertet wurde. Und ich kenne keinen anderen musealen Ort, wo österreichische Geschichte derart als unerledigte, verdrängte und daher zombihaft umherschleichende, unerlöste präsent ist. Schauerlich.

03 Haus der Geschichte, St. Pölten, Niederösterreich

Anerkennung für die niederösterreichische Volkspartei: so schnell, so in der Zeit und so im Finanzierungsrahmen werden Museen selten geplant und errichtet. Das blöde ist nur, es ist kein Parteimuseum sondern ein steuerfinanziertes öffentliches Landesmuseum. Seis drum, was sich LH Pröll wünscht, bekommt er auch. Geschichte durch die konservative Brille gesehen und durch die der Österreichischen Volkspartei. Mit jeder Menge an ideologischer und historiografischer Fragwürdigkeit und gegen Ende dann auch mit einer Gegenwart, die im Licht und Segen der Partei heftig und aufdringlich in blau-gelb (noch nicht türkis) aufstrahlt.

04 Museum für Geschichte/Universalmuseum Joanneum Graz

Wenn man sehr gut drauf ist, könnte man sich vielleicht sagen, daß das eine fröhlich-sorglose Dekonstruktion von allem ist, was man mal unter Geschichtsmuseum verstanden hat. Übel gelaunter wird man es vielleicht mit der Parfum- und Schmuckabteilung bei Kastner & Öhler vergleichen oder verwechseln wollen. Ich bin nicht sicher, ob es ein Konzept zur Dekonstruktion gab oder eine unabsichtliche Destruktion eines Konzepts. Denn nicht einmal die Autoren dieses jüngsten Museums des Konzerns Joanneum können sich (im Leitsystem) entscheiden, ob das alles nun ein Schaudepot ist oder teilweise doch ein Museum. Da im „historischen“ Teil weder erzählt, noch gedeutet noch Erfahren von Zeitdifferenz gestiftet wird, nehme ich das nicht als Geschichtsmuseum wahr. Es werden hier Fragen gestellt, die z.T. schmerzhaft albern, z.T. einfach nur zynisch sind, die aber nicht nur nicht beantwortet werden, sondern deren Beantwortung vom Besucher eingefordert wird - dem man aber keine Hilfe dazu anbietet. Ein wenig ja, wenn man sic/ um einige Euro ein Heftchen leistet. Dort gibts dann wahllos brauchbare und unbrauchbare kleine Geschichten, die sie dann in Heimarbeit - ziemlich vergeblich - zu einer Geschichte der Steiermark zusammenzubasteln versuchen können. Hat mich alles unter anderem an an die Szene des Marx Brothers-Film, A day at the races, erinnert, wo Tony an der Pferderennbahn Dr. Hackenbusch nach und nach eine halbe Bibliothek andreht, mit deren Hilfe er aufs richtige Pferd setzen soll. Nur: das Museum ist nicht annähernd so lustig wie der Film. Schauen sie sich also lieber die Marx Brothers an.

05 Wien Museum

Über vierzig Jahre alt ist inzwischen die Dauerausstellung des Wien Museums, ab und zu mal nachgeschminkt wie Lenins verdorrende Leiche in seinem Mausoleum. Zwei Amtszeiten lang brauchte Wolfgang Kos, um festzustellen, daß er sein eigenes Versprechen nicht einlösen konnte, die Dauerausstellung zu erneuern. Und dann ging er in Pension.
Unterm amtierenden Direktor ist es auch schon wieder so verdächtig ruhig. Zugegeben, innerhalb der Stadt Wien und ihrer Verwaltung und Politik ein Museum zu leiten, könnte ein Himmelfahrtskommando sein. Kompliziert wird die Situation durch die bauliche Erweiterung in Form einer Aufstockung. Das macht die Planung schwieriger und anspruchsvoller. Und es sieht fast so aus, als würde auch die Realisierung des Baues stocken.
Aber dieses kunstgewerbliche Sammelsurium ohne Geschichte(n), das geht ja nun gar nicht mehr. Worauf wartet man denn. Also warum nicht sofort, jetzt, ran an die Dauerausstellung, mit ein paar Interventionen, Basteleien, offenen Fragen, work in progress. Wien ist, no na, eine Stadt voller Fragen, offener Prozesse, kontroverser Entwicklungen. Wieso hört man da nichts davon im Museum? Dazu ist es ja da, als Stadtmuseum! Traut Euch doch mal was! Hoppauf! Der Weg unter die top ten ist nicht so weit!

06 Salzburg Museum

Das Salzburg Museum steht beispielhaft für eine jüngere Entwicklung von Museen. Durchdachtes Design, edle Materialien mit hoher eigener ästhetischer Bedeutung, Einsatz sogenannter neuer Medien, Abwechslungsreichtum und hot spots, die die Aufmerksamkeit des Besuchers aufrecht erhalten sollen. Dagegen: brüchige Erzählung, schwache konzeptuelle Stringenz, Vermeiden und Verharmlosen (z.B. durch Ästhetisierung) kritischer Ereignisse, Überwiegen eine popularisierenden Vereinfachung. Nun, das Museum muß mit den Touristen rechnen und sich gegen Felsenreitschule, Cafe Tomaselli und Mirabellpark behaupten. Das darf nicht anstrengend sein, nicht mehr als eine Melange und ein Nussbeugel, und schon gar nicht reflexiv oder kritisch.

07 Vorarlberger Museumswelt, Frastanz

Die Idee fühlt sich gut an: private Sammlungen werden in einer großen aufgelassenen Fabriksanlage museal präsentiert, einerseits jeweils autonom konzipiert und gestaltet, andrerseits gemeinsam verwaltet. Das Museum ist im Aufbau, einige Sammlungen kann man bereits besuchen, an anderen wird gerade gearbeitet. Es sind Sammlungen, die miteinander nichts zu tun haben, ein Feuerwehrmuseum, ein Jagdmuseum, ein Tabakmuseum, ein Elektromuseum usw. Das Elektromuseum ist als einziges mit dem Haus verbunden, weil es aus dem Wunsch der Belegschaft des E-Werks entstand, das alte Turbinenhaus zu erhalten und für eine Modernisierung zuzubauen. Manche dieser Sammlungen sind interessant, wenn man mit den Sammlern selbst in Kontakt kommt, aber dann sind es eher die Gespräche als die Objekte selbst, die faszinieren. Warum soll ich mich für Feuerwehrautos interessieren, den nahezu einzigen Sammlungsgegenstand des Feuerwehrmuseums, warum für die Jagd, die mir in einem hochprofessionell gestalteten Raum mit einigen Texten und ausgestopften Tieren auch nicht näher kommt, warum für die Sammlung altmodischer Pfeifen des Tabakmuseums?
Einem solchen Museumskonzept liegt ein Mißverständlichen zugrunde. (Private) Sammlungen sind keine Museen. Wenn öffentliche Gelder und öffentliche Interessen ins Spiel kommen, dann genügen private Neigungen, Liebhaberei und Sammlerleidenschaft nicht mehr. Dann braucht es eine Transformation hin zu den Interessen einer breiten Öffentlichkeit. Vor allem: es kann nicht alles und jedes so einfach zum Museum werden, nur aus Respekt vor einem Sammler. Die riesige sogenannte „Rot-Kreuz-Sammlers“, die der Eigentümer aus Altersgründen nicht mehr betreuen kann, entpuppt sich gar nicht so unterschwellig auch als Hort von NS-Devotionalien und Erinnerungsstücken, als Transportmittel einschlägiger Weltsicht. Das geht eigentlich gar nicht. Parallel zur Entwicklung dieses Museums wurden andernorts ambitionierte und durchdachte regionale Sammlungskonzepte entwickelt. Zu deren Umsetzung fehlte es aber bisher an politischem Interesse.

08 Museum 1915 - 1918 Kötschach Mauthen, Kärnten

Als ein „Friedensprojekt“ stellt sich das Museum vor. Aber es ist in Wahrheit eine Militariasammlung, die sich noch dazu auf das fragwürdige Terrain der „realistischen“ Bebilderung des Krieges begibt. Figurinen in Uniform spielen Kriegsdienst, aber je realistischer man zu sein fersucht, desto mehr entfernt es sich von jeder Art von Realität und streift ans Lächerliche. 

Um ein Friedensmuseum zu sein, müsste es schon ein bisserl mehr und andres sein, z.B. was über Kriegsursachen, Nationalismus, Politik generell, Militärhistorie am letzten Stand der Forschung, über die Perspektive der Soldaten, ihren Alltag oder das Schicksal der Zivilbevölkerung.

09 Schattenburg Feldkirch, Vorarlberg


Aus Anlaß der Auseinandersetzung mit dem Leiter des Trägervereins der Schattenburg nehme ich den Text vorübergehend aus dem Ranking heraus und plane zeitnah eine Überarbeitung. G.F. 19.3.2018



10 Sigmund-Freud-Museum, Wien

Seit seiner Gründung ist das Haus in der Berggasse 19 ein Gedächtnisort, vor allem für Touristen aus dem Ausland. Die Räume dienen seither weitgehend sowohl der Einfühlung in ein annährend rekonstruiertes Wohnmilieu als auch einer Basisinformation zu Biografie und zum Werk von Freud. Es gab am Museum hervorragende Ausstellungen und Veranstaltungen, was aber die bisherigen Leitungen und die Stadt Wien nicht geschafft haben oder auch nie im Sinn hatten, war, ein der Bedeutung Freuds als Kulturheros der Moderne angemessen ausstrahlenden und diskursiven Ort zu machen. Für eine solche Person, ein solches Werk ist das Freud-Museum ein völlig inadäquater Ort, der allenfalls fragwürdige Einfühlung in ein „es war einmal“ erlaubt. Von der Wirkmächtigkeit einer umwälzenden Kritik, in der die damals herrschende Kultur kritisiert und zurückgewiesen wurde, kriegt man hier nichts zu spüren. Was könnte dich das Museum sein!
Inzwischen ist ein Crowdfunding angelaufen (an sich schon eine Schande, daß Bund und Land/Stadt nicht tief in ihre Taschen greifen), das den Bau einer neuen und räumlich erweiterten Dauerausstellung ermöglichen soll. Na gut, schauen wir mal, ob 2020 das Museum in die top ten rutscht!?

Samstag, 23. Dezember 2017

Die Verdienste des Herrn Busek um die Verdienste des Herrn Batliner

Wer sich gerne über die österreichische Museums- und Kulturpolitik wundert, lese nach. wie Herr Erhard Busek, der Vorzeigeintellektuelle der ÖVP, das "Geschenk Batliner" feiert. Hier der Link. Und hier etwas, was ich schon mal zu Batliner und seinem Segen, den er über die Albertina gebracht habe, geschrieben habe.



Montag, 6. November 2017

Repression/Partizipation. Eine weitere Anmerkung zur Farce der Bestellung einer neuen Leitung am steirischen Landesmuseum

In den noch nicht ganz zehn Jahren, in denen ich diesen Blog betreibe, ist es erst ein Mal vorgekommen, daß Posts in kurzer Zeit derart häufig abgerufen wurden wie die beiden, die ich zur "Farce" (Kleine Zeitung) der Bestellung einer neuen Leitung des Universalmuseum Joanneum verfasst habe.
Der vom 31. Oktober hatte innerhalb von 24 Stunden mehrere hunderte "Besuche" ("Politik und Museum. Am Beispiel der "Farce" um die Bestellung einer neuen Leitung des Universalmuseum Graz", hier nachzulesen), und auch der frühere wurde weit überdurchschnittlich oft abgerufen ("Universalmuseum Joanneum Graz. "Parteienenschacher". "Farce". "Postenproporz", 22.Oktober, hier nachzulesen).

Die Statistiken, die der Blog automatisch erstellt, geben kaum Auskunft über die Zusammensetzung der "Leser", außer daß diesmal, wenig überraschend, überproportional viele aus Österreich kamen und kommen. Was die "Leser" erwarten,  und wie sie reagieren, das läßt sich nicht einmal erahnen.

Gut möglich, daß auch MitarbeiterInnen des Joanneum dabei sind, denn immerhin hat das derzeit knapp an die vierhundert davon, und es sind, wie man unschwer erfahren kann viele davon betroffen, beunruhigt und auch empört.

Artikuliert wird dieser Unmut sicher nicht in der Öffentlichkeit. Einerseits verpflichten interne (fragwürdige) Regelungen MitarbeiterInnen zur Verschwiegenheit, was interne Angelegenheiten angeht. Und das selbst in diesem Fall, wo ja nichts mehr "intern", sondern durchaus öffentlich ist. Wie viele Museen auch hat auch das Joanneum eine sehr strikte hierarchisch Organisationen, der Leitung viele Möglichkeiten in die Hand gibt, interne Diskussionen zu steuern oder gar einzudämmen und im Einzelfall zu unterbinden. Ich kenne aus meiner Zeit am Joanneum einige einschlägige Vorfälle und war selbst Objekt ziemlich willkürlich-zufälliger Repression am Rande der Entlassungsdrohung.


Das Joanneum hat es ja geschafft, seine Leiterin der Personalverwaltung auf eine Weise loszuwerden (ich glaube 2010 war das), die diese selbst mir gegenüber als Mobbing bezeichnet hat. Wenn es um Machtfragen geht, lassen solche Organisationen nicht mit sich Spaßen und das hohe Risiko, den Job zu verlieren, geht niemand so schnell um idealistischer Motive willen ein.


Nein, die Belegschaft hat keine guten Karten, sich in die öffentliche Diskussion - sofern die überhaupt weitergeführt wird -, einzuschalten. Etwa in eine Diskussion, die weiterköchelt, weil die FPÖ eine Neuausschreibung der Joanneums-Leitung gefordert hat.

Eigentlich wäre es schon aus ganz praktischen Gründen hoch an der Zeit, MitarbeiterInnen an Informationen und Entscheidungen umfassend zu beteiligen, ihnen große Verantwortung zu übertragen und Loyalität über Identifikation mit gemeinsam entwickelten Zielen in kooperativen Projekten zu erzeugen und nicht durch ein repressives Klima und dann auch mal durch Zwang.


Hunderte Mitarbeiterinnen vom öffentlichen Diskurs in eigner Angelegenheit und Verantwortung nach Möglichkeit fernzuhalten, gerade dort, wo sie betroffen sind, widerspricht rechtlichen und demokratischen Grundregeln. Das ist so banal, daß ich mich fast geniere, das hinzuschreiben.

Am Österreichischen Museumstag 2017 hat eine Teilnehmerin in einem Arbeitskreis, in dem wir auf das Thema zu sprechen kamen, eine rabiate wie bedenkenswerte Formulierung gefunden: Partizipation - ein Modewort, das Museen gerne vollmundig in den Mund nehmen -, kann es nur geben, wenn es zuvor Partizipation im Museum (ich verstehe darunter weit mehr als nur gewerkschaftliche Mitbestimmung) gibt. Davon ist das Joanneum, und nicht nur das, weit entfernt.

Sonntag, 22. Oktober 2017

Museumsgütesiegel. Die ausgezeichneten Museen Österreichs

Auf der Webseite des Museumsbundes liest man:
"In Österreich ist der Begriff Museum rechtlich nicht geschützt und an keinerlei Auflagen gebunden. (...) Der Museumsbund Österreich hat gemeinsam mit allen mit Museumsangelegenheiten befassten regionalen Einrichtungen in den Bundesländern die Museumsregistrierung entwickelt, um Museen (...) von anderen kulturellen, museumsähnlichen Institutionen und Einrichtungen zu unterscheiden."
Der Museumsbund listet derzeit 743 Museen auf, die registriert sind und seinem Selbstverständnis nach tatsächlich Museen sind.
Gleichzeit zeichnen der Museumsbund und ICOM Österreich alljährlich besondere Museen aus, am Österreichischen Museumstag 2017 kamen eben sechs neue hinzu.
Insgesamt gibt es 254 mit dem Gütesiegel ausgezeichnete Museen. Das sind mehr als ein Drittel aller (registrierten) Museen.
Auch das Heeresgeschichtliche Museum hat ein Gütesiegel.
Das Kaiserjägermuseum hat ein Gütesiegel.
Das Museum auf der Schattenburg in Feldkirch hat eins.
Um nur die allerbesten zu erwähnen.
Österreich muß ein Museumswunderland sein.
Da das Gutesiegel seit Anfang 2000 verliehen wird, dürften um 2060 alle österreichischen Museen bestätigtermaßen qulitätvoll sein.
Wie das geht? Indem man verschieden, umfangreiche Formblätter ausfüllen läßt und eine Frage ausläßt: Worin besteht die "Güte" der Museen? Worin besteht - in der Innensicht, in der Beurteilung von außen, deren Qualität?

P.S.:
Kein Museum nach Richtlinien. Aber meinem (und nicht nur meinem) Urteil nach, eine der besten historischen Ausstellungen Österreichs: Das Franz Michael Felder Museum im Vorarlberger Schoppernau. (Foto G.F.)
Kein Museum meiner (und vieler andrer auch) Meinung nach, sondern ein politisch-ideologisch fragwürdiger, museologisch unakzeptabel veralteter , von militarismus, Opferbereitschaft und heroischer Männlichkeit geprägter Ort. der besser heute als morgen geschlossen gehörte, aber der Einschätzung von ICOM Österreich und Museumsbund überdurchschnittliche Qualität hat: das Kaiserjägermuseum am Berrgisel. (Foto: G.F.)

Mittwoch, 4. Oktober 2017

Grauenhafte (Kultur)Politik, immer und immer wieder

Der Ex-Bundesgeschäftsführer der SPÖ gründet eine Firma und fragt mal beim SPÖ-geführten Verteidingsminsterium nach, ob er nicht dort eine seiner Idee verwirklichen darf. Darf er. Ein Konzept für das "Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018" ausarbeiten. Das kann nämlich außer ihm niemand. Zur Frage, warum es zu keiner Ausschreibung des Auftrags gekommen sei, heißt es nämlich: "Es gab deshalb keine Ausschreibung, weil Prof. Dr. Gerhard Schmid aufgrund seiner Fachexpertise, seines Netzwerks und seiner beruflichen Erfahrung der einzig bekannte Vertragspartner mit der erforderlichen Expertise im Bildungs- und Wissenschaftsbereich, der staatlichen Gedenk- und Erinnerungskultur sowie der Menschenrechte ist." (zitiert nach dem heutigen Standard). Belohnt wird er für seine weithin berühmte und gefragte Expertise mit 114.000.- Euro.
Die, die solche Entscheidungen treffen, richten beachtliche Kollateralschäden an. Sie beschädigen die Gedenkkultur insgesamt, weil sie mit einer solchen dreisten Personalien signalisieren, daß ihnen die Qualität der Gedenkkultur total wurscht ist. Und sie beschädigen alle jene, die in diesem Gebiet wirklich Kompetenz haben und die einschlägige Wissenskultur, die auf solche Weise „papierlt“ wird.

Freitag, 16. Juni 2017

wenn es guade und bese geatna gibt, dann gibt es auch guade und bese museumsdirektorinnen

Dass es "guade und bese geatna gibt", wissen wir seit H.C.Artmann. Dass es guade und bese Museumsleiterinnen gibt, seit kurzem. Dank der Salzburger (Kultur)Politik. Einmalig (in meiner Erinnerung) ist die angekündigte Nichtverlängerung des Vertrages mit Sabine Breitwieser wegen ihres Umgangs mit dem Personal. Inzwischen wurde der Posten ausgeschrieben und jetzt (erst?) gibt Sabine Breitwieser bekannt, daß sie für eine weitere Amtsperiode (wie das so schön heißt) nicht zur Verfügung steht.



"Drehpunkt Kultur, die Salzburger Kulturzeitung im Internet" weiß außerdem vom drohenden bzw. schon stattgefunden Abzug privater Sammlungen und möglicherweise auch der Fotosammlung des Bundes (was mit ihrer Person nichts zu tun haben muß, oder?).

Damit wird ironischerweise Sabine Breitwieser, die an der Übersiedlung der Sammlung der Genrali-Foundation von Wien nach Salzburg maßgeblich beteiligt war, jetzt selber von den Unwägbarkeiten privater Sammlertätigkeit und -politik eingeholt. Denn Fotografis, die Fotosammlung der Bank Austria, wird aus Salzburg abgezogen. Und eine private Sammlung eines anonymen Sammlers (ja, auch so etwas gibt es in den öffentlichen Sammlungen) geht an die Kremser Kunsthalle (oder nicht doch an das geplante Moderne Museum ebendort?).

Dienstag, 16. Mai 2017

Eröffnung des Weltmuseums. Mit André Heller! Da kommt Freude auf!!

Am 25. Oktober wird das Weltmuseum in Wien wiedereröffnet. Das wurde heute bekanntgegeben. Und: Das Eröffnungsfest wird André Heller gestalten. Eine geschmackssichere Wahl, denn Hellers "Afrika! AFrika!"-Show wurden nicht nur das Festhalten an Klischees, das Transportieren von Stereotypen vorgeworfen, sondern sogar eine bis zu den Völkerschauen zurückreichende neokoloniale Tradition. Außerdem übten beteiligte Künstler und Medien am Umgang der Verantwortlichen mit den Mitwirkenden, finanzielle Ausbeutung inklusive, heftig Kritik. Heller hat sich rasch vom Manager distanziert. Hatte e r denn keinerlei Verantwortung? Die Show ging weiter und wird weitergehen. Darf man hoffen, daß die Museumsleitung von KHM und Weltmuseum bei Heller keine in Baströkchen gekleidete "Afrikaner" bestellt haben?
Wie auch immer, es wird ein Auftakt mit und als "Event". Der Museumskritiker Walter Grasskamp hat unlängst in einer Diskussion die Abkehr der Museen vom Bildungsauftrag als iihrer genuinen gesellschaftlichen Aufgabe konstatiert und das Ausweichen auf völlig museumsfremde Aktionen, Events, Ereignisse, Projekte. Von der Kinderparty über Picknicks im Museumspark bis zur Tanzperformance und so weiter. Da passt natürlich Heller. Grantig und spaßverderbend wie ich nun mal bin, denke ich mir, wie wärs mal mit einer musealen Bildungserfahrung, die Spaß macht? Oder wird das Weltmuseum das dann ohnehin bieten? Ab dem Vierundzwanzigsten?

Sonntag, 1. Januar 2017

Das Jüdische Museum Hohenems. Ein außergewöhnliches Museum feierte sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum

Der Standard hat in seiner Ausgabe vom 31.12./1.1. - also gerade noch im letzten Moment - meinen schon vor Monaten verfassten Artikel veröffentlicht (im Album), den ich aus Anlaß des 25jährigen Jubiläums des Hauses verfasst habe. Der Text, den der Standard mit "Im Zeichen der Achtung des Anderen" übertitelte", enthält hier im Blog einige kleiner Korrekturen.


Das Jüdische Museum in Hohenems


Ein kleines „Spezialmuseum“, das bald zwanzigtausend Besucher im Jahr hat, dessen Freundesverein über fünfhundert Mitglieder auf allen Kontinenten zählt, das weit über die Grenzen seines Bundeslandes und Staates hinaus bekannt ist und das eine buchstäblich weltweite Community hat – so ein Museum soll es in Österreich geben? Ja, in der kleinen Vorarlberger Stadt Hohenems - ich spreche vom Jüdischen Museum, das in diesem Jahr sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum feiert.
Hier geht es aber ausnahmsweise mal nicht um die Statistik der Besuche oder Events, sondern um die Einbettung eines Hauses, seiner Ausstellungen, seines Teams und deren Arbeit in einen vielstimmigen Zusammenhang, in unterschiedlichsten Öffentlichkeiten und um eine höchst lebendige und produktive Beziehung des Museums zu Besuchern, Experten, Unterstützern, Trägern, Förderern, Gästen.
Und so kann der heutige Direktor des Museums, Hanno Loewy mit Recht und Selbstbewußtsein sagen: „Ich kenne keine Institution, die von so vielen Menschen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft aus Überzeugung und mit Emotion, aus Neugier, mit Witz und politischer Wachheit getragen wird.“

Dieses Museum habe ich im Jahr seiner Gründung 1991, kennengelernt, als ein sorgfältig geführtes Haus mit einer klug gestalteten Dauerausstellung, untergebracht in der umsichtig restaurierten Villa Heimann-Rosenthal. Nun war dieses Haus ein Erinnerungsort geworden, der an die einst vom Hohenemser Fürsten protegierte und nun gänzlich verschwundene Jüdische Gemeinde erinnerte.
Der Gründung ging eine jahrelanger, zeitweise heftig geführter Konflikt voraus, in dem der Stellenwert der Geschichte des Judentums in Vorarlberg erörtert wurde, aber auch in welcher Form und mit welchen Schwerpunkten man diese Geschichte in einem Museum darstellen sollte. Dieser vielfach geschichtete Konflikt - ein Generationenkonflikt, ein ideologischer Dissens, einer zwischen „Schulen“ der Historikerzunft -, mündete in eine Museumsgründung, die sich von Anfang an als nicht bloß lebensfähig sondern konzeptuell, architektonisch und museumspolitisch als kraftvoll und innovativ erwies.

Wer das Museum besucht, wird nichts vordergründig Spektakuläres vorfinden. Es gibt keine glanzvolle Judaikasammlung, sondern eine Dauerausstellung die, zusammengesetzt aus Spuren, Überlebseln und Relikten, die von vielen Leerstellen durchsetzte Geschichte der jüdischen Gemeinde Hohenems, die Umständen ihrer gewaltsamen Vertreibung und Vernichtung und die Einzeichnung dieser Geschichte in das Stadtbild und –gedächtnis erzählt.
Was dem zufällig ein- oder zweimal vorbeikommenden Besucher verborgen bleiben wird, sind die vielen Veranstaltungen, die sich in vielen Formaten, an vielerlei Adressatenkreise wenden und in denen ebenso vielfältige Themen diskutiert werden. Das reicht von der Debatte über ein bemerkenswertes einzelnes Objekt aus der derzeit laufenden Sonderausstellung „Übrig“, in der sowohl die vom Museum betriebene genealogische Forschung als auch die dokumentarische Bedeutung von Sammlungsobjekten zur Sprache kommt bis zur großen Diskussion mit an die fünfzig Expertinnen und Experten aus Anlass des Jubiläums. Dort ging es um nicht mehr und nicht weniger als um die wünschbare Zukunft Jüdischer Museen generell und des Hohenemser Museums im besonderen.
Was unser Einmal-Besucher vielleicht spüren wird, ist, wie sehr das kleine Museum Ort der Vergesellschaftung ist, das heißt einer an dem Menschen zusammenkommen um den Grund und die Weise ihres Zusammenlebens zu ergründen, manchmal vielleicht auch zu erneuern, ihre gemeinsame Geschichte zu deuten, die Beziehung zu ihren sozialen Umwelten zu erforschen, auch zum allgemein Fremden und Anderen. Denn zu den herausragenden Möglichkeiten von Museen gehört die Möglichkeit dem „Anderen“ in einem geschützten Raum und zivilen Rahmen zu begegnen.

Deswegen sind Museen auch geeignet, eine wesentliche demokratische Aufgabe wahrzunehmen, die Sorge um Minderheiten, um die immer wieder von Konflikten bedrohte Beziehung von Mehrheit und Minderheit. Jüdische Museen bleiben auch deswegen unausweichlich an historische und aktuelle Konflikte gebunden. Denn während die ersten Jüdischen Museen von Jüdischen Gemeinden gegründet wurden, zu Ende des 19. Jahrhunderts, als Symptome der Assimilation und des Selbstbewusstseins dieser Gemeinden, sind die jüngeren Gründungen, die seit den 80er-Jahren in den deutschsprachigen Ländern entstanden sind, unausweichlich von der Dialektik von Täterschaft und Opfer, von Schuldbewusstsein und Anerkennung von Schuld geprägt. Und immer mehr auch vom Blick auf die „Anderen“ von heute, auf die komplexen Fragen von Zugehörigkeit und Anerkennung, die Gegenwart von Einwanderung, Flüchtlingsdebatten und Identitätspolitik. Letztlich also die Frage, wer eigentlich den „Demos“ der Demokratie von heute ausmacht. Wer „wir“ sind und wer zu „uns“ gehört und gehören soll.

Deswegen ist es von belang, daß das Museum aus einem Konflikt heraus gegründet wurde: es hat früh die Fähigkeit ausgebildet und sich erhalten, konflikthafte Themen zu bearbeiten, in Debatten, Projekten und Ausstellungen. Die laufende Ausstellung „Übrig“ zum Beispiel, die Objekte aus der Sammlung zeigt, zeigt sie nicht nur als glücklich überlieferte Zeugnisse, sondern auch als Dokumente vielfältiger Konflikte, solcher der Überlieferung, des Gebrauchs, der Geltung, der Deutung.
Anders gesagt, das Museum übt sich in der in der avancierten Museologie nachdrücklich geforderten Kunst der Selbstreflexion. Damit bin ich beim zentralen Punkt meiner anhaltenden Wertschätzung des Jüdischen Museums. Ein Museum das sich entwickelt, das in gewisser Weise „lernt“ – als Organisation, als Wissensraum, als besondere Form von Öffentlichkeit -, hat immer auch einen Blick auf das, was es ist und wie es etwas tut. Es geht verantwortlich damit um, wie es seine Themen wählt und welcher Vermittlung es bedarf. Und vor allem wird es sich immer und immer wieder die Frage stellen, welche Verantwortung es gegenüber seinen Communities und der Gesellschaft als Ganzes hat. Denn das ist der Sinn des Museums als öffentlicher Institution: Es verwaltet und bearbeitet gesellschaftliche Interessen treuhänderisch.

Ich erläutere das an der Projektreihe „Ein Viertel Stadt“. Der Umgang mit dem historischen Stadtkern von Hohenems, dem Jüdischen Viertel, war in den 90er-Jahren vielfach ins Gerede gekommen. Immobilienspekulationen zeichneten sich ab, die Denkmalpflege erwog eine komplette Unterschutzstellung. Es hätte aber auch ganz im Gegenteil zum Verschwinden wichtiger, auch historisch bedeutender Bauten kommen können. Tatsächlich brannte ein wichtiges Objekt unter ungeklärten Umständen ab.
In dieser Situation intervenierte das Museum in den kommunale Debatten, verließ dazu sein Haus und ging in die Stadt um an ausgewählten Fassaden über Projektionen die Geschichte der Häuser und ihrer Nutzer und Bewohner zu erzählen und zu erinnern. Daß das Museum Mitverantwortung für die künftige Entwicklung der Stadt übernahm, war schon bemerkenswert. Daß man dabei aus dem Museum herausging und, gestützt auf sorgfältig vorbereitende Forschung, im Stadtraum selbst aktiv wurde, war erst recht originell - und wirksam. Die Projektreihe Projekts „Ein Viertel Stadt“ holte verschüttete, vergessene, verdrängte Geschichte und Geschichten zurück und verankerte sie neu im Gedächtnis der Stadt und ihrer Bevölkerung.
Die Bedeutung dieses Projekts liegt auch in der aktiven Beziehung des Museums zum Publikum bzw. zu den Stadtbewohnern. Es verhielt sich nicht passiv im Warten auf Besucher, die etwa schöne alte Dinge ansehen wollen, sondern erzeugte eine Gelegenheit und einen Raum, in dem sich Menschen zusammenfinden, sich sammeln, erinnern und debattieren konnten.
Das Museum gab keine Empfehlungen ab, es favorisierte keinen bestimmten Gesichtspunkt, es tat nicht so, als hätte es die eine „richtige“ Lösung. Sondern es stellte einen sozialen Raum zur Verfügung, in dem debattiert werden konnte, um es der Bevölkerung von Hohenems zu ermöglichen „ihre eigenen Angelegenheiten“ zu regeln. Genau das meint ja „Res publica“ – die öffentlichen Angelegenheiten und genau das war und ist der Sinn liberaler Öffentlichkeit. Sie gehört zum Kostbarsten und Grundlegenden, das eine demokratische Gesellschaft besitzt und meiner Meinung nach zum Wichtigsten, was ein Museum dazu leisten kann.
Daß die Synagoge aus einem Feuerwehrhaus zurückverwandelt werden und zu einem der praktischen und symbolischen Zentren des Ortes werden konnte, daß das Zentrum der Kleinstadt mit „Judengasse“ und „Christengasse“ heute wieder Leben zurückgewinnt, dass man in Hohenems öffentlich darüber diskutieren kann, wie denn ein „ortsübliches“ Minarett aussehen könnte, all das wurde durch solches Projekt erst möglich.

Räume zu besitzen, wo ein solcher Austausch von Interessen unter Achtung und Anerkennung des Anderen stattfinden kann, wo Konflikte sichtbar gemacht und unterschiedliche Interessen miteinander konfrontiert werden, ohne daß sie vorschnell harmonisiert werden, daß ist ein Herzstück demokratischer Politik. Die Fähigkeit des Museums, solche Gelegenheiten in den unterschiedlichsten Formen immer wieder herzustellen, daraus sein Programm zu entwickeln, seine Anliegen an eine zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit zu vermitteln, das ist es, was ich am Jüdischen Museum Hohenems bewundere. Angesichts der akuten gesellschaftlich-politischen Entwicklung wird es immer wichtiger, solche Orte zu haben und zu fördern.

Aber wie das Hohenemser Museum das macht, dafür gibt es viele Wege. Das reicht von der Aufmerksamkeit für den einzigartigen Jüdischen Friedhof über das außergewöhnliche Nachkommentreffen mit hunderten von Teilnehmern, die sich ihrer Vorfahren erinnern und die das kleine Museum mit seinen diversen fernen Communities buchstäblich auf der Weltkarte verankern, bis zu zur Serie von Sonderausstellungen, die die Dauerausstellung thematisch interpunktieren, vom Betreiben einer informativen Webseite, die eben mehr ist als nur ein übliches Marketingtool bis zur Forschungstätigkeit im Haus und zur jährlichen Europäischen Sommeruniversität für Jüdische Studien.

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Dieses beständige Abarbeiten an einer Aufgabe, im Wissen um die Schwierigkeiten Geschichte vermitteln, weist für mich immer aber auch über den Museumstyp „Jüdisches Museum“ hinaus - auf Qualitäten einer Museumsarbeit, die beispielhaft für andere Museen sein kann und sollte. Diese „doppelte Qualität“ – als jüdisches Museum mit seinen spezifischen Aufgaben und Verpflichtungen einerseits und als innovatives und reflexives Museum andrerseits, das sich seiner öffentlichen Verantwortung stets bewußt ist – das macht Hohenems zum einzigartiges Museum.