Samstag, 31. Juli 2021
Kann man die Kultur vor dem Klimawandel retten?
Der Denkmalschutz hat es generell mit der Erhaltung von Kulturgütern zu tun. Er arbeitet gegen natürlichen, umweltbedingten Verfall an, aber auch gegen Zerstörungen oder Eingriffe, die von Menschen verursacht werden, wie etwa durch Verkehrsbauten, städtebauliche Veränderungen oder Spekulationen mit Immobilien.
Jetzt rückt – nach den verheerenden Unwettern der letzten Wochen – eine neue Bedrohung ins Zentrum der Aufmerksamkeit: umweltbedingte Zerstörungen.
In der Ausgabe der Zeitschrift Monopol vom27.Juli kommt das Fraunhofer-Institut zu Wort, das sich mit solchen Zerstörungen beschäftigt, also ganz genau mit materiellen Folgen des Klimawandels auf kulturelle Überlieferung.
Der Einstieg ins Interview ist gleich dramatisch auf den Verlust des Gedächtnisses der Menschheit konzentriert: „Wenn ein Mensch sein Gedächtnis verliert, was wir oft bei Alzheimerpatienten erleben, wird er orientierungslos und findet sich nicht mehr in der Welt zurecht. Genauso muss man das mit dem Kulturerbe sehen: Unser kulturelles Erbe ist das Gedächtnis der Menschheit. Wenn wir das verlieren, verlieren wir unsere Orientierung.“
Offenbar beschäftigt sich das Institut ganz praktisch mit Fragen, die erwartbare Folgen der Klimaänderungen schon jetzt aufwerfen oder aufwerfen werden – von der Trockenhaltung von Gebäuden bis zur Prognose, daß eine Stadt wie Amsterdam in etwa 40 oder 50 Jahren unter Wasser stehen wird.
Völlig neu ist die Problemlage nicht. Bereits 2002 wurde bei einem Hochwasser in Dresden Kulturgut im geschätzten Wert eines zweistelligen Millionenbetrages zerstört. Hier kehrt ein vor etwas mehr als zweihundert Jahren entwickeltes Bewußtsein von der potentiellen Vernichtung kultureller Überlieferung in neuem Gewand zurück.
Damit kehren aber auch alte Aporien des Denkmal- und Kulturgüterschutzes zurück. Welche Auswahl wird getroffen, von wem? Wer denkt wie darüber nach, was überhaupt unter denkbar dramatischen Veränderungen der Natur und des Sozialen erhaltungswürdig ist und mit welchem Zweck? Kann angesichts der Komplexität und Globalität des Klimawandels überhauot noch arbeitsteilig vorgegangen werden? Die einen retten kulturelles Erbe, die anderen unsere Nahrungsquellen, wieder andere Flora und Fauna usw.?
Einstweilen regiert bürokratischer Eifer: Anbahnung von Forschung, Vernetzung, Gründung von Komitees usw. und eine, überraschend penible, Vorausschau, die das Katastrophische einerseits als planbar, beherrschbar antizipiert und zugleich als bereits unabwendbar einstuft und dennoch Rettungszenarien entwirft.
„Wir haben 55.650 verschiedene Risikoklimakarten erstellt für vier verschiedene Klassen von Kunst: Möbel aus Holz, Gemälde, Papier und bemalte Oberflächen. Ein Beispiel: In der Kathedrale in Dubrovnik hängen Gemälde, für die wir Szenarien bis zum Jahr 2100 berechnet haben, wie stark die gefährdet sein werden.“
Für die zentrale Frage gibt es auch schon eine Antwort. Eine provisorische und fragmentarische. Die Frage lautet: Wer wird noch Interesse an Kulturgütern haben, wenn die uns beim Noch-einmal-Davonkommen nicht werden helfen können und deren Bewahrung nur unter extremen Bedingungen ebenso extreme Kosten und extremen technischen Aufwand möglich sein wird?
„Müssen wir“, fragt Monopol die Expertin des Fraunhofer-Instituts, „vielleicht doch auch loslassen lernen und uns von Kulturgut verabschieden können?“ Die Antwort „Wir werden nicht jedes Stück Kulturerbe erhalten können“, beantwortet nicht, wer in wessen Interesse und mit welchen Kriterien über Erhalten/nicht Erhalten entschieden werden soll. Falls dazu überhaupt Zeit und Wahlmöglichkeiten bleiben.
Der schrecklichste Satz kommt am Schluß. Denn er läßt ahnen, daß der ganze Aufwand an Forschung und Planung nur mehr die Angstblüte der erwarteten Dystopie sein könnte. Mit anderen Worten, daß es möglicherweise keine Wahl mehr gibt: „Mit der Digitalisierung haben wir ein schönes Tool in der Hand, um zerstörtes Kulturgut oder Kulturerbe, das unter Wasser liegen wird, zukünftigen Generationen noch zugänglich zu machen.“
Freitag, 30. Juli 2021
Donnerstag, 29. Juli 2021
Mittwoch, 28. Juli 2021
Dienstag, 27. Juli 2021
Restitutionsdebatte auf Wienerisch
Neulich im Weltmuseum ... Benin, ohne Debatte (welche Debatte denn?), ohne jede Information zur Aktualität dieser Objekte, keine Rücksichtnahme auf die Rückgabe durch die Stiftung Preussischer Kulturbesitz. Bissl Marketing mit Restitutionsobejketen, warum denn ned? Schauns halt heute ein bissl Abend vorbei, bei unserer Raubkunst. Wie es einst dort war...
Und…? (Sokratische Frage 66)
Mögen Sie es,
wenn Ihnen im Museum Fragen gestellt werden?
Während einer Führung.
In Texten.
Montag, 26. Juli 2021
Ausstellungskritik (Sokratische Frage 65)
Wann haben Sie zuletzt eine sehr gute Ausstellungskritik gelesen? Und was war so bemerkenswert daran?
Sonntag, 25. Juli 2021
Kleine Geschichte des Museums. Teil 00. Warum Museumsgeschichte schreiben?
Von den vielen Themen, die einem die Institution Museum zur Beschäftigung anbietet, gehört die Geschichte der Institution zu den vernachlässigsten. Texte, die ich zur Museumsgeschichte auf dem Blog veröffentlicht habe, finden erstaunlich wenige Leser.
Was der Kunsthistoriker und Museologe Walter Grasskamp vor 40 Jahren konstatiert und beklagt hat (1), die Defizite einer Museumsdebatte, die sich ihrer historischen Grundlagen nicht versichert, gilt noch immer. Es ist inzwischen unendlich viel an einzelnen, spezialisierten Untersuchungen erschienen, historische Museumsmonografien, lokale und national Geschichtsschreibungen, problemorientierte Studien, wie etwa solche zum Übergang von den Fürstenmuseen zu den staatlichen oder viele Museumswebseiten, die auch ausführliche Erörterung der eigenen Geschichte bieten. Aber an dem, woran es schon für Grasskamp mangelte, fehlt es noch immer: an einer Zusammenschau, die die Geschichte der Institution als Grundlage der Analyse und Kritik und der jeweils aktuell debattierten kultur- und gesellschaftspolitischen Rolle böten.
Eine brauchbare deutsche Geschichte des Museums liegt derzeit nicht vor, die nach wie vor bedeutendste englischsprachige Publikation stammt von 1970, allein in Frankreich, wo man Grund zur Annahme hätte, daß dessen nationale Museumsentwicklung historischer Forschung günstig ist, beginnt eben eine dreibändige Geschichte zu erscheinen, verfasst von Krzysztof Pomian.
Warum ist das so? Ich fürchte, daß die beste Antwort die ist, die in Grasskamps Buch gegeben wird, also schon über vierzig Jahre alt ist: „Diese Institutionen“, wird dort Bazon Brock zitiert, „verdanken ihre Existenz der Tendenz aller Systeme, sich selbst am Leben zu erhalten. Sie haben sich längst als Bürokratien verselbständigt und die Zwecke ihrer Arbeit zu bloßen Mitteln ihres Fortbestandes pervertiert.“ (2)
Andererseits begründet Grasskamp die Notwendigkeit einer Historisierend der Kultur- und Museumspolitik klar: „Die Theorie beschränkt sich auf eine Interpolation zwischen den bestehenden Verhältnissen und den wünschenswerten, ohne zu klären, wie es denn überhaupt dazu kommen konnte, daß die kulturpolitische Lage so viel zu wünschen übrig läßt.“ (3)
Ich habe Walter Grasskamps Buch Museumsgründer und Museumsstürmer in einem Moment in die Hand bekommen, da ich gerade begonnen hatte, mich mit Museumsgeschichte zu beschäftigen. Es war wichtig, weil es mich in dem bestärkte, was ich an Fragestellungen entwickelt hatte.
Und ich denke, mein wichtigstes Motiv mich mit der Geschichte dieser merkwürdigen Institution zu beschäftigen, die dazu da zu sein schien, Menschen ein Zusammenkommen um Dinge zu ermöglichen, deren Besitz und Gebrauch sie sich verbieten, ware genau das, was er in seinem eben zitierten Satz ausführt. Auch mich erstaunte, daß ausgerechnet jene Institution, die Geschichtsbewußtsein und kollektives Erinnerungsvermögen formierte, ihrer eigenen Geschichte gegenüber derart nachlässig und desinteressiert war.
Ich denke auch heute noch, daß eine Museumskritik im umfassenden Sinn nicht betrieben aber auch einzelne Fragen, wie etwa nach der Rolle der Vermittlung, der Digitalisierung, der neoliberalen unternehmerischen Formierung, der fragwürdigen, kaum je definierten Professionalität der Akteure des Museums u.v.a.m., nicht beantwortet und nicht bearbeitet werden können, ohne ein Wissen um die Geschichte der Institution.
So erscheint mir die z.B. periodische Konjunktur des emphatischen Redens über die Notwendigkeit einer erweiterten und nachdrücklichen Orientierung des Museums am Publikum ziemlich befremdlich wenn nicht manchmal geradezu grotesk, angesichts der historischen Konstellation, in der Museen ja erst gerade dadurch entstanden, als sich ältere Sammlungspraktiken zu öffentlichen Agenturen der Bildung und Vermittlung von Wissen und ästhetischer Erfahrung wandelten. Das Wissen um diesen Wendepunkt ist erstaunlich gering und in medial ausgetragenen Debatten kommt das so gut wie nie zur Sprache.
Welche Schwierigkeiten es bereitet, unter Bedingungen der partiellen Amnesie über den gesellschaftlichen Sinn des Museums zu sprechen. Als in der Coronakrise der Status des Museums plötzlich und schroff in Frage gestellt wurde, war den aufgerufenen, alarmierten Vertretern der Museumszunft anzumerken, wie schwer es ihnen jenseits rhetorisch Floskeln das Museum zu verteidigen.
Ich versuche es also wieder, mit einer (kleinen, provisorischen) Museumsgeschichte und habe mir dazu ältere, im Blog vor Jahren schon veröffentlichte Texte vorgenommen um sie zu überarbeiten und um zu sehen, was davon überholt, veraltet sein könnte - oder aber auch nach wie vor gültig.
Eine Museumsgeschichte zu schreiben, als eine große zusammenhängende Geschichte, scheint mir kaum mehr möglich. Das Museum hat zu viele Aspekte und Facetten, die Forschung hat sich so vieler Fragen angenommen und da das Museum inzwischen zu einem Thema in vielen Wissenschaften geworden ist, sind museologische Debatten unübersehbar geworden.
Ich belasse es daher bei Geschichten statt Geschichte, habe mir einen eher essayistischen Zugang gesucht, greife kleine Beobachtungen, scheinbar nebensächliche Vorgänge auf, um sie wie Symptome auf größere Zusammenhänge hin zu untersuchen und zu thematisieren. Das erlaubt mir, ein anderes Motiv auszuleben, mich mit Museumsgeschichte zu beschäftigen: Die Vielfalt, die Farbigkeit, der Reichtum dieser Geschichte(n). So ist etwas beabsichtigt, was den Titel Auch eine Geschichte des Museums tragen könnte. So zwingt - um ein Beispiel für meine Arbeitsweise zu geben - eine marginale und unbeholfen ausgearbeitete Erwähnung eines neuntältesten Museums dazu, einige grundlegende Fragen zu stellen, ohne die sie gar nicht verstanden werden kann. Und so habe ich genau damit begonnen: mit dem Fragen.
Und hier beginnt es: Kleine Geschichte des Museums 01. Ein neuntältestes Museum
(1) Walter Grasskamp: Museumsgründer und Museumsstürmer. Zur Sozialgeschichte des Kunstmuseum. München 1981
(2) Grasskamp zitiert hier aus dem von Gerhard Bott herausgegeben Band Das Museum der Zukunft, das 1971 erschien. (Köln 1971, das Zitat von S.28)
(3) Grasskamp, S.9
Donnerstag, 22. Juli 2021
Mittwoch, 21. Juli 2021
Kleine Geschichte des Museums. Teil 01. Das neuntälteste Museum der Welt
Dienstag, 20. Juli 2021
Montag, 19. Juli 2021
Sonntag, 18. Juli 2021
Samstag, 17. Juli 2021
Eine Million „Leser“ des Blogs Museologien
EINE MILLION ZUGRIFFE AUF DEN BLOG MUSEOLOGIENHeute wurde auf den seit Ende 2011 bestehende Blog Museologien zum einmillionsten Mal zugegriffen.
Freitag, 16. Juli 2021
Donnerstag, 15. Juli 2021
The return of the political to the museum
The return of the political to the museum
by Gottfried Fliedl
1
Years ago, during a museum conference, I was involved in a break-time conversation on the subject of museums and politics. The conversation was lively but hardly controversial and resulted in an agreement that no one objected to: politics should not be done with the museum, but of course it is political.
Like the participants in the discussion, we have a sense of the need for distinction. And museums rarely understand their work as political. What was strictly rejected in the conversation among the museum people was political action; especially political action that was partisan, particularistic, guided by ideology, and presumably also the entanglement in the everyday life of politics. This seemed to imply an unconditional taboo. But what is supposed to be political about the museum remained open. So is the museum's path to political action blocked anyway?
2
On October 4, 2020, the exhibition "The Last Europeans - Jewish Perspectives on the Crises of an Idea. The Brunner Family. An Estate," curated by Michaela Feurstein-Prasser, Felicitas Heimann-Jelinek, and Hannes Sulzenbacher, opened. The occasion for the exhibition was an estate of the Brunner family given to the museum on permanent loan. This family came from Hohenems and, after moving to Trieste, rose to become one of the leading families there. The books, photographs, letters, and much more left behind literally pile up throughout the floors of the house as testimony to a family history in which European history is reflected.
In the basement of the museum, reserved for special exhibitions, the European history of the 20th and our century is told both as a history of catastrophe and as an attempt to let a peaceful Europe emerge from the chain of traumatic events. All the way up to the contemporary European Union, which is currently attracting both the sharpest criticism and doubts, as well as hope for a further, stable and peaceful coexistence of the states.
But how stable is this foundation? This is the central question raised by the exhibition. Anti-democratic currents in the midst of the European Union, reawakening nationalism, the invention of "illiberal democracy," the recent development of the capitalist economy with its devastating consequential costs, the enormous social tensions within the states, the ecological threat, and now the so-called Corona crisis (which hit the museum and forced the postponement and temporary closure of the exhibition) threaten the peace project and the political idea of a common Europe.
For the exhibition organizers, another problem was at the center of attention: the defensive attitude towards migrations and the anti-human policy of rigorous isolation, which once achieved disregards legal and ethical standards. The importance of the issue for those in charge was evident in the digitally transmitted opening, which I followed on a screen.
It consisted of several speeches whose themes overlapped and mutually reinforced each other surprisingly well and together formed a statement that deeply impressed me and was decidedly political.
Without transition or commentary, shaky footage, obviously taken with a cell phone, appeared on the screen in the midst of the broadcast of the opening, the kind of footage one is familiar with, especially from social media. The footage, which was not immediately identifiable and had to be from a refugee camp, was as horrific as I had ever seen it before. It was footage from the Greek refugee camp Moria. At the time there was extensive reporting with many photos and videos - about the devastating conditions in the overcrowded camp, about the desperate protests of the refugees against their situation.
But the video of Ronny Kokert was more shocking than anything I had seen from the camp until then. At first, the abrupt playback seemed to me like a technical glitch, like a wrong feed of a wrong film.
But this moment of shock, in the midst of cultivated academic discourse that always inevitably goes hand in hand with distance, with order and conceptual frame, exploded these forms of dressing up. It was an intrusion of the real that tore one - at least me - out of the position of the "spectator" and confronted one with the immediate present. Yes, it was an intervention, one that left no room for keeping the events at bay as historically and politically classifiable. The clip showed: this is about naked life.
3
A political intervention is understood as an intervention in a conflict in the interest of its resolution by someone who was previously uninvolved. Should a museum be allowed to intervene in a conflict? Is it in a position to contribute to its resolution? Is it uninvolved or should it pretend to be uninvolved? Is it not itself in the midst of conflict - just as it is directly affected by the Corona crisis in many cases, and as does it not simply represent something in the relevant exhibitions with Corona relics from which it can pretend to be untouched?
The exhibition "The Last Europeans" answers to this: We are involved. We, the museum, we the museum staff, the curators, we, the Austrian population, all those who live here. We draw attention to problems, we inform about historical backgrounds, we warn about possible developments.
From this moment on, the museum is, of course, no longer uninvolved, no longer neutral - on the contrary, it takes an explicitly political stance, which is also clearly declared and reflected. It even situates itself where the museum does not seem to belong at all - in a domestic political conflict. As is well known Austrian government policy is strictly against immigration; it instrumentalizes xenophobia, and it pursues a rejectionist asylum policy. However, the exhibition does not exist to polemicize against government policy and the parties that formulate this policy, but it is about the much-vaunted European project. It is about comprehensive factual and orientational knowledge, about the reasons why this project has come into being, who has formulated its foundations, by which ideas it is supported. And these are the conditions that are necessary to make reflective knowledge possible. Such an attitude makes the museum a "nervous catch-all organ of contemporary inner and outer life." The art historian Aby Warburg said this about the memorial and social functions of images.
The museum is not content with just showing. The exhibition is accompanied by many events, by lectures, by a European Diary, by a specially created website. In short, it creates a public sphere, it enables and facilitates discussions.
4
Why shouldn't a museum be allowed to do this? To do something that the theater, literature, film, etc. are allowed to do as a matter of course, indeed what we virtually expect from these cultural institutions if we don't even criticize their lack of critical engagement.
It is not so much the fear of contact with the political that prevents the museum from addressing the questions of the present; it is its structurally baked-in culturalist neutralization that is at work here.
From Walter Benjamin (In his "Theses on the Philosophy of History") comes the oft-quoted phrase: "It is never a document of culture without at the same time being one of barbarism." The museum spares us barbarism through aestheticization. Benjamin's sentence is often quoted, but the second part is often forgotten: "And just as it is not free from barbarism, neither is the process of transmission in which it has passed from one to the other."
Certainly, the museum has changed in recent years, it is now becoming more possible to tell not only stories of triumph but also those of trauma. This has been emphatically the case since the 1980s, and I suspect that it also has to do with the founding of many Jewish museums in that decade. More and more, those excluded from the museum are claiming their museum representation, and the call for diversity in the museum is becoming unmistakable. With the looted art and restitution debates, first on those of the Nazi era and more recently on those of colonial Europe, the innocence of museums as neutral custodians if not saviors of cultural heritage is melting away. In any case, the cultural capital of the institution, acquired over a long period of time and thought to be eternal, is eroding under the constraint that museums are not systemically relevant in the Corona crisis.
Museums are learning to adjust reflexively to the institutional conditions of their work and are losing their fear of taking up controversial and topical issues. They are increasingly acting politically.
In view of the many deep crises, it hardly seems possible any more to imagine the museum as a neutral place that keeps its distance from everything. A repoliticization seems inevitable, an acting and intervening, as the Jewish Museum Hohenems has just shown with its exhibition.
5
When museums act politically, they are inevitably drawn into controversies. If one gets involved in debates about anti-Semitism or Israel's policy toward the Palestinians, then the museum is no longer as "neutral" as many would like it to be.
But (also) museums can only deal with conflicts in the medium of conflict. They create a public sphere, not to eliminate it by pacifying it, but to enable the confrontation of different points of view in the first place. According to Simon Sheik, "It is not in the production of rational consensus in the public sphere" that the significance of democratic institutions like the museum is to be found, "but in defusing the potential for hostility that exists in human societies by enabling the transformation of antagonism into "agonism."" Agonism, by this is meant a civil culture of democratic dispute, for which stages, platforms are needed that offer material, incentives, and frameworks for this purpose - in other words, precisely what the institution of the museum can offer, if one is willing to expose oneself to potential contradiction.
Precisely when a museum is a discursive public sphere and forms it, it does not simply engage in (everyday) politics itself, but it is political. The extent to which the museum realizes its potential depends on how far it sees itself as a democratic institution. The extent of engagement, the choice of exhibition themes, and the methods of mediation are entirely at the disposal of the museum's management, curators, educational staff, or even participatory audience groups. They have a great deal of leeway, and this is used impressively at the Hohenems Museum, but they can also invoke the civilizing role of the museum, which has carried it along like a founding mission for two hundred years now. It is a place of self-interpretation and self-understanding for society. And as such, it is needed more than ever.
From: Alte Freiheiten von Ems/Old Liberties Of Hohenems. Hohenems, 5.Juli 2021.. 5.Jg., Nr.3, S.2/3
Mittwoch, 14. Juli 2021
Dienstag, 13. Juli 2021
„museumdenken“ - Der Start ist gelungen
Kick-off-Veranstaltung museumdenken
Am 29. Juni 2021 hat die erste Veranstaltung von museumdenken stattgefunden. Insgesamt vierzehn Personen aus drei Ländern trafen sich auf der Basis eines gemeinsamen Interesses an einer Museumsdiskussion die aktuelle – durch die Pandemie bedingte – Krisenphänomene und grundsätzliche Museumsfragen aufgriff.
Es ging um die Festlegung der wichtigsten Fragen, deren Debatte dringend nötig scheint, und um die Bildung eines Netzwerkes von Personen und Institutionen, die diese Diskussion öffentlichkeitswirksam tragen kann.
Als Schwerpunkte kristallisierten sich unter anderem diese Felder heraus:
- die Corona-Krise als Infragestellung eines museumspezifischen Fortschrittsoptimismus
- die als Krisenreflex forcierte Digitalisierung, die strukturelle Eigenheiten des Museums (den Status des musealen Exponats, das Museum als architektonischer und sozialer Raum) infrage stellt
- „Professionalität“ als nie hinterfragte Zuschreibung an die Rolle vor allem des Kuratierens und des Produzierens von Ausstellungen
- die soziale Geltung des Museums, seine diesbezügliche Begrenztheit, sein sozialer Ausschließungscharakter
- Partizipation und Integration aber auch dieFrage nach Mitbestimmung nach Innen, also nach den Organisationsformen desMuseums als Ganzes
- die Rolle des Museums angesichts neoliberaler Abwertung von Bildung, der Geisteswissenschaften.
Ein ausführlicher Bericht folgt später.
Die beteiligten Personen waren:
Renate Flagmeier, Leiterin Museum der Dinge (Berlin)
Gottfried Fliedl, Museologe (Graz)
Alina Gromova, Vorstandsmitglied ICOM Deutschland und COMCOL (International Committee for Collecting) (Berlin)
Cilly Kugelmann, ehem. Programmdirektorin Jüdisches Museum Berlin (Berlin)
Felicitas Heimann-Jelinek, Kuratorin (Wien)
Angela Jannelli, Kuratorin Historisches Museum Frankfurt (Frankfurt)
Hanno Loewy, Leiter des Jüdischen Museum Hohenems (Hohenems)
Roswitha Muttenthaler, Museologin und ehem. Kuratorin des Technischen Museum Wien (Wien)
Anika Reichwald, Kuratorin Jüdisches Museum Hohenems (Hohenems)
Thomas Sieber, Prof. Hochschule der Künste Zürich und Institute for Cultural Studies in the Arts (Zürich)
Hannes Sulzenbacher, Kurator (Wien)
Thomas Thiemeyer, Univ. Prof. Institut für empirische Kulturwissenschaften Tübingen (Tübingen)
Niko Wahl, Kurator (Wien)
Regina Wonisch, ARGE/Stabsstelle Bezirksmuseum/Wien-Museum (Wien)
Sonntag, 11. Juli 2021
Red Vienna (Texte im Museum 1000)
Freitag, 9. Juli 2021
Donnerstag, 8. Juli 2021
Sommerfrage (Sokratische Frage 64)
Darf man bei dieser Hitze in Gemäldegalerien Alter Meister (Dürer, Tizian, Velazques und so) kurze Hosen tragen? (Die Frage richtet sich beide Geschlechter)
Montag, 5. Juli 2021
Quote
Kunsthaus Graz, neulich |
Die „Quote“, das heißt der „Besucherumsatz“, die statistische Erhebung der Zahl der Besucher (eigentlich: der Besuche) ist zum Universalmaßstab für die Bedeutung von Museen geworden, eine Rechtfertigung ihrer Existenz, ein Nachweis ihrer demokratischen Funktion – schließlich sind sie ja „jedermann“ (wie die ICOM-Definition weiß) zugänglich.
So problematisch die Methodik und die Manipulationsanfälligkeit der Erhebung ist, inzwischen scheinet die Veröffentlichung von „Erfolgszahlen“ unverzichtbar, vor allem bei großen Ausstellungen, wo es unter sechsstellig kaum noch geht. Dabei wird die schiere Zahl zum Wertmaßstab und ersetzt die Mühsal der Kritik durch eine simple Ziffer. Die „Quote“ treibt die Museen in eine Konkurrenz untereinander und weckt bei potentiellen Museumsbesuchern Versäumnisängste - „muß ich nicht dort gewesen sein?“.
Vor allem aber verdeckt die „Quote“ den Ausschluss, der Museen in sozialer Hinsicht als Voraussetzung ihrer Existenz kennzeichnet. Grob gesagt besuchen etwa 50% einer Stadt, einer Region, eines Landes „ihre“ Museen har nicht und denken auch gar nicht daran. Das sind Menschen, die auf Grund ihrer sozialen Stellung nie in den Genuss einer kulturellen Sozialisation gekommen sind und für die das Museum lebensweltlich schlicht inexistent ist.
Vielleicht kommt einmal die Zeit, da sich die Museumsleiter:innen, die skeptisch sind, durchsetzen und Museen wie Medien verzichten aufs Zählen?!