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Montag, 19. April 2010

"Blutgebundene Abhängigkeit". Das Haus der Natur in Salzburg wird sich wohl weiter nicht um die Aufarbeitung seiner NS-Geschichte kümmern

Zum neuesten Stand der Erforschung, Diskussion und Aufarbeitung der Rolle von Eduard Paul Trat und des von ihm gegründeten naturmuseums durch das Haus der Natur selbst siehe den Post „Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner Gesichte. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/2014/10/das-haus-der-natur-stellt-sich-zum.html 


Dieser Artikel erschien vor über acht Jahren in der Tageszeitung Der Standard. Die Reaktion seitens des Ministeriums und des Museums damals: keine. Das Museum behielt seinen Preis. Heute ist trotz mancher Anläufe und vor allem einer wissenschaftlichen Expertise weitgehend alles wie immer. Das Museum behelligt sich nicht mit seiner Altlast. Aus diesem Grund veröffentliche ich, sozusagen als Erinnerung, den Zeitungsartikel, der nicht veraltet ist, bis auf die Tatsache, daß man heute ein noch größeres und differenzierteres Wissen über Eduard Paul Tratz und das Haus der Natur in der NS-Zeit hat. GF

Sabine Schleiermacher, Gottfried Fliedl: "Blutgebundene Abhängigkeit" Museumspreis 1991: Eine späte Ehrung für nationalsozialistische Rassenforscher. In: Der Standard, Donnerstag 13. Februar 1992, S.23

Der vom Wissenschaftsministerium vergebene Österreichische Museumspreis ging heuer an das Haus der Natur in Salzburg, ein Museum, das in der NS-Zeit eine Forschungseinrichtung der SS war und dessen Schausammlung wesentlich zur Legitimation des nationalsozialistischen Herrschafts- und Unrechtssystems beigetragen sollte.Kritiklos würdigt das Preisgutachten das Museum einschließlich seiner Relikte aus der NS-Zeit. Besonders erwähnenswert fand man z. B. eine museologische Rarität,  nämlich die eindrucksvollen Tibet-Dioramen.

1938/39 wurde unter der Schirmherrschaft Himmlers eine SS-Expedition nach Tibet unternommen, um den Ursprung des als 'arisch' bezeichneten Menschen zu erforschen. Es wurden rassen- und völkerkundliche Arbeiten durchgeführt. Kopf-, Hand-, und Fußabformungen, Gesichtsmasken, sowie Körpervermessungen führte Bruno Beger durch, der später im KZ Auschwitz mit vergleichbaren Fragestellungen anatomische Forschungen betrieb.

Aus der Expeditionssammlung und mit Hilfe der anthropologischen Abformungen wurden große Dioramen, eine Tibetschau,  errichtet, um den innigen Zusammenhang zwischen dem Menschen und seiner Umwelt  optisch zu verdeutlichen. Initiiert und mitfinanziert wurden die Dioramen vom 'Ahnenerbe',  das auch den Ausbau des Museums unterstützte.  Bereits im Herbst 1938, bald nach dem 'Anschluß' Österreichs, war das Haus der Natur  der 1935 vom Reichsführer der SS Heinrich Himmler, gegründeten SS-Stiftung 'Forschungs- und Lehrgemeinschaft Ahnenerbe' angegliedert worden.

Die Stiftung sollte u.a. Raum, Geist und Tat des nordrassigen Indogermanentums  erforschen. Das 'Ahnenerbe' förderte seit Beginn des Weltkrieges auch medizinische und biologische Forschung - auch als wehrwissenschaftliche Zweckforschung:: Kampfstoff-, Seuchen- und wehrmedizinische Forschung, sowie die kriegswichtige Wehrgeologie, für die 1941 der Reichsbund für Karst- und Höhlenforschung  mit Sitz in Salzburg gegründet wurde und die Informationen zur Partisanenbekämpfung bereitstellte.

Bundesleiter dieses Reichsbundes  wurde der 1888 in Salzburg geborene Gründer und Direktor des Hauses der Natur,  Eduard Paul Tratz, SS-Hauptsturmführer, seit 1944 Träger des Totenkopfringes und Mitglied der Waffen-SS, seit 1939 Abteilungsleiter der neuen Forschungsstätte des Ahnenerbes für darstellende und angewandte Natur, Träger des Blutordens, Kulturpreisträger der Gauhauptstadt Salzburg im Jahre 1944.

In der gutachterlichen Begründung zur Preisverleihung von 1991 wird das Haus der Natur  als dynamisches Museum,  als ein mutiges  und weitblickendes Unternehmen  gewürdigt und die Auszeichnung mit der ausdrücklichen Berufung auf seine gesamte Geschichte sowie mit den Verdiensten seines Gründers legitimiert.

Tratz wollte eine Institution, die aus dem Volke herausgewachsen ist,  und in erster Linie für das Volk zu sein  hatte. 'Volkstümlichkeit' war auch die Funktion des Museums als Institut des 'Ahnenerbes', geleitet, wie Tratz 1939 schrieb, von der selbstverständliche(n)  Pflicht..., der Volksgemeinschaft zu dienen  und mitzuwirken an der naturwissenschaftlichen Unterbauung des großen und einmaligen Werkes unseres Führers.

Die didaktisch durchdachte Schausammlung sollte verständlich machen, wohin wir Menschen im Rahmen unserer naturgesetzlichen Stellung gehören, nämlich in die erb-, blut-, und bodengebundene Abhängigkeit der uns vom Geschick zugewiesenen Sendung.

Im Naturbegriff von Tratz waren Störungen im Zustand des Werdens und Wachsens eines Wesens,  wie er in einer Ahnenforschungs-Publikation 1943 schrieb, Behinderungen  der vollen Lebensbetätigung, [...] Krüppel oder Mißgeburten gehörten daher rücksichtslos ausgemerzt  

Tratz nahm an 'naturwissenschaftlichen Arbeitsbesprechungen' des 'Ahnenerbes' teil, bei denen der Anatom August Hirt auch über seine zahlreiche Versuche an Menschen, wie den Kampfstoffversuchen berichtete. Tratz besuchte Mitarbeiter des Instituts für wehrwissenschaftliche Zweckforschung  des 'Ahnenerbes' -  auch in den Laboratorien, so im KZ Dachau und im KZ Natzweiler bei Straßburg.

Tratz und das Museum profitierten von nur durch den Krieg zugänglichen Exponaten. Sie reichten vom Mammut aus der Ukraine bis hin zu den Abformungen von Zigeunertypen aus Konzentrationslagern. Die Aufstellung von Abformungen von 'Rasseköpfen', also von 'nordischen, ostischen, dinarischen und jüdischen Köpfen' - einige davon waren bis vor wenigen Monaten noch als Teil der öffentlichen Schausammlung zu sehen - und die Begehrlichkeit von Tratz gerade nach 'Zigeunertypen', machen das durch nationalsozialistische Ideologie überformte darwinistische Konzept (dieses Teils) des Museums deutlich.

Heute unterliegt die Geschichte des Hauses der fast lückenlosen Tabuisierung. In den Museumspublikationen aus der Zeit nach 1945, in den seither erschienen vielen Festschriften für Tratz, der das Museum bis 1976 leitete, im aktuellen Museumsführer finden sich bis auf winzige Spurenelemente keinerlei Hinweise auf die Geschichte des Hauses. Der Zugang zum Archiv wurde, auch das ein Indiz einer die Wiederkehr des Verdrängten fürchtenden Tabuisierung, den Autoren dieses Beitrags verweigert.
Das Haus der Natur ist, wie Eduard Paul Tratz es 1954 einmal formuliert hat, wirklich ein Museum, das seine eigenen Wege ging und geht.

Zu diesem Weg gehört die manifeste Unfähigkeit des Hauses der Natur  sich kritisch mit den materiellen und ideologischen 'Erbstücken' der NS-Zeit auseinanderzusetzen.
Daß das Wissenschaftsministerium diesen 'Weg' mit einem 'Staatspreis' honoriert ist unakzeptabel.

Sabine Schleiermacher ist Wissenschafterin am Institut für Medizin-Soziologie des Universitäts-Krankenhauses Eppendorf in Hamburg
Gottfried Fliedl arbeitet als freiberuflicher Museologe in Wien


*

Zur Geschichte des Hauses der Natur in diesem Blog.

Kritik von Hans Katschthaler an Prof. Robert Hoffmann und seinem Gutachten zum Haus der Natur. Eine Reaktion des Gutachters zum Haus der Natur, Prof.Dr. Robert Hoffmann, auf diese politische Kritik an ihm und seiner Expertise. Ein Artikel von Gerald Lehner zur Kritik von Hans Katschthaler an Prof. Hoffmann und dessen Gutachten.


Webseite Haus der Natur. - Derzeit scheint das Museum eine Politik der Erinnerungslosigkeit zu betreiben. Ich konnte auf der Webseite weder Angaben zur Geschichte des Museums, noch zur Tibetschau noch zu Tratz finden. (April 2010)

Die Abbildung einer rassenkundlichen Sammlung stammt aus der 1963 erschienen Publikation "Wegweiser durch das Haus der Natur in Salzburg. Herausgegeben aus Anlass seines 4ojährigen Bestandes von Eduard Paul Tratz". Teile dieser Sammlung waren zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels von Sabine Schleiermacher und mir im Haus der Natur noch zu sehen. In der Publikation von Tratz fehlt jeder Hinweis auf die Geschichte des Museums in der NS-Zeit - bis auf zahlreiche Fotos von den Tibet-Dioramen.

Donnerstag, 23. Januar 2014

Das Haus der Natur in Salzburg restituiert Raubgut und arbeitet an derErforschung seiner NS-Geschichte

Zum neuesten Stand der Erforschung, Diskussion und Aufarbeitung der Rolle von Eduard Paul Trat und des von ihm gegründeten naturmuseums durch das Haus der Natur selbst siehe den Post „Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner Gesichte. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/2014/10/das-haus-der-natur-stellt-sich-zum.html 


Das Haus der Natur in Salzburg hat angekündigt, in der NS-Zeit geraubtes Sammlungsobjekte zu restituieren. Der damalige Museumsleiter (und Gründer) Eduard Paul Tratz hatte Bibliotheken, ganze Sammlungen z.B. kirchlicher Einrichtungen im eigenen Land beschlagnahmen lassen, aber auch aus Sammlungen und Institutionen in Warschau, Krakau, Smolensk u.a.m. kam Raubgut in das Museum.
"Durch Arisierungen" schreiben die Salzburger Nachrichten "gelangten Jagdtrophäen aus dem Besitz des Kunstsammlers Rudolf Gutmann, eine Trophäensammlung von Alphonse und Clarisse Rothschild sowie eine Sammlung südamerikanischer Vögel der Familie Bomstein-Bomi nach Salzburg."
Noch läuft eine umfangreiche wissenschaftliche Untersuchung zur Geschichte des Hauses der Natur in Salzburg unter der Leitung des Zeithistorikers Robert Hoffmann.
Das Haus der Natur feiert heuer seinen 90. "Geburtstag" und plant für dieses Jubiläumsjahr eine Ausstellung zu seiner Geschichte.
Beides, Forschung, Aufarbeitung und Restitution waren überfällig. Das Haus der Natur, das bis 1976 (!) (mit einer Unterbrechung) von dessen Gründer Eduard Paul Tratz, hochaktiver Nationalsozialist der das Haus zur Institution des "Ahnenerbes" gemacht hat, geleitet wurde, leistete auch unter Tratz Nachfolger, Eberhard Stüber, keine Aufarbeitung und hielt des "Erbe" Tratz hoch. Erst mit dem Direktionswechsel zu Norbert Winding begann sich die Haltung des Museums zu ändern.
Der aktuelle Kulturlandesrat Salzburgs, Schellhorn, sagt "es gibt noch viel aufzuarbeiten". Dazu gehört die seit mehr als zehn Jahren unerledigte Debatte um die Aberkennung der Ehrenwürde Paul Tratz', die Ausdehnung der Aufarbeitung auf die Zeit nach 1945 und auf die Direktion Stüber und die dubiose Verleihung des Österreichischen Museumspreises unter ausdrücklicher Würdigung von Tratz "Verdiensten". (1)
An Aufarbeitung zu denken hat nicht nur das Museum guten Grund, den hätten auch viele Naturschutzorganisationen, die sich, z.B. in Form von Benennungen von Preisen und Institutionen (2) nach Paul Tratz, zu einer Geschichte des Naturschutzes bekennen, die auch äußerst fragwürdige Wurzeln hat. Das Naturverständnis, das Teile der Naturschutzbewegung prägt, aber auch die Naturideologie (von Telien) der Grünen, in ihrer Entwicklung durch das 20.Jahrhundert hindurch, also unter ausdrücklichem Einschluß der der NS-Zeit, wäre grade für die auflebende Debatte um den scheinbar apolitischen Naturfundamentalismus der Grünen von großem Interesse.

(1) Die Preisverleihung hat mich veranlasst, zusammen mit Sabine Schleiermacher einen Artikel im "Standard" zu veröffentlichen. Sabine Schleiermacher, Gottfried Fliedl: "Blutgebundene Abhängigkeit" Museumspreis 1991: Eine späte Ehrung für nationalsozialistische Rassenforscher. In: Der Standard, Donnerstag 13. Februar 1992, S.23 Hier in diesem Blog zu finden (mit Links zur Kontroverse des damaligen Landeshauptmannes Katschthaler und dem Zeithistoriker Robert Hoffmann, der erste Ergebnisse einer Untersuchung publiziert hatte) unter: http://museologien.blogspot.co.at/2010/04/blutgebundene-abhangigkeit-das-haus-der.html sowie ein Post aus dem Jänner 2010 "Das Haus der Natur in Salzburg als Institut des SS-Ahnenerbes"
Mitte 2013 habe ich das Thema noch einmal aufgegriffen und die Verlängerung dur selbstverordneten Amnesie des Hauses der Natur vor allem in seiner offiziellen Selbstdarstellung kritisiert (mit weiterführenden Links). http://museologien.blogspot.co.at/2013/06/selbstverordneter-gedachtnisschwund-das.html Auf diese Kritik hat Direktor Norbert Windung prompt reagiert und seither kann man auf der Webseite - zum ersten Mal - etwas über die Geschichte des Huases in der NS-Zeit erfahren. Hier zur Reaktion von Direktor Winding: http://museologien.blogspot.co.at/2013/07/das-haus-der-natur-in-salzburg-reagiert.html
http://museologien.blogspot.co.at/2010/01/das-haus-der-natur-in-salzburg-als.html
(2) Zur Umbenennung einer Forschungsstation nach längerer Kritik siehe hier: http://hausdernatur.wordpress.com/himmlers-darling/

Dienstag, 11. Juni 2013

Selbstverordneter Gedächtnisschwund: Das Haus der Natur in Salzburg

Zum neuesten Stand der Erforschung, Diskussion und Aufarbeitung der Rolle von Eduard Paul Trat und des von ihm gegründeten naturmuseums durch das Haus der Natur selbst siehe den Post „Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner Gesichte. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/2014/10/das-haus-der-natur-stellt-sich-zum.html 

Durch einen Anruf bin ich an meine frühere Beschäftigung mit der Geschichte des Hauses der Natur in Salzburg erinnert worden. Anlaß damals war die Verleihung des Österreichischen Museumspreises an das Museum im Jahr 1991. In der Begründung wurde würdigend der Gründer des Museums, Eduard Paul Tratz einbezogen, der während der NS-Zeit als "Rassenforscher" höchst aktiv war und der dennoch das Haus bis 1976 leitete.

Da war Tratz 88 Jahre alt und konnte seinem Wunschnachfolger kurz vor seinem Tod noch brieflich seine Freude übermitteln. Dieser, Eberhard Stüber, war Zeit seiner Direktion enthusiastischer Apologet von Tratz, wenngleich er sich in späteren Jahren, als die Kritik lauter wurde und sich auch die Landespolitik mit Tratz und dem Haus der Natur beschäftigte (hier ein Link zum Antrag der Bürgerliste zur Aberkennung der Ehrenbürgerwürde Tratz. 2012 war Tratz noch immer Ehrenbürger. Ich denke, er ist es auch heute noch) kaum noch zur NS-Geschichte des Museums äußerte.

Eberhard Stüber, einen Schüler von Tratz und dessen Nachfolger als Museumsdirektor, arbeitete auch als Ausbilder von Lehrern und als Umweltanwalt der Landesregierung.

(Hier Dokumente, die das Biologiezentrum des Hauses der Natur auf seiner Webseite anbietet und die die (Ver)Ehrung durch die Landespolitik und durch Stüber belegen, die Tratz entgegengebracht wurde. Ich vermute, daß das Biologiezentrum diese Dokumente nicht in kritischer Absicht ins Internet gestellt hat. Viele Naturschutzorganisationen halten Tratz hoch in Ehren und vergeben nach ihm benannte Preise. Die Untersuchung der Kontinuität des Naturverständnisses seit den 1920er-Jahren, der NS-Zeit, der Zeit der 50er-Jahre bis hin zur Grünen Bewegung bedürften dringend einer Beleuchtung. Wenn man Texte etwa von Tratz aus den 20er-Jahren liest, vor allem solche, die er in pädagogischer Absicht verfasst hat, kommt man aus dem Staunen über die Affinität zur jüngeren Gegenwart kaum heruas.)

Inzwischen gibt es zeitgeschichtliche Forschungen, die die Tätigkeit Tratz sorgfältig dokumentieren (Robert Hoffmann, Ein Museum für Himmler. Eduard Paul Tratz und die Integration des Salzburger „Hauses der Natur“ in das „Ahnenerbe“ der SS. In: Zeitgeschichte, 35 (2008), H. 3, 154-175) und auch museologische Auftragsforschung. Eine Publikation zur Geschichte des Hauses soll angeblich noch in diesem Jahr erscheinen.

Darüber erfährt man aber nach wie vor nichts vom Museum. Die Politik, die betrieben wird, ist die des "Vergessenmachens". Weder Tratz wird auf der Webseite genannt noch wird die einschlägige Geschichte des Hauses referiert. Man findet auch nichts zu einem erhaltenen Kernstück der Tratzschen rassenpolitischen und musealen Betätigung: zu den Tibetdioramen. Nur wenn man den Orientierungsplan des Hauses genau ansieht, entdeckt man die "Tibetschau".

Nur drei kurze Absätze findet man untere der Überschrift "Über uns". Der erste lautet: "Das Naturkundemuseum Haus der Natur besteht seit dem Jahr 1924. Seit seinen Anfängen überrascht es seine BesucherInnen mit einer modernen, lebendigen Museumsdidaktik, die sich mit den Jahren konsequent weiterentwickelt hat." (Webseite des Hauses der Natur, abgerufen 11.Juni 2013)

Inzwischen schreiben wir 2013, ein neuer Direktor, der dem Nachfolger von Tratz, Eberhard Stüber gefolgt ist, ist längst im Amt, einschlägige Forschungen und Debatten sind öffentlich bekannt, aber dennoch, das Museum kann sich immer noch nicht durchringen, sich seiner Geschichte zu stellen.

Hier die Links zu meinen älteren Posts (die übrigens zu den meistgelesenen dieses Blogs überhaupt gehören, vermutlich deswegen, weil sie - noch immer - zu den ganz wenigen leicht zugänglichen Informationen zur NS-Geschichte des Hauses der Natur und zu Eduard Paul Tratz gehören).

"Blutgebundene Abhängigkeit". Das Haus der Natur in Salzburg wird sich wohl weiter nicht um die Aufarbeitung seiner NS-Geschichte kümmern 
Das Haus der Natur in Salzburg als Institut des SS-Ahnenerbes

Montag, 9. Juni 2014

Das Haus der Natur in Salzburg zeigt eine Ausstellung seiner Geschichte und seiner Rolle in der NS-Zeit

Zum neuesten Stand der Erforschung, Diskussion und Aufarbeitung der Rolle von Eduard Paul Trat und des von ihm gegründeten naturmuseums durch das Haus der Natur selbst siehe den Post „Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner Gesichte. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/2014/10/das-haus-der-natur-stellt-sich-zum.html

Das Haus der Natur in Salzburg zeigt derzeit (aus Anlass seines 90jährigen Bestehens) eine Ausstellung zu seiner Geschichte unter dem (Gründungs)Direktor Eduard Paul Tratz. "Das Haus der Natur 1924-1976. Die Ära Tratz".

Mit der Ausstellung, die auf Forschungsarbeiten der Universität Salzburg beruht, stellt sich das Museums erstmals seiner Geschichte seit 1924 und damit der Rolle von Museum und Museumsleiter in der NS-Zeit. Auch auf seiner Webseite, von der ich die Zusammenfassung diese "Ära" des Hauses wiedergebe:
Eduard Paul Tratz. Ausschnitt aus einem Foto der Webseite des Museums

"Die Ausstellung schildert die Geschichte des Museums von den Anfängen als Ornithologische Station über die Gründung des neuen Museums für Naturkunde bis zum Ende der Direktion des Museumsgründers Eduard Paul Tratz. Sie beleuchtet dabei insbesondere die Rolle des Museums während der Zeit des Nationalsozialismus, in der das Haus der Natur in die SS-Wissenschafts-organisation „Das Ahnenerbe" integriert war.
Im Jahr 1913 gründete Eduard Paul Tratz die „Ornithologische Station Salzburg“, die im Jahr 1920 als „Vogelmuseum“ im Monatsschlösschen Hellbrunn öffentlich zugänglich wurde. Zwei Jahre später präsentierte Tratz den Plan zur Gründung eines Salzburger Naturkundemuseums. Trotz schwieriger wirtschaftlicher Verhältnisse eröffnete bereits im Jahr 1924 das „Neue Museum für darstellende und angewandte Naturkunde“ in der ehemaligen Hofstallkaserne. Die Ausstellung wurde ständig erweitert, 1937 umfasste sie 23 Abteilungen auf einer Fläche von 3.000 m² und nannte sich erstmals „Haus der Natur“.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Dritte Reich vollzog Tratz eine rasche Anpassung an die neuen politischen Verhältnisse. Am 1. März 1939 erfolgte die Integration des Museums in die SS-Wissenschaftsorganisation "Ahnenerbe". Tratz beteiligte sich sowohl an der Enteignung von kirchlichem und jüdischem Besitz als auch an völkerrechtswidrigen Kulturraub-Aktionen in polnischen Museen. Er nahm Änderungen im Schaubreich vor, die der Vermittlung NS-ideologischer Inhalte dienten. Ein Saal zeigte etwa biologistisch begründet, „höher-„ und „minderwertigere“ „Menschenrassen“. Mit Raubgut aus Polen und der Ukraine schuf er einen neuen „Eiszeit-Bereich“ rund um ein Wollhaarnashorn. Mit völkerkundlichen Objekten aus der „Deutschen Tibet Expedition Ernst Schäfer“ errichtete er die „Tibetschau“.
Als Abteilungsleiter des „Ahnenerbes“ erwies sich Tratz als systemloyaler und anpassungswilliger Opportunist, der sich zu einer Ausrichtung des Museums im Geiste des nationalsozialistischen Naturverständnisses bekannte. Zwischen 1938 und 1945 veröffentlichte er einige Texte, die sich mit den Aufgaben naturwissenschaftlicher Museen im Dienste der NS-Ideologie beschäftigen. In anderen finden sich rassistisch-biologistische Textpassagen, in denen eine Rechtfertigung der Euthanasie anklingt. Tratz distanzierte sich von all diesen Äußerungen nach 1945 nicht.
Im Juni 1945 wurde Tratz verhaftet und blieb bis August 1947 in Salzburg Glasenbach interniert. Zu einer Anklageerhebung kam es nicht, auch wurde dem Ansuchen polnischer Behörden um Auslieferung nicht stattgeben. Nach der Internierung von Tratz ernannte man Maximilian Piperek zum neuen Leiter des Museums. Er versuchte das Haus auf humanistische Werte hin auszurichten und in ein Forum der Begegnung und Diskussion zu verwandeln. Rassenideologische Elemente wurden aus der Ausstellung entfernt. Im April 1949, bei der Neukonstitution des finanziellen Trägervereins, votierte die große Mehrheit der Vereinsmitglieder mit politischer Rückendeckung aller Parteien für die Rückkehr von Tratz.
Gemeinsam mit seinen langjährigen Mitarbeitern brachte Tratz das Haus sofort auf den alten Kurs und knüpfte an seine frühere Sammlungs- und Präparationstätigkeit an. Eine Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit fand nicht statt. Ende 1956 wurde das Museum geschlossen, weil auf dem Areal der Hofstallkaserne ein neues Festspielhaus errichtet werden sollte. 1959 eröffnete das Haus der Natur im ehemaligen Ursulinenkloster neu. Das Museum blieb in seinen Grundzügen bis zum Ende der Direktion Tratz in seinen Grundzügen das alte."

Die Ausstellung wird bis zum Sommer 2014 zu sehen sein.
Zur Webseite Haus der Natur

Donnerstag, 7. Januar 2010

Das Haus der Natur in Salzburg als Institut des SS-Ahnenerbes

Zum neuesten Stand der Erforschung, Diskussion und Aufarbeitung der Rolle von Eduard Paul Trat und des von ihm gegründeten naturmuseums durch das Haus der Natur selbst siehe den Post „Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner Gesichte. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/2014/10/das-haus-der-natur-stellt-sich-zum.html 


 1990 erhielt das Haus der Natur in Salzburg den Österreichischen Museumspreis. Der Preis würdigte damit nicht nur eines der populärsten und viel besuchten Museen in Österreich, sondern ein Haus, das in der NS-Zeit eine zentrale Forschungs- und Vermittlungsstätte der SS war und das wesentlich zur Legitimation des nationalsozialistischen Herrschafts- und Unrechtssystems beigetragen hat.
In der gutachterlichen Begründung wurde  nicht nur die Abteilung Mensch und Tier in Fabel und Mythos, mit der sich das Museum für den Preis beworben hatte, gewürdigt, sondern insgesamt das dynamische Museum einschließlich seiner Geschichte und seines Gründers, Eduard Paul Tratz, der das Haus der Natur als ein mutiges und weitblickendes Unternehmen, als Erlebniswelt 1924 gegründet hat.

Der Gründer und - bis 1976 - Leiter des Hauses der Natur, Eduard Paul Tratz beschrieb 1930 seine Sammlung so: "Freilich über ungeheure Reihen streng wissenschaftlicher und systematischer Kollektionen verfügt unser Museum nicht. Denn unser Museum hat von allem Anfange an nicht andere, sondern völlig neue Aufgaben. Eine Institution, die aus dem Volke herausgewachsen ist, hat in erster Linie für das Volk zu sein."
Tratz betrieb seit den 30er-Jahren die Loslösung vom herkömmlichen Bild der Naturmuseen, das einem “ausgestopften Zirkus“ bzw. einer “Anhäufung von Klamotten“ gleiche. Das so charaktersierte Museum diente, so Tratz, dem 'heimischen Wirtschaftsleben' und dem 'internationalen Fremdenverkehr'.
Die Neuorientierung des Museums bestand z.B. in einer Zusammenfassung der Vererbungslehre und Rassenhygiene, einer Abteilung Der Boden als Ernährer des Menschen, eine zum Werden, Wesen und Vergehen des Lebens, Einfluß der Pflanzen auf die Kunst, den Brauch und Aberglauben, oder zur Sozialhygiene mit "Schwangerschafts-, Säuglings- und Kleinkinderfürsorge, dann Mutter und Kind, Kind und Schule.
Im Herbst 1938, also bald nach dem 'Anschluß' Österreichs an das Deutsche Reich, wurde das Haus der Natur, das eigenartigste naturkundliche Museum, das Großdeutschland nach der Eingliederung der Ostmark nunmehr besitzt  (Salzburger Volksblatt 16.11.1938), der SS-Stiftung 'Forschungs- und Lehrgemeinschaft (das) Ahnenerbe' angegliedert. Das 'Ahnenerbe' war 1935 vom Reichsführer der SS Heinrich Himmler und anderen gegründet worden, um mit  exakt wissenschaftlicher  Methodik ... 'Raum, Geist und Tat des nordrassigen Indogermanentums zu erforschen.
Neben arischer Kulturforschung förderte das 'Ahnenerbe' seit Beginn des 2. Weltkrieges auch medizinische und biologische Grundlagenforschung und deren Anwendung als wehrwissenschaftliche Zweckforschung. Hierzu zählten unter anderem: Kampfstoff- und Seuchenforschung, wehrmedizinische Forschung, angewandte Mathematik und Pflanzengenetik sowie die kriegswichtige Wehrgeologie, für die 1941 der Reichsbund für Karst- und Höhlenforschung mit Sitz in Salzburg und mit dem Bundesleiter Tratz gegründet wurde. Wehrgeologische Forschungen z. B. in Görz und Triest waren eine der Grundlagen der Partisanenbekämpfung. Insgesamt sollte so den wissenschaftlichen und ideologischen Anforderungen des nationalsozialistischen Staates und des 2. Weltkrieges entsprochen werden.


Tratz, in einem Sicherheitsdienst-Bericht als überzeugter Nationalsozialist eingestuft, leitete die neue Forschungsstätte des Ahnerbes für  ‚darstellende und angewandte Natur’ seit 1939. Die Funktion des Naturkundemuseums sollte nun sein, zu einem volkstümlichen und für jedermann, auch für den einfachsten Mann des Volkes, verständlichen und zugänglichen Mittler zwischen ihm und der Wissenschaft, zwischen Menschen und Natur werden. (Eduard Paul Tratz: Über die Aufgaben der naturwissenschaftlichen Museen im allgemeinen und über Arbeiten im "Haus der Natur" in Salzburg im besonderen, in: Der Biologe, 8/1939).
In einer Zeitschrift die vom Ahnenerbe herausgegeben wurde, stellte sich Tratz neuerlich die Frage: Welche Aufgaben hat ein naturwissenschaftliches Museum, im besonderen im Deutschen Reich? Verbindung der Wissenschaft zur Laienwelt, anschauliche und zusammenfassende Darstellung des Menschen in der Natur harmonische Synthese der Einzelforschung, Darlegung des vollendeten Zusammenklang in der Natur waren Tratz' Ziele, aber auch "Biologie", "Ontogenie", Erb- und Rassenkunde unseres eigenen Geschlechtes, die mittelbare Beziehung zur Umwelt, die Abhängigkeit des Menschenstammes vom Boden auch hinsichtlich der psychischen und geistigen Entwicklung und Einstellung. Damit kommen wir ganz zwangsläufig auf anscheinend ganz weit abliegende Wissensgebiete, wie auf das Brauchtum, auf das Reich der Sagen und der Kulte usw.
Im Naturbegriff Tratz' waren Störungen im Zustand des Werdens und Wachsens eines Wesens Behinderungen  der vollen Lebensbetätigung.
In freier Natur werden solche Krüppel oder Mißgeburten daher rücksichtslos ausgemerzt. Auch viele ursprüngliche Völkerstämme halten an dieser natürlichen Auslese fest. Ja, sie wird sogar vom ungetrübten Instinkt des Naturmenschen eingefügt in die Grundgedanken seiner Stammeskultur. Nur der zivilisierte Mensch hat als Folge seiner naturfremd gewordenen Verweichlichung und anders gearteten Moralvorstellungen den klaren Blick für solche Härte gegen sich selbst eingebüßt. Doch kann ein Volk an Körper und Seele nur dann gesund und kräftig bleiben, wenn es sich auch diesem Naturgesetz wenigstens in bedingtem Maße über Gefühlsregungen hinweg unterstellt.
So verstand es Tratz dann auch als selbstverständliche Pflicht..., der Volksgemeinschaft zu dienen und mitzuwirken an der naturwissenschaftlichen Unterbauung des großen und einmaligen Werkes unseres Führers sowie: Das Wiederfinden des Weges zur Natur als unsere Alleinbeherrscherin, sind in klarer und umfassender Weise nur möglich, wenn die naturwissenschaftlichen Museen diese ihre weltanschauliche Verpflichtung nicht nur erkennen, sondern auch zu erfüllen vermögen.
1939 wurde das Museum um acht Abteilungen erweitert; darunter fielen entsprechend den wissenschaftlichen und ideologischen Schwerpunkten des Nationalsozialismus: ‚Der Mensch: Anatomie, Entwicklung und Konstitution’  und:  Grundlage der Vererbung; Vererbungserscheinungen bei Pflanzen, Tieren (z.B. die Herausbildung des Haustieres aus der ursprünglichen Wildform) und Menschen; Arten- und Rassenbildung (Vererbung beim Menschen, Verschiedenheit der Rassen, der nordischen, dinarischen und ostischen, fremdrassige, jüdische Menschentypen, Haupttypen der Menschenrasse, Vorfahren des Menschen, Originalabgüsse ); Domestikation und Rückzüchtung; Rassenhygiene und Eugenik.
Als SS-Hauptsturmführer erhielt Tratz 1942 den Totenkopfring und meldete sich 1944 freiwillig zur Waffen-SS. Er war Abteilungsleiter des Ahnerbes, Träger des Blutordens und Kulturpreisträger der Gauhauptstadt Salzburg im Jahre 1944, Gaujägermeister und Naturschutzbeauftragter des Gaues Salzburg. Zusammen mit dem Anatomen August Hirt, dem Entomologen Eduard May und anderen nahm er an 'naturwissenschaftlichen Arbeitsbesprechungen' des 'Ahnerbes' teil, bei denen Hirt über seine zahlreiche Versuche an Menschen, wie den Kampfstoffversuchen berichtete. Darüber hinaus besuchte Tratz Mitarbeiter des 'Instituts für wehrwissenschaftliche Zweckforschung' des 'Ahnenerbes' auch in den Laboratorien, so im KZ Dachau und in Straßburg, und erstattete später Bericht an den Geschäftsführer des 'Ahnenerbes' Wolfram Sievers.
Auch profitierten Tratz und das Museum von den zahlreichen, allein durch den Krieg zugänglichen Exponaten. Sie reichten vom Mammut aus der Ukraine bis hin zu den Abformungen von  Zigeunertypen aus Konzentrationslagern. Erst nach 1945 wurden durch amerikanische Untersuchungen Details der Beraubung von Museen, z. B. in Polen, zugunsten des Salzburger Museums bekannt.
Besonders erwähnenswert fand der Gutachter für den Österreichischen Museumspreis eine museologische Rarität, nämlich die eindrucksvollen Tibet-Dioramen. Diese Dioramen sind ein Produkt der 'Großen Deutschen Tibetschau' im Februar 1943. 1938/39 waren unter der Leitung von Ernst Schäfer und unter der Schirmherrschaft Himmlers eine SS-Expedition im Dienste der biologischen Auslandsforschung nach Tibet unternommen worden. Die davon berichtende 'Tibetschau' wurde sofort zum Besuchermagneten u. a. weil Wehrmachts- und NSDAP-Formationsangehörige freien Eintritt hatten.
Neben zoologischen und botanischen Forschungen wurden rassen- und völkerkundliche Arbeiten durchgeführt. Eine umfangreichere Sammlung völkerkundlicher Gegenstände und eine Reihe von Kopf-, Hand-, und Fußabformungen, Gesichtsmasken, daktyloskopischen und Blutgruppenuntersuchungen sowie Körpervermessungen, durchgeführt von Bruno Beger, der später im KZ Auschwitz mit vergleichbaren Fragestellungen anatomische Forschungen durchführte, sollte helfen, die Synthese von Natur, Mensch und Kultur aufzuzeigen. Dabei ging es insbesondere um den Nachweis des Ursprungs als des 'arisch' bezeichneten Menschen.
Einen Teil der völkerkundlichen Sammlung und der anthropologischen Abformung stellte Schäfer, der auf Einladung des Gaupropagandamtes und des Hauses der Natur 1942 in Salzburg über seine Tibet-Expedition referierte, dem Museum zur Verfügung.
In großen Dioramen sollten sie der Öffentlichkeit vorgeführt werden, um den innigen Zusammenhang zwischen dem Menschen und seiner Umwelt optisch zu verdeutlichen. Initiiert und finanziert wurden die drei neuen Dioramen, an denen von 1940 an gearbeitet wurde, vom 'Ahnenerbe'. (Nach 1945 wurden die Dioramen anläßlich der Übersiedlung des Museums originalgetreu rekonstruiert).
Diese neue Abteilung, die heute noch Bestandteil des Museums ist, fügte sich nahtlos in die Tradition des Museums ein. Schon 1926 hatte das Museum eine gemeinsame Tagung mit der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft und der Wiener Anthropologischen Gesellschaft mit immerhin 320 Teilnehmern durchgeführt. Auch die Aufstellung von Abformungen von Rasseköpfen, also von nordischen, ostischen, dinarischen und jüdischen Köpfen - einige davon waren bis in die 90er-Jahre Teil der Schausammlung - und die Begehrlichkeit von Tratz nach Zigeunertypen, die er von einem Professor Ritter zu erlangen suchte, machen das durch nationalsozialistische Ideologie überformte darwinistische Konzept dieses Teils des Museums deutlich. Der der Vererbungs- und Rassenlehre gewidmete Saal wurde 1940 eröffnet - in demselben Jahr, in dem in einer Festaufführung der Film  Jud Süß in Salzburg gezeigt wurde.

1945 wurde Maximilian Pieperek zum Leiter des Hauses der Natur bestellt. Tratz, verhaftet und 1945 bis 1947 interniert, gelang es rasch, seine  unpolitische Haltung glaubhaft zu machen und sich zu rehabilitieren. 1949 bereits konnte Tratz seine Rehabilitierung öffentlich im Zuge des 25jährigen Jubiläums des Museums feiern - und er wurde wieder zum Leiter des Hauses bestellt.
Unter seinem Nachfolger, Eberhard Stüber wurde auf Initiative des Museums selbst lange nichts zur aktiven Aufarbeitung der Geschichte des Hauses unternommen. Erst als sich die Medien und die lokale Politik mit dem Museum zu beschäftigen zu begannen, begann sich die Wahrnehmung einer breiteren Öffentlichkeit für die Geschichte des Museums zu schärfen. Es wurden aus der Dauerausstellung verschiedene Objekte entfernt und Mißbildungen auf Anraten einer eigens eingesetzten Kommission an das Anatomisch-Pathologische Bundesmuseum in Wien übergeben. Das geschah erst 2004.
Ein wirklich überfälliger Schritt wurde erst 2007 gesetzt. Der Salzburger Historiker Robert Hoffmann wurde mit einem Gutachten zu den Aktivitäten von Eduard Paul Tratz im Rahmen des „Ahnenerbes“ der SS 1938-1945 beauftragt. Was teilweise bereits bekannt und erhoben worden war wurde in einem präzisen Text mit erhellenden neuen Forschungsergebnissen bereichert und zusammengefasst.
In den Schlußfolgerungen seines Gutachtens kommt Robert Hoffmann unter anderem auf die mangelnde Aufarbeitung des NS-Hintergrundes der Tibet-Dioramen zu sprechen und erweitert seine Überlegungen: Es war nie ein Geheimnis, dass die Tibetschau im „Haus der Natur“ ein Ergebnis der engen Kooperation zwischen dem Leiter der SS-Expedition nach Tibet 1938/39 Ernst Schäfer und Prof. Tratz darstellt. Dieser Zusammenhang wurde in der Selbstdarstellung des Museums nach 1945 allerdings eher verschleiert als thematisiert, was wiederum damit zusammenhängt, dass die NS-Ära in der Museumsgeschichte als Ganzes ausgeblendet wurde. Es wäre hoch an der Zeit, dieses Defizit im Rahmen einer umfassenden Sammlungs- und Organisationsgeschichte des „Hauses der Natur“ aufzuarbeiten, umso mehr als de facto alle österreichischen Kunstmuseen - auch jene im Bundesland Salzburg - ihre Sammlungsgeschichte im Zuge aufwändig betriebener Provenienzforschung längst lückenlos dokumentiert haben und sich auch führende naturwissenschaftliche Museen dieser Aufgabe gestellt haben.
Daß Hoffmann sein Gutachten nach Fertigstellung abänderte, zeigt, auch wenn es nur um einen Halbsatz ging, wie sehr das Museum und seine Geschichte noch immer zu Konflikten Anlass gaben und geben. Die Passage „...dass die NS-Ära in der Museumsgeschichte als Ganzes ausgeblendet wurde“ milderte er in einer Bemerkung ab „...dass die NS-Ära in der Museumsgeschichte bislang nicht adäquat behandelt wurde.“
Der ehemalige Landeshauptmann von Salzburg, Hans Katschthaler, Mitglied des Kuratoriums des Hauses der Natur, hatte sich in einem Zeitungsartikel heftig gegen die ursprüngliche Formulierung verwahrt.
Hoffmanns  Gutachten (1) ist ein Auftakt, eine Aufforderung zur Aufarbeitung, noch nicht diese Aufarbeitung selbst. Ob es zu einem großen wissenschaftlichen Projekt kommt ist unklar. Die Chancen sind günstiger, denn inzwischen gibt es einen neuen Direktor, von dem man annehmen kann, daß er – schon allein generationell – größere Distanz zur Geschichte des Hauses haben könnte. Auf der neuen, aktuellen Webseite des Museums wird, so ist mein Eindruck, peinlichst jedes Anstreifen an das Thema vermieden. Auch der einschlägige Wikipedia-Artikel enthält keine Spur eines Hinweises.
Immerhin, nach einem Umbau und einer beträchtlichen Erweiterung des Museums 2009, ist das bis dahin im Entrée ständig präsente Denkmal für Tratz verschwunden. Doch viele wissenschaftliche Einrichtungen und nach ihm benannte Preise erinnern weiter an ihn und das zeigt, daß die Aufarbeitung auch der Naturschutzbewegung als Ganzer guttun würde und nicht nur dem Museum. Eine gründliche Aufarbeitung der Geschichte und Funktion des Hauses der Natur durch das Museum selbst steht also noch immer aus. Sie könnte, wenn sie die gesamte Geschichte des Hauses umfasste, mehr sein als nur ein Stück Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, sondern eine museologische und zeitgeschichtliche Modellstudie.


(1) Eine Zusammenfassung: Robert Hoffmann: Ein Museum für Himmler. Eduard Paul Tratz und die Integration des Salzburger „Hauses der Natur“ in das „Ahnenerbe“ der SS, in: Zeitgeschichte, Heft 3, 35. Jahrgang, Mai / Juni 2008, Seite 154–175.
Fotos (GF): Tibetdioramen. Das aus dem Foyer "verschwundene" Tratz-Denkmal, eine Gedenktafel als "Unschuldskomödie" - demnach hätte das Museum gar keine Geschichte vor 1959.

Samstag, 11. Oktober 2014

Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner Vergangenheit. Manche Frage bleibt offen.


Das Haus der Natur in Salzburg stellt sich nun zum ersten Mal seiner Geschichte. Neunzig Jahre nach seiner Gründung durch Paul Eduard Tratz wird dessen Direktionszeit als "Ära" in Form einer Ausstellung gewürdigt. Aber man muß nicht befürchten, daß dieser eher affirmative Begriff „Ärafür eine neuerliche Würdigung von Tratz steht, die dessen vielfältigen Aktivitäten während der NS-Zeit und als SS-Funktionär im "Ahnenerbe" zudeckt.
Die AusstellungDas Haus der Natur 1924-1976 - Die Ära Tratz[1] (bis 30.Juni 2015), die nicht mehr als einen großen Raum und den vorgelagerten Gang beansprucht, listet wesentliche Aktivitäten von Tratz auf, wie sie in jüngeren Forschungen umfassend dokumentiert wurden.[2] Nun kann sich niemand mehr auf Un- oder Halbwissen zurückziehen. Die Beschlagnahmungen, die Raubzüge, die rassenideologischen Forschungen, die Plünderungen selbst katholischer Institutionen und das direkt in der Stadt Salzburg, die Vernetzung mit einschlägigen Institutionen und Personen, Trat schreckliche Schriften, das ist jetzt umfassend dokumentiert. Mit Zitaten, Publikationen, Dokumenten, Fotografien und Filmen, vieles davon noch nie veröffentlicht. Viele zusammenfassende (merkwürdig altbacken designte) Texte (auch in Englisch) verknüpfen alles zu einer ausführlichen chronologischen Darstellung.


Daß die Ausstellung vor allem dokumentiert und sich weitgehend jeden moralisierenden Kommentars enthält, sehe ich positiv.[3] Auf die Dokumentation aufbauend kann man gut seine eigenen Schlüsse ziehen und sich seine Meinung bilden. Allerdings endet die Dokumentation dort, wo es um die Verbindung zur Zeit nach Tratz langer Direktion und um die Gegenwart geht. Es gibt im Moment keinen Katalog oder eine Publikation der Arbeit der Expertenkommission (die offenbar vorgesehen ist).[4] Warum der von der US-Besatzungsmacht eingesetzte Nachkriegsdirektor mehr oder weniger weggelobt wurde, um wiederum Tratz Platz zu machen, dessen Entnazifizierungsverfahren für ihn sehr günstig "gestaltet" wurde, wirft die Frage nach den Motiven und den Förderern und Seilschaften auf. So bleibt auch die Entscheidung, als Tratz Nachfolger Eberhard Stüber, dessen Schüler, einzusetzen, im Dunkeln. Dessen Direktion, soll, wie man off records hören konnte, ausdrücklich und als Bedingung für das Zustandekommen des Forschungsprojekts zur Geschichte des Hauses ausgespart werden.
Stüber hielt aber immer am Erbe von Tratz fest, er machte selbst noch fragwürdige ethnologische Feldforschung und ich erinnere mich gut an die Dermoplastiken und die Fotografien, die ihn mit seinen "Forschungsobjeketen" zeigten. Niemand nahm daran Anstoß, auch nicht an den rassenkundlichen Figurinen aus der Direktionszeit von Tratz, die u.a. den "östlichen" und "westlichen Typ" darstellen sollten.
Stüber wusste genau, was diese Objekte bedeuteten und wie wenig harmlos sie waren. Als der Europarat eine große Tagung im Haus der Natur abhielt, führte Direktor Stüber durch das Haus, vermied es aber jene Räume zu zeigen, in denen einschlägige Objekte zu sehen waren.


Die Direktion Stüber, in der Ausstellung wie in dem zitierten begleitenden Aufsatz[5] also einfach ausgespart, gehörte aber unbedingt ebenfalls untersucht. Und zwar deshalb, weil eine der Schlüsselfragen, die nach der Entwicklung des Hauses der Natur, nach Kontinuitäten und Diskontinuitäten von museologischen und naturkundlichen Paradigmen und Ideologien, offen ist. Auch nach der Ausstellung.
Dennoch meine ich, daß die Ausstellung ohne wenn und aber verdienstvoll ist. Sie wird dem Museum bei einer Neuorientierung guttun und sie bietet der öffentlichen Meinung endlich umfassend Information, die es abgesehen von Roberts Hoffmanns Aufsatz nur bruchstückhaft gegeben hat. (Bis heute gehören die Posts zum Haus der Natur in meinem Blog zu den meistgelesenen, ich nehme an, weil sie zu den wenigen Quellen zur Direktion Tratz überhaupt zählen.)[6]
Die Ausstellung gliedert die Geschichte des Hauses der Natur in drei Teile: Da wäre die aus gleichsam laienhaften und bescheidnen Anfängen (Vogelkunde; vogelkundliche Forschungsstation) ein regional bedeutsames, pädagogisch engagiertes Naturmuseum entstanden, eine gleichsam "unschuldige" volksbildnerische Einrichtung, die auf Grund der Beziehung von Tratz zu Wissenschaft und Politik sich anschickte überregionale Resonanz zu bekommen.
Dann kommt die Zeit, in der das Museum Teil des SS-Ahnenerbes wird und sich Tratz nun "schuldig" macht, wie vielfach belegt wird. Die Ausstellung thematisiert diesen Bruch, aber als rätselhaft und nicht erklärbar.
Die dritte Phase wäre dann die der Erneuerung, der Reform und schließlich der ökologischen Neuorientierung. Wir sollen annehmen, daß mit diesem dritten Teil der Geschichte die Kontaminierung mit der Politik und Ideologie des Nationalsozialismus vorüber gewesen sei und ein neuer Abschnitt, der der Entschuldungangebrochen sei.


Das passt nun aber gar nicht zu den Tatsachen. Zunächst tritt ja Maximilian Piperek,[7] NSDAP-Mitglied, die Direktion an, von dem mir aus der knappen Darstellung seiner Biografie und seiner Vorhaben nicht klar geworden ist, ob er sich bloß um eine Modifikation Tratzscher Ideologeme bemüht hat oder ob das ein wirklicher Bruch mit der Vergangenheit war. Die beträchtlichen Aggressionen gegen ihn und die Vehemenz, mit der man Tratz wieder zurückwünschte und dann ja auch tatsächlich zurückholte, sind erklärungsbedürftig. Ist es nicht erstaunlich, daß jemand, der im erzkatholischen Salzburg katholische Institutionen plündern ließ, um sein Museum anzureichern, solche Sympathien haben konnte? Was an ihm war so wichtig, was vertrat er, was war erwünscht, daß er dort weitermachen könnte, wo er aufgehört hatte? Die Ausstellung erwähnt, daß sich Tratz nach 1945 von nichts distanzierte, keine seiner Publikationen verschwieg.
Im eben erschienenen Aufsatz im neuen museum betonen die Autoren Norbert Winding (als Direktor des Hauses der Natur und Mitarbeiter bereits unter Eberhard Stüber) und Robert Lindner (Leiter Sammlungen und Wissenschaft und Leiter des Forschungsprojekts) sowie Robert Hoffmann[8] die Einzigartigkeit des Konzeptes des Hauses der Natur und seiner Abhängigkeit von einer Person, die ohne Zweifelausschlaggebend für die Wiederbestellung von Tratz (ab 1.Juni 1949 ist er wieder Leiter des Hauses der Natur) gewesen sei. Zugleich werden aber die vehementen Forderungen nach Rückkehr durch seine früheren Mitarbeiterund von Mitgliedern des von der Besatzungsmacht aufgelösten Trägervereins erwähnt.[9] Die Autoren halten es für nachvollziehbar, daß Stadt und Land aus pragmatischen GründenTratz zurückholten. Mit solchen Formulierungen vermeidet man jede Beschäftigung mit der politisch-ideologischen Situation in Land und Stadt Salzburg nach 1945 und braucht sich daher auch nicht mit dem zähen und langen Nachleben von Seilschaften und dem Widerstand gegen Aufklärung zu beschäftigen, der bis heute noch zu spüren ist. Wenn die Salzburger Grünen kürzlich haben ausrichten lassen, daß ihr Antrag, Tratz die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen, versandetsei, dann darf man sie fragen, was sie seit 2009 unternommen haben, um ihrem Antrag zum Erfolg zu verhelfen,[10] erst recht jetzt, wo sie an der Landesregierung beteiligt sind.[11]

Gegen die Bewertung des bislang letzten Abschnitts der Museumsgeschichte als vollzogener Bruch mit Tratz und seiner Ideologie spricht die Entwicklung des Hauses unter dessen Eberhard Stüber, der ein, wie man so sagt, Schüler von Tratz war. Er war ebenso wenig wie Tratz nach 1945 jemand, der sich der Vergangenheit des Museums und dem ihm zugrundeliegenden Naturverständnis distanzierte. Die unter ihm angebahnten ökologischen Projekte und Diskurse, die man als Indizien für den grundlegenden Wandel anführt, müssen nicht unbedingt als solche gelten. Man kann dies als Mitvollziehen eines wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Paradigmenwechsels verstehen, es war aber auch, und vielleicht das oft in erster Linie, eine willkommene neue Legitimation einer Institution, die generell unter Legitimationsdruck geraten war. Das galt und gilt für Naturmuseum, die ihre taxonomische und archivierende Arbeit allein nicht mehr als Legitimation ausreichend einstuften. Was man kurzerhand als Modernisierung einschätzt oder propagiert, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ökologische Wende in der Auffassung von Natur. Die aber beginnt lange vor dem Nationalsozialismus, und damit auch mit ihren rassistischen und inhumanen Implikationen, eine Bewegung, die gerade in Österreich auch nach 1945 sehr prominent war. Ich erinnere nur an Konrad Lorenz und den Konflikt, der um seine Verhaltensforschung ausbrach. Diese ökologische Naturauffassung kennt sehr unterschiedliche Spielarten, und einige davon gehören zum Kernbestand der Grünen Bewegung und Partei. Bernhard Lötsch etwa, der direkt aus dieser Bewegung heraus zum Museumsleiter des Wiener Naturhistorischen Museums gemacht wurde, vertrat eine ideologisch-politische, um es freundlich zu formulieren, sehr konservative Position. Er, wie Stüber ein außerordentlich engagierter Naturschützer, wehrte sich vehement gegen die Auflösung des sogenannten Rassensaales, der weder wissenschaftlich noch ausstellungsdidaktisch haltbar war und unter seiner Direktion wurden z.B. einschlägige (etwa zeitgleich zu den Salzburger Abformungen entstandene) rassenpolitische Präparate aus der NS-Zeit in der Eingangshalle als Eyecatcher zur Werbung für Blutspenden (sic) eingesetzt.
Diese Geschichte einzubeziehen scheint das Forschungs- und Ausstellungsteam nicht beabsichtigt zu haben. Hätte man das getan, wäre die 'Dreiteilung' der Geschichte des Hauses der Natur so nicht haltbar, wie sie in der jetzigen Ausstellung vorgenommen wird. Es wäre dann z.B. der scheinbar so rätselhafte Übergang vom naturkundlich engagierten Pädagogen Tratz zum Vernichtungstexte abfassenden Funktionär eines berüchtigten Forschungsinstituts weniger unverständlich gewesen.
Dies zu leisten steht also ebenso noch aus, wie endlich die Direktionszeit und Biografie von Eberhard Stüber aufzuarbeiten, nicht allein um der Aufhellung persönlicher Haltungen und Handlungen willen, sondern zur Aufklärung jener Kontinuitätsgeschichte der Ökologie- und Naturschutzbewegung, die (bis heute) den Rahmen des Hauses der Natur bildet.
Dann könnte man noch einen dritten Aspekt thematisieren, der bislang noch kaum wo gewürdigt wurde: die museologisch-didaktische Philosophievon Tratz, also seine eminent pädagogische Bemühung um Verständlichmachen und Veranschaulichen. Seine unzähligen ungemein liebevoll gebauten didaktischen Apparaturen, akkurat beschriftet, beweglich, bunt, möglichst klar, einfach, kind- und erwachsenengerecht - dieses enorme Repertoire an Didaktikverschwindet langsam aus dem Haus, sicher auch, weil es durch modernere Medien überholt wirkt. Klar, diese eminent didaktische Haltung gehört zur ökologischen Vermittlungsarbeit, bei der die Grenzen zur politisch-ideologischen Doktrinierung während der Jahre des NS nicht zu ziehen sind. Noch heute kann man in den Restbeständen der Tratzschen Veranschaulichungs-Maschinchen Objekte oder Schautafeln entdecken, die unmissverständlich sein schreckliches Menschen- und Naturbild verraten. Diese Didaktik läßt sich nicht isolieren und als Museumspädagogik an sich studieren oder bewundern. Dennoch hätte ich es für sinnvoll gehalten, diese große Besonderheit des von Tratz  geprägten Hauses der Natur im Kontext der Erneuerungsbewegungen und Museumsdidaktik seit 1900 zu untersuchen und zu bewerten. Ich bin auch nicht dafür, alle Tratschen „Überlebsel, die das Haus zeigte und z.T. noch zeigt, einfach verschwinden zu lassen. Behutsam in eine neue Ausstellung integriert und kontextualisiert könnte man ihnen ein längeres Überleben ruhig gönnen.
Daß man die Tratz-Büste aus dem Foyer und dem Museum schon vor Jahren im Zuge eines Umbauus des Foyer entfernt hat, ist richtig. Das Museum darf nicht unterm Zeichen einer solchen Person stehen. Ich bin aber nicht für eine "Entschuldung" durch Entfernen oder Entsorgen. Dadurch wird man seine unerwünschte Geschichte nicht los, eher im Gegenteil. Unter der Bedingung der Aufarbeitung, die mit der Ausstellung nun nachdrücklich eingesetzt hat, könnte so manches bleiben oder wieder gezeigt werden, wenn es in einem neuen Kontext und unter Klärung der historischen Bedingungen vielleicht ganz neue Erkenntnisse ermöglicht.
Das gilt namentlich für die Tibet-Dioramen, die aus der Ahnenerbe-Forschung stammen und zu den Attraktionen des Hauses gehören. Sie werden seit Tratzens Zeit gezeigt. In der Ausstellung wird ihre Herkunft und ihr Zustandekommen dokumentiert, im Museum nicht. Ganz im Gegenteil. Anlässlich eines Besuchs des Dalai Lama im Museum während der Direktion Stüber wurden den Dioramen zwei Textafeln vorgeschaltet, die aus dem Ensemble eine "Tibet-Schau" mit einer komplett irreführenden Jahreszahl machen. Der unbedarfte Besucher meint nun, daß diese Schau in jüngster Zeit aus Anlass des Besuches des religiösen Oberhauptes der Tibeter entstanden ist und daß dieser, so scheinen es die Fotos zu belegen, der Ausstellung außerdem Nobilität und Authentizität zuerkannt hat. Also im Akt einer Art von Imprimatur von "höchster Seite". Das kann so nicht bleiben und ich wundere mich, warum das eigentlich immer noch so gezeigt wird, wo es doch erst recht zeitgleich mit der Ausstellung extrem fragwürdig wird. Man hätte nur eineiige Texte der Ausstellung doppelt ausdrucken müssen und hätte eine provisorische Kommentierung der Tibet-Dioramen zur Hand gehabt. Gerade hier muß die Ausstellung und die umfassende Recherche zur Geschichte des Hauses praktisch werden. Die Funktion und Ideologie der Tibet-Expedition gehören benannt, die Eckdaten präzisiert, das Zustandekommen der Dioramen einschließlich der Information, daß die Figuren nach rassenkindlich behandeltenTibetern entstanden sind, die man vor Ort vermessen und denen man Masken abgenommen hat.
Das wird aber nicht reichen. Die Dioramen vermitteln das Bild eines archaischen und ursprünglichen Tibet. Lhasa liegt da wie zur Zeit Sven Hedins oder Heinrich Harrers. Tibet ist heute eine Region Chinas, was zwar in einem Text angedeutet wird, aber für Besucher, die Lhasa schon mal für Salzburg halten,[12] doch viel zu verschlüsselt und versteckt. Also müsste man - mindestens - etwas zum heutigen Tibet sagen, zur Differenz der Bilder, die man vor Augen hat, zur Gegenwart und der heutigen Lebenswirklichkeit der Tibeter.
Mit der Ausstellung hat das Museum einen großen und verdienstvollen Schritt getan. Sie wird lange gezeigt und wird vermutlich im Land und in der Stadt das Bewusstsein für das Haus verändern. Die Dokumentation, die man zeigt, ist umfangreich, behandelt sehr viele Aspekte, weit mehr, als bisher bekannt waren und bezeugt mit z.T. grotesken Fotos - Männer in Loden rauben Tierpräparate- die Ungeheuerlichkeiten, die zur NS-Zeit rund ums Haus der Natur passierten und mit dem Namen Tratz ab nun definitiv verknüpft sein werden.
Manches bleibt, wie ich gezeigt habe, offen, halb stecken. Immerhin hat man mit der Restitution von Objekten begonnen, die im Laufe des Jahres 1914 auch abgeschlossen werden sollte. Man wird sehen, wie sich das Museum weiter entwickelt und ob und wie die Aufarbeitung der Geschichte des Hauses weitergeführt werden und in seine Praxis hineinwirken wird.







[1] Norbert Winding, Robert Lindner, Robert Hoffmann:  Geschichtsaufarbeitung als Ausstellung: Das Haus der Natur 1924-1976 - Die Ära Tratz, in: neues museum, Oktober 2014, 14.Jg., Nr.4, S.62-67
[2] Robert Hoffmann: Ein Museum für Himmler. Eduard Paul Trat und die Integration des Salzburger Hauses der Natur in das Ahnenerbe der SS, in: Zeitgeschichte, 35.Jg., Mai/Juni 2008, S.154-175
[3] Das Museum schreibt sich die Initiative zur Aufarbeitung selbst zu und rühmt sie als Pioniertat im Feld der Naturmuseen. Allerdings listet ein Ausstellungstext - lückenhaft - diverse Presseartikel und wissenschaftliche Beiträge auf, die seit den 80er-Jahren die Geschichte des Hauses der Natur nach und nach aufhellten. Möglicherweise war letztlich der Auftrag des LH-Stellvertreters und Aufsichtsratsvorsitzenden des Hauses der Natur, Buchleitner, ausschlaggebend dafür, daß eine Art Historikerkommission zustandekam. Deren Arbeit liegt der jetzigen Ausstellung zugrunde.
[4] Die Arbeitsgruppe setzte sich aus dem Zeithistoriker Robert Hoffmann zusammen, Susanne Köstering, einer Potsdamer Museologin, die auf Naturmuseen spezialisiert ist. Die Kuratorin des Naturhistorischen Museums Maria Teschler-Nicola, Anthropologin und des Zoologen Alfred Goldschmied.
[5] wie Anm.1
[6] Den gemeinsam mit Sabine Schleiermacher verfassten Essay Blutgebundene Abhängigkeit habe ich 2010 im Blog noch einmal veröffentlicht. Er erschien im Standard 1992 und war die erste Beschäftigung mit der NS-Geschichte des Hauses der Natur für eine breitere Öffentlichkeit. Der Artikel blieb ohne jede messbare Reaktion. Hier der Link: http://museologien.blogspot.co.at/2010/04/blutgebundene-abhangigkeit-das-haus-der.html
Ebenfalls 2010 habe ich eine Art Kurzgeschichte des Museums zur Zeit der Tratzschen Direktion im Blog verfasst, Das Haus der Natur als Institut des SS-Ahnenerbes. Link: http://museologien.blogspot.co.at/2010/01/das-haus-der-natur-in-salzburg-als.html
2013 kam dann ein weiterer Post hinzu, Selbstverordneter Gedächtnisschwund, dessen Anlass die informationslose Webseite war, wo man nahezu nichts über die Rolle von Tratz und die des Museums in der NS-Zeit erfuhr. Darauf reagierte das Museum allerdings rasch und rüstete die Webseite mit einschlägigen Informationen nach. Link: http://museologien.blogspot.co.at/2010/01/das-haus-der-natur-in-salzburg-als.html
[7] Piperek war Gymnasiallehrer mit naturkundlicher und philosophischer Ausbildung. 1945 von der amerikanischen Besatzungsmacht eingesetzt.
[8] wie Anm.1
[9] wie Anm.1, S.66
[10] Die Landesregierung nennt den Entzug der Ehrenbürgerschaft rechtlich nicht durchführbar.
[11] Gerald Lehner berichtet über die inzwischen zweite Umbenennung einer Forschungsstation am Großglockner. Nachdem der Name Tratz vorübergehend durch eine neutrale Bezeichnung ersetzt worden war, wurde die 1989 gegründete und vom jetzigen Direktor des Hauses der Natur, Norbert Winding eingerichtete Station kürzlich in Eberhard Stüber Forschungsstation umbenannt. Lehnet: Im Fall der Tratz-Haus der Natur-Stüber-Forschungsstation in den Hohen Tauern spart nun die Salzburger Landeshauptmann-Stellvertreterin und Naturschutz-Referentin Astrid Rössler nicht mit Lob für Akteure. Die oberste Grüne spricht wörtlich von einer Pioniertat ökologischer Grundlagenforschung und einer visionären Entscheidung, als vor genau 25 Jahren die Tratz-Forschungsstation im Nationalpark Hohe Tauern gegründet wurde. In der entsprechenden Aussendung der Salzburger Landeskorrespondenz vom 19. September 2014 fehlt jeder Hinweis auf die langen Debatten um die Station, die Vergangenheit des Naturkundemuseums Haus der Natur und des SS-Naturforschers Tratz. Gerald Lehner: Neuer Personenkult, alte Geschichtslosigkeit. 20.September 2014 (Blog) http://hausdernatur.wordpress.com/
[12] Ein sicher schon mehr als volksschulpflichtiges Kind identifiziert den Potala als Salzburg und beharrt, als die Eltern rat- und ergebnislos in dem erläuternden Text lesen, ahnend, daß da was nicht stimmen kann, in Berufung auf die Autorität eines Onkels: das ist Salzburg. Er hats gesagt. Die Kleinfamilie zog ratlos ab, die Eltern blieben - aus eigener Ahnungslosigkeit oder pädagogischer Großmut? - stumm.