Freitag, 6. Juni 2014

Eben wird gemeldet: Verkauf der Sammlung Essl scheint fix zu sein

Wie der Standard eben meldet, soll darf Verkauf der Sammlung Essl beschlossene Sache sein. Teile der Schätzung sollen vorliegen, es werden auch schon Summen genannt. Zuletzt waren die Nachrichten über die wirtschaftliche Verfassung des Baumax-Konzerns sehr schlecht. Der worst case rückt näher. Offen bleibt die Frage, ob das Museum weitergeführt werden wird.

Hier zum Artikel: http://derstandard.at/2000001841973/Sammlung-Essl-wird-verkauft

Donnerstag, 5. Juni 2014

Schon wieder oder noch immer keine Museumskrise?

Schlechtes oder gutes oder gar kein Wetter?
Ein roter Faden (unter mehreren) in diesem Blog ist die Beschäftigung mit dem Phänomen "Museumskrise". Wo immer es nach Museumskrise ausschaut, riecht, anfühlt, wird zwar darüber geredet, aber eigentlich immer so, als ob es keine Krise gäbe. Meine Zeitzeugen waren Kuratoren, Direktoren, Funktionäre, überwiegend aus Deutschland, denn in Österreich äußern sich namhafte Museumsleute erst mal gar nicht in der Öffentlichkeit zu Grundsatzfragen.
Jetzt gibt es neuen Leiter des Deutschen Museumsbundes und da tritt der Deutschlandfunk in Gestalt von Frau Doris Schäfer-Noske auch schon an den obersten Museumsfunktionär heran, Hern Eckart Köhne.
Wir schreiben den 4.6.2014 und worüber reden die beiden?
Über die "Quote". Aha.
Ein kleiner Zuwachs Jahr für Jahr könnte ja beruhigen, der werde aber nur von Museen gefüttert, die "aktiv" sind, sich "um ihr Publikum" bemühen.
Die Rede ist hier, gleich ganz zu Beginn, von Sonderführungen, Workshops, Vorträgen und Festen. Also nicht von den klassischen Museumsaufgaben.
Hat an dem Punkt nicht die Krise schon begonnen, mitten im Gespräch und durch das Gespräch? In dieser Einigkeit von Journalistin und Museumsfachmann, sich zunächst mal über Quote und Quotenmanagement zu unterhalten?
Aber so ganz gut geht's den Museen ja nicht. Die "Leuchttürme" (eine Sprachregelung des Gesprächs), die seien ja noch gut dran, bei den kleineren wird's zusehends schwieriger. Es wird gespart. Und jetzt geht's an das "teure" wissenschaftliche Personal.
Wer gibt dem Herrn Präsidenten das Wort "teuer" ein. Teuer im Verhältnis wozu eigentlich? 
Und, fragt mutig und ausdrücklich "ketzerisch" Frau Schäfer-Noske, gibt's mit 6400 Musen nicht zu viele, kann man da nicht welche schließen?
Mit der Replik werden wir wieder Zeuge des geheimnisvollen Museumsrechtfertigungsrituals, das sich seit je her bewährt haben, und das jeder gestandene Museumsmensch in der Tasche mit sich führt und das auch noch immer gültig sein soll.a) "Museen sind größte kulturelle Bildungseinheit(en)" und b) "Museen bewahren das bewegliche kulturelle Erbe". (Der Museumspräsident).
Also was dann? Muß was geschehen? Und wenn ja, was?
Schwerpunkte zur Finanzierung der Kultur müssten her, und zwar klare.
Und die Museen, was müssten denn die machen? Nix?
In diesem Gespräch werden wir es nicht erfahren.
"Schäfer-Noske: Das war Eckart Köhne, der neue Präsident des Deutschen Museumsbundes, zum Internationalen Museumstag. Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen."
Wir bleiben am Ball...! Atemlos!

Eckart Köhne ist Direktor und Geschäftsführer des Historischen Museums der Pfalz in Speyer.

Objet trouvée "Partizipation"


Quart (Tiroler Kulturzeitschrft). Ich danke R.G. für die Spende!

Mittwoch, 4. Juni 2014

Die Debatte um das Grazer Kunsthaus ist beendet. Für den Intendanten des Joanneum

Joanneum-Newsletter Juni 2014



"Kunst der höchsten Qualität

Das Kunsthaus Graz erntete zuletzt lokale Kritik ebenso wie überwältigendes Lob aus der ganzen Welt. Beides markiert das Spannungsfeld eines Hauses, das sich der höchsten Qualität von Kunst verschrieben hat. Diese zieht nicht automatisch Massen an, aber sie festigt den weltweiten Ruf der Kunst-Stadt Graz.

Das Juni-Programm bildet dies vorzüglich ab: Die Retrospektive zu Karl Neubacher, einem großen Pionier aus Graz, zeigt, dass auch in der Peripherie Bedeutendes geschehen kann. Mit Katharina Grosse zeigen wir eine der meist diskutierten Positionen aktueller Malerei, und mit Werken des französischen Klassikers Eugène Leroy präsentieren wir in der Neuen Galerie Graz einen dazu kontrastierenden Hymnus auf die Farbe.

Über Sinn und Wert der Kunst lässt sich mit diesem Programm trefflich streiten. Jedenfalls ist es ein Plädoyer für einen Ort, der Kunst auf höchstem Niveau zeigt – und damit international punkten kann.

Peter Pakesch, Intendant"

Dienstag, 3. Juni 2014

Daniel Spera äußert sich zum Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel. Auf bemerkenswerte Art.

Daniel Spera ist nicht nur Direktorin des Wiener Jüdischen Museums, sie ist auch Präsidäntin von ICOm Österreich. Für alle, die ICOM nicht kennen - dies ist ein internationaler Museumsverband, mit Sitz in Paris und zahllosen nationalen Komtees in aller Welt.

Im neuesten österreichischen ICOM Newsletter schreibt Frau Spera:

Sehr geehrte ICOM Mitglieder!
Der Terroranschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel hinterlässt uns bestürzt und in Trauer. Das grausame Attentat traf ein Museum, das sich besonders für Toleranz, gegenseitiges Verständnis und interkulturellen Austausch einsetzt. Einen Ort des Erinnerns und Vermittelns von jüdischer Geschichte und Religion. Unsere Anteilnahme und Solidarität gilt unseren Kolleginnen und Kollegen, den Besuchern und allen Angehörigen. Wir senden den Familien der Opfer unser tiefstes Mitgefühl.
Dr. Danielle Spera
Präsidentin ICOM Österreich

Daniel Spera macht aus dem Anschlag einen auf ein Museum und gebraucht das Schlüsselwort zu dem Anschlag nicht: Antisemitismus. Sicher, der Ort ist nicht arbiträr, aber es hätte der Anschlag jeder jüdischen Einrichtung gelten können. Er galt nicht einem Museum als Institution. Sie nennt die Opfer und zollt ihnen Anteilnahme, aber es scheint sie ihre Position als Vorstand einer Museumsvereinigung dazu zu verleiten, erst einmal "das Museum" attackiert zu sehen.

Pierre Mertens, ein belgischer Autor in Le Monde, dem andere, einschlägig 'vermeidende' Medienberichte aufgefallen waren: "Ein Wort hätte ausgesprochen werden müssen, gewiss, es ist nicht angenehm zu hören, denn es spricht von Sorglosigkeit und Voraussehbarkeit. Nichts war so wenig unerwartet... Spielen wir kein Ratespiel. Der Antisemitismus, die neue Judenfeindlichkeit breitet sich überall in Europa aus: Warum sollte Belgien davon verschont bleiben?"

 


Das Zinsou-Museum. Ein Museum moderner Kunst in Afrika. (Ein Museum)

Die NZZ berichtete unlängst über "das erste Museum für Gegenwartskunst in Afrika".  Das klingt selbstverständlich interessant. Freilich stolpert man schon im Artikel selbst über einige Relativierungen. Es gibt in Afrike mehrere Plätze, wo moderne Kunst ausgestellt wird, nur entsprechen die nicht immer dem gängigen Bild von Museen. Wie auch übrigens der Ort, von dem die Rede ist: Es ist eine Fondation, die Wechselausstellungen veranstaltet, die sich wiederum in erster Linie an (Schul)Kinder wenden. Man könnte es also genausogut als Kunsterziehungsprojekt bezeichnen.
Es wird afrikanische Gegenwartskunst ausgestellt. Im Artikel bleibt aber unklar, ob das ausschließlich für Museen, Ausstellungen oder den Kunsthandel angefertigte Objekte sind, die also dem durch westliche Produktionsbedingungen geprägten Werk- und Kunstbegriff folgen, oder ob es sich nicht auch um - wie es die Aussage der Direktorin nahelegt, es würde Kunst aus allen Regionen Afrikas gezeigt -,  Objekte mit ganz anderen Funktionen handelt, denen nachträglich das Etikett (Museums)Kunst verliehen wurde.
Die Idee zum Projekt hat durch ihre Erfinderin durchaus westliche Konnotationen. Marie-Cecile Zinsou kommt aus einer angesehenen Familie Benins, die in Paris erzogen wurde und finanziert wird es in Form einer Familienstiftung durch ihren Vater, der als Geschäftsmann in Paris lebt.

Markus H. Haefliger: Das Zinsou-Museum in Ouidah. In: Neue Zürcher Zeitung, 30.5.2014 (hier der Link)








Erfahrbarkeit der Existenz (Kuratiorensprech 01)

Alles fließt: Katharina Grosse lässt Böden in das Bild wachsen, Farbe legt sich unscharf über Leinwand-Landschaften, Räume und Funktionsobjekte erfahren eine skulpturale Kleidung. Durch minimale Perspektivwechsel wird groß zu klein. Der analytische Blick auf das Detail fließt in die metaphysische Erkenntnis des Gesamten. Das Publikum begreift das Bild als eigenständiges Wahrnehmungsereignis, der den Farbraum dynamisiert. Brutal, direkt, evolutionär und physisch festzumachen. Aus der Malerei kommend und sich auch als Malerin verstehend weitet Katharina Grosse ihre raumgreifenden Arbeiten seit den 1990er-Jahren als mächtige Farb-Vorstöße in den körperlich erfahrbaren Raum aus. Dabei schafft sie Situationen, die Farbe physisch spürbar machen. In ihren Arbeiten sind Grenzen dazu da, gefunden, betont und gleichzeitig gesprengt zu werden. Im Kunsthaus Graz beschäftigt sich die Künstlerin mit der Bedeutung der reduzierten Anspielung und des Theatralischen in der Farbe, indem sie einen Farbraum zum Bühnenraum ausbaut. Dabei stellen sich Fragen nach der Erfahrbarkeit von Materie und Existenz ebenso wie nach der ästhetischen Führung von Licht und Linearität.

AutorIn: unbekannt. Betroffene Künstlerin: Katharina Grosse. Jahr: 2014 Quelle: Webseite Universalmuseum Joanneum / Kunsthaus

Im Museum nach etwas Bestimmten suchen (Das Museum lesen 38)

Museen machen mehr Spaß, wenn man nach etwas Bestimmtem sucht. 
Ist man zum Beispiel in eine Zahnarzthelferin verliebt, kann man nach gar nicht seltenen Bildern fahnden, auf denen mit genüsslicher Boshaftigkeit das Zahnziehen dargestellt wird. Foto oder Postkarte von dem Motiv sind ein ideales Mitbringsel beim nächsten Zahnarzttermin.

Den (vergnüglichen) vollen Text von Joseph von Westphalen findet man in der Münchner Abendzeitung, online hier. Weiße Wäsche und faule Zähne

Sonntag, 1. Juni 2014

Gefährliche Kunst, ins Museum entsorgt

Ein deutscher Museumssziologe, der sich mit Kunst im öffentlichen Raum beschäftigte, hatte die These, daß Kunst dort ungleich konfliktträchtiger sei, als im Museum - ich denke, jedem fallen da rasch Beispiele. Einen kuriosen Fall gibt es jetzt um ein kurioses Denkmal des mit dem Kopf einen Gegener stoßenden Fußballspieler Zinedine Zidane, der darufhin ausgeschlossen wurde. Immerhin in einem WM-Finale.

Die Plastik, die den von einer Beleidigung Zidanes ausgelösten Kopfstoß verewigt, wurde vor dem Centre Pompidou in Paris aufgestellt und dann von der Museumsverwaltung Qatar gekauft und ebenfalls öffentlich aufgestellt. Und nun auf Grund von Protesten wieder entfernt. Gründe werden nicht genannt. Hat man die Botschaft des Künstlers, die er seinem Werk mitgegeben hat, es ginge um die Fehlerhaftigkeit auch heldenhafter Sportler (Männer?), nicht oder mißverstanden.
Die Lösung: die Plastik kommt ins Museum.
Womit wir wider sehen: Museen sind Orte der gefahrlosen Besichtigung - in vielerlei Hinsicht...

Donnerstag, 29. Mai 2014

In eigener Sache. Grenzüberschreitung und Verwunderung

Dieses Monat wird der Blog zum ersten Mal 10.000 Besuche haben.
Ich weiß nicht, ob das nun viel ist oder wenig, ich habe nur den Vergleich zu früheren Jahren, wo ich mir das nicht hätte vorstellen können. Wahrscheinlich werden es sogar 11.000 sein.
Erstaunlich ist etwas anderes, wofür ich keine Erklärung habe. Die Herkunft der Leser und Nutzer. Obwohl ich mit wenigen Ausnahmen auf Deutsch schreibe, sind es nicht die deutschsprachigen Länder, die die Statistik dominieren, abgesehen von Deutschland. Dieses Monat sieht das Landerranking die USA an zweiter Stelle, dann Norgwegen, dann erst Österreich und an fünfter Stelle - Indien. An zehnter kommt die - Ukraine. Belgien, Schweden, Frankreich, England, Italien, Russland, die Schweiz, die Niederlande, fast alles Länder, wo man stark wirkende Sprachbarrieren vermuten könnte, bilden mit den genannten Ländern den Grundstock der Leserschaft. Sicher, die - von mir gesuchte und forcierte - Bildlastigkeit erleichtert die polyglotte Nutzung, aber es gibt noch eine weitere Erfahrung, von Anfang des Bloggens an: es sind gerade schwierigere, längere und anspruchsvollere Texte, die am häufigsten gelesen werden und insofern am Nachhaltigsten wirken, als sie immer wieder und auch nach Jahren abgerufen werden.
Die gelegentlich geführte Debatte über die akademische Akzeptanz des Bloggens muß mich nicht interessieren, schon gar nicht, seit ich nach Beendigung meiner beruflichen Karriere keine einschlägigen Rücksichten wahrnehmen müsste (die ohnehin kaum je hatte). Es ist ja gerade mein Hauptvergnügen, mit einem Sschreiben zu experimentieren und mit einer Verbindung von Bild und Text, die sich an akademische Regeln nicht halten muß ohne sie ganz zu negieren.
In einem ist Bloggen klar dem akademischen Publizieren überlegen. Mit keiner deutschsprachigen Publikation würde ich (noch dazu extrem kurzfristig, also auch, wenn es mal wichtig ist, aktuell), derart international wahrnehmbar sein und - wie die genannten statistischen Daten zeigen -, auch wahrgenommen werden.
Regelmäßig, so etwa alle ein zwei Monate, freue ich mich über meinen Leser (oder sind es gar zwei?) auf Fiji...

Museumsszene: Afganisches Nationalmuseum Kabul

Museumsszene. Eremitage St. Petersburg

Mittwoch, 28. Mai 2014

O.T. (Texte im Museum 483)

Frequently asked, but never answered (Texte im Museum 482)

MAK Design Labor. Museum für Angewandte Kunst 2014 (Foto: GF) - Eine der simpelsten Fotmen der Beteilung des Publikums ist die Schaffung von Plätzen für Meinungsäußerungen, hier eine "Schultafel" mit einer vorgegebenen Frage. Vom Löschen der Kreideschrift macht das Personal Gebrauch, wenn das "Gepostete" gegen die guten Sitten verstößt. In diesem Fall waren die "Kontrollore" ganz zufrieden, und es törte sie nicht, daß so gut wie keine der "Antworten" etwas mit der Frage zu tun hatte. Partizipation? Alibi? Was auch immer.

Dienstag, 27. Mai 2014

Die USA haben ein Nationalmuseum. Das 9/11 Memorial Museum


Nicht der Bürgermeister von New York und nicht der Gouverneur hat es eröffnet, das 9/11 Memorial Museum, sondern Präsident Obama. Selbstverständlich, denn das Ereignis, dem es gewidmet ist, war ein nationales Trauma, eine nationale Katastrophe und eine tiefe und symbolische Verletzung des amerikanischen Selbstbewusstseins und Selbstverständnisses.
Einen Ort der Heilung soll Obama das Museum genannt haben[1] und alles, was ich über das Museum gelesen habe oder was in Fernsehberichten an Ausschnitten von Reden zu sehen war, deutet darauf hin, daß dieses Museum eine in ganz emphatischen Sinn nationale Bedeutung hat und haben wird. Wahrscheinlich in einem Ausmaß, wie das kein anderes Museum der USA je hatte und hat.
Das Museum bildet mit dem Mahnmal, das sich exakt über den Grundrissen der verschwundenen Türme des World Trade Center befindet und mit der umgebenden Bepflanzung ein architektonisches und symbolisches Ensemble bildet. Das 2011 fertiggestellte Mahnmal, das den Namen reflecting absence hat,  besteht aus zwei Becken, in die Wasser hinabstürzt, gesammelt und abgeleitet wird. Beide Becken sind mit einer Kupferumrandung gesäumt, in die die Namen der Toten (mit Ausnahme der Terroristen) eingestanzt sind. Darunter befindet sich ein Pavillon, wo noch einmal die Namen der Toten zu finden sind.[2]

Zwei essentielle Merkmale kollektiver Identität sind mir aus den Reden zur Museumseröffnung in Erinnerung geblieben. Aus der einer Angehörigen, wie sehr das Ereignis mit dem Zusammenhalt der Nation beantwortet worden wäre, und aus der Rede Obamas, der Verweis auf das feste Fundament, auf der die Nation ruhe. Und das nicht nur rhetorisch, sondern buchstäblichen, unterstützt vom Verweis auf die gewaltigen Spundwände, die als Teil des Fundaments der Twin-Towers des World Trade Center das Grundwasser abschotteten und nun Teil des Museums und Ausstellungsobjekt sind.
Gründung und Gemeinsamkeit als Grundfiguren des nationalen Wir. Aber auch mehr als das: Widerstandsfähigkeit und -willen als nationale Agenda. 
Im deutschen Feuilleton wird vom Museum berichtet, wie sehr von der Gestaltung Emotionalisierung bewirkt wird und dagegen die Information zur Vor- und Nachgeschichte der Ereignisse in den Hintergrund tritt. Das Museum[3] verfolgt aber mit dem inszenierten Abstieg unter die Erde und der relativen Dunkelheit der Museumsräume eine nur begrenzt immersive Strategie. Auf Fotografien sieht es relativ nüchtern und den Usancen historischer Museen folgend aus. Auffallendes und expressives Design hat man vermieden, dagegen gibt es Tableaus mit Objekten, Großobjekte, Texte, Inschriften, Fotografien, Dokumente, einige appellative, große Texte.
Doch hier geht es nicht um konventionelle Objekte. Die Mehrzahl von ihnen trägt sichtbar Spuren der Katastrophe oder ist von ihr kontaminiert. Ausweise, Passbilder, Suchplakate, Geräte, Kleider, Bauteile, ganze Fahrzeuge, Helme, Uniformmützen, von Trümmern getroffene, verformte Sachen, verbeulte Straßenschilder und vieles andere mehr. Solche Dinge haben eine besondere Zeugenschaft, ähnlich Reliquien,[4] und wo sie unmittelbar das Sterben bezeugen, sind es martyrologische Objekte bis hin zu den Stimmen von Personen, die im Wissen ihres sicheren Todes mit ihren Angehörigen oder um Hilfe telefoniert haben. Kann man so weit gehen? Mir fällt dazu nichts Vergleichbares in anderen Museen ein. Sicher, auch in diesem Fall ist es nicht die Stimme selbst, sondern ein gespeichertes Relikt, etwas, das uns durch ein Medium übermittelt wird. Aber das liegt auf der identischen Realitätsebene wie das geführte Telefonat selbst. Hier sprechen die Opfer angesichts ihres Todes und der unausweichlichen Katastrophe direkt zu uns.


Vieles deutet darauf hin daß die Figur des Opfers zentral ist in diesem Museum. Das Wort Opfer ist zweideutig (wofür es in der deutschen Sprache keine Unterscheidung gibt), man kann sich opfern, z.B. für einen Nächsten oder für eine Sache oder eine Gemeinschaft, oder man kann geopfert werden, etwa als in den Krieg geschickter Soldat oder als jemand, dem im Fall der Bedrohung aus Staatsraison nicht geholfen wird. Auch von jemanden bei einem Unfall Umgekommenen sprechen wir ja auch vom Verkehrsopfer.
Hier im Museum kann es nur um das unfreiwillig erbrachte Opfer gehen,[5] zu dem die Toten erst durch nachträgliche Zuschreibung werden. So, vielleicht nur so, kann man ihrem Tod einen Sinn zu geben und das absolut Kontingente der katastrophischen Erfahrung integrieren, zu heilen, wie der Präsident verkündete.
Die fast dreitausend Toten sind unter dem Vorzeichen des Opfers letztlich für etwas zugrunde gegangen, für die Gemeinschaft, für die Nation, der sie weiter in der Erinnerung angehören werden - und zu der sie sogar buchstäblich sprechen (in den Erwähnten Tonaufzeichnungen) -, und für die sie als Opfer auch etwas begründen. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit,[6] eine Erfahrung, aus der sich das Nationsbewußtsein regenerieren kann. Ihr Tod mag im Einzelnen furchtbar und sinnlos gewesen sein, letztlich geht er auf im Überleben des Ganzen, der Gesellschaft, der Nation. 


Eine ostentativ platzierte und aus dem Stahl der Ruinen modellierte Inschrift bringt das auf den Punkt: „No day shall erase you from the memory of time.“ Das ist das Angebot an die Opfer, ihr Überleben im Gedächtnis, das noch dazu zeitlos sein wird. Und es ist ein Angebot an die Nachgeborenen. Nämlich ihre kollektive Identität aus der Erinnerung an die Toten reproduzieren zu können.[7]
Obwohl ich das Wort Opfer in den Berichten über das Museum nirgendwo gefunden habe, so denke ich, daß man ohne es hier einzuführen, den umstrittensten Raum des Museums und die Entscheidung ihn trotz vieler Bedenken und Einwände, einzurichten, nicht verstehen kann. Es ist ein für jegliches Publikum unzugänglicher, hinter der Mauer mit der erwähnten Inschrift liegender Raum. Dort werden die unidentifizierbaren Überreste von Menschen aufbewahrt, die aus der Katastrophe geborgen wurden. Ungefähr ein Drittel aller Toten scheint nicht identifiziert zu sein. Daneben liegt ein den Opferangehörigen vorbehaltener „reflection room“
„Wie viele Friedhöfe haben einen 24-Dollar-Eintritt und verkaufen T-Shirts und Souvenirs? Wie viele Themenparks bringen uns den Tränen nahe?[8] Solche vorwurfsvolle Fragen reißen nicht ab und werden auch jetzt, nach der Eröffnung des Museums gestellt.
Opfer sind häufig Rituale, mit denen Gemeinschaften sich begründen, erneuern und ihre Identifizierung bewirken. Es ist der Gedanke naheliegend, daß dieser Gruftraum - nicht Friedhof, nicht Prosektur, nicht Ausstellung -, diese Funktion hat. Die zahllosen Grabmäler unbekannter Soldaten sind alle einem pars pro toto verpflichtet. Der Unbekannte (solche Denkmale können leer sein oder den Körper eines nicht Identifizierten enthalten), das kann jeder sein, man kann jeden Namen einsetzen, also sind hier alle gemeint. Der unbekannte Soldat vertritt alle toten Soldaten. Die unbekannten (und unsichtbaren) Toten, in ihrem den belebten Ausstellungsräumen unheimlich benachbarten Jenseits, vertreten alle Toten.
Obamas Bild vom Heiligen Ort ist nicht nur religiös zu verstehen. Antike Stadtgründungen setzten immer mit einer Grenzziehung, einer Bestattung (von Ahnen oder Helden) und der Weihung eines heiligen 8unantastbaren) Gebietes ein. Ist es überzogen, zu vermuten, daß man den gesamten Prozess der Gedächtnisbildung nach dem Anschlag als eine Art Neugründung (im Sinne der Überwindung einer großen Bedrohung) versteht?


Museen markieren immer (manchmal kaum merklich, manchmal überdeterminiert und architektonisch-dekorativ aufwendig) die Grenze zwischen Außen und Innen, zwischen Stadt(raum) und Museum(sraum). Ich kenne das Innere des Pavillons, mit dem man das Museum betritt, aber er mag jene Aufgabe haben, die der Tempietto bei Hans Holleins Museum in Mönchengladbach hat: von hier aus beginnt ein Abstieg ins Reich des Erdinneren und –unteren. Auch beim New Yorker Museum steigt man in die Tiefe, sieben Stockwerke, etwa 21 Meter unter das Bodenniveau – nicht ganz unähnlich jenen mehrstöckigen Katakomben, die sich unter den ältesten Kirchen Roms tief in die Erde hinunter erstrecken. Das ist ein Reich, wo wir uns normalerweise nicht aufhalten, das den archäologischen Grabungen, also den Relikten der Toten und ihnen selbst lange Zeit exklusiv gewidmet war, ehe so etwas wie die Archäologie entstand, die diese von vielen Tabus umstellte Praxis durchbrach und umkehrte. Nun finden wir hier wiederum so etwas wie Grabbeigaben, Reste, Reliquien, ja – wiederum erinnere ich an die eingespielten Stimmen -, die Toten selbst. Die metaphorische Nähe von Museum und Mausoleum ist längst schon entdeckt, aber gibt es ein zweites Museum, wo die Durchkreuzung von beidem so eng und wirksam. Tote finden wir, ohne daß es uns in dieser Umgebung sonderlich auffallen muß, in Museen oft, in Naturmuseen, in historischen, in frühgeschichtlichen oder archäologischen. Nur, dort schützt uns eine große zeitliche Distanz, die körperlich erfahrbare und zudringliche Nähe des Todes auszuhalten (Museen sind Maschinerien der gefahrlosen Besichtigung). Während hier (namentlich die Hinterbliebenen, die Verwandten, dann aber, abgestuft, auch die Bewohner New Yorks, im Grunde jeder Amerikaner) eine lebensweltliche Erfahrung mitbringt, wie es sie in der historischen musealen Erfahrung normalerweise nicht geben kann.    
Das Museum scheint überwiegend eine memoriale Aufgabe und nicht so sehr eine dokumentarisch-informativee zu haben, wenngleich das eigentliche Ereignis, der Tag des Anschlags, offenbar penibel dokumentiert ist.[9] Wenn dieser Eindruck stimmt und man sich auf die Berichte der großen Tageszeitungen in diesem Punkt verlassen darf,[10] dann machte das auch Sinn, den politisch-historischen Kontext weitgehend auszusparen. Vordergründig geht es ja auch darum, die Täter und ihre Motive möglichst wegzublenden. Für viele Angehörige ist schon die sorgfältig abgewogene Präsenz im Museum unerträglich. Eine Historisierung des Ereignisses, wenn sie redlich vorgenommen würde, käme aber in Konflikt mit dem Konstrukt Opfer. Dann müssten Fragen ausgesprochen werden und Tatsachen berücksichtigt, die nicht nur zeitlich und räumlich über das New York des 11. September hinauswiesen, sondern kritische Fragen an die Nation, ihre Ziele, ihre Integrität, die US-Politik enthielte.[11]


Wessen Opfer sind die Toten? Die der Terroristen? Vordergründig ja, in einem kriminologischen Sinn. Aber in einem historisch-politischen Sinn? Die Erweiterung des Horizonts über die Tatsache des Anschlags hinaus müsste über wechselseitige Feindbilder und Ängste, über Bündnisse und politisch-militärische Strategien sprechen, von der hegemonialen ökonomischen Rolle der USA und von Vielem, was sich nicht so ohne weiteres in das Bild einfügen lässt, das die USA von sich selbst hat oder von sich zeigen möchte. Das Bild, das dann entstünde, wäre sehr komplex, notwendig fragmentarisch, höchst umstritten (schon dieses Museum und der ganze Gedächtnisort sind umstritten, unter verschiedenen Gesichtspunkten und unter Beteiligung unterschiedlicher Gruppen). Das überforderte schon unter durchschnittlichen Umständen unsere gängige Vorstellung von dem, was ein Museum leisten kann (ohne daß nicht gesagt ist, daß Museen durchaus äußerst konflikthaltige Stoffe aufgreifen könnten) und lag jedenfalls nicht innerhalb der konzeptuellen Reichweite und politischen Absicht der Auftraggeber des Museums. Es widerspräche einem Heiligen Ort, daß er zugleich einer der Relativierung seiner Botschaft und vor allem seiner Wirkung wäre.
Es gibt aber eine Seite der Profanierung, die wohl weniger mit Pietätlosigkeit zu tun hat, als mit der Notwendigkeit das Museum ohne staatliche Mittel zu finanzieren. US-Medien und auch Angehörige von Opfer kritisieren das Konsumistische des Museums, die Kritik am Shop ist ein Dauerbrenner der Medienberichterstattung, und haben dabei vor allem die Gadgets im Visier, die es im Museumsshop gibt.[12] Deutsche Journalisten betonen, wie touristisch das Museum sei.[13] Diesen Vorwurf kann ich nicht nachvollziehen. Sicher, wer immer will und nicht anders kann, wird sich einer voyeuristischen Perspektive auf die Geschehnisse und die gegenständlichen Zeugnisse ausliefern. Dem kommt das Museum selbstverständlich auch ohne jede Absicht auf Grund seiner Objekte entgegen. Aber seine Botschaft ist so klar an die Nation gerichtet und, angesichts der unverminderten Gegenwart des Ereignisses, für weite Teile der amerikanischen Bevölkerung auch ungebrochen aktuell. 9/11 ist ständig virulent, wird immer wieder aufgegriffen in höchst unterschiedlichen Formen. Da bedarf es nicht nur des Gedenktages und des Museums, im Gegenteil, es existierte schon längst eine, wie soll man sagen, tief in die Geschichtskultur der USA eingeprägte Spur des Ereignisses, die nun als Museum dauerhaft nachgezeichnet wird.
Knipsfreudige Touristen, die das Museum in die Tour der New Yorker Sehenswürdigkeiten aufnehmen, teilen nicht diese Gedächtniskultur (womit ihnen nicht die Fähigkeit zur emphatischen Teilhabeabgesprochen werden soll).
Ich teile auch eine zweite Kritik nicht, die der Vermengung von Museum und Gedenkstätte. Die Überlagerung zweier Funktionen, der memorialen und der musealen, die man problematisch findet, scheinen mir nicht so gewichtig und sie gegeneinander auszuspielen, nicht schlüssig. „Damit ist aber auch schon eines der größten Probleme dieses Gebäudes benannt: seine zwiespältige Bestimmung, ein historisches Museum für die politische Bildung, eine Begräbnisstätte und eine touristische Attraktion für Besucher aus aller Welt zu sein.“[14] Ähnliches gilt für so manch anderes historische Museum, namentlich für einige Jüdische Museen und das Museum ist – als Ort dauerhafter Erinnerung – in gewisser Weise immer mit dem Tod, dem ‚Nachleben’ der Toten und auch mit der Idee des Opfers kontaminiert. In der Geschichte des Museums hat es immer wieder Beispiele für die gewollte und inszenierte Überlagerung der beiden Funktionen gegeben.[15] Daß ein Horror-Tourismus die essentielle Bedeutung des 9/11 Museums völlig überlagert, das kann man doch nicht ernsthaft behaupten.
Man wird ja sehen, ob das Museum, neben oder vor den anderen berühmten und besuchten Museen New Yorks zur touristischen Attraktion wird oder zu einem bevorzugten Memorial-Ort der Amerikanischen Nation.[16]


[1] Die „Welt“ zitiert „heiliger Ort der Heilung“. 19.5.2014 (online) Fotostrecke
[2] Die Idee zur Form des Mahnmals stammt aus Daniel Libeskinds Masterplan für die Verbauung des Geländes und wurde von Michael Arad realsiert. Diese Gedenkstätte gilt auch den sechs Toten des Anschlags auf das WTC von 1993.
Zum Mahnmal gehört auch die Bepflanzung des Geländes. An ihr ist ein einzelner Birnbaum bemerkenswert, der stark beschädigt aus den Trümmern geborgen, versetzt, von der Städtischen Parkverwaltung gepflegt und dann als Survivor Tree, an dem man die Spuren der Katastrophe noch sehen kann, zurückverpflanzt.
[3] Die Museumsarchitektur stammt von Davis Brody Bond, LLP, der Eingangspavillon von der norwegischen Firma Snøhetta.
[4] Andrea Köhler spricht etwa ohne zu zögern von Reliquien. Andrea Köhler: Wem gehört die Erinnerung, in: NZZ 19.6.2012 (online)
[5] Konnte jemand von jenen Rettern, die immer wieder in das Gebäude zurückkehrten, um Personen zu helfen, ahnen oder sich eingestehen, daß er in Lebensgefahr war? Sicher. Aber Gewissheit und damit einen bewußt inKauf genommenen Tod, mag es das gegeben haben. Dann könnte man von Opfer sprechen. Obama erwähnte einen jungen Mann in seiner Rede, der immer und immer wieder in das Hochhaus zurückging, bis es über ihm zusammenbrach. Vgl.: 9/11 Museum eröffnet, in: Frankfurter Neue Freie Presse, 15.5.2014
[6]26 uniformed police officers and firefighters marched (am Tag der Öffnung für das allgemeine Publikum) onto the lawn of the memorial and unfurled an American flag that had flown at 90 West Street, adjacent to Ground Zero, for weeks after the attacks. Civilians involved in the restoration of the flag and children from the 9/12 Generation Project filled in among the honor guard designated to see the National 9/11 Flag safely back to Ground Zero. Grasping the edges, they raised the 36-foot by 26-foot flag as the Fire Department of New York’s Emerald Society Pipes and Drums Band played. (...) Over the course of two years, more than 30,000 people in all 50 states, all of whom are survivors of tragedies in the United States, from Pearl Harbor to Columbine to Joplin, have helped repair the flag.“ Anna Hiatt in: Washington Post, 21.5.2014 (online)
[7] Diese Zeile stammt von Vergil und auch daran hat sich eine Kontroverse entzündet, denn in einer philologischen Lesart wird sie auf den bei ihm gemeinten, mit dem Sinn, den sie im Museum hat, unvereinbaren Kontext bezogen. Ein homoerotisches trojanisches Freundes- und Heroenpaar vernichtet seine Feinde. Zu den Details s.: Andrea Köhler: Ohne Kontext. Grabspruch oder Menetekel?, in: NZZ 20.Mai 2014 (Online)
Dass es hier um transgenerationelle Dauer geht, also im Grunde um einen unabschließbaren gattungsgeschtlichen Zeitraum zeigt eine Formulierung in einem zweiten Wssay von Andrea Köhler: „Die auf Band festgehaltene Geräuschkulisse der sich entfaltenden Katastrophe sollen zu den Überlebenden genauso sprechen wie zu den Nachgeborenen, zu den nächsten Angehörigen ebenso wie zu Touristen.“ Andrea Köhler: Grab und Touristenattraktion, in: NZZ 15.5.2014 (online)
[8] New York Times zitiert nach: Andrea Köhler: Ohne Kontext. Grabspruch oder Menetekel?, in: NZZ 20.Mai 2014 (Online)
[9] Das auf der offiziellen Webseite des „9/11 Memorial“, dessen Teil das Museum ist, veröffentlichte Mission Statement: „The mission of the 9/11 Memorial Museum, located at the World Trade Center site, is to bear solemn witness to the terrorist attacks of September 11, 2001 and February 26, 1993. The Museum honors the nearly 3,000 victims of these attacks and all those who risked their lives to save others. It further recognizes the thousands who survived and all who demonstrated extraordinary compassion in the aftermath. Demonstrating the consequences of terrorism on individual lives and its impact on communities at the local, national, and international levels, the Museum attests to the triumph of human dignity over human depravity and affirms an unwavering commitment to the fundamental value of human life.“
[10] „Das Museum setzt auf Effekt statt Reflektion. (...) „Für Steve Kandell, dessen Schwester umkam, war der Besuch einer Vorschau am vergangenen Sonntag nur die Fortsetzung dessen, was er in den letzten Jahren erlebte.  „Der schlimmste Tag meines Lebens ist nun endgültig zur Touristenattraktion geworden“, sagt er.“ Sebastian Moll: 9/11 wird zur Touristenattraktion, in: Frankfurter Rundschau, 20.5.2014 (online)
[11] Der englischsprachige Wikipedia-Eintrag zum Museum ist bezüglich der Finanzierung, Planung, Errichtung und der Kontroversen um das Museum sehr genau. Er schweigt sich, bis auf die Zusammenfassung des offiziellen Mission statements komplett zum historischen Kontext und zur Funktion aus.

[12] Harsche Kritik am Shop insgesamt und an der Tatsache, daß es auch ein Restaurant und Cafe geben wird, kritisiert mit der beachtlichen Wortschöpfung „catharsis consumerism“ Anne Kingston im Blog Maclean’s.

Der zentrale Punkt der Kritik in der Öffentlichkeit ist die Aufbewahrung der Reste unidentifizierten Opfer im Museum. Und der Eintrittspreis von $24. Vgl. dazu: Patricia Cohen: 9/11 Museum Fees Don’t Faze Visitors, in New York Times, 22.5.2014 (online) sowie: Michael Remke: Geschäfte mit dem Grab, das „Ground Zero“ heißt, in: DIE WELT, 19.5.2014

http://www.nytimes.com/2014/05/23/arts/design/9-11-museum-fees-dont-faze-visitors.html?_r=0

http://www.welt.de/vermischtes/article128197318/Geschaefte-auf-dem-Grab-das-Ground-Zero-heisst.html

Allerdings erhält das von einer Stiftung getragene Museum keine staatliche Förderung und finanziert sich aus Eintrittsgeldern, privaten Zuwendungen und anderen Erlösen. Die Baukosten werden von der Stiftung mit 700 Millionen Dollar angegeben.

[13] Jordan Meijas fürchtet, daß das Museum zur „makabren Touristengaudi“ verkommt. In: F.A.Z. 15.5.2014
[14] Andrea Köhler: Grab und Touristenattraktion, in: NZZ 15.5.2014 (online)
Und dieselbe in einem Bereits 2012 erschienen Essay zum Memorial-Museum: „Ein Mahnmal ist dem Gedenken, ein Museum den Fakten verpflichtet. Mahnmale sollen Gefühle wecken, während Museen den Auftrag haben, Anschauungsmaterial und Zeugnisse zu präsentieren.“ Andrea Köhler: Wem gehört die Erinnerung, in: NZZ 19.6.2012 (online)
[15] Es gibt sowohl Beispiele für Museen, die im Interesse eines Gedenkens an eine individuelle Person errichtet wurden (man kann etwa an das Victoria and Albert Museum erinnern) oder einer oder mehrerer Personen direkt als Grablege dienten (ein frühes Beispiel findet sich wiederum in London, die Dulwich-Gallery mit ihrem Stiftergrab im Zentrum). Und es gibt zahllose militärhistorische oder Kriegs- und historische Museen, wo Objekte oder Objektensembles oder einschlägige Räume dem kollektiven Gedächtnis dienen. Dasselbe gilt ganz besonders für KZ-Gedenkstätten und, wenn es so etwas auf ihrem Gelände gibt, deren museale Räume.
Das erste Beispiel, das mir eingefallen ist, ist die Freskenausstattung des Alten Museums in Berlin, wo zwei Allegorien auf den nicht lange zurückliegenden Freiheitskrieg mit der Figur des Opfers „antworten“: Aufopferung für Andere bei gefahrvollem Naturereignis und Aufopferung für Andere in Abwehr menschlicher Rohheit.
[16] Am ersten Tag der Öffnung des Museums für die Allgemeinheit war das Museum im Voraus ausverkauft. Vgl.: Stephen Farrell: The 9/11 Museum opens to a Somber Crowd, in: New York Times, 21.5.2011 (online)