Mittwoch, 25. April 2012

Ein Museum - MONA

Der Australier David Walsh, geboren 1961, hat ein Wettsystem erfunden, das ihn unter amderem bei Pferderennen reich machte. Als Beruf gibt Wikipedia "gambler" an. 2001 gründete er im tasmanischen Morrila ein Museum of Antiquities, das in das Museum of Old and New Art, MONA, umgewandelt wurde.

Das MONA, das sein Schöpfer als subversives Disneyland für Erwachsene bezeichnet, liegt (Hobart; Tasmania) in einem Weingut und ist Teil einer Anlage, zu der ein Weinkeller, eine Brauerei, ein Restaurant, ein Hotel und - ein Friedhof (hier) gehören.

Das neue Museum zeigt rund vierhundert Werke - alle aus der Privatsammlung von Walsh und alle um Sex und Tod kreisend. In der Australischen Presse wurde das Museum höchst ungnädig aufgenommen:"MONA is the art of the exhausted, of a decaying civilisation. Display lights and taste and stunning effects illuminate moral bankruptcy. What is highlighted melds perfectly with contemporary high fashion, design, architecture, cinema. It is expensive and tense decay." Das Museum sei "macabre and ungodly."

Das Museum ist aber erfolgreich, wird reichlich besucht und ist medial weltweit zur Kenntnis genommen. Und es ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für eine bis vor kurzem unbekanntere und vergessenere Region Australiens: Tasmanien, lange Zeit Strafkolonie und Gegend einer der brutalsten Ausrottungskampagnen der indigenen Bevölkerung.

Zum Angebot des Museums gehören Führungen, bei denen alle Beteiligten, einschließlich Führungsperson und Aufsicht, nackt sind. Dem Smithsonian-Magazin war das einen umfangreichen 'Reisebericht' von Tony Perrotet wert (hier), der unbedingt lesenswert ist, nicht nur wegen der Beschreibung der kuriosen 'Nudisten'-Führung, sondern auch wegen der ausgezeichneten Informationen zum Museum und dem ausführlichen Interview mit dem Gründer. Und wegen der schönen 'Ursprungsgeschichte' über den Zwölfjährigen, der, statt wie seine Mutter sonntags die Kirche zu besuchen, in das Tasmanische Museum geht, um dort Dinosaurierknochen zu sehen, byzantinische Münzen  und Reste eines antarktischen Waldes.


Noch einmal 22.000 Quadratmeter für Kunst. Paris, die Museumshauptstadt.

Noch einmal 22.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche für (zeitgenössische) Kunst wurden in Paris geschaffen, im Palais de Tokyo. Hier eine schöne Analyse - Kunst im leeren Raum -, dieser Etappe der Pariser Museumsentwicklung, im austellungsgeschichtlichen Kontext, von Vitus H. Weh und hier die Webseite des neuesten Pariser 'Kunstplatzes'.

Dienstag, 24. April 2012

Null und Narr (Texte im Museum 281)

Ausstellung "Narren. Visionäre". 2005

Aufbruch zum postdemokratischen Museum. Verweildauer III


Meine beiden Posts (hier und hier) mit dem Stichwort „Verweildauer“ haben überdurchschnittliches Interesse hervorgerufen. Worum geht es? Um eine alarmistische These einer Studie und eines Artikels. Museumsbesucher würden im Schnitt bloß 11 Sekunden vor einem Werk verbringen. Schlußfolgerung: Welche Kunsterfahrung soll das denn bitte noch sein?
Hanno Rauterberg fragt sich in DIE ZEIT (hier), ob Besucher „auch richtig hinsehen“ und gibt mit einer Studie von Martin Tröndle die Antwort. „Elf Sekunden, drei Atemzüge lang, verbringt der durchschnittliche Betrachter vor einem durchschnittlichen Kunstwerk.“
Ich habe schon darauf hingewiesen, daß derartige Erkenntnisse nicht neu sind, daß es schon vor dreißig Jahren erste deutschsprachige museumssoziologische Untersuchungen gab, die ähnliche Zahlen brachten. Nun ist es ja nicht falsch, die ‚wiederzuentdecken’, aber es ist schon etwas befremdlich, wenn Erkenntnisse einer Studie als neu und bahnbrechend bezeichnet werden und ungleich differenziertere Schlussfolgerungen ignoriert werden. Schon in der Überschrift des Artikels heißt es: „Eine neue Studie könnte die Museumswelt schwer erschüttern.“
Der volle Titel weist auf das weitergehende, ambitionierte Ziel der Studie hin: „Wirkung von Kunst. Und die Herzen schlagen höher. Was geht in uns vor, wenn wir Kunst sehen?“ Das ist ein wenig tollkühn, Kunsterfahrung umfassend interpretieren zu wollen, also herausfinden zu wollen, wie wir Bilder sehen, was sie auslösen, wie die Beziehung von Kunst und Mensch beschaffen ist (Rauterberg), und das mit Befragung, Messung von Herzfrequenz, Hautleitfähigkeit und Bewegung im Raum.
Auch solche positivistischen, scheinbar naturwissenschaftlichen Untersuchungen hat es schon viele gegeben. Und alle kranken daran, daß ohne Federlesens, von physiologischen Daten auf komplexe kognitive, psychologische und affektive Prozesse rückgeschlossen wird. Das ist aber schlichtweg nicht möglich. Wenn jemand eine höhere Herzfrequenz bei Bild A als bei Bild B hat, dann sagt das genau – nichts aus.
„Zwar konnten sich viele Betrachter für eine klassische Venedig-Szene von Monet durchaus begeistern und bewerteten das Bild bei der Befragung als ästhetisch hochwertig. Doch Herz und Haut signalisierten eher gepflegte Langeweile. Wirklich erregt waren die Besucher hingegen von Günther Ueckers Antibild, aus dem lauter spitze Nägel ragen. Ob Jung oder Alt, ob Mann oder Frau – alle zeigten hohe Pegelwerten. (sic!)“.  Was für ein Unsinn. „Langeweile“ und „Erregung“ als Effekt ästhetischer Erfahrung lassen sich als psychosoziale Phänomene mit Datenhandschuh und Hautsensor weder bemessen noch bewerten noch auf eine bestimmte (unterstellte) ästhetische Qualität („Antibild“, „pieksiges Ding“) beziehen. Das ist wieder mal so eine im Grunde hanebüchene Vorgangsweise, in der als Resultat das herauskommt, was der Autor der Versuchsanordnung an Grundannahmen bereits voraussetzt ohne die zu reflektieren.

Unkontemplativer, abgelenkter (von Medien) aber doch irgendwie still in Betrachtung (akrobatisch) versunkener Museumsbesucher

Da in der Versuchsanordnung körperliche Phänomene gemessen wurden, legt uns die Studie - den Ausführungen Hanno Rauterbergs zufolge - nahe, die körperliche Kunsterfahrung gegen die kognitive, wissensbasierte auszuspielen. Ja selbst das durch Sozialisation und Bildung vermittelte Wissen, das uns nicht nur den ‚Gebrauch von Bildern’, sondern den der Institution Museum überhaupt erst möglich macht und sinnvoll erscheinen läßt, scheint weitgehend obsolet: „Man muss offenbar nicht unbedingt großes Vorwissen mitbringen, um mit zeitgenössischen Werken etwas anfangen zu können.“
Ins Museum geht aber nur, wer ein solches Bildungswissen schon erworben hat und dieses artikuliert sich auch nicht nur, worauf sich diese und einschlägige andere Studien meist konzentrieren, während der berühmt-berüchtigten “Verweildauer“. Jede museale Erfahrung hat nicht nur eine komplexe Vorgeschichte, sondern auch eine vielschichtige ‚Nachgeschichte’, in der das – in solchen Studien immer wieder untersuchte - ‚merken’ das geringste Problem ist. Es soll uns niederschmettern, daß "bei den allermeisten Befragten (die Kunst) schon nach sechs Wochen rückstandslos aus den Köpfen verschwunden war. Nur die wenigsten konnten sich noch an einzelne Werke erinnern.“ Was aber überhaupt nicht heißt, daß es Erfahrungen gibt, vielleicht entscheidende, die unmerklich, auch unbewußt (nach)wirken.
Die Behauptung, daß das Gespräch der Besucher untereinander, Rauterberg spricht ausdrücklich vom Räsonnement und Diskurs, die Kunsterfahrung stört, ist als generalisierende unhaltbar. Jeder, der Museen besucht, hat gegenteilige Erfahrungen. Spätestens da wird eine Stoßrichtung der Argumentation sichtbar, die möglicherweise so nicht der Studie geschuldet ist, sondern der Interpretation des Journalisten. „Denn wer sich ihr (der Kunst) ganz allein nähert, in der so oft verlachten stillen Einkehr, wird die Werke offener sehen und weit eindrücklicher erfahren.“ Also sind konsequenterweise auch „jede Art von zusätzlichem Reiz (...) Audioguides, Touchscreens, laute Videobeschallung aus dem Raum nebenan oder eben durch Mitbesucher“ etwas, was „ das ästhetische Erleben (...) mindert.“
Museen seien (man darf annehmen für das religiös-romantische Ideal „stiller Einkehr“) einfach zu groß, sie zeigten viel zu viel, zu viele Werke würden untereinander konkurrieren (kennt Hanno Rauterberg eigentlich Paul Valerys Essay und die Replik von Adorno?). Museen müssten kleiner werden, intimer, leerer, ja, auch das, privater: „Nur einige Privatmuseen scheren hin und wieder aus. Dort muss man sich anmelden, dort gibt es nur wenige Werke.“
Pierre Bourdieu hat, auch ebenfalls auf empirische Studien gestützt, aber theoretisch fundiert, den bildungspolitischen Elitismus der ‚Kunstbetrachtung’ und des Museums als gut abgeschottete, also als sozial distinktiv wirkende Enklaven für die „Eingeborenen der Bildungselite“ beschrieben, ebenso die Mechanismen des Ein- und Ausschlusses. Für solche Fragen interessiert sich Rauterberg nicht. Er bastelt am Hochziehen der Zäune, die das Eliteland besser abschotten.
Man könnte noch nachdenken, wie diese, auf eine derartig merkwürdige Studie gestützten Überlegungen in die Zeit wie diese passt.

Für Kommentare steht eine Kommentarfunktion am Ende dieses Posts zu Verfügung.


Text macht Museum / Ahnenkult

Basilika Mariazell, Vorplatz

Freitag, 20. April 2012

York Beach Wax Museum (Entrée 66)


Verweildauer. Teil II

Der ZEIT-Artikel von Hanno Rauterberg, auf den ich mich unlängst bezogen habe, ist nun online (hier). Es ging um die Erwähnung einer Untersuchung, derzufolge Museumsbesucher im Schnitt nur 11 Sekunden vor einem Werk verbringen. Ich habe mich gefragt (hier der Post), warum etwas berichtet wird, was seit (mindestens) 30 Jahren bekannt ist. Rauterberg greift voll in die Saiten: "Eine neue Studie könnte die Museumswelt schwer erschüttern." Auch die zweite 'erschütternde' Erkenntnis ist schon genauso lange bekannt, nämlich die, daß sich Besucher nicht so sehr viel merken und wenn, dann eher etwas, was durch die Umgebung (im weitesten Sinn) die Aufmerksamkeit angezogen hat.
So wenig neu derartige 'Erkenntnisse' sind, so wenig sollte man sie vorschnell, wie das schon seinerzeit geschehen ist, als Widerlegung des Potentials des Museums als 'Lernort' oder 'Gedächtnisort' auffassen. Die Methodik der empirischen Museumssoziologie steckt voller Fallstricke und die beobacht- und messbaren Daten erfassen nur Ausschnitte der sehr komplexen Museumserfahrung.
Im Kern bleibt aber die - vielfach erhärtete Tatsache (es gibt auch Messungen der Verweildauer auf Räume, Ausstellungen oder Museen bezogen) - daß sich Besucher viel zu kurz im Museum, vor Objekten (die Zahlen gelten in etwa auch für andere Musemstypen) aufhalten, als daß das unserer idealisierten Erwartung vom ausschöpfenden Bildungserlebnis entsprechen könnte.
Ich habe mich manchmal gefragt, warum diese ebenso simple und empirisch abgesicherte Beobachtung nie (? selten ?) in Museums- oder Vermittlungsdebatten ernsthaft aufgegriffen wurde oder wenn, ihnen mit Sozialtechnologien einer den Museumsdingen äußerlichen Aufmerksamkeitserzeugung begegnet wurde. Mit der Relativierung der methodischen Grenzen der Untersuchungen (die die tatsächlich provozierende Einsicht in ihrer Tragweite nicht mindern, aber die Akzente verschieben) allein, kann man das nicht erklären.


Ich habe eher das Gefühl, daß man der Herausforderung ausweicht, die in der gründlichen Reflexion der museumsspezifischen Wahrnehmungs- und Erfahrungsbedingungen liegen und die (das wird in Rauterbergs Artikel ohnehin auch angedeutet) sich nicht bloß in der 'Begegnung' Besucher und 'Objekt/Werk' erschöpfen. Das Museum ist auch ein architektonischer und sozialer Raum, mit einem Kontext, der weit vor dem Museum beginnt (die Geschichte der Institution, die Weisen der Erzeugung von kulturellen Werten, die immer auch sozialen Erfahrungen und Riten, die einen Museumsbesuch ausmachen, das Performative des Museumsbesuchs' uvam.

Diese Komplexität ist fordernd und vielleicht auch vielfach überfordernd, so sehr ihre Gestaltbarkeit auch eine wunderbare Aufgabe für das 'Ausstellungs' (und Museums-)Machen wäre. Andrerseits gibt es eine tiefe Sehnsucht bei Kuratoren wie Vermittlern, nach festem Boden unter den Füßen, weswegen die Sehnsucht nach der empirisch abgesicherten (Lern)erfahrung so groß ist. Viele träumen von Methoden, die den gewünschten Effekt einer Deutungs- und Erzählabsicht sichern kann. Sicher, auch beim Film gibt es 'Testverfahren', aber, so viel ich sehe, werden die regelmäßig durch die Praxis beschämt. Diese Verfahren sind der Risikominimierung großer Kapitalien geschuldet und kaum der empirischen Austestung, ob der Film auch im Sinn der Intention 'ankommt'. Theater, Film, ein Konzert, die Lektüre, das sind offene Prozesse, aber nur beim Museum scheint die Offenheit ein Skandal zu sein und kein Stoff für risikoreiches Experimentieren. Nein, da leistet man sich lieber keine Verunsicherung, schon gar nicht die, daß im Museum gewissermaßen gar niemand hinkuckt.

Eine kleine Anektdote: Vor einigen Monaten habe ich das Kunsthistorische Museum in Wien besucht und war auch im Saal mit den Breugel-Gemälden. Ich stehe vor dem berühmten Winter-Bild, das unmittelbar rechts bei einem Saaleingang hängt. Ein älterer Herr kommt durch diese Tür herein, wendet sich sofort nach rechts, geht auf das Textkärtchen zu, wozu er sich ganz leicht bücken muß, um es zu lesen, richtet sich schnell wieder auf, wirft einen - aus seiner Position nur möglich Blick aus ganz schrägem Winkel auf das Bild, buchstäblich wenige Sekunden, "WONDERFUL", und geht weiter.
Mir ist die Szene lange durch den Kopf gegangen und ich habe mich gefragt, was da alles passiert ist in diesen, nun ja, 11 oder mehr Sekunden...




Donnerstag, 19. April 2012

Open House (Entrée 65)


Verweildauer und Migrantinnen. Schon wieder Krisensitzung vorm Museum

In der heutigen Ausgabe der ZEIT (ich habe sie nicht gelesen, sie ist auch nicht online, aber 'Perlentaucher' zitiert) berichtet Hanno Rauterberg über einre 'neue Studie' derzufolge in Museen Besucher durchschnittlich 11 Sekunden verbringen.
Diese neue Erkenntnis gibt es seit ungefähr 30 oder auch mehr Jahren.
Welche Schlüsse Hanno Rauterberg daraus zieht? Welche könnte man daraus ziehen? Sind in den 30 Jahren (mindestens), während derer man es wissen konnte, Schlüsse daraus gezogen worden?
Vor einigen Tagen berichtet eine andere Zeitung, ich glaube es war die taz, daß eine Studie (auch die neu) beweist, daß MigrantInnen Museen seltener Besuchen als Deutsche. Das nun weiß man nicht seit 30 Jahren, weil Migrantinnen vor 30 Jahren keine Frage waren, also auch nicht für empirische Untersuchungen. Aber man weiß seit (mindestens) 30 Jahren, daß bestimmte soziale Gruppen nicht ins Museum gehen. Nie. Und man weiß, warum nicht. Weil nämlich 'Museum' und jene Kultur, in der 'Museum' vorkommt, für sie nicht existiert. Die besagte Studie hat also folgerichtig (noch einmal herausgefunden), daß MigrantInnen nicht etwa keine Kultur haben, sondern eine andere, als diejenigen, die ins Museum gehen. Um festzustellen, daß MigrantInnen nicht (oder fast nicht) ins Museum gehen, hätte es genügt, ins Museum zu gehen, um festzustellen daß dort a) keine Migrantinnen sind sondern eher nur freizeitverfügender weißer bildungbeflissener Mittelstand und b) keine Themen, die mit ihrer Lebenswelt zu tun haben. Der Berichterstatter sieht Handlungsbedarf, erklärt aber nicht welchen. Er deutet an, daß die Verteilung der Fördergelder adaptiert werden müsste. Frage: wird die Veränderung der Verteilung der Fördermittel etwas ändern? Frage: Werden die Museen inhaltlich, thematisch, methodisch reagieren? Frage: Sollen sie das tun, warum ja, warum nein?
Frage: warum entdecken Zeitungen und Journalisten Tatsachen, über die Praktiker wie Theoretiker (zum Beispiel Museumssoziologen) längst Bescheid wissen? Seit 30 Jahren. Mindestens.

Verwandter Post: Auf dem Weg zum postdemokratischen Museum. Verweildauer III
Verwandter Post: Verweildauer II (mit Link zum Artikel von Hanno Rauterberg)

Mittwoch, 18. April 2012

Das göttliche Kind (Texte im Museum 280)

Alte Galerie / Universalmuseum Joanneum

Postapokalyptische Museumspolitik

Während uns Pascal Bruckner, Philosoph aus Frankreich, das Museum als nachapokalyptische Freizeitbeschäftigung empfiehlt (hier), sieht eine postapokalyptische Museumssituation in der sogenannten Wirkklichkeit anders aus. Ein bemerkenswert detaillierter und informativer Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung beschäftigt sich mit der katastrophalen Situation der Museen in Bosnien-Herzegowina. Das durch pazifizierende Verträge (Dayton-Abkommen) nach dem 'Jugoslawienkrieg' geschaffene Staatengebilde ist überkomplex und offenbar nicht handlungsfähig und die kulturellen Institutionen, neuere wie alte, gehen buchstäblich zugrunde.

Sinnspruch (Texte im Museum 279)

Stainz. Landwirtschaftsmuseum (alte Ausstellung)

Vor und nach der Apokalypse. The Healing Game.

Hat die gegenwärtige Finanzkrise / Demokratiekrise etwas mit dem Museum zu tun. Oder andersrum: Will das Museum mit der gegenwärtigen Finanzkrise / Demokratiekrise zu tun?
Ist das Museum überhaupt ein Medium, in dem über solche Fragen verhandelt werden könnte? Verfehlte das Museum seine 'Bestimmung' (wer bestimmt?), wenn es der Gegenwart zu wenden würde?
Da namentlich die Finanzkrise eine Zukunftskrise ist, weil sie gewaltige Hypotheken für viel künftige Generationen aufbaut, weil es außerdem im Wesen der Schuld / des Schuldenmachens liegt, über die Zukunft zu verfügen, wäre da nicht ein Ansatzpunkt für eine ganz neue Museumsarbeit. Denn auch das Museum ist spezialisiert auf Festlegung von Zukünften. Indem es sammelt, trifft es ständig (Vor)Entscheidungen über künftige Vergangenheiten, über das, woran sich künftige Generationen einmal erinnern sollen. Aber wer sieht das Museum so? Wer würde schon gerne von seinem Museum der Historienbilder, der Ackerbauwerkzeuge, der Zunfttruhen, der Bandkeramiken, der antiken Büsten, der alten Motorräder, der obsoleten Altäre, der profanen Reliwuien usw. Abschied nehmen wollen.

Marcel Broothaers: Ile du Musée


Nun, Pascal Bruckner gibt dem Museum einen Platz in seinen präapokalyptischen Überlegungen. Der französische Philosoph denkt über das gute Leben nach. (Hier sein Essay bei 'Perlentaucher' - in drei Teilen). Seine Gedanken sind eingebettet in eine umfassende Analyse und Kritik der Verfassung Europas. Inmitten der mehr oder minder pessimistischen Aussichten, die er skizziert und inmitten der mehr oder weniger eher tröstenden als stringenten Überlegungen, welche Auswege es gäbe, dann diese Passage:

"In Japan, so sagt uns die Presse, wandte man sich nach dem Tsunami von 2011 und der Tragödie von Fukushima wieder dem Luxus zu, suchte gegen die Grausamkeit der Natur nach Schönheit und Dauer. Nicht die Kargheit sollte man predigen, sondern die Entdeckung neuer Reichtümer und Herrlichkeiten. Angesichts des Zitterns und Bangens neue Quellen der Schönheit und des Geistes erschließen. Die Befreiung von der materiellen Not ist nur eine der Bedingungen der Freiheit, aber sie erschöpft sie nicht. Während die Börsen zusammenbrachen, gingen die Franzosen öfter denn je ins Kino. Die Museen sind voll. Der Literatur und dem Theater geht's nicht so schlecht. Niemals hat man mehr gelesen als in dem Moment, in dem das Buch selbst gefährdet zu sein scheint. Niemals mehr bewundert, applaudiert, geträumt, geschaffen als in diesem Moment der Depression."

In einer Studie, vor Jahren gemacht, sehr weit weg daher von heutigen Arbeitsverhältnissen, wurde die Entdeckung gemacht, daß sich Arbeitslose ganz stark der Körperpflege zuwenden. "Verwöhnungshandlung" nannte so etwas die Studie. Was uns der kluge Mann aus Frankreich anbietet, ist Verwöhnungshandeln im Angesicht der Katastrophe. Auch nicht schlecht, denke ich, das Museum als Healing Game, aber vermutlich gibts im Zunamigebiet kein Kino mehr, kein Museum und keine Badewannen, oder? Und wer ist wir und sie. "In Japan", so sagt uns die Presse, sagt uns Pascal Bruckner. Ein Reiseführer, den meine Reisegruppe in Moskau mithatte, und aus dem wir uns vorlasen, gabs den Satz: "Der Russe studiert am Abend". Der Japaner geht nach dem Tsunami ins Kino. Alle Japaner? Gibt es da nicht auch welche, die nie ins Kino gehen, nie ins Theater, die keine Bücher lesen, die kein Museum betreten? Kurzum jene, von denen ein Landsmann von Pascal Bruckner gesagt hat, daß das, was die "Eingeborenender Bildungselite" als "Kultur" betrachten (ich zitiere Pierre Bourdieu) einfach nicht existiert, nichts, was sie als Wert für sich als existent betrachten, nichts, was sie als ihnen fehlend und daher als Mangel ansehen würden.

Montag, 16. April 2012

How info-lite museum labels deprive us all (Texte im Museum 278)

“Sisters and Brothers” (1963) by Tim Threlfall (1940-1999). Herbert Museum and Art Gallery, Coventry. Vici MacDonald nimmt im Blog Art Orbit diese Beschriftung ziemlich übel. Eine verwandte Seele, vor allem was Kunsthistorikertexte betrifft, werde ich auch leicht reizbar. Hier der ganze Text des Blogs.