Montag, 17. Januar 2011

Die sogenannte Federkrone des Montezuma. Eine Restitution auf Zeit?

Hello Austria!

I'm mexican, and of course we want it back, it's very important to us.

I really hope to see the "Penacho de Moctezuma" in México, where it belongs.



Never!
You shot our Emperor....forget it!


Leserreaktion und Antwort im Online-Standard zur Meldung,
die sogenannte Federkrone des Montezuma würde möglicherweise auf Zeit verleihen.


Die Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums hat angedeutet, daß es zu einer befristeten Ausleihe der so genannten Federkrone des Montezuma kommen könnte. Vorsichtig und diplomatisch läßt sie sich mit dem Hinweis auf die Überprüfung auf den Zustand des Objekts eine definitive Entscheidung offen. Aber es gibt Verhandlungen mit Mexiko und es ist die Rede von zwei - ebenfalls befristeten - 'Gegengaben', einem altmexikanischen Federschild und der Kutsche Maximilian I. Vermutlich nicht zufällig relativ kurz nach der Demission des Direktor des Völkerkundemuseums kann dessen als interimistische Leiterin fungierende Generaldirektorin diesen Schritt setzen.

Die Federkrone ist kein Objekt offizieller Rückgabeforderungen. Aber als ein seltenes und kostbares Objekt, das es erst durch die Zerstörungen abertausender Objekte im Zuge der europäischen Eroberung und später auch durch achtloses Sammeln und Musealisieren geworden ist, ist es für Mexiko und vor allem dessen indigen geprägte Identität von großer Bedeutung.

Das Völkerkundemuseum hat durch eine unglückliche Politik die Federkrone immer wieder ins Gespräch gebracht. Ansprüche wurden abgewiesen, wegargumentiert und gelegentlich sogar lächerlich gemacht und auch die sehr merkwürdige 'Doppelstrategie', den Kopfschmuck eines Priesters als Federkrone zu vermarkten, während sorgfältige hauseigene Forschung das längst widerlegt hatte, nahm sich recht merkwürdig aus.

Zu einem breit wahrgenommenen Thema wurde die so genannte Federkrone, als Bundespräsident Thomas Klestil die Rückgabe ankündigte, möglicherweise schlecht oder gar nicht beraten. Die aufflammende Verlegenheit und Peinlichkeit der Situation - kulturbeflissen patriotische Museumsleute wollten sich gegen die Rückgabe stemmen, konnten aber nicht die von höchster politischer Stelle angekündigte Rückgabe wie bis dahin einfach ignorieren -, mündete in einige bemerkenswert akrobatische Relativierungen und Rückzugsgefechte.

Ich habe mich damals für diese Debatte und dann für die - gut erforschte aber lückenhafte - Überlieferungsgeschichte interessiert, für die Umgangspraktiken mit "Raubkunst" (das war noch vor der NS-Raubkunstdebatte, die dann ihrerseits auch in die Rückgabedebatten a la Federkrone eine andere Dynamik bringen sollte) und sogar ein schmales Buch dazu publiziert. "...das Opfer von ein paar Federn". Die so genannte Federkrone Montezumas als Objekt nationaler und musealer Begehrlichkeiten. (Ist vergriffen, vielleicht hortet der Verlag Turia & Kant noch ein paar Exemplare...).

Ob die am Schluß des Buches geäußerte Hoffnung auf Abkehr von juridisch-politischer Unbeweglichkeit hin zu museologischer Kreativität - ich habe an Kooperationen auch an befristeten Abtausch von Ausstellungen gedacht -, nun erfüllt ist, bleibt dahingestellt. Denn was man sich auf österreichischer Seite so sehnlich wünscht, ist ein ziemlich kurioses Objekt, weit davon entfernt jene komplexe Bedeutung zu haben, die die Federkrone historisch, politisch, kulturell für Mexiko hat. Die goldene Kutsche Kaiser Maximilian I. soll es werden, was "wir" (in der Wagenburg in Schönbrunn) dann (einige Zeit) bewundern dürfen.

Die sogenannte Federkrone des Montezuma könnte nun also nach Mexiko kommen, wo sie als ein common object in einer komplexen und widersprüchlichen nationalen Identitätskonstruktion eine ganz andere Funktion hätte als als Schauobjekt und Touristenmagnet.

Der Schritt der Generaldirektorin kommt überraschend und er ist erfreulich. Es ist eine bemerkenswerte Geste gegenüber Mexiko aber auch als Zeichen einer veränderten Wahrnehmung der Verantwortung eines Museums gegenüber den komplizierten und schwierigen Fragen der 'globalen Restitution'.

Der Schritt kommt vielleicht auch zustande und wird vielleicht erleichtert durch den Umstand, daß die 'Federkrone' (unverständlicherweise) schon lange nicht mehr im Völkerkundemuseum ausgestellt ist und angesichts der unklaren Zukunft des Museums seine Dauerausstellung betreffend wohl auch so bald nicht ausgestellt werden dürfte.

Das Ruhr Museum in Essen. Eine Kritik

Ausstellungskritik ist selten, Museumskritik erst recht. Mit freundlicher Erlaubnis der Autorin Vera Hierholzer und H-Soz-u-Kult, wo ich diese Museumskritik zum Ruhr Museum gefunden habe, übernehme ich sie gerne - und ungekürzt. Zumal sie ein wichtiges Museum betrifft, das für kulturhistorische Museen schon lange ein Modell war und das sich nun vollkommen neu präsentiert.


Keiner Sparte zurechnen lassen will sich das Essener Ruhr Museum auf der Zeche Zollverein und schon gar nicht „nur“ ein Industriemuseum sein. Dementsprechend bezeichnet es sein Direktor Ulrich Borsdorf auch gerne als „Hybrid“. Und tatsächlich fällt eine Einordnung des im Januar 2010 als Auftakt zum Kulturhauptstadtjahr eröffneten Museums schwer – im positiven Sinne: Das Ruhr Museum bietet nicht nur eine Melange aus Kultur-, Heimat-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, sondern stellt auch eine reizvolle Verbindung zur Naturgeschichte her, die in der Auseinandersetzung mit dem Ruhrgebiet durchaus naheliegt, aber deshalb längst nicht selbstverständlich ist. Wie sein Vorgänger, das Ruhrlandmuseum, in den 1980er-Jahren verlässt das Ruhr Museum die ausgetretenen Pfade der Museumsgestaltung. Wie dieses wuchert es mit seinen Pfunden – den umfangreichen, facettenreichen Sammlungen –, verabschiedet sich aber von der nach Sparten getrennten Präsentation. Die Verknüpfung der disziplinär geprägten Perspektiven wird zum roten Faden der neuen Dauerausstellungen.
In der ehemaligen Kohlenwäsche der einst größten und modernsten Zeche Europas, im Schatten des mächtigen Förderturms, der zum Wahrzeichen der Region geworden ist, empfängt die Nachfolgeinstitution des Ruhrlandmuseums ihre Besucher. Wie einst die Kohle, die in der Kohlenwäsche in verschiedenen Etappen von Ton, Mergel und Schiefer reingewaschen wurde, durchmessen die Besucher das Gebäude von oben nach unten. Die zu diesem Zweck von außen angebaute, 25 Meter lange Rolltreppe zum neu geschaffenen Eingang auf der obersten Ebene ist die wohl umstrittenste bauliche Veränderung der 1928 errichteten, unter Denkmalschutz stehenden Kohlenwäsche. Da eher gigantische Maschine als von Menschen zu nutzender Raum musste der Bau nach der Entscheidung, hier das Ruhr Museum unterzubringen, einer Reihe von Umbauten unterworfen werden, um geeignete Bedingungen für die Besucher und musealen Objekte zu schaffen. Der Stararchitekt Rem Koolhaas führte Regie bei der „Bauertüchtigung“, in Vielem sehr zum Missfallen der Denkmalschützer. 


Im Inneren verbindet eine mächtige, durch leuchtend orange Lichtbänder an glühenden Stahl erinnernde Treppe die verschiedenen Ebenen der rund 5.000 qm und 6.000 Objekte umfassenden Dauerausstellung.[1] Diese folgt keiner chronologischen, sondern einer thematischen Ordnung. Auf der „17-Meter-Ebene“ werden die Besucher zunächst mit der Gegenwart konfrontiert, mit dem also, was das Ruhrgebiet heute ist oder zu sein scheint. Den Einstieg in den Rundgang bilden Projektionen ikonenhafter Fremd- und Selbstbilder – rußgeschwärzte Gesichter, feuerspeiende Hochöfen und rauchende Schornsteine, heldenhafte Industriebarone, Fußballszenen und Männer am Büdchen. Diese „Mythen“ werden in der ersten eigentlichen Ausstellungseinheit aufgegriffen: Fotoserien dokumentieren – flankiert durch Medienstationen und serielle Objektzusammenstellungen – charakteristische „Phänomene“, die das Ruhrgebiet prägen – sei es die gesichtslose, gleichförmige Architektur der Städte, die durch den Bergbau geprägte, aber überraschend grüne Landschaft, die allerorten präsente Vereinskultur oder der Schrebergartenkitsch der Vororte. Humorvoll werden Brüche geschaffen und so die Heterogenität und Widersprüchlichkeit der Region herausgestellt: liturgische Geräte stehen Sportpokalen gegenüber, Videoinstallationen spielen mit den Klischees von Mantafahrern, Laubenpiepenbesitzern und Dönerbudenbetreibern. Reviergrößen wie der unvermeidliche Herbert Grönemeyer kommen zu Wort und die eigenwillige Sprache des Ruhrgebiets wird aufs Korn genommen. Teils finden sich überraschende, vielfach aber auch allzu erwartbare Themen und Exponate, so dass die Klischees eher liebevoll gepflegt als hinterfragt werden. Erst in der angrenzenden Ausstellungseinheit „Strukturen“ erfolgt eine Unterfütterung dieser Impressionen: Projektionen und Medienterminals liefern hier eine fast schon erschlagende Fülle an sorgfältig recherchierten Hintergrunddaten und -fakten.
Abgetrennt durch eine Glaswand, die wie ein überdimensioniertes Herbarium filigrane, gepresste Pflanzen aus der Region zeigt, folgt ein kontemplativ inszenierter Ausstellungsteil. Dezidiert selektiv und assoziativ werden unter der Überschrift „Zeitzeichen“ Erinnerungsstücke der heutigen Ruhrgebiets-Bewohner in gläsernen Stelen präsentiert; das einzelne Objekt und seine Geschichte stehen im Vordergrund. Es finden sich persönliche Andenken wie Teile eines Porzellanservices, das an langjährige Krupp-Beschäftigte verschenkt wurde, aber auch Kuriositäten wie Flaschen der chinesischen Biermarke „Hans“, benannt nach einem Ingenieur aus dem Ruhrgebiet, der nach dem Strukturwandel als Berater nach Fernost ging. Durchmischt wird dieses Musée sentimental mit Naturobjekten – versteinerten Schachtelhalmen, Baumstümpfen und Fossilien, die als Zeugen des „ewigen“ Naturgedächtnisses den subjektiven und kurzlebigen menschlichen Erinnerungen gegenübergestellt werden. Die Abteilung regt so zum Nachdenken über das Funktionieren menschlicher Erinnerung und des „kollektiven Gedächtnisses“ an.
Auch die folgende, dem „Gedächtnis“ gewidmete „11.80-Meter-Ebene“ legt derartige Reflektionen über die Speichermedien der Geschichte und das Museum als Sacharchiv nahe. In der Manier frühneuzeitlicher Wunderkammern zeigen Sammlungsräume ausgewählte Schätze aus den Antiken-, ethnologischen, geologischen und naturhistorischen Sammlungen des Museums, die auf den Beständen des Historischen Vereins der Stadt und des Stifts Essen fußen und damit auch die lange Geschichte des Ruhr Museums spiegeln. Die Sammlungspräsentation fügt sich in den ersten historisch-chronologisch gegliederten Ausstellungsteil ein, der die Geschichte der Region von der Bronze- und Römerzeit über die Siedlungen der Franken und Sachsen, die Christianisierung und Hansezeit bis zur Reformation und Aufklärung nachzeichnet. Ganz bewusst beschränkt sich das Museum so nicht mehr auf die Zeit ab der Industrialisierung, die das Ruhrgebiet als solches überhaupt erst erschuf, sondern spürt auch den weiter zurückreichenden, lokal teils sehr unterschiedlich ausgeprägten Entwicklungslinien und Traditionen nach, die durch die Industrialisierung verschüttet, modifiziert oder abgeschnitten wurden. Regelrechte Kleinodien wie der Grabstein des römischen Offiziers Marcus Caelius, Stücke aus dem Essener Domschatz und Urkunden hanseatischer Städtebündnisse finden sich unter den Exponaten.
Auch ästhetisch gesehen ist diese Ausstellungsebene die überzeugendste: Ägyptische und griechische Skulpturfragmente erstrahlen vor technischen Maschinenteilen, kultische Tiermasken und Bronzestatuetten kontrastieren mit den dunkel verwitterten Wänden und Jahrtausende alte Ammoniten ragen wie aufgespießte Insekten aus Kohletrichtern empor. Dieses von den Ausstellungsarchitekten des Stuttgarter Büros HG Merz kunstvoll inszenierte Zusammenspiel von Exponaten und Gebäude ist in den anderen Ebenen nicht in derselben Weise gelungen. Die Maschinen der Kohlenwäsche werden ebenso wie die Geschichte des Gebäudes bedauerlich wenig in die Ausstellung einbezogen – ihre Erläuterung wird ganz dem räumlich getrennten Denkmalpfad überlassen.
Gerade beim dritten und letzten Ausstellungsteil auf der „6-Meter-Ebene“, der abschließend die „eigentliche“ Geschichte des Reviers erzählt, fällt dies auf. Seine sehr kompakten und starr wirkenden Vitrinen- und Sockelbauten greifen zwar die Formen und Strukturen der Förderbänder und anderer Maschinenteile auf, lassen diese selbst aber vielfach regelrecht verschwinden und wirken im Vergleich zu den vorherigen Sammlungsräumen recht konventionell. Die Industriegeschichte wird hier zum „Drama“: Umrahmt von einem Prolog zu den naturräumlichen und geologischen Voraussetzungen und einem bilanzierenden Epilog handeln fünf „Akte“ von den ersten industriellen Anfängen im frühen 19. Jahrhundert, vom eigentlichen take off um die Jahrhundertmitte mit seinen technischen und unternehmerischen Innovationen, von der Hochindustrialisierung und ihrer fortschreitenden Rationalisierung und Kartellbildung, den folgenden Wechseln von Krisen- und Aufschwungszeiten sowie vom langsamen Niedergang der alten Industrien und allmählichen Strukturwandel. Äußerst dicht ist die Erzählung, kaum ein Thema wird ausgespart. Aber gerade durch ihre Fülle und Bemühtheit um Vollständigkeit bleibt sie seltsam unpersönlich, zumal die sehr vom Ende her gedachte Konzeption als „Schauspiel“ etwas gekünstelt wirkt. Originell ist aber erneut die Integration von geologischen und naturkundlichen Sammlungsstücken. Geschickt wird die Natur- mit der Industriegeschichte verwoben – etwa durch die Thematisierung der Bodenschätze, die die Basis der rasanten Industrialisierung bildeten, aber auch durch die Darstellung der Kleingartenkultur und der Umweltzerstörung. Hier wird der Bogen zur gegenwartsbezogenen Eingangsebene besonders deutlich: Was dort als Phänomen beschrieben, aber nicht tiefer ergründet wird, erhält auf dieser letzten Ausstellungsebene seine historische Erklärung – mal mehr, mal weniger direkt und offensichtlich. Ein ambitioniertes, gut durchdachtes, aber in Teilen möglicherweise auch zu komplexes Konzept.
Die drei Ausstellungsebenen haben jeweils eine ganz eigene Formensprache, Ästhetik und Atmosphäre, die mit den Inhalten korrespondieren – von der bunten Vielfalt gegenwärtiger Eindrücke über die fast sakralen Räume des kollektiven und des kulturellen Gedächtnisses bis zur Meistererzählung der Industrialisierung. In Vielem knüpft das Ruhr Museum an das Ruhrlandmuseum an: Wie dieses setzt es Medientechnik wohltuend zurückhaltend ein. Zwar finden sich hochmoderne Touchscreens mit allerlei Applikationen, Filmpräsentationen, Geruchsstationen und Klangduschen, aber die in vielen neueren Museen übliche audiovisuelle Dauerberieselung unterbleibt.[2] Setzte bereits das Ruhrlandmuseum Inszenierungen nicht als Anmutungen des Authentischen ein, sondern als höchst artifizielle „Objektbilder“, die die Objekte als Zeichen verstanden und ihre Materialität betonten, führt das Ruhr Museum diesen Ansatz konsequent fort und inszeniert ganze „Raumbilder“. Dem Auratischen wird jedoch – insbesondere in den Ausstellungsteilen, die sich dem kollektiven Gedächtnis und den Sammlungen widmen – deutlich mehr Raum gewährt. Ergänzende Ausstellungstexte – auf die das Ruhrlandmuseum in seinen ersten Jahren ganz verzichtete – erhalten einen größeren Stellenwert. Das Historische muss nun erläutert werden – nicht nur, weil das neue Museum einen viel weiteren Bogen schlägt und die Konzentration auf die Zeit seit der Industrialisierung aufgibt. Viele der lange Zeit selbstverständlichen Strukturen, Abläufe und Techniken sind inzwischen erklärungsbedürftig. Das Historische aber soll seinerseits die Gegenwart erklären, so der Anspruch des Museums, den es insbesondere durch die vielen gebotenen Perspektiven auch tatsächlich einlöst. Gerade im Vergleich mit seinem Vorgänger wird das Ruhr Museum so selbst zum Anschauungsobjekt der von ihm erzählten Geschichte und trägt damit dem eigenen Anspruch Rechnung, über seine Funktion als „Gedächtnis" der Region hinaus den noch andauernden Prozess der „Neufindung“ der Region zu beeinflussen.
Anmerkungen: 
[1] Der Katalog zur Dauerausstellung stellt nicht nur einzelne Ausstellungsebenen mit ausgewählten Objekten vor, sondern informiert auch ausführlich über die Geschichte des Ruhr Museums, die Kohlenwäsche und ihre Sanierung sowie das Gestaltungs- und Medienkonzept der Ausstellung. 
[2] Auch sogenannte Hands-on-Stationen sucht man vergebens, für Kinder wurde stattdessen eine Ralley samt Quiztasche mit (Original-)Exponaten zum Anfassen entwickelt.

Vera Hierholzer: Ausstellungs-Rezension zu: Ruhr Museum 10.01.2010, Ruhr Museum Essen, in: H-Soz-u-Kult, 15.01.2011, .
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Vera Hierholzer studierte in Münster Geschichte und öffentliches Recht. Nach ihrer Promotion am Frankfurter Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte absolvierte sie ein wissenschaftliches Volontariat am Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim. Im Anschluss war sie freie Kuratorin am Museum für Kommunikation in Frankfurt. Seit 2008 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Seminar der Goethe-Universität Frankfurt. Im Rahmen eines Drittmittelprojektes kuratiert sie derzeit eine Ausstellung am Frankfurter Goethe-Haus zum Thema "Goethe und das Geld. Der Dichter als Ökonom".

13. Sommerakademie Museologie 2011. Erste Information und Anmeldung

Die Sommerakdemie 2011 ist im Zug des Jahresprogrammes der Museumsakademie sozusagen "ausgeschrieben". Eine Anmeldung Mail-Adresse s. unten) ist bereits möglich.
Die 13. Sommerakademie beschäftigt sich mit dem Museum als eine Art Baukasten, um Weltbilder zu konstruieren und Welterfahrung zu vermitteln, als ein Instrument, um die Welt zu begreifen und von ihr ergriffen zu werden.
Zivilisierend und bildend dient das Museum der Verständigung über Geschichte, Identität, über Herkunft und Zukunft, Kultur und Natur, und nimmt damit und in der Art und Weise seiner Vermittlung eine eminente gesellschaftspolitische Rolle ein.
Dieses Verständnis verleiht dem Museum und den in ihm Arbeitenden ein großes kreatives Potential, das in der Sommerakademie ausgetestet werden wird. Die Sommerakademie, anerkanntes Forum zum Erfahrungsaustausch über die Arbeitsfelder Museum und Ausstellung, ist als Wahrnehmungsschule und Museumswerkstatt angedacht, in der unterschiedlichste Arbeitsmethoden genutzt und eine neue Stufe reflektierter Museumspraxis erreicht werden kann.

Leitungsteam
Renate Flagmeier, Museum der Dinge, Berlin (D)
Gottfried Fliedl, Museumsakademie Joanneum, Graz (A)

Kosten 1170 €, ermäßigt 850 € inkl. Unterkunft & Vollpension 


Anmeldung und Info: Museumsakademie Joanneum
Schloss Eggenberg
Eggenberger Allee 90, 8020 Graz
T +43 (0) 316/8017-9805, Fax -9808
sommerakademie@museum-joanneum.at

Der Jetztmensch und das Leben der anderen (Museumsphysiognomien 11)



Mir ist eine Postkarte zufällig wieder in die Hände gefallen, die ich vor vielen Jahren im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover gekauft habe. Sie zeigt ein Diorama, das es es möglicherweise nicht mehr zu sehen gibt und das, wie die Beschriftung der Karte sagt, den "Jetztmensch" zeigt. Über die - ohnehin rasch wechselnden - Theorien über die Evolution des Menschen wenig unterrichtet, lege ich mir das Wort "Jetztmensch" so aus: Das ist die Spezies, zu der "wir" (immer noch) gehören, da bin ich gemeint, denn das sind unsere und meine Vorfahren oder wie man auch sagen könnte, Ahnen.
Die Beschriftung der Karte präzisiert: "Cromagnonmensch" und fügt in Klammer hinzu: "Jüngeres Eiszeitalter (Altsteinzeit; Aurignacien) vor 25.000 Jahren".
Die Jahreszahl hilft mir, die diversen Epochenangaben, mit denen ich ohnehin nichts anfangen kann, zusammenzufassen: lange her.

Der Suche nach der Herkunft der Menschheit (ein jederzeit aktualisierbares Thema der Medien) wie dem Schaubild aus dem Hannoveraner Museum geht eine Frage voraus: Woher kommen wir? Da eine korrekte und nüchterne, sich auf Funde und Fakten beschränkende Antwort weder besonders anschaulich noch besonders befriedigend ausfiele, wenden Museen Kniffe an, von denen das 'lebenswahre' Diorama mit seiner räumlich-illusionistischen Suggestion einer der beliebtesten ist. Inzwischen hat man den Naturalismus solcher Veranschaulichungsräume erheblich verbessert, aber was geblieben ist, ist die mit einem Blick erfassbare Szene, die uns freundlicherweise insofern entgegenkommt, als sie den Schock der Differenzerfahrung mit der Durchdringung von Gegenwart mildert. Grillparty mit Männerüberschuss könnte die Überschrift heißen (ob Frauen überhaupt dargestellt sind, kann ich auf dem Bild nicht eindeutig erkennen), allerdings behauptet die Postkarte, daß der Jetztmensch grade mit der "Bestattung eines Mammutjägers" zu Gange ist. Ich kann auch das nicht erkennen und wenn es sich nicht um eine schlicht falsche Beschriftung handelt, bleibt nur die Vermutung von Leichenschmaus, Opferkult oder - Kannibalismus?

Überhaupt: was sagt uns das Diorama. Vermutlich geht es in erster Linie um die Vermittlung großer zeitlicher Distanz, von früher und jetzt (wir im Museum…), um Erfahrung, die aus der Zeitdifferenz entsteht. Etwa: die haben ganz primitiv gelebt, im Freien, haben Fleisch verzehrt, sich in Felle gekleidet, Vorräte geschaffen (an der Felswand links hängt Fleisch offenbar zum Trocknen) usw. Da ja wir gemeint sind, läßt sich das primitiv gut zur Grundlage einer Idee des Fortschritts machen, die uns das angenehme Gefühl eines weit haben wirs gebracht vermitteln kann.

Wäre hier aber eine ethnisch-kulturell differente Gruppe dargestellt, Eingeborene des vorkolonialen Amerika oder Urwaldbewohner der Regenwälder z. B., würde das primitiv zu deren Ungunsten ausschlagen und ein Wertgefälle erzeugen, also unsere Überlegenheit bekräftigen oder gar scheinbar beweisen. Es wäre dann das Leben der Anderen, nicht unseres. Damit nur ja die Identifikation mit dem wir über den "Jetztmenschen" funktioniert, ist er ja auch so hübsch zur Grillparty gruppiert und sind die Cromagnons mit auffallend üppigen Föhnfrisuren (a la 70er-Jahre, da könnte das Diorama gebaut worden sein) ausgestattet.

Das meiste von dem, was wir sehen, ist übrigens erfunden, durch gesichertes Wissen nicht abgesichert, so wie man ja auch nicht weiß, wie Saurier 'wirklich' ausgesehen haben (sie könnten ja auch lila gewesen sein oder fedrig, nicht?) oder was "Ötzi" denn ausgerechnet auf dem Hauslabjoch zu suchen hatte. Das ist freilich gar nicht so wichtig, wie uns der Authentizitätsdiskurs des Museums weismachen will, denn hier gehts nicht so sehr um Sachwissen (anthropologisches, archäologisches Wissen), sondern um Identitätswissen, das heißt, um etwas, was jetzt, im Museum, mit uns und für uns 'erzeugt' wird, aber dem Sachwissen so gar nicht entnommen werden könnte.

So viel (nebstbei) zur Wissenschaftlichkeit des Museums (siehe Föhnfrisuren).

Das merken wir alles nicht so richtig, denn rhetorisch ist das Diorama unschlagbar. Für das Museum, das räumliche und zeitliche Distanz in räumliche und zeitliche Nähe wunderbar zu verwandeln vermag, ist das dazu besonders geeignete Diorama, ein wunderbares Medium. Statt dem pars pro toto, mit dem so viele Ausstellungen arbeiten, gibt es hier eine zum Tableau erstarrte Erzählung. Wie wirklich zeigt man uns unsere Vorfahren, zwar nicht grade anheimelnd, aber doch vertraut, verwandt (siehe Grillparty), und mag sich auch die Art viriler Fleischzubereitung seither nicht verändert haben (25.000 Jahre Grillen - ein Museumsthema?), das Gefühl, daß wir es doch ein wenig besser und komfortabler haben, bleibt. Einübung in Zivilisiertheit eben.

Geben wir das Schlußwort der Beschriftung der Postkarte: "Werdet Mitglied der 'Freunde der Naturkunde-Abteilung des Niedersächsischen Landesmuseums e. V.".

Donnerstag, 13. Januar 2011

Ausverkauf! (Museumskrise, noch eine Facette)

"Privatisierung" im Kulturbereich hat viele Facetten. Eine davon ist, sich nicht nur Geld über Sponsoring zu holen, sondern sich sozusagen mit Haut und Haar einer Firma, einem Konzern, einem Interesse auszuliefern. Die heutige Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung berichtet von zwei Fällen.
Kunstwerk, Flacon, Bömbchen, Verpackung, Kulturgut...?
Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln läßt vom "seit zwei Jahren bankrotte Modemacher, der sich in seiner Heimat auf die Gestaltung von Trambahnen und Theaterkulissen verlegt hat" (Süddeutsche Zeitung), nämlich Christian Lacroix, eine Ausstellung über dessen Lieblingsmaler kuratieren und gestalten, einen reaktionären Salonmaler (SZ) Alexandre Cabanel.
Aber einer "der wichtigsten französischen Künstler des 19. Jahrhunderts", so das Museum auf seiner Webseite.
Das Karl Ernst Osthaus - Museum in Hagen zeigt "Flacons - Haute Couture der Düfte", eine Ausstellung zur "Kulturgeschichte von Parfum und Parfumgefäßen im Lauf der Jahrhunderte" und als solche laut SZ "...eine Karikatur der Vision des Museumsgründers und Mäzens Karl Ernst Osthaus, der, mitten in der industriellen Revolution, durch Kunst 'die Schönheit wieder als herrschende Macht im Leben' etablieren wollte." Und schließt daraus: "Damals ging es um die künstlerische Durchdringung aller Lebensbereiche - heute um die Etablierung von Markennamen in der Sphäre der Kultur."
Das passt ja insofern, als sich Museen zunehmend selbst als Marken etablieren möchten und die entsprechenden Techniken des Marketing, Branding, Wording, Benchmarking und was es sonst noch so alles an -ing gibt, bedient.
Alexandre Cabanel: Die Allegorie der Museologie entsetzt sich über die Entwicklung der Museen
Statt sachlicher Information gibts Werbegeschwurbel. "Das Gemälde (Geburt der Venus von Cabanel) ist von bezaubernder Schönheit und gehört heute zu den Highlights des Pariser Musée d'Orsay. Neben mächtigen Männern wie Napoleon III. und Maximilian II. von Bayern war Cabanel auch bei den Damen des Adels sehr beliebt." Ja dann!
Die SZ ist sogar so humorlos, angesichts dieser zwei Beispiele von 'Ausstellungen' und 'Kooperationen' von "Eindringlingen" zu sprechen, wo es doch nur um synergetisches Marketing geht (oder?): "Grundsätzlich ist die Frage zu stellen, ob es sich die Kulturpolitik leisten kann, teuer finanzierte Häuser solchen Eindringlingen zu öffnen, wo es an eigenen Mitteln für Ausstellungen fehlt."
Dabei hält sich die SZ mit Details nicht auf: einer der Sponsoren der Ausstellung - es handelt sich (fast möchte man sagen: na klar) um eine Privatsammlung -, ist eine Parfümeriekette, die direkt auf der Ausstellungsseite der Museumshomepage werben darf. Noch zwei weitere Firmen sind mit im Boot, aber alles natürlich einem edlen Zweck zugeordnet. "Die Ausstellung", so versichert uns das Museum, "wird ein großer Meilenstein in der bedeutenden Aufgabe (sein), das Kulturgut 'Parfumflacon' zu pflegen und zu unterstützen."(Was bedeutet, ein 'Kulturgut zu unterstützen'?).

Roma panoramatica (Entrée 08)

Fundsache "Ein Bild das Kippenberger nicht gemalt hat"

Bildausschnitt aus "Paris Bar"
Es ist zwar schon länger her, daß der Text, auf den ich verweise, geschrieben wurde. Ich habe ihn kürzlich entdeckt und er ist als sehr gut geschriebenes Feuilleton lesenswert aber auch als Analyse des Kunstmarktes und seiner ziemlich interessanten Praktiken.
Worum es geht? Um ein Bild, das Martin Kippenberger nicht gemalt hat, das aber um sehr viel Geld bei Sotheby's als Kippenberger versteigert wurde, obwohl bekannt ist, wer der Autor des Bildes ist und was der seinerzeit (von Kippenberger) für das Bild bezahlt bekommen hat.
Hier der Link zum im SPIEGEL erschienen Text von Nora Reinhardt.

Montag, 10. Januar 2011

Restitution

Adolf Noll, der wahrscheinlich erfahrenste Jurist Österreichs was Restitutionsfragen betrifft, hat ein Buch über seine - schlechten - Erfahrungen mit der Restitutionspraxis geschrieben. "Ein Pamphlet zur Kunstrückgabe in Österreich" unter dem Titel "Abnehmende Abwesenheit". Thomas Trenkler, der sich seit Jahren in Restitutionsfragen als Journalist engagiert rezensiert das Buch in der aktuellen Online-Ausgabe des Standard.

Sonntag, 9. Januar 2011

Hier ist Genie (Texte im Museum 169)

Wir gehen ins Museum - zum Beispiel in die Kunsthalle in Wien

Es gibt wenige 'Ecken' im Museumsquartier in Wien, die so verschroben sind, wie das Foyer von dem aus man die Kunsthalle - und andere Veranstaltungen als die Ausstellungen - betritt. Die Beharrlichkeit, mit der seinerzeit das Denkmalamt auf der Erhaltung der historistischen Halle bestand, hat, so scheints, zu irreparablen Kompromissen zwischen Alt und Neu geführt. Nur die gute Qualität des Cafes lenkt einen davon ab, die mit Vorhängen und anderem Brimborium dürftig kaschierten Nahtstellen zu bemerken. Als Besucher der Kunsthalle muß man aber durch durch den verwirrenden Mix von Räumen und unklaren Funktionen, ehe man den eigentlichen Ausstellungsraum betreten kann. Garderobe, Lift, Treppenhaus, das alles atmet eine verkorkste Kompromisshaltung und Notlösung aus, die dieses Entrée zu einem der ungemütlichsten macht, die ich kenne. Besonders trostlos das Sitzangebot. In einer Ecke gibt es im Geviert zusammengeschobene Sofas, wo man den Eindruck hat, das Betreten dieses sakralen Gevierts sei ohnehin unerwünscht, so eng ist das dort alles. Außerdem käme man in einem fast leeren Raum zu sitzen, in dem es nichts zu sehen gibt, wo es aber auch zu ungemütlich fürs Rasten ist. Schräg gegenüber dann dieses gelbe Sitzmöbel, das vielleicht mehr eine Gebärde ist, die zeigen soll, wir denken auch an unsere Kunden, als wirklich ein Angebot zu verweilen. Das empfiehlt sich auch nicht. Vor der Anschlagtafel käme man unangenehm Lesern der dort ausgehängten Informationen und Pressekritiken in die Quere und das Sitzen wäre - mit einem vorstehenden Metallbord für Folder im Rücken kein Sitzen, sondern eher ein erzwungener Bandscheibenvorfall. Direkte Flucht ist unerwünscht, mittels perfid platzierter Topfpflanzen und von einem Wegweiser gelenkt muß man durch den Museumsshop entweichen.

Altonaer Museum. "Wir sind Museum".

Eine bemerkenswerte Entwicklung bahnt sich bezüglich des Altonaer Museums in Hamburg an. Die Bürgerinitiative “Altonaer Museum bleibt!” hat gestern, am 8.1., damit begonnen, die Bürger - also sich selbst - in die Beratungen und Entwicklungen einzubeziehen: Wir wollen die Wünsche und Ideen der Bürgerinnen und Bürger, der Nutzer, der Öffentlichkeit einbringen in das vielfältige Konzert der ExpertInnen und “Museumologen” (sic!), der ParteipolitikerInnen und diversen “Entscheider”. Die Sache ist zu wichtig, als dass wir sie ihnen überlassen können. Es ist unsere Sache!

Wunderbar, sage ich mir, das ist etwas anderes als Partizipation, der ja immer auch etwas patrimoniales anhaftet, die immer das Einverständnis derjenigen voraussetzt, die Partizipation zulassen und deren Grenzen festlegen. Hier gehts um Selbstermächtigung einer zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit, die völlig zu recht sagt: das ist unsere Sache, sie geht uns an, wir reden und entscheiden mit.

"Unsere Sache", das ist das "Ding der Gemeinschaft", die öffentlichen Angelegenheiten, res publica, etwas was konkret und imaginär zugleich ist, die Summe alles dessen was uns betrifft; was die Altonaer da beginnen (oder schon längst begonnen haben) ist also 'republikanisch', führt zu den Wurzeln eines Verständnisses von Gesellschaft und Staat, das sich um das alle verpflichtende gemeinsame Wohlergehen zentriert. In diesem Fall um das Weiterbestehen aber vor allem auch die Aufgaben eines - ihres - Museums.

Die kulturellen Güter, die beni culturali, das patrimoine, Heritage, Erbe, sind ebenfalls Dinge der Gemeinschaft, Dinge, die um die diese Gemeinschaft sich sammelt (im Thing, der altgermanischen Volks- und Gerichtsversammlung, ist der Zusammenhang evident), Dinge, die sie aber auch repräsentiert und die sie nutzt, um sich über sich selbst zu verständigen.

Die Altonaer haben sich im Museum getroffen. Wie die Balance zwischen dem Museum, seiner Leitung und den Kuratoren einerseits und der Bürgerversammlung andrerseits aussieht, weiß ich nicht. Jedenfalls ist damit die Machtbeziehung Publikum / Bevölkerung - Politik - Museum neu definiert. Denn im Grunde ist die 'staatliche Gewalt' (ein Kultursenator usw.) immer nur ein Treuhänder gesellschaftlicher Willensbildung. Aber wo diese nicht stattfindet - und wann und wo findet die im Feld der Kultur, beim Museum denn statt? - bekommen die Politiker die Entscheidungsmacht. Das sieht jetzt anders aus. Die Suche und das Verhandeln darüber, was 'unsere Sache' ist, wird die Politik in ganz andrer Weise verpflichten, als das bisher denkbar war. Und es wird auch die Frage auftauchen, wie sich das Verhältnis zwischen 'Bewegung' und 'Institution' gestaltet und ob nicht auch ein Museumsdirektor ein Treuhänder ist...

Ich bin gespannt.

Samstag, 8. Januar 2011

film über "forbidden art" im stalinismus und ein museum in uzbekistan

ich habe einen interessanten film gesehen über ein museum in uzbekistan in dem eine vielzahl von regional "partikularer" kunst waehrend des stalinismus überlebte. auch ein dokument über einen obsessiven sammler und eine andere art des "kunstraubens".

mehr über den film:
http://www.desertofforbiddenart.com/

und eine dazugehörige Ausstellung im Kunstmuseum in Groningen/NL:
"Russia's Unknown Oient. Orientalist painting 1950 - 1920".
http://www.groningermuseum.nl/en/press/2010/russias-unknown-orient-orientalist-painting-1850-1920

Samstag, 1. Januar 2011

Das Trennungsmuseum

Vielleicht die richtige Art und Weise, den Blog im neuen Jahr zu starten: das Museum der zerbrochenen Partnerschaften vorzustellen. Das Museum existiert schon länger als ambulante, an vielen Orten gezeigte Ausstellung. Nun hat es einen festen Sitz in Zagreb, ist täglich von 9 bis 21 Uhr offen und hat eigenem Bekunden nach bis zu tausend Besucher pro Tag.
Eine ästhetisch wie funktionell ansprechende und professionelle Webseite gibt einem nicht nur die nötigen Informationen und eine Vorstellung vom Museum sondern öffnet verschiedene Wege sich zu beteiligen, mit dem Überlassen von 'Trennungsobjekten', dem Schreiben von e-mails, dem Zuschicken von Fotos.
Last but not least kann man sich (alle?) Ausstellungsobjekte anschauen - mit den 'anhängenden' Trennungsgeschichten. Eine Axt etwa diente einem Berliner, die Möbel der Frau, die ihn verlassen hatte, zu Kleinholz zu machen: Als sie die Möbel abholen wollte, hatte ich alles fein säuberlich zu Haufen arrangiert. Sie nahm sie mit und wir trennten uns im Guten.
Gefällt mir sehr, eine schöne Idee, die intelligent mit dem Status von Museumsobjekten umgeht, die ja immer so etwas wie Lebensspuren hinter sich herziehen.
Möglicherweise kommt ja bald ein zweites Museum, mit einer verwandten Idee. Orhan Pamuk, der türkische Nobelpreisträger, arbeitet ja schon länger an einem 'Museum der Unschuld', dessen ihm zugrundeliegende Trennungsgeschichte Thema des gleichnamigen Buchs ist, das Pamuk selbst als 'Katalog' des kommenden Museums bezeichnet.
Wer Pamuks Buch lesen will, der sei gewarnt. Ich habe viele Freunde, die die Lektüre aufgegeben haben. Es gibt da eine Entwicklung einer leidenschaftlichen Liebesgeschichte über die Trennung zu einem sprachlosen Nebeneinander, das der 'Held' der Geschichte herbeiführt, indem er regelmäßig die Verwandten seiner Geliebten besucht. Tag um Tag, Stunde um Stunde sitzt er vorm Fernseher und sonst passiert nichts. Außer daß er manisch alles aufliest (oder auch klaut) was an Dingen mit seiner Geliebten in Verbindung zu bringen ist. Das geht so an die oder mehr als 200 Seiten, und an der langen Passage des Buchs, wäre ich auch fast gekentert. So etwas quälend Leeres und Langsames hatte ich noch selten gelesen. Aber aus dieser Aufsammlung, die der etwas Irre da zusammenliest, entsteht das 'Museum der Unschuld'.
Das dann 2010, als Istanbul Kulturhauptstadt war, schon hätte eröffnen sollen, aber wegen Querelen um die Subvention noch nicht eröffnet wurde.

Mittwoch, 29. Dezember 2010

Beachtlich!

Dem Wiener Naturhistorischen Museum ist eine ungewöhnliche klare Webseite geglückt. Schnörkellos, einfach, auch in die Tiefe gut zu navigieren und übersichtlich. Knappe Informationen, auch (ausführlich) zur wissenschaftlichen Arbeit, zu den Sammlungen sowie (weniger ergiebig)  zur Geschichte und zur Architektur. Schwachpunkt: wenige und nur briefmarkengroße Fotos ohne jede Erläuterung. Aber das kann ja noch kommen.

Montag, 27. Dezember 2010

Unter Palmen (Entrée 05)

Atatürk (Texte im Museum 168)

Historisches Museum Amsterdam (2010; Foto: GF)

Über Stadtmuseen oder Wie (nicht nur anlässlich des Wien Museums) über einen sonderbar kriselnden Typ von Museum diskutiert werden könnte.

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Stadtmuseen leisten sich kleine Identitätskrisen. Das zeigten zwei Tagungen, die in jüngerer Zeit in Berlin und in Graz stattgefunden haben. Das Selbstwertgefühl dieser Museen schrumpft, wenn sie sich mit anderen, von Medien und Publikum verwöhnteren Museumstypen vergleichen und auch angesichts der schwindenden finanziellen Mittel der öffentlichen Hand. Davon sind nun gewiss nicht nur Stadtmuseen betroffen, aber es ist vielleicht kein Zufall, daß das erste bedeutendere Museum, das in Deutschland geschlossen werden sollte, ein Stadtmuseum war. Das Altonaer Museum in Hamburg war eins jener typischen lokalhistorischen Museen, die sehr heterogene Sammlungen haben und die sich chancenlos glauben im Wettbewerb gegen neue Gründungen und Konzepte.
Hamburg etwa forciert das Stadtmarketing, und das mit beträchtlicher Auswirkung auf traditionelle Institutionen (Museen, Theater, Bibliotheken, Kinderkultur), denen Einsparungen bis an den Rand des Verkraftbaren zugemutet werden, während spektakuläre, zum Teil private Initiativen, sehr hohe Summen von der Stadt bekamen. Das betraf und betrifft auch weit über Hamburg hinaus bekannte und wirkende Einrichtungen, wie das Deutsche Schauspielhaus oder die Kunsthalle.  Am Beispiel Hamburg wird auch klar, daß es nicht ums Sparen geht, sondern um ein anderes Verteilen der Mittel als bisher. Die prestigeträchtige „Elphilahrmonie“, die eine neue kulturelle Identität Hamburgs als ‚Musikstadt’ beschaffen soll, wird Unsummen bis zur Fertigstellung verschlingen. Die privaten Museen, Schiffahrtsmuseum und Ballin-Stadt, haben sehr hohe Anschubfinanzierungen bekommen und jetzt dürfte die Stadt große Mittel zum Ankauf einer privaten Sammlung zeitgenössischer Kunst locker machen. An traditionellen Institutionen wird der Rotstift angesetzt.
Hamburg ist sicherlich ein besonderer Fall – noch. Man kann an ihm lernen, wie gleichgültig und rücksichtslos eine komplett von wirtschaftlichen Imperativen beherrschte Politik werden kann. Und wie sich Hand in Hand damit ein ideologischer Wandel vollzieht, weniger aufmerksam beobachtet, weniger scharf analysiert als medienträchtige ‚skandalisierbare’ Einsparungsbeschlüsse. Lange aufgebaute kulturelle Vereinbarungen brechen weg oder werden mit einem Handstrich weggewischt und neue etabliert: der ideologisch fragwürdigen Schifffahrtssammlung einen prominenten Platz in der boomenden Speicherstadt einzuräumen und gleichzeitig die traditionellen historischen Museen auf Hungerration zu setzen, ist mehr als nur als ‚Sparsamkeit’, sondern eine zur ökonomischen parallel laufende ideologische Umverteilung.
In einer solchen Situation sind die Institutionen gezwungen, ihre Daseinsberechtigung zu überprüfen, unter Umständen neu zu formulieren und ihre Bedeutung für ihr Publikum praktisch zu beweisen. In Hamburg ist immerhin eine anhaltende Mobilisierung gelungen, die zu einer Lockerung der Sparauflagen – nicht zu deren Aufhebung – geführt hat. Noch interessanter war, daß sich jener ‚Bürgersinn’ formiert hat, dem ja die meisten der erwähnten Einrichtungen ihre Gründung verdanken. Mehr noch und weitaus freier als die der Administration unterstellten Einrichtungen selbst, können Bürgerforen zu herausfordernden Kontrahenten der Politik werden. Das zeigte sich grade an der Entwicklung der Stiftung historischer Museen (zu der das Altonaer Museum gehört und auf das der Sparimperativ ‚verteilt’ wurde, um das Altonaer Museum – vorerst – zu ‚retten’), wo sich ein offenbar nachhaltiger ziviler Ungehorsam etabliert hat. Daß nun die Koalition aus CDU und Grünen in der Stadtregierung gescheitert ist, hat mehrere Gründe, aber das Desaster der Kulturpolitik dieser Koalition hat eine Rolle gespielt. Grund zur Hoffnung?

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Aus der Hamburger Entwicklung lassen sich eine Reihe von Lehren ziehen, keine aber, wie mir scheint, die eine Antwort auf die eingangs benannte ‚Krise’ der Stadtmuseen bietet. Das Altonaer Museum war um 1900 eine inhaltlich, medial und methodisch hochinnovative (ideologisch dagegen problematisch durchwachsene) Gründung, die weit über die Region und Deutschland hinaus Modellcharakter hatte. Von der Resonanz, die das Museum damals hatte, kann man sich kaum eine Vorstellung machen, der enorme Anfangserfolg ermöglichte sogar eine erhebliche, der Gründung rasch folgende bauliche und sammlungspolitische Erweiterung. Das Museum der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts muß ein vitaler sozialer und kultureller Umschlagplatz gewesen sein. Auf Kongressen wurde es als nachahmenswertes Beispiel herumgereicht und sein Leiter und ‚Erfinder’ wurde von weit her eingeladen, um das Museumskonzept zu erläutern.
Was es heute im Altonaer Museum zu sehen gibt (ich war erst vor wenigen Monaten und zufällig wenige Wochen vor dem politischen Entscheid, es mit Jahresende zu schließen, dort), erinnerte an diese Vitalität nicht mehr. Das war ein spärlich besuchtes Haus, durch dessen vielfältige Sammlungen kein rechter Zusammenhang, keine rechte Haltung mehr erkennbar war. Manche der Sammlungen der Museums-Gründungszeit hatten sich wie Denkmäler ihrer selbst erhalten, interessant anzuschauen für jemanden wie mich, der an der Geschichte von Museen interessiert ist. Sperrige, unklare Übergänge, offensichtlich fragmentierte Ausstellungsteile vermittelten den Eindruck, daß das Museum ein Notprogramm fuhr, was dann auch durch eine kleine Ausstellung bestätigt wurde, in der der politische Umgang mit dem Museum direkt thematisiert wurde.
Einerseits war das eine schon recht verzweifelte Aktion, in die die Ohnmacht des Museums eingeschrieben war, direkt aus dem Museum heraus gegen die Förderpolitik zu polemisieren. Andrerseits warf der in Form einer Ausstellung erhobene Notschrei der Kuratoren die Frage auf, warum das Museum offenbar alleine war oder sich alleingelassen fühlte und (bis dahin) keine öffentliche Mobilisierung angestoßen hatte.
Diese setzte ein, als es ernst wurde und der alle überraschende Schließungsauftrag erteilt wurde - jetzt mobilisierten das Museum u n d die Bevölkerung. Und mit Erfolg. Jetzt entstand jene zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit, die auf die Bedeutung des Museums hinwies, zum Beispiel auf die Funktion des Museums als lokal bedeutsamer kultureller und sozialer Raum, wo die Erinnerung an Altonas kommunale Selbständigkeit (zur Zeit der Museumsgründung) in Form eines wiedererwachenden lokalen Geschichtsbewußtseins erneuert wurde. Mit welcher Nachhaltigkeit das alles ausgestattet ist, das wird man sehen.

3
Wenn ich über Stadtmuseen nachdenke und über Ihre Besonderheit, also auch darüber, worin ihre ‚besondere’ Krise denn liegen könnte, dann denke ich am ehesten genau an diese Wechselbeziehung von Museum und gesellschaftlichem Umfeld. Jedes Museum hat sein Publikum, hat es vielleicht organisiert, in Museumsvereinen, hat möglicherweise Veranstaltungen, Events usw., um es an sich zu binden, seine Loyalität zu pflegen. Aber bei keinem Museumstyp ist diese Wechselbeziehung so zwingend, wie bei den Stadtmuseen.
Einer meiner kunsthistorischen Lehrer hat das Wiener Kunsthistorische Museum (und er meinte es sicher nicht herablassend), ein „gutes zweitklassiges“ genannt. Gemeint war damit die Sammlung, ihre Bedeutung im Kanon der kulturellen Werte. Da hat dieses Museum nun mal nicht jene Dichte an erstrangigen Gemälden und nicht jene Repräsentativität der diversen Epochen und Schulen wie etwa die National Gallery in London oder der Madrider Prado.
Was ich damit sagen will, dieser Museumstyp hat ein Bezugssystem, das außerhalb jeder politischen Topografie liegt und das allein seine Situierung im Feld der kulturellen Werte bestimmt. Selbstverständlich ist es (auf eine widersprüchliche Weise) das ‚österreichische’ (und damit eine Art ‚nationales’) Museum, aber es könnte seinen ‚Platz’ wechseln, ohne daß dessen Bedeutung Schaden nimmt. So wie es ja auch neuerdings geschieht und der Louvre (Teile davon) nach Dubai geht oder die Eremitage nach Amsterdam. Das ist denkbar. (Das wäre auch bei einem technischen Museum denkbar, bei einem naturhistorischen usw.).
Sich das Musée Carnavalet nach Stockholm oder das Amsterdams Historisch Museum nach Dresden versetzt zu denken, wäre blanker Unsinn. Diese Museen sind mit dem ‚Ort’, an dem sie sich befinden in einer so vielfältigen Weise verbunden, daß sie auch nur an diesem Ort Sinn machen.
Umgekehrt kann man sich fragen, ob man es dem ‚Ort anmerken würde’, wenn diese Museen einfach verschwinden würde – würde man es Paris oder Amsterdam anmerken, oder Altona? Oder Wien? Andersrum gefragt: spiegeln diese Museen etwas von den für ihre Existenz notwenigen sozialen, topografischen, historischen, politischen usw. Kontexten dem Ort zurück, der Bevölkerung, ihrem Publikum?

Wenn ich in Paris bin, versäume ich es möglichst nie, ins Musée Carnavalet zu gehen. Das hat sehr viel mit einer besonderen Art von Nostalgie zu tun, mit der einem Geschichte hier entgegentritt. Das von einem Massenpublikum verschonte, ein wenig verträumte, ausstellungstechnisch altmodische Museum, habe ich als ein Puppenhaus der Vergangenheit in Erinnerung. Es ist ein Gang durch die bekannte Enfilade der kulturgeschichtlichen Epochen, die mit der für viele Stadtmuseen typischen Exponatklasse instrumentiert wird, die aber auch eine ihrer Hypotheken ist. Möbel und Kleider, Kandelaber und Degen, Tafelsilber und Memorabilia, Gemälde und Stiche, Rüstungen und Porzellan, Ansichtskarten und Schreibtische, Geräte und Uhren...
Der leise Ton der vergangenen und beruhigten Zeiten liegt auch über jener Epoche, die so ganz und gar das Gegenteil von ruhig und beherrschbar war. Die wenigen Räume, die der Großen Revolution gewidmet sind, erzählen sie aus der Perspektive der kleinen Dinge. Die Aktentasche Bareres, die Bastille als Nippes, der Abbruch einer Kirche als Kabinettstück. Die Revolution – ein kunstgewerbliches Arrangement mit nostalgischem Charme.

Nicht viel anders ging es mir kürzlich in Amsterdam. Auch dieses Stadtmuseum besuche ich immer und immer wieder. Und jedesmal bin ich von der komplizierten Wegführung veblüfft und eingeschüchtert, die einen durch vier (oder mehr?) Geschosse führt, auf und ab, bis man jede Orientierung verwirrt hat und sich mit eiserner Entschlossenheit dem Leitsystem ausliefern muss, will man nicht verloren gehen zwischen den Gruppenporträts des ‚Goldenen Zeitalters’, der Darstellung der langsamen ‚Landnahme’ der Stadt an der Amstel oder der bemerkenswert ausführlichen Dokumentation der sozialfürsorglichen Institutionen der historischen Zeit.
Für hartnäckige Museumskunden läßt sich, wenn man zwischen den Zeilen liest und die fordernde Qualität der Gemälde gegen den Strich liest, manches erfahren über die sozialen und politischen Grundlagen des Goldenen Zeitalters, darüber, daß etwa fünf Familien die Niederlande ‚regierten’, oder daß in Amsterdam die größte Schiffswerft der Welt stand, die potenter war als das Arsenal in Venedig wo man immerhin zeitweilig ein Schiff pro Tag fertigstellen konnte. Da kann man, wenn man scharf aufpasst, weit auseinanderliegende Informationen zusammenfügen, etwa, daß die mindersten, gesundheitsschädlichen Arbeiten in der Werft von Waisen verrichtet wurden, die gegen Geld vermietet wurden. Das relativiert dann ein wenig den Glanz der Münzen, die den Altruismus des Bürgertums auf großformatigen Gemälden feiern.
Nur – was hat das mit Amsterdam zu tun?

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Ist das die Stadt, die ich besuche? Ist das die Stadt, in der die Amsterdamer leben. Schön, ganz am Schluß des Rundganges (wenn man sich bis dahin nicht im Labyrinth der Räume verheddert hat), da kommen die vor, die Amsterdamer, in ihrer ethnischen, dem Kolonialismus geschuldeten Buntheit, mit ihren Geschichten, ihren Ansichten, ihren Sorgen. Gleich daneben geht’s dann auch (ein ganz klein wenig) um Drogen, um den Verkehr, die Stadtplanung und – Ajax Amsterdam. Ich lerne (in einem Kurzfilm, der zugleich ein schönes Stück Kulturgeschichte des Fußballs darstellt), daß das ‚niederländische System’ den Spitzen-Weltfußball prägt. As you may know: Bayern München, FC Barcelona...
Das wahre Stadtmuseum finde ich (diesmal) in einem ganz anderen Museum, das allerdings auch ‚Stadt’museum heißt, aber eigentlich ein (eins der bedeutendsten) Museum Moderner Kunst ist. Die nagelneue Direktorin hat sich entschlossen, die wegen Umbau und neuem Zubau jahrelange Schließzeit des Stedelijk Museum kurzfristig zu unterbrechen. Es gibt im Haus eine Reihe von Installationen, den großen Saal im Stockwerk hat Barbara Kruger mit einer ihrer monumentalen Textinterventionen erobert. In ihrer Nachbarschaft gibt es einige interessante, witzige, bemühte Reflexionen des Museums als solches. Roman Ondrak läßt die Besucher vermessen, Luise Lawler hat aus den Namen ihrer männlichen Künstlerkollegen ein irrwitziges Vogelgezwitscher collagiert und Willem de Rooij hat, nachdem er das 1993 schon mal gemacht hat, 2010 noch einmal die leeren Ecken der Ausstellungssäle fotografiert...
Im Erdgeschoß aber sind unter dem Titel Monumetalism Arbeiten von in Amsterdam lebenden, jungen Künstlerinnen und Künstlern zu sehen. Was für eine Ausstellung! Keines der großen und brennenden Zeitthemen wird ausgespart, Nationalismus, die Ökonomie des Kleptokapitalismus, Alterität und Identität, die Traumata der Kolonialzeit, postkommunistische Erinnerung. Und all das in ästhetisch wie intellektuell fordernden, vielschichtigen Arbeiten. Eine Ausstellung, die derart dicht an der Zeit, so ermutigend reflexiv agiert, habe ich noch nie gesehen.
Sicher, die Ausstellung könnte auch in München oder in Mailand gezeigt werden, aber es ist, jedenfalls war es das für mich, auch eine Ausstellung, die etwas über die Stadt Amsterdam (vielleicht über Stadt überhaupt) aussagte: über die Kraft und das (künstlerische) Potential, Gegenwart analytisch zu erfassen und zur Diskussion zu stellen.
Das hier war das Amsterdamer Stadtmuseum. So stelle ich mir ein Stadtmuseum (auch) vor.
Und noch in einer anderen Hinsicht war die Ausstellung bemerkenswert. Monumentalism verhandelte, wie ihr Untertitel bedeutete, Geschichte und nationale Identität in der zeitgenössichen Kunst und – sie bestand (als ein jährlich wiederkehrendes Ausstellungsritual) aus den „Proposals for Municipial Art Acquisitions 2010“, war also die Ausstellung, die, von der Stadt Amsterdam gefördert, die – öffentlich sichtbare und zur Diskussion gestellte – Grundlage der Erwerbungen des Stedelijk Museum 2010 bildete.
Die Ausstellung realisierte also ein Stück weit jene einzigartige Beziehung von Museum, Ort und Öffentlichkeit, die Stadtmuseen womöglich ausmacht – und das aktiv und von sich aus und auf den Ebenen Werk, Zeitbezug und Kommunikation zugleich.
So einfach / schwierig kann’s sein...

Global survey (Museumsphysiognomien 10)

Mehr und mehr Kunstmuseen nutzen das Internet nicht nur für Werbung, sondern auch für Information. Große (Kunst)Museen bieten ihre Sammlungsbestände großzügig digitalisiert an, mit aufwendigen Suchmaschinen, exzellenten Abbildungen und gelegentlich auch mit sehr ausführlicher und fundierter Information.
Die Bilddatenbank etwa der Vereinigung der Französischen Nationalmuseen läßt keine Wünsche offen. Jedes einzelne Objekt ist mit allen nur erdenklichen und wünschbaren Daten versehen, es gibt zahllose Ordnungs- und Suchkriterien, die Abbildungen sind ausgezeichnet.
Von der Sorgfalt, mit der etwa das Rijksmuseum seine Interims-Ausstellung auf seiner Webseite nicht nur dokumentiert, sondern ein 'Nachlesen' und 'Nach-Denken' mit viel über die Ausstellung hinausgehender Information begleitet, war hier schon die Rede.
Abbildungen aus der, wenn ich mich recht erinnere, etwa 50.000 Fotografien umfassenden Fotothek des Museum of Natural History in New York, die dieses kürzlich rechtefrei ins Netz gestellt hat, habe ich hier auch schon verwendet; diese Sammlung ist einzigartig wegen ihrer dokumentarischen Qualität nicht so sehr was Objekte betrifft, sondern den Betrieb und 'Alltag' des Museums: Aufbau von Ausstellungen, pädagogische Aktivitäten, Besucher, Bau von Dioramen, Präparierung von Tieren für die Ausstellungen u.v.a.m.
Das Metropolitan-Museum hat über 30.000 Objekte in seinem Netz gestellt, Sammlungsobjekte buchstäblich aus 'aller Herren Länder', ebenfalls mit vielen verschiedenen Parametern abrufbar. Luxuriöse 'Werkzeuge' ermöglichen es einem, die 'unsichtbare Sammlung' des Museums chronologisch, ikonografisch, topografisch usw. zu 'sichten' und zu 'besichtigen'.

Beim Arbeiten mit dieser eindrucksvollen Bilddatenbank sind mir einige Dinge aufgefallen.
Eines der 'Portale', die den Zugang zum virtuellen Archiv öffnet, ist eine Weltkarte. Klar, dieses Museum hat eine Sammlung, die 'die ganze Welt' abdeckt. Hier findet man nicht nur Relikte der bekannten Hochkulturen, mittelalterliche Glasfenster, nordamerikanische indianische Vorratsgefäße, assyrische Reliefs, gotische Kathedralplastik, chinesische Landschaftszeichnungen, ein Renaissencestudiolo..., hier gibt es, oft nur in einem oder einigen wenigen Exemplaren,  Exponate von nie gehörten, halb versunkenen, kaum erforschten Kulturregionen.
Dieses Museum sagt uns, die Welt (hier, Abbildung unten, die von 500 bis 1000 n.Chr.) steht Dir zur Verfügung, wir sind imstande sie zu präsentieren und zu repräsentieren. Suche Dir irgendeinen Punkt der Welt (a la Earth View) und wir zeigen Dir unsere passenden Schätze...















"Global survey" ist eine Formel, mit dem gelegentlich solche Museen charakterisiert werden - oder womit sie sich selbst charakterisieren. Survey ist ein vieldeutiges Wort, es läßt sich mit Zusammenstellung (in gewissem Sinn also als Sammlung) ebenso übersetzen, wie im Sinn von Prüfung, Bewertung, aber auch Erkundung, Studie oder auch Besichtigung.

Bestandsaufnahme ist eine weitere 'Übersetzung' des Wortes und sie trifft doch gut und genau diese Form der digitalen Repräsentation und die Art und Weise, wie sie sich an uns wendet.
Der 'Bestand' der Kulturen der Welt - das ist eine große, eine in gewisser Weise auch anmaßende Geste, eine einladende und verführende, was die Bequemlichkeit der Verfügbarkeit betrifft. Wir brauchen uns nicht mehr in Bewegung zu setzen, um 'Zugang' zu den 'kulturellen Werten und Schätzen' zu bekommen.
Die Tatsache und die Tücken der technischen Reproduktion - jedes Objekt in gleich großer Abbildung, egal ob es 'in Wirklichkeit' 3 oder 300 Zentimeter groß ist, immer nur frontal und in einer einzigen Ansicht usw. -, verdrängt man dabei gerne, genau so wie alle Bedingungen, die eine solche 'Übersicht' und 'Bestandsaufnahme' erst ermöglicht haben.
Zum Beispiel, die Art und Weise des Erwerbs. Angaben zur Provenienz gibt es, wie es scheint für alle Objekte, aber immer nur jene Angaben, die sich auf den Akt beziehen, mit dem das Objekt in den Besitz des Museums gelangte - hier, beim Metropolitan Museum, sind das sehr häufig Schenkungen von privater Seite. Zur Provenienzgeschichte erfährt man nichts.
Eine andere Beobachtung: das Suchen nach Objekten ist mit einer Distinktion möglich, die auf einer vom Museum für uns bereits getroffenen Entscheidung zusammenfällt. Wir können 'Alles' durchsuchen oder die 'Highlights'. Auch hier fehlen die Kriterien der Auswahl, aber interessant war für mich, was man sieht, wenn man 'Alles' sucht. Man sieht nämlich etwas, was man so in Museen nie zu sehen bekommt und nie zu sehen bekommen kann - die 'Summe' buchstäblich aller deponierten Dinge und das sozusagen gleichzeitig, also von der Kollossalstatue bis zum ephemeren Bruchstück in einer endlosen Reihe von Fotos und Texten den gesamten Sammlungsbestand. Man sieht und ahnt etwas von der possesistischen Gier der Institution, der Zufälligkeit des Sammlens, der Fragmentierung und Beliebigkeit der Sammlung.
Man sieht endlose Listen (s. Abb. unten) von Objekten, von Objeketen, die wohl kaum je das 'Licht' einer Ausstellung sehen werden und kaum über eine mehr oder weniger oberflächliche Inventarisierung hinaus Gegenstand der Forschung werden. Gar nicht werden können, angesichts der schieren Unmenge von Objekten.


















Das Museum hat für diesen Fall eine Formel bereit, nämlich, daß alle Angaben vorbehaltlich einer späteren und genaueren Erforschung und Überprüfung gemacht werden.

Und noch eine Beobachtung: diese oft kleinen, bescheidenen Objekte, die unterm puren Augenschein nichts vermitteln und die ohne einen dinglichen oder deutenden Kontext kaum mehr sind als deponiertes Strandgut - hier im Museum bedeuten sie nahezu nichts, solange sie nicht (was dann ja auch nur auf Zeit geschähe) ausgestellt und damit bearbeitet und in einen wie immer formierten Kontext gestellt würden.
In ihrem - wenn er so oder so noch existierte - ursprünglichen Kontext, aber auch in einem inzwischen 'fremden', aber politisch-gesellschaftlich und kulturell ihrer Herkunft gemäßeren, was würden sie da bedeuten? Wohl ungleich mehr. Sie hätten im glücklichen Fall schon ob einer geschichtlich-kulturell 'passenderen' Anwesenheit ganz andere Chancen der Wahrnehmbarkeit und ganz andere Potentiale an Bedeutungen.
Wenn gelegentlich an einzelnen, spektakulären Objekten, die komplexe Frage der Restiution diskutiert wird, stellen die Massen an 'fremdem' Strandgut in so vielen ('westlichen') Museen nicht auch die Frage nach einem strukturellen und umfassendem 'Entzug'?

"Global survey", von großen Museen als argumentative Waffe in der Abwehr von Restitutionsforderungen benutzt (wir hielten so lange Jahre die schützende Hand über die Schätze der Menschheit....), ist nur möglich durch eine Art ursprünglicher Akkumulation kultureller Güter und Werte, die dann eben wo anders 'fehlen'.

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Wo die weissen Ratten wohnen (Entrée 04)

Entrée - Eine neue Sammlung

Mich hat es selbst überrascht, was dabei herauskommt, wenn man über viele Jahre gesammelte Fotos von Museumstexten nach und nach zusammensucht und, wenn man sie, wie hier im Blog geschehen, veröffentlicht, wieder genauer liest und anschaut. Aus der Versammlung springen allerlei Beobachtungen heraus, die - jedenfalls ich - nicht alle in den konventionellen Rahmen einordnen konnte, in dem über Texte gesprochen, in dem mit Texten gearbeitet wird. Allein schon die Fülle der Funktionen und Orte von Texten geht weit über das hinaus, was mir bis jetzt bewußt war. Interessant sind zum Beispiel die Texte (von denen es mehr gibt, als ich annahm), die der 'Habituierung' der Besucher dienen: Einstimmung in die Würde des Ortes, Anmahnung eines einschlägigen Verhaltens, ostentatives Vorzeigen der Kultiviertheit der Dinge bis hin zu regelrechten Verhaltensge- und verboten.
Wie selten sind dagegen Texte, die den buchstäblich (be)herrschenden Diskurs unterlaufen oder wenigstens relativieren und wie extrem rar der regelrechte Einspruch, der dann schon als Intervention gelten könnte.
Jetzt also eine neue Sammlung. Ohne viel darüber nachzudenken und ziellos (die Textsammlung war immerhin brauchbar bei der Lehrtätigkeit und beim praktischen Arbeiten) habe ich Eintrittskarten aufgehoben, kleine Bildengramme oder Texbotschaften, mit denen Museen wie nebenbei und scheinbar absichtslos auch etwas über sich sagen.
So wie die jetzt grade flottierende Weihnachtspost etwas über die Institutionen aussagt, über ihren Geschmack, ihre Haltung, ihren Witz oder ihre Phantasielosigkeit, so sind auch Eintrittskarten kleine symptomatische Gucklöcher ins institutionelle Seeleneleben.
Wer immer was beitragen mag - Beispiele oder Kommentare, ist herzlich willkommen!

Noevers Muttertag oder Wieviel Besucher hat ein Museum eigentlich?

Der heutige Standard (hier) berichtet über die Beantwortung einer Anfrage der Grünen an die für die Museen zuständige Ministerin Claudia Schmied. Es geht um Vorwürfe, die dem Direktor des Museums für Angewandte Kunst, Peter Noever, in den vergangenen Wochen gemacht wurden.
Jetzt ist es bestätigt, ja, Peter Noever hat den Geburtstag seiner Mutter im Museum auf Staatskosten ausgerichtet, und ja, er hat Mitarbeiter des Museums bei dieser Feier verwendet.
Normalerweise interessiert mich Klatsch und Tratsch hier gar nicht, wer immer für so etwas zuständig ist wird reagieren, in diesem Fall das Kuratorium, das feststellen soll, um wieviel Geld es geht und veranlassen wird, daß es zurückbezahlt wird.
Interessant ist ein Nebenergebnis der Anfrage-Beantwortung. Peter Noever soll, so schreibt die Zeitung, das Publikum der Feiernden in seine Besuchsstatistik eingerechnet haben - und auch Besucher anderer, externer Veranstaltungen.
Peanuts? Mitnichten.
"2009 waren es 63.230 Personen. Das Museum hatte daher nicht 183.520 Besucher, wie von Noever angegeben, sondern nur 120.290." (Der Standard).
Um ein Drittel weniger.

PS.: Museumsleute reden untereinander sehr freimütig darüber, wo und wie Besuchszahlen, nun sagen wir mal, 'optimiert' werden. Sie beklagen sich gleichzeitig darüber, daß die Medien mit der Veröffentlichung von Besuchszahlen die Museen unter Druck setzten und einen unnötigen Wettbewerb, noch dazu auf einer partiell irrelevanten Ebene, betreiben und antreiben. Aber sie nehmen an diesem Wettbewerb teil, indem sie ihre Zahlen veröffentlichen und indem sie sich auf den Wettbewerb einlassen. Offenbar auch unter Zuhilfenahme von 'Doping'...

PPS.: In Zeiten der freimütigen Veröffentlichung von allem und jedem bietet sich auch hier die Möglichkeit, Anfrage und Beantwortung im Wortlaut kennzulernen, bei "artbackstage" (hier).

Montag, 20. Dezember 2010

Kratzen am Denkmal (Texte im Museum 167)

Ausstellung über Vermeers "Malerei". Kunsthistorisches Museum Wien 2010

Eine Ausstellungskritik gibt es nicht. Ein Beispiel dafür, warum das schade ist und was es gewinnen gäbe.

Daß es das Genre Ausstellungskritik - fast - nicht und das der Museumskritik gar nicht gibt, bedaure nicht nur ich. Stattdessen begnügen sich Medien mehr und mehr mit unsinnig atemlos knapp nach Eröffnungen und Vernissagen erscheinenden Kurzberichten. Eine Form, die der Theaterberichterstattung abgeschaut ist, wo man ja bis zur Absurdidät vorgedrungen ist, einen sichtlich ergriffenen Kritiker in den Schlussapplaus hinein direkt vom Ort des Geschehens seine Urteilsverkündung ins Mikrophon hecheln zu lassen.

Das ohnehin 'langsame' Medium Museum und Ausstellungen, der Laufzeit selten unter einigen Monaten liegt, böten Gelegenheit zu Sorgfalt und Gründlichkeit, statt 'Aktualität'. Besonders schmerzlich ist aber das Fehlen der Auseinandersetzung mit den spezifischen Ausdrucksmitteln und Erzählweisen, das das Ausstellen auszeichnet. Damit fehlt auch eine begleitende Analyse von Entwicklungen, Moden, Gattungen und Genres weg, wie sie eine gute Filmkritik auszeichnen und Auch eine Beschäftigung mit Produktionsbedingungen, gesellschaftlicher Resonanz, gesellschaftspolitischer Relevanz.
Für Filmkritik gibt es eine derart die Ebenen verschränkende Kritik längst und im glücklichen Fall ist sie immer mehreres zugleich: Orientierung, Explikation von Qualität, in die die Erläuterung der Maßstäbe mit einfließt, und im Idealfall sogar eine eine gattungsgeschichtliche Reflexion eingebettete Reflexion der Beziehung des Werks mit seiner gesellschftlichen 'Umwelt'. (Wobei der Filmkritiker den unbestreitbaren Vorteil hat, daß er die Grundlage seiner Erfahrung, die Aufführung, - heute, angesichts der technischen Möglichkeiten, nahezu beliebig - reproduzieren kann).

So gut wie unentdeckt ist Ausstellungskritik als Ferment der eigenen Ausstellungsproduktion. In einem eben in Lettre International (Nr.91/Winter 2010) erschienen Interview von 1984 erwähnt Francois Truffaut, daß er etwa 3000 Filme gesehen habe, aberhunderte, ehe er seinen ersten Film gesehen habe und an mehreren Beispielen im Laufe des Gesprächs erläutert er die enorme Bedeutung der subtilen Kenntnis vieler Filme und der Methoden vieler Regisseure für die praktische Lösung kniffliger Probleme.

Welches Potential Kritik haben kann, ist mir beim Lesen einer Kritik wieder sehr bewußt geworden, die sich auf eine besondere Art des Dokumentarfilms, des Tierfilms bezog. Georg Seeßlen, einer der namhaften deutschen Filmkritiker, benötigte im Mai dieses Jahres nur ein Drittel einer Seite der Wochenzeitung DIE ZEIT, um eine Edition der Dokumentarfilme von Bernhard und Michael Grizmek zum Anlass eines kleinen Kabinettstücks der Kritik zu machen (12. Mai 2010, Nummer 20, hier online).

Da geht es um die Haltung des Nachkriegs-Tierfilmes, der nach den rassistischen der NS-Zeit eine Ideologie der Behütung und Beheimatung verbreitet. Elf Minuten lang ist ein früher Film, den Seeßlen nennt, "Ein Fabeltier fliegt nach Deutschland (1954) (…), der den Transport eines Okapi aus Afrika und die Ankunft im Frankfurter Zoo schildert. Sehr wichtig ist die immer wieder auftauchende Debatte um den Gefängnischarakter eines Zoos. Die Grzimeks werden nicht müde, wie in Tiere ohne Feind und Furcht (1953), das Glück solcher Beschränkung für die Tiere zu betonen, die nun aller Sorgen und Gefahren ledig und »unter sich« leben dürfen. Sieht man die Grzimek-Filme heute im Zusammenhang (…), ergibt sich beinahe so etwas wie eine große Erzählung für eine Nachkriegsgesellschaft. Egal, ob im Frankfurter Zoo oder in der Serengeti, im heimatlichen Fluss oder im Wildpark: Immer geht es um das Heimat-Schaffen, um die Aufteilung der Welt in chaotisches Durcheinander und wohlgeordnete Paradiese, friedvolles Zusammenleben im Blick des guten Wildhüters."

Dann geht es aber um den Wandel des Tierfilmes, hin zu einem postkolonialen Menschenbild und einem leidenschaftlichen ökologischen Engagement, wobei Seeßlen noch Platz hat, die Vater-Sohn-Beziehung der Grizmeks in die Analyse hineinzunehmen und die verglichen mit heutigen Tierfilmen noch distanzierte und dezente Haltung der Filmer. In der nächsten Generation hat sich nicht nur das verändert, sondern das Genre gespalten. "Tierbilder, so scheint es, dienen nun nicht mehr der Einigung, sondern der Entzweiung, Eisbären-Knuts und Schimpansen-Charlys geistern als fauler Trost durch die Bildermaschinen, wo anderswo gestrandete Wale und von Ölpest gezeichnete Vögel wenig Hoffnung lassen."

Schade, daß es keine auf solchem Niveau und mit vergleichbar substantiellen Fragen operierende Ausstellungskritik gibt.

Etikettierung (Texte im Museum 166)

Aus dem - in dieser Form inzwischen aufgelassenen - Musée des Monuments Paris

Das Altonaer Museum hat eine Idee...

Das Altonaer Museum ist dem Schließungs-Tod grade noch mal von der Schaufel gesprungen. Trotz Neuwahlen droht dem Museum aber immer noch eine Kürzung der Mittel und binnen weniger Monate ein neues Konzept vorlegen zu sollen, ist angesichts der Situation des Museums und der übrigen historischen Museen auch nicht grade einfach. Was man aber hat, neugewonnene Symphatisanten und eine Menge von Leuten, die bereit sind, sich aktiv für das Museum einzusetzen.
Und was fällt dem Museum in dieser Situation als eigener Beitrag ein?
Ein "Solidaritätskalender".
Und der sieht unter anderem so aus (Abbildung).
Wir gratulieren zu dieser von hoher sozialer und museologischer Kompetenz getragenen Entscheidung.