Mittwoch, 28. April 2010

Wir über uns (Texte im Museum 47)

Frankreich, das Land der Museologie - Nina Gorgus (Das Museum lesen 08)

Wenn man sich mit den Pariser Museen beschäftigt, wird einem auffallen, wie sehr deren Profil durch eine enge und wechselseitige Beziehung zu den Wissenschaften und zu wissenschaftlichen Institutionen bestimmt ist. Wie häufig dort Museen raumlich und funktional mit wissenschaftlichen Einrichtungen verbunden sind.
Dadurch entsteht zwangsläufig ein reflexives Verhältnis zum Museum und zur Museumsarbeit. 'Museologie' hat als spezifische Reflexionsarbeit und -möglichkeit in Frankreich einen hohen Stellenwert.
Und es ist schade, daß im Vergleich zu angelsächsischen Debatten so wenig davon in der deutschsprachigen Diskussion eine Rolle spielt.
Das Niveau der französiche Museologie ist aber nicht nur strukturellen und institutionellen Bedingungen geschuldet, sondern auch Persönlichkeiten wie Henri Georges Rivières, eine Schlüsselfigur in der Entwicklung von Theorie und Praxis.
Rivière war Ethnologe und Museologe mit großer Affinität zur zeitgenössichen Kunst, dem Jazz und zur Philosophie. Mit Georges Bataille gründet er die Zeitschrift documents, (dessen aleatorisches 'Glossar' jenen kurzen Text unter dem Lemma 'Museum' enthält, der wie wohl kein zweiter Einfluß auf mein Denken übers Museum hatte.)
Das kenntnis- und materialreiche Buch von Nina Gorgus ist aber weit mehr als eine Biografie, es bietet einen interessanten Blick auf die Museumsentwicklung in Paris seit den 30er-Jahren, auf wichtige Museen wie etwa das Musée des Arts et Traditions Populaires de la France (dessen Gründer Rivière war), und wichtige Museumsideen, wie die 'Erfindung' des Ècomusée. Ein weiterer Vorzug des Buches ist die Begabung der Autorin, die biografischen und institutionellen Aspekte anschaulich mit den ideologisch-politischen zu vermitteln.

Nina Gorgus: Der Zauber der Vitrinen. Zur Museologie Georges Henri Rivière Münster New York München Berlin 1999

Partizipation. Call for Papers des Historischen Museum Frankfurt

Ich bin von Mitarbeiterinnen des Historischen Museums Frankfurt gebeten worden, diesen Call for Papers zu verbreiten - was ich hiemit gerne tue. GF

// Call for Papers //
Arbeitstagung vom 18.-19.11.2010 

Gegenwartsthemen ausstellen
Zwischen Partizipation und user generated content – eine Herausforderung für das
Stadtmuseum des 21. Jahrhunderts


Das historische museum frankfurt plant im Rahmen seiner Neukonzeption neben einer stadtgeschichtlichen Dauerausstellung einen Ausstellungsbereich zu Gegenwart und Zukunft der Stadt Frankfurt. Das Stadtlaboratorium wird in Zusammenarbeit mit seinen Besuchern bzw. Benutzern erarbeitet.
Die Arbeitstagung richtet sich an Experten und Kollegen, die Gegenwarts-und Zukunftsthemen in Kooperation mit Communities erarbeiten und ausstellen bzw. an Vertreter verschiedener Wissenschaftsdisziplinen, deren Forschungsarbeiten das im Titel umrissene Themenspektrum beinhalten.

Partizipativ ausstellen
Während der Arbeitstagung wird das „partizipative Museum“ sowohl in theoretischer Perspektive als auch an Hand von vielfältigen Praxisbeispielen erörtert werden.
Ihre Wurzeln findet die Idee der „Bevölkerungsbeteiligung“ bereits im 19. Jahrhundert und setzt sich schließlich in den 1970er Jahren unter Einbezug des lebensweltlichen Kontextes durch
(z.B. im Écomusée, Georges Henri Rivière).
Für ein Stadtmuseum einer kleinen Metropolregion zu Beginn des 21. Jahrhunderts stellen sich jedoch manche Fragen anders, denen wir in einer ersten Themeneinheit nachgehen wollen: Wie gelingt der Anspruch, eine reale und nachhaltige Teilhabe und Mitbestimmung im Ausstellungsprozess umzusetzen? Welche Haltung kann, soll oder muss das Museum (auch als städtische Institution) einnehmen, wenn es mit gesellschaftlichen und politischen Konfliktthemen umzugehen hat, die von seinen Kooperationspartnern eingebracht werden? Wie gelingt die Balance zwischen einer kooperativen Ausstellungskonzeption und dem gleichzeitigen Qualitätsanspruch der Bildungsinstitution? Versprechen solche Co-Creation-Prozesse weitere Mehrwerte, als jene, Reflexionen über eigene soziokulturelle Praxen anzustellen und Identitätsangebote in der unsicheren Moderne zu schaffen? Ist es ein Marketinginstrument? Wie können Museumsbesucher aktiv Ausstellungsinhalte mitbestimmen und erarbeiten, ohne dass die Museumskuratoren zu reinen Facility Managern werden? Laufen wir Gefahr, wie Udo Gösswald, Leiter des Berliner Bezirksmuseums Neukölln, auf der Tagung der Berliner Stadtmuseen im April 2009 warnte, durch eine unnötige „Amateurisierung“ die Museumsarbeit zu entwerten? Oder verändern sich die Rollen dahingegen, dass der Kurator zu einem „Vermittler, Moderator und Übersetzer“ und der Besucher zum „Lernenden, Lehrenden, Betrachter und Betrachteten“ wird (Beat Hächler, Co-Leitung Stapferhaus Lenzburg)? Schließlich sind in diesem partizipativen Anspruch die Forderungen nach der interkulturellen Öffnung einer deutschen Bildungsinstitution sowie nach einem niedrig schwelligen Zugang für bildungsferne Milieus verwoben.
Praktisch möchten wir den Austausch anregen: Welche Erfahrungen wurden bereits mit partizipativen Ausstellungsprojekten gemacht und welche Resümees können daraus für die konkrete Umsetzung gezogen werden? Welche Partizipationsformen und -methoden wie z. B. „open space“ und „world café“ haben sich bewährt, welche sind als problematisch zu bewerten?
Gegenwart ausstellen

In einer zweiten Themeneinheit wird der Blick auf das Ausstellen von Gegenwartsthemen in einem Stadtgeschichtlichen Museum gerichtet. Das Stadtlabor, in dem über die Gegenwart und Zukunft des alltäglichen Lebens in der Stadt reflektiert und verhandelt werden soll, fordert ähnliche aber auch andere Ausstellungsweisen sowie Kommunikations-und Interaktionformen heraus, als es kultur-und sozialgeschichtliche Ausstellungen tun. Der Begriff der „sozialen Szenografie“ will den offenen Interaktionsprozess zwischen Besucher, Ausstellungsmacher, Personal, Objekt und Raum auf neue Weise fassen und die Handlungen der Besucher selbst als Ausstellungsinhalt und -bestandteil nutzbar machen. Innerhalb des diskursiven Stadtlabors gilt es, sich mit soziokulturellen und politischen Gegenwartsthemen der Stadtgesellschaft auseinanderzusetzen, um die Gegenwart zu gestalten und die Zukunft anzudenken. Es geht also um Alltagsthemen der Gegenwart, die in die individuelle oder kollektive Vergangenheit in Form von Erinnerung und Geschichte als auch in das Zukünftige eingebettet sind, in dem sich persönliche als auch gesellschaftlich geteilte Visionen und Entwicklungsoptionen zeigen. Es sind Themen, die sich in einem aktuellen Diskurs befinden, möglicherweise aber in ihrem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess begrifflich noch nicht gefasst sind.
Welche Themen als relevant zu betrachten sind, gilt es zu klären. Sie sind nach Entscheidungskriterien zu bestimmen, die zu entwickeln Gottfried Fliedl als „nicht auflösbares Dilemma“ bezeichnete. Möglicherweise ist auch dies nur in Form eines partizipativen Aushandlungsprozesses und einer sensiblen Aufmerksamkeit für aktuelle Themen denkbar – vergleichbar mit Arbeitsweisen der Szene-Scouts.
Fragen, die Anlass geben über Gegenwartsausstellungen nachzudenken, sind außerdem: Was leisten Ausstellungen über Gegenwartsthemen im Vergleich zu der alltäglichen medialen Berichterstattung? Wie kann die Gegenwart diskursiv verhandelt werden? Welche theoretischen Positionen greifen hierfür? Wie lassen sich kulturgeschichtliche Ausstellungen mit gegenwartsbezogenen Ausstellungsräumen verschränken? Welche Folgen für die Museen hat das Konzept der partizipativen Gegenwartsausstellung für die klassischen Funktionen sammeln, bewahren, ausstellen, vermitteln?
Für 2011 ist eine Folgeveranstaltung in der Schweiz angedacht. Beide Tagungen sollen in einem Tagungsband dokumentiert werden.

Call for Papers: Einsendeschluss 15. August 2010
Detailprogramm ab Mitte September 2010
Für Fragen und Anregungen
Susanne Gesser (susanne.gesser@stadt-frankfurt.de, Tel: 069 212 35633) und Katja Weber (katja.weber@stadt-frankfurt.de, Tel: 069 212 33814)
historisches museum frankfurt
Saalgasse 19 (Römerberg) 60311 Frankfurt am Main Tagungsseite: http://www.historisches-museum-frankfurt.de/index.php?article_id=190&clang=0
Bitte schicken Sie Ihre Exposés (1-3 Seiten) an:
katja.weber@stadt-frankfurt.de

Montag, 26. April 2010

Der Künstler vorgestellt (Texte im Museum 46)




















Bruno Gironcoli / Essl-Museum Klosterneuburg (2010)

Fast Food. Schnell mal was über Otto Neurath.

Otto Neurath. Wem sagt der Name etwas?
Philosoph, Ökonom, Direktor des Kriegswirtschaftsmuseums in Leipzig, Präsident des Zentralwirtschaftsrates der Ungarischen Räterepublik, Gründer eines Siedler- und Kleingartenverbandes, dann eines Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums, Entwickler der Isotope (= International System of Typographic Picture Education) und der Methode der Wiener Bildstatistik, Mitglied des Wiener Kreises, träumte von einer Universalsprache und einem Universalmuseum, "Mundaneum".
Das Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum existiert noch, abgeschnitten von seinen ursprünglichen Aufgaben innerhalb der sozialistischen Politik der Gemeinde Wien. Und Neurath? Wo hat er 'überlebt'.
Eine kleine Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst, „OTTO NEURATH. Gypsy Urbanism", lässt die Frage offen. Eine knapp Skizzierte Biografie, wesentliche Publikationen und Beispiele seiner Bildstatistik sowie Fotografien verschiedner Ausstellungen des Museums werden in chronologischer Ordnung in Vitrinen und an den Wänden präsentiert. Einschließlich von Arbeiten seiner Frau und anderer Nachlaßinstitutionen.
Weder Auswahl noch Absicht haben sich mir in der Ein-Raum-Ausstellung erschlossen. An einer Seite aufgeschlagene Bücher hinter Glas machen mich in Ausstellungen sowieso schon nervös, noch mehr aber der Test, wie lange ein uninformiert bleibender Besucher begreift, daß die Ausstellung nicht etwa am Eingang beginnt, sondern in der exakt hintersten linken Ecke.
Für museologisches Interesse kämen Neuraths Museumsgründungen und Ausstellungen als zeittypische sozialpolitische Projekte ebenso infrage, wie die Bildstatistik als popularisierendes Wissensmedium. Aber in der Ausstellung? Objekt neben Objekt, kurze Bildbeschriftungen, knappe und wenige erläuternde Texte. Über die Vermittlung einer Ahnung, was das gewesen sein könnte, geht das nicht hinaus. Die schönen Thesen zur Ausstellung auf der Webseite, werden allenfalls kurz angerissen, nirgends ernsthaft durchgearbeitet und visualisiert.
Neuraths Interesse für das Mundaneum, sein Kontakt mit Le Corbusier? Ja, das Wort kommt vor, aber sonst nichts dazu. Kein Katalog.
Punkti Punkti, Strichi Strichi, fertig ist das Mondgesicht, heißt ein Kinderreim, an den ich mich noch erinnere. Er scheint auch als Ausstellungsprinzip noch gültig zu sein.

Sex sells. Immer und überall!



Das hier schon mal als außerordentliche Sammlung gewürdigte Art Brut Center (Klosterneuburg/Gugging) geht merkwürdige Wege.
Derzeit werden zwei Sonderausstellungen gezeigt. Eine davon ist einem der bekanntesten Patienten von Leo Navratil gewidmet, Johann Hauser.
Johann Hauser, so teilt man uns auf Texttafeln mit, war ein schwer manisch-depressiver Mensch, der nicht geheilt werden konnte und sein Leben in der Anstalt in Gugging verbrachte. 53 Jahre lang.
Auf den Zeichnungen - fast ausnahmslos Frauen - werden wir mit ungewöhnlicher Aggressivität und tiefen Ängsten konfrontiert; mit wenigen Ausnahmen zeichnete Hauser verschlingende, entstellte, verformte, auf dominante und bedrohlich gezeichneten Geschlechtsmerkmale reduzierte Frauenkörper. Tiefes Rot und tiefes Schwarz sind die dominierenden Farben.
"Hauser's Frauen.!" (tatsächlich mit einem Rufzeichen und einem Punkt) ist die Werkschau betitelt; selbst wenn es - was bezweifelt werden darf - 'Hauser's Frauen' gewesen sein sollten, der Titel trifft nichts von der Obsession des Künstlers und kokettiert mit einem völlig ausgeleierten Klischee.
Nicht genug damit. Der eingangs der Schau offerierte Text bietet uns Hausers Werk als 'erotisch' an, noch einmal eine in jeder Hinsicht irreführendes, aber fürs Marketing zauberhaft wirkende Wort.
Und damit es auch der letzte Depp begreift, platziert man vor diesem Einführungstext eine Figurine eines Pin-Up im Stil der 50er-Jahre. So what??

Donnerstag, 22. April 2010

Ladenhüter und anderes Sammelwürdige (Texte im Museum 45)

Relic - Douglas Preston. (Das Museum lesen 07)

Das Ängstigende des Museums, die Angst im Museum, die Angst vorm Museum. Wo findet man das reflektiert, überhaupt erst einmal wahrgenommen? Eher in der Literatur, in der Trivialliteratur, im Film, in Comics, eher nicht in der museologischen Literatur.
Ein wiederkehrender Topos ist die Angst vor einer Art Wiederkehr des - durch Musealisierung und ihre Techniken und Riten nur scheinbar - Verdrängten, die Angst vor dem was unabgegolten den Museumsdingen und daher denen, die mit ihnen zu tun hatten, sie benutzt oder hergestellt haben, angetan wird. Die Dialektik von Ahnenfurcht und Ahnenglaube wird dort am heftigsten wirksam, wo das 'Ding', das Exponat tatsächlich ein Mensch ist.
Bereits 1932 - und seither in zahllosen Sequenz und Variationen - rächte sich Boris Karloff als The Mummy an der Störung seiner Totenruhe. Den Verstoß gegen den Sinn des Mumifizierungs- und Bestattungsritual der ägyptischen Hochkultur kaschiert das Museum mit wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse und es bedurfte populärer Medien, um das als dünne Rationalisierung zu entlarven.
Eine Variation bietet der Roman von Douglas Preston und Lincoln Child Relic - Museum der Angst. Gar schauerlich wütet hier, im American Museum of Natural History in New York, ETWAS, das von einer Museumsexpedition gewissermaßen eingeschleppt wurde und sich als ekelhaftes Raubtier erweist, das seine Musealisierung ziemlich übel nimmt. Eine Pointe ist, daß Mitarbeiter und Besucher dem 'Relikt' gerade deswegen ausgeliefert werden, weil sie sich in den Sicherheitsvorkehrungen des Museums verfangen. 
Douglas Preston weiß wovon er redet, denn er schreibt vom Museum, an dem er arbeitete und dessen Geschichte er erforscht hat: Douglas Preston: Dinosaurs in the attic. The American Museum of Natural History. New York 1994. Es gibt auch eine Verfilmung, aber ich rate zum interessanteren und spannenderen Buch.

Mittwoch, 21. April 2010

Warum nicht...? (Texte im Museum 44)

Gletschergarten Luzern

Mich hat die "Entdeckung der Alpen" vielseitiges kulturhistorisches Thema immer interessiert und umgekehrt proportional zu meiner eigenen bergsteigerischen Betätigung (im moderateren Bereich bis etwas über 3000 Meter und auch das nur sehr sporadisch) nahmen die Besuche einschlägiger Ausstellungen zu - bis ich schließlich eine Einladung erhielt, selbst an einer Ausstellung teilzunehmen.
Einer der merkwürdigsten Orte berg- und alpenbezogenen Ausstellend findet sich - nicht so überraschend - in der Schweiz und hat den ungewöhnlichen Namen "Gletschergarten".
Im 19. Jahrhundert entdeckten die Schweizer ihre Alpen nicht nur als touristisch vermarktbar und verkehrstechnisch erschließbar, sondern die Berge auch als historisch-genealogisch bedeutsame und identifikatorische Objekte.
Wie auch anderswo, wurden Spuren der Erdgeschichte gelegentlich am Ort erhalten, gesichert und zur Besichtigung adaptiert. Das geschah auch mit dem bei ihrer Entdeckung am Rande von Luzern (heute in der Stadt) gelegenen sogenannten Gletschertöpfe. Das sind eiszeitliche, tiefe Auswaschungen in Gletschern, die bis in den festen Boden vorrückten und dort runde Höhlungen hinterließen. Sie wurden wie - als zunächst missverständlich gedeutete - Mirabilia bewahrt und gezeigt.
Nach und nach entstanden um dieses 'Naturwunder' ein Museum, ein Gebäude im Schweizer Stil, ein Diorama in einer Almhütte, ein Garten, eine Aussichtswarte und dann wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch ein Spiegelkabinett 'im Stil der Alhambra' von einer Schweizer Landesausstellung hierher geschafft. Das private Unternehmen vermischte umstandslos belehrende und unterhaltende, heimat- und naturkundliche Elemente in einem 'Erlebnispark' avant la lettre.
Höhepunkt der kulturgeschichtlichen Sammlung des Museums sind Alpendioramen, die zu den ältesten gehören, bemerkenswertesten Objekte, die für Zwecke militärischer Planung und touristischer Erbauung hergestellt wurden. Sie sin herausragende Dokumente des frühen Alpinismus und der 'Entdeckung' und 'Konstruktion' der Schweiz.

Abbildung: Webseite des Museums

Towards a New Museum - Victoria Newhouse (Das Museum lesen 06)

Massenmedial wird der Museumsboom seit den 80er-Jahren überwiegend über die 'Blockbuster-Architektur' internationaler Stararchitekten wahrgenommen. Museumsgründungen werden oft nur noch in Form von Architekturkritiken, wenn nicht -hymnen wahrgenommen. Die Zahl und Vielfalt der Publikationen zur Museumsarchitektur der letzten drei Jahrzehnte ist unüberschaubar geworden. Es gibt alles, von der Architekten- bis zur Baumonografie, nationale, typologische oder zeitlich eingegrenzte Darstellungen. Es gibt auch eine Reihe von Überblicksdarstellungen, die aber auf Grund ihres Eurozentrismus aber auch wegen der nicht mehr erfassbaren Zahl jährlicher Neu-, Zu- oder Umbauten immer ihre Grenzen haben.
Ein Buch, das ich sehr nützlich finde, ist das von Victoria Newhouse. Sie verliert den Kontakt zur Museumsentwicklung nicht, referiert kurz auch und bruchstückhaft die Geschichte der Museumsarchitektur. Vor allem ist sie eine scharfzüngige Analytikerin, die sich weder von großen Architektennamen noch berühmten Museen einschüchtern lässt.
Als ich mit der Louvre-Erweiterung, die von Staatspräsident Mitterand höchstpersönlich initiiert wurde, beschäftigte, fand ich in Victoria Newhouse eine Verbündete in meiner Skepsis gegenüber I.M. Peis Architektur.
Also gut, ich bin etwas befangen...
In Anspielung auf Le Corbusier Towards A New Architecture geht es Newhouse um eine Beschreibung der 'Revolution des Museums', die in den letzten Jahrzehnten stattgefunden hat. Fundierte Analyse steht neben sehr scharfen Urteile heraus. Typologisch gegliedert, betont subjektiv, reich bebildert gibt das Buch einen guten Einblick in die enorme Vielfalt heutiger Museumsarchitektur.
Victoria Newhouse: Towards A New Museum. New York 1998

Montag, 19. April 2010

Aufforderung zur Partizipation (Texte im Museum 43)

"Blutgebundene Abhängigkeit". Das Haus der Natur in Salzburg wird sich wohl weiter nicht um die Aufarbeitung seiner NS-Geschichte kümmern

Zum neuesten Stand der Erforschung, Diskussion und Aufarbeitung der Rolle von Eduard Paul Trat und des von ihm gegründeten naturmuseums durch das Haus der Natur selbst siehe den Post „Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner Gesichte. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/2014/10/das-haus-der-natur-stellt-sich-zum.html 


Dieser Artikel erschien vor über acht Jahren in der Tageszeitung Der Standard. Die Reaktion seitens des Ministeriums und des Museums damals: keine. Das Museum behielt seinen Preis. Heute ist trotz mancher Anläufe und vor allem einer wissenschaftlichen Expertise weitgehend alles wie immer. Das Museum behelligt sich nicht mit seiner Altlast. Aus diesem Grund veröffentliche ich, sozusagen als Erinnerung, den Zeitungsartikel, der nicht veraltet ist, bis auf die Tatsache, daß man heute ein noch größeres und differenzierteres Wissen über Eduard Paul Tratz und das Haus der Natur in der NS-Zeit hat. GF

Sabine Schleiermacher, Gottfried Fliedl: "Blutgebundene Abhängigkeit" Museumspreis 1991: Eine späte Ehrung für nationalsozialistische Rassenforscher. In: Der Standard, Donnerstag 13. Februar 1992, S.23

Der vom Wissenschaftsministerium vergebene Österreichische Museumspreis ging heuer an das Haus der Natur in Salzburg, ein Museum, das in der NS-Zeit eine Forschungseinrichtung der SS war und dessen Schausammlung wesentlich zur Legitimation des nationalsozialistischen Herrschafts- und Unrechtssystems beigetragen sollte.Kritiklos würdigt das Preisgutachten das Museum einschließlich seiner Relikte aus der NS-Zeit. Besonders erwähnenswert fand man z. B. eine museologische Rarität,  nämlich die eindrucksvollen Tibet-Dioramen.

1938/39 wurde unter der Schirmherrschaft Himmlers eine SS-Expedition nach Tibet unternommen, um den Ursprung des als 'arisch' bezeichneten Menschen zu erforschen. Es wurden rassen- und völkerkundliche Arbeiten durchgeführt. Kopf-, Hand-, und Fußabformungen, Gesichtsmasken, sowie Körpervermessungen führte Bruno Beger durch, der später im KZ Auschwitz mit vergleichbaren Fragestellungen anatomische Forschungen betrieb.

Aus der Expeditionssammlung und mit Hilfe der anthropologischen Abformungen wurden große Dioramen, eine Tibetschau,  errichtet, um den innigen Zusammenhang zwischen dem Menschen und seiner Umwelt  optisch zu verdeutlichen. Initiiert und mitfinanziert wurden die Dioramen vom 'Ahnenerbe',  das auch den Ausbau des Museums unterstützte.  Bereits im Herbst 1938, bald nach dem 'Anschluß' Österreichs, war das Haus der Natur  der 1935 vom Reichsführer der SS Heinrich Himmler, gegründeten SS-Stiftung 'Forschungs- und Lehrgemeinschaft Ahnenerbe' angegliedert worden.

Die Stiftung sollte u.a. Raum, Geist und Tat des nordrassigen Indogermanentums  erforschen. Das 'Ahnenerbe' förderte seit Beginn des Weltkrieges auch medizinische und biologische Forschung - auch als wehrwissenschaftliche Zweckforschung:: Kampfstoff-, Seuchen- und wehrmedizinische Forschung, sowie die kriegswichtige Wehrgeologie, für die 1941 der Reichsbund für Karst- und Höhlenforschung  mit Sitz in Salzburg gegründet wurde und die Informationen zur Partisanenbekämpfung bereitstellte.

Bundesleiter dieses Reichsbundes  wurde der 1888 in Salzburg geborene Gründer und Direktor des Hauses der Natur,  Eduard Paul Tratz, SS-Hauptsturmführer, seit 1944 Träger des Totenkopfringes und Mitglied der Waffen-SS, seit 1939 Abteilungsleiter der neuen Forschungsstätte des Ahnenerbes für darstellende und angewandte Natur, Träger des Blutordens, Kulturpreisträger der Gauhauptstadt Salzburg im Jahre 1944.

In der gutachterlichen Begründung zur Preisverleihung von 1991 wird das Haus der Natur  als dynamisches Museum,  als ein mutiges  und weitblickendes Unternehmen  gewürdigt und die Auszeichnung mit der ausdrücklichen Berufung auf seine gesamte Geschichte sowie mit den Verdiensten seines Gründers legitimiert.

Tratz wollte eine Institution, die aus dem Volke herausgewachsen ist,  und in erster Linie für das Volk zu sein  hatte. 'Volkstümlichkeit' war auch die Funktion des Museums als Institut des 'Ahnenerbes', geleitet, wie Tratz 1939 schrieb, von der selbstverständliche(n)  Pflicht..., der Volksgemeinschaft zu dienen  und mitzuwirken an der naturwissenschaftlichen Unterbauung des großen und einmaligen Werkes unseres Führers.

Die didaktisch durchdachte Schausammlung sollte verständlich machen, wohin wir Menschen im Rahmen unserer naturgesetzlichen Stellung gehören, nämlich in die erb-, blut-, und bodengebundene Abhängigkeit der uns vom Geschick zugewiesenen Sendung.

Im Naturbegriff von Tratz waren Störungen im Zustand des Werdens und Wachsens eines Wesens,  wie er in einer Ahnenforschungs-Publikation 1943 schrieb, Behinderungen  der vollen Lebensbetätigung, [...] Krüppel oder Mißgeburten gehörten daher rücksichtslos ausgemerzt  

Tratz nahm an 'naturwissenschaftlichen Arbeitsbesprechungen' des 'Ahnenerbes' teil, bei denen der Anatom August Hirt auch über seine zahlreiche Versuche an Menschen, wie den Kampfstoffversuchen berichtete. Tratz besuchte Mitarbeiter des Instituts für wehrwissenschaftliche Zweckforschung  des 'Ahnenerbes' -  auch in den Laboratorien, so im KZ Dachau und im KZ Natzweiler bei Straßburg.

Tratz und das Museum profitierten von nur durch den Krieg zugänglichen Exponaten. Sie reichten vom Mammut aus der Ukraine bis hin zu den Abformungen von Zigeunertypen aus Konzentrationslagern. Die Aufstellung von Abformungen von 'Rasseköpfen', also von 'nordischen, ostischen, dinarischen und jüdischen Köpfen' - einige davon waren bis vor wenigen Monaten noch als Teil der öffentlichen Schausammlung zu sehen - und die Begehrlichkeit von Tratz gerade nach 'Zigeunertypen', machen das durch nationalsozialistische Ideologie überformte darwinistische Konzept (dieses Teils) des Museums deutlich.

Heute unterliegt die Geschichte des Hauses der fast lückenlosen Tabuisierung. In den Museumspublikationen aus der Zeit nach 1945, in den seither erschienen vielen Festschriften für Tratz, der das Museum bis 1976 leitete, im aktuellen Museumsführer finden sich bis auf winzige Spurenelemente keinerlei Hinweise auf die Geschichte des Hauses. Der Zugang zum Archiv wurde, auch das ein Indiz einer die Wiederkehr des Verdrängten fürchtenden Tabuisierung, den Autoren dieses Beitrags verweigert.
Das Haus der Natur ist, wie Eduard Paul Tratz es 1954 einmal formuliert hat, wirklich ein Museum, das seine eigenen Wege ging und geht.

Zu diesem Weg gehört die manifeste Unfähigkeit des Hauses der Natur  sich kritisch mit den materiellen und ideologischen 'Erbstücken' der NS-Zeit auseinanderzusetzen.
Daß das Wissenschaftsministerium diesen 'Weg' mit einem 'Staatspreis' honoriert ist unakzeptabel.

Sabine Schleiermacher ist Wissenschafterin am Institut für Medizin-Soziologie des Universitäts-Krankenhauses Eppendorf in Hamburg
Gottfried Fliedl arbeitet als freiberuflicher Museologe in Wien


*

Zur Geschichte des Hauses der Natur in diesem Blog.

Kritik von Hans Katschthaler an Prof. Robert Hoffmann und seinem Gutachten zum Haus der Natur. Eine Reaktion des Gutachters zum Haus der Natur, Prof.Dr. Robert Hoffmann, auf diese politische Kritik an ihm und seiner Expertise. Ein Artikel von Gerald Lehner zur Kritik von Hans Katschthaler an Prof. Hoffmann und dessen Gutachten.


Webseite Haus der Natur. - Derzeit scheint das Museum eine Politik der Erinnerungslosigkeit zu betreiben. Ich konnte auf der Webseite weder Angaben zur Geschichte des Museums, noch zur Tibetschau noch zu Tratz finden. (April 2010)

Die Abbildung einer rassenkundlichen Sammlung stammt aus der 1963 erschienen Publikation "Wegweiser durch das Haus der Natur in Salzburg. Herausgegeben aus Anlass seines 4ojährigen Bestandes von Eduard Paul Tratz". Teile dieser Sammlung waren zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels von Sabine Schleiermacher und mir im Haus der Natur noch zu sehen. In der Publikation von Tratz fehlt jeder Hinweis auf die Geschichte des Museums in der NS-Zeit - bis auf zahlreiche Fotos von den Tibet-Dioramen.

Donnerstag, 15. April 2010

Neue Webseite der Museumsakademie Joanneum












               








Die Museumsakademie Joanneum hat eine eigene Webseite betrieben. Nun ist die Museumsakademie auf die Webseite des Universalmuseums - in gewohnten Umfang - übersiedelt und ab sofort dort erreichbar.

Die Adresse bleibt im übrigen dieselbe: www.museumsakademie-joanneum.at 

Die nächste Veranstaltung der Museumsakademie beschäftigt sich mit dem Wandel des Kuratorenberufes. Nähere Information hier.

Ausserdem läuft die Ausschreibung zur 12. Internationalen Sommerakademie. Nähere Informationen hier oder direkt in diesem Blog hier.