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Montag, 17. Januar 2011

Das Ruhr Museum in Essen. Eine Kritik

Ausstellungskritik ist selten, Museumskritik erst recht. Mit freundlicher Erlaubnis der Autorin Vera Hierholzer und H-Soz-u-Kult, wo ich diese Museumskritik zum Ruhr Museum gefunden habe, übernehme ich sie gerne - und ungekürzt. Zumal sie ein wichtiges Museum betrifft, das für kulturhistorische Museen schon lange ein Modell war und das sich nun vollkommen neu präsentiert.


Keiner Sparte zurechnen lassen will sich das Essener Ruhr Museum auf der Zeche Zollverein und schon gar nicht „nur“ ein Industriemuseum sein. Dementsprechend bezeichnet es sein Direktor Ulrich Borsdorf auch gerne als „Hybrid“. Und tatsächlich fällt eine Einordnung des im Januar 2010 als Auftakt zum Kulturhauptstadtjahr eröffneten Museums schwer – im positiven Sinne: Das Ruhr Museum bietet nicht nur eine Melange aus Kultur-, Heimat-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, sondern stellt auch eine reizvolle Verbindung zur Naturgeschichte her, die in der Auseinandersetzung mit dem Ruhrgebiet durchaus naheliegt, aber deshalb längst nicht selbstverständlich ist. Wie sein Vorgänger, das Ruhrlandmuseum, in den 1980er-Jahren verlässt das Ruhr Museum die ausgetretenen Pfade der Museumsgestaltung. Wie dieses wuchert es mit seinen Pfunden – den umfangreichen, facettenreichen Sammlungen –, verabschiedet sich aber von der nach Sparten getrennten Präsentation. Die Verknüpfung der disziplinär geprägten Perspektiven wird zum roten Faden der neuen Dauerausstellungen.
In der ehemaligen Kohlenwäsche der einst größten und modernsten Zeche Europas, im Schatten des mächtigen Förderturms, der zum Wahrzeichen der Region geworden ist, empfängt die Nachfolgeinstitution des Ruhrlandmuseums ihre Besucher. Wie einst die Kohle, die in der Kohlenwäsche in verschiedenen Etappen von Ton, Mergel und Schiefer reingewaschen wurde, durchmessen die Besucher das Gebäude von oben nach unten. Die zu diesem Zweck von außen angebaute, 25 Meter lange Rolltreppe zum neu geschaffenen Eingang auf der obersten Ebene ist die wohl umstrittenste bauliche Veränderung der 1928 errichteten, unter Denkmalschutz stehenden Kohlenwäsche. Da eher gigantische Maschine als von Menschen zu nutzender Raum musste der Bau nach der Entscheidung, hier das Ruhr Museum unterzubringen, einer Reihe von Umbauten unterworfen werden, um geeignete Bedingungen für die Besucher und musealen Objekte zu schaffen. Der Stararchitekt Rem Koolhaas führte Regie bei der „Bauertüchtigung“, in Vielem sehr zum Missfallen der Denkmalschützer. 


Im Inneren verbindet eine mächtige, durch leuchtend orange Lichtbänder an glühenden Stahl erinnernde Treppe die verschiedenen Ebenen der rund 5.000 qm und 6.000 Objekte umfassenden Dauerausstellung.[1] Diese folgt keiner chronologischen, sondern einer thematischen Ordnung. Auf der „17-Meter-Ebene“ werden die Besucher zunächst mit der Gegenwart konfrontiert, mit dem also, was das Ruhrgebiet heute ist oder zu sein scheint. Den Einstieg in den Rundgang bilden Projektionen ikonenhafter Fremd- und Selbstbilder – rußgeschwärzte Gesichter, feuerspeiende Hochöfen und rauchende Schornsteine, heldenhafte Industriebarone, Fußballszenen und Männer am Büdchen. Diese „Mythen“ werden in der ersten eigentlichen Ausstellungseinheit aufgegriffen: Fotoserien dokumentieren – flankiert durch Medienstationen und serielle Objektzusammenstellungen – charakteristische „Phänomene“, die das Ruhrgebiet prägen – sei es die gesichtslose, gleichförmige Architektur der Städte, die durch den Bergbau geprägte, aber überraschend grüne Landschaft, die allerorten präsente Vereinskultur oder der Schrebergartenkitsch der Vororte. Humorvoll werden Brüche geschaffen und so die Heterogenität und Widersprüchlichkeit der Region herausgestellt: liturgische Geräte stehen Sportpokalen gegenüber, Videoinstallationen spielen mit den Klischees von Mantafahrern, Laubenpiepenbesitzern und Dönerbudenbetreibern. Reviergrößen wie der unvermeidliche Herbert Grönemeyer kommen zu Wort und die eigenwillige Sprache des Ruhrgebiets wird aufs Korn genommen. Teils finden sich überraschende, vielfach aber auch allzu erwartbare Themen und Exponate, so dass die Klischees eher liebevoll gepflegt als hinterfragt werden. Erst in der angrenzenden Ausstellungseinheit „Strukturen“ erfolgt eine Unterfütterung dieser Impressionen: Projektionen und Medienterminals liefern hier eine fast schon erschlagende Fülle an sorgfältig recherchierten Hintergrunddaten und -fakten.
Abgetrennt durch eine Glaswand, die wie ein überdimensioniertes Herbarium filigrane, gepresste Pflanzen aus der Region zeigt, folgt ein kontemplativ inszenierter Ausstellungsteil. Dezidiert selektiv und assoziativ werden unter der Überschrift „Zeitzeichen“ Erinnerungsstücke der heutigen Ruhrgebiets-Bewohner in gläsernen Stelen präsentiert; das einzelne Objekt und seine Geschichte stehen im Vordergrund. Es finden sich persönliche Andenken wie Teile eines Porzellanservices, das an langjährige Krupp-Beschäftigte verschenkt wurde, aber auch Kuriositäten wie Flaschen der chinesischen Biermarke „Hans“, benannt nach einem Ingenieur aus dem Ruhrgebiet, der nach dem Strukturwandel als Berater nach Fernost ging. Durchmischt wird dieses Musée sentimental mit Naturobjekten – versteinerten Schachtelhalmen, Baumstümpfen und Fossilien, die als Zeugen des „ewigen“ Naturgedächtnisses den subjektiven und kurzlebigen menschlichen Erinnerungen gegenübergestellt werden. Die Abteilung regt so zum Nachdenken über das Funktionieren menschlicher Erinnerung und des „kollektiven Gedächtnisses“ an.
Auch die folgende, dem „Gedächtnis“ gewidmete „11.80-Meter-Ebene“ legt derartige Reflektionen über die Speichermedien der Geschichte und das Museum als Sacharchiv nahe. In der Manier frühneuzeitlicher Wunderkammern zeigen Sammlungsräume ausgewählte Schätze aus den Antiken-, ethnologischen, geologischen und naturhistorischen Sammlungen des Museums, die auf den Beständen des Historischen Vereins der Stadt und des Stifts Essen fußen und damit auch die lange Geschichte des Ruhr Museums spiegeln. Die Sammlungspräsentation fügt sich in den ersten historisch-chronologisch gegliederten Ausstellungsteil ein, der die Geschichte der Region von der Bronze- und Römerzeit über die Siedlungen der Franken und Sachsen, die Christianisierung und Hansezeit bis zur Reformation und Aufklärung nachzeichnet. Ganz bewusst beschränkt sich das Museum so nicht mehr auf die Zeit ab der Industrialisierung, die das Ruhrgebiet als solches überhaupt erst erschuf, sondern spürt auch den weiter zurückreichenden, lokal teils sehr unterschiedlich ausgeprägten Entwicklungslinien und Traditionen nach, die durch die Industrialisierung verschüttet, modifiziert oder abgeschnitten wurden. Regelrechte Kleinodien wie der Grabstein des römischen Offiziers Marcus Caelius, Stücke aus dem Essener Domschatz und Urkunden hanseatischer Städtebündnisse finden sich unter den Exponaten.
Auch ästhetisch gesehen ist diese Ausstellungsebene die überzeugendste: Ägyptische und griechische Skulpturfragmente erstrahlen vor technischen Maschinenteilen, kultische Tiermasken und Bronzestatuetten kontrastieren mit den dunkel verwitterten Wänden und Jahrtausende alte Ammoniten ragen wie aufgespießte Insekten aus Kohletrichtern empor. Dieses von den Ausstellungsarchitekten des Stuttgarter Büros HG Merz kunstvoll inszenierte Zusammenspiel von Exponaten und Gebäude ist in den anderen Ebenen nicht in derselben Weise gelungen. Die Maschinen der Kohlenwäsche werden ebenso wie die Geschichte des Gebäudes bedauerlich wenig in die Ausstellung einbezogen – ihre Erläuterung wird ganz dem räumlich getrennten Denkmalpfad überlassen.
Gerade beim dritten und letzten Ausstellungsteil auf der „6-Meter-Ebene“, der abschließend die „eigentliche“ Geschichte des Reviers erzählt, fällt dies auf. Seine sehr kompakten und starr wirkenden Vitrinen- und Sockelbauten greifen zwar die Formen und Strukturen der Förderbänder und anderer Maschinenteile auf, lassen diese selbst aber vielfach regelrecht verschwinden und wirken im Vergleich zu den vorherigen Sammlungsräumen recht konventionell. Die Industriegeschichte wird hier zum „Drama“: Umrahmt von einem Prolog zu den naturräumlichen und geologischen Voraussetzungen und einem bilanzierenden Epilog handeln fünf „Akte“ von den ersten industriellen Anfängen im frühen 19. Jahrhundert, vom eigentlichen take off um die Jahrhundertmitte mit seinen technischen und unternehmerischen Innovationen, von der Hochindustrialisierung und ihrer fortschreitenden Rationalisierung und Kartellbildung, den folgenden Wechseln von Krisen- und Aufschwungszeiten sowie vom langsamen Niedergang der alten Industrien und allmählichen Strukturwandel. Äußerst dicht ist die Erzählung, kaum ein Thema wird ausgespart. Aber gerade durch ihre Fülle und Bemühtheit um Vollständigkeit bleibt sie seltsam unpersönlich, zumal die sehr vom Ende her gedachte Konzeption als „Schauspiel“ etwas gekünstelt wirkt. Originell ist aber erneut die Integration von geologischen und naturkundlichen Sammlungsstücken. Geschickt wird die Natur- mit der Industriegeschichte verwoben – etwa durch die Thematisierung der Bodenschätze, die die Basis der rasanten Industrialisierung bildeten, aber auch durch die Darstellung der Kleingartenkultur und der Umweltzerstörung. Hier wird der Bogen zur gegenwartsbezogenen Eingangsebene besonders deutlich: Was dort als Phänomen beschrieben, aber nicht tiefer ergründet wird, erhält auf dieser letzten Ausstellungsebene seine historische Erklärung – mal mehr, mal weniger direkt und offensichtlich. Ein ambitioniertes, gut durchdachtes, aber in Teilen möglicherweise auch zu komplexes Konzept.
Die drei Ausstellungsebenen haben jeweils eine ganz eigene Formensprache, Ästhetik und Atmosphäre, die mit den Inhalten korrespondieren – von der bunten Vielfalt gegenwärtiger Eindrücke über die fast sakralen Räume des kollektiven und des kulturellen Gedächtnisses bis zur Meistererzählung der Industrialisierung. In Vielem knüpft das Ruhr Museum an das Ruhrlandmuseum an: Wie dieses setzt es Medientechnik wohltuend zurückhaltend ein. Zwar finden sich hochmoderne Touchscreens mit allerlei Applikationen, Filmpräsentationen, Geruchsstationen und Klangduschen, aber die in vielen neueren Museen übliche audiovisuelle Dauerberieselung unterbleibt.[2] Setzte bereits das Ruhrlandmuseum Inszenierungen nicht als Anmutungen des Authentischen ein, sondern als höchst artifizielle „Objektbilder“, die die Objekte als Zeichen verstanden und ihre Materialität betonten, führt das Ruhr Museum diesen Ansatz konsequent fort und inszeniert ganze „Raumbilder“. Dem Auratischen wird jedoch – insbesondere in den Ausstellungsteilen, die sich dem kollektiven Gedächtnis und den Sammlungen widmen – deutlich mehr Raum gewährt. Ergänzende Ausstellungstexte – auf die das Ruhrlandmuseum in seinen ersten Jahren ganz verzichtete – erhalten einen größeren Stellenwert. Das Historische muss nun erläutert werden – nicht nur, weil das neue Museum einen viel weiteren Bogen schlägt und die Konzentration auf die Zeit seit der Industrialisierung aufgibt. Viele der lange Zeit selbstverständlichen Strukturen, Abläufe und Techniken sind inzwischen erklärungsbedürftig. Das Historische aber soll seinerseits die Gegenwart erklären, so der Anspruch des Museums, den es insbesondere durch die vielen gebotenen Perspektiven auch tatsächlich einlöst. Gerade im Vergleich mit seinem Vorgänger wird das Ruhr Museum so selbst zum Anschauungsobjekt der von ihm erzählten Geschichte und trägt damit dem eigenen Anspruch Rechnung, über seine Funktion als „Gedächtnis" der Region hinaus den noch andauernden Prozess der „Neufindung“ der Region zu beeinflussen.
Anmerkungen: 
[1] Der Katalog zur Dauerausstellung stellt nicht nur einzelne Ausstellungsebenen mit ausgewählten Objekten vor, sondern informiert auch ausführlich über die Geschichte des Ruhr Museums, die Kohlenwäsche und ihre Sanierung sowie das Gestaltungs- und Medienkonzept der Ausstellung. 
[2] Auch sogenannte Hands-on-Stationen sucht man vergebens, für Kinder wurde stattdessen eine Ralley samt Quiztasche mit (Original-)Exponaten zum Anfassen entwickelt.

Vera Hierholzer: Ausstellungs-Rezension zu: Ruhr Museum 10.01.2010, Ruhr Museum Essen, in: H-Soz-u-Kult, 15.01.2011, .
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Vera Hierholzer studierte in Münster Geschichte und öffentliches Recht. Nach ihrer Promotion am Frankfurter Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte absolvierte sie ein wissenschaftliches Volontariat am Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim. Im Anschluss war sie freie Kuratorin am Museum für Kommunikation in Frankfurt. Seit 2008 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Seminar der Goethe-Universität Frankfurt. Im Rahmen eines Drittmittelprojektes kuratiert sie derzeit eine Ausstellung am Frankfurter Goethe-Haus zum Thema "Goethe und das Geld. Der Dichter als Ökonom".

Sonntag, 27. Dezember 2020

Meine Lieblingsmuseen. Die ersten elf


John Soane's Museum
London

Der "Dome" in der Darstellung desSoane-Schülers Joseph Gandy
Der heute immer noch hoachangesehene englische Architekt John Soane (1753-1837) konnte sich von seinen Einkünften aus Architekturprojekten wie der Bank of England, den Ankauf dreier nebeneinander liegender Häuser an Lincoln's Inn Fields leisten. Nach und nach erwarb er seit 1792 die Häuser und gestaltete sie im Inneren tiefgreifend um.
Hinter den schlichten Fassaden verbirgt sich ein labyrinthisches Puppenhaus, das Wohnung, Bildergalerie, Atelier, Studio und Sammlungsgebäude zugleich ist. Sonne bestimmte testamentarisch die Umwandlung in eine Museum, was 1830 auch erfolgte. Sehr zum Unwillen seines Sohnes, der, erfolglos, das Testament anfocht. Seither ist der Häuserkomplex bis auf wenige Eingriffe im Originalzustand erhalten und  - wegen der Enge der Räume jeweils in begrenztem Umfang - öffentlich zugänglich.
Einzigartig ist die Verschachtelung und visuelle Verbindung der unterschiedlichen Räume durch Schaffung raffiniert konzipierter Durchsichten, Anlegen vertikaler Räume, auch in Form von Binnenhöfen, der Verwendung von Verspiegelungen u.a. mit Vexierspiegeln, die Verwendung von mit farbigem Glas bestücktem Oberlicht in manchen Räumen und der exzessiven Ausstattung mit Kunstwerken, Fragmenten, Modellen, Spolien, Kopien.
John Sonne war nicht nur ein bedeutender Architekt und Lehrer, er muß auch den den Engländern zugeschriebenen Spleen im Übermaß besessen haben. Die diversen historisierenden und romantizistischen Räume nutzte er für uns heute verschroben wirkende Geselligkeit und die Philosophie des ganzen lief auf eine Art von Leben in einer durch Ausgrabung wieder teilweise sichtbar und nutzbar gemachte archäologische Stätte hin. So jedenfalls hat es Sonne selbst als Lesart in einer seiner Schriften erläutert.
Das hinderte ihn aber nicht daran, die Wohnräume in elegantem und behaglichem Stil einzurichten, wiewohl auch hier raffinierte Lichtsituationen, exzentrische Lösungen für gewölbte Decken, raffiniert inszenierte Durchblicke, präzise platzierte antike oder zeitgenössische Kunstwerke weit über den bloßen Wohnzweck hinausweisen.
Kernstück des komplexen Inneren ist der sogenannte "Dome", ein vertikaler, von Galerien gesäumter, durch alle Geschosse bis in den Keller reichender Raum der mit zahllosen Antiken und Fragmenten buchstäblich übersät ist. Am Grund des Schachts steht ein ägyptischen Sarkophag, den das British Museum nicht erwerben wollte. Blickfang ist eine Kopie des Apoll von Belvedere. Genau gegenüber hat der Hausherr sich selbst platziert - in Form einer antizipierenden Büste.
Für den Freimaurer Soane waren Haus und Ausstattung eine individuell identitätsverbürgende historisch-archäologische Szenerie, deren metaphorische Ruinosität eine künftige Erfahrbarkeit als archäologische Stätte und Zeugnis vergangenen Lebens evozieren sollte.
Für mich ist es ein einzigartiges Museumskuriosum mit nahezu unerschöpflicher Komplexität und mit dem Charme einer versunkenen exzentrischen englischen Lebensweise.

Musei Capitolini in der Cantrale Montemartini
Rom
























In Hinblick auf das "Heilig Jahr" 2000 wurde die Kapitolinische Antikensammlung, eine der ältesten der Welt, umfassend und beeindruckend renoviert. Im Zuge dieser Renovierung der Museen am Kapitol wurde eine Dependance in einem ehemaligen E-Werk an der Ausfallstraße nach Ostia eingerichtet. Das 1912 eröffnete erste kommunale E-Werk wurde nicht entkernt und zum white cube, sondern man beließ die energieerzeugenden riesigen Anlagen in den Hallen im Zustand eines Industriedenkmals und arrangierte an die vierhundert Antiken mit Hilfe einiger moderner Einbauten um die Anlagen herum.
Zunächst war das als Provisorium während der Renovierung des Museums am Kapitol gedacht, doch 2005 wurde die Centrale in ein dauerhaftes Museum umgewandelt. Als solches beherbergt es keineswegs Werke "zweiter Wahl", sondern ästhetisch, ikonografisch und historisch herausragende Objekte, die einen ziemlich überraschenden Dialog mit den Maschinen, Kesselanlagen und Öfen eingehen. Der historisch und ästhetisch unerwartete Rahmen schärft im Dialog mit ihrer Umgebung - klassische Archäologie trifft auf Industriearchäologie -, den Blick auf völlig ungewohnte Weise. Ich kenne kein anderes Museum, wo ein so schroffer Gegensatz erzeugt wird, allerdings auf einer ausschließlich ästhetischen Ebene.

Musée de la chasse er de la nature
Paris

Das kleine private Museum hält viele Überraschungen für den Besucher bereit. In die Rokoko-Architektur subtil eingefügte Flora und Fauna gleicht eher einer Märchenerzählung, als einem Museum. Es mangelt aber nicht an didaktischer Absicht. Mit nicht wenig Text, der aber den Zauber der Rauminstallationen nicht stört, wird eine Sichtweise auf Natur gepflegt, die ich von keinem anderen Naturmuseum kenne. 
Natur ist keine hier selbstverständliche Größe, die der menschlichen Sphäre erratisch gegenübergestellt wird. Natur ist hier ein von Menschen beeinflußte und von Menschen gesehene und interpretierte Sphäre. Natur im Museum ist immer eine vermittelte, interpretierte.
Die subtile und kluge Ästhetisieren, die das Museum kennzeichnet, ist kein Selbstzweck, sondern bricht mit einem zu naiven Blick auf das herkömmliche Naturverständnis. Das Zusammenspiel von Räumen, Möbeln und Objekten ist bezaubernd, aber es hält uns immer beim Thema - unserem Blick auf Natur die Reflexion über unser Verhältnis zu Natur hinzuzufügen. Das Museum ist ausgesprochen witzig, etwa wenn sich auf eine flüchtigen Blick als in einem Gang installierte Überwachungskamera auf den zweiten Blick als Vogelhäuschen herausstellt. Und nirgendwo wird der Besucher mit einer Serie von Animationen auf eine derart witzige und liebevolle Weise aus dem Museum verabschiedet, wie hier. "Traumhäuser der Vernunft" hat mal jemand, war es Walter Benjamin?, Museen genannt. Hier ist eins davon.

Museo civico di Castelvecchio
Verona
























Das Museum ist in einer hochmittelalterlichen Burganlage untergebracht und wurde vom Ende der 1950er-Jahre bis in die beginnenden 70er-Jahre von Carlo Scarpa in enger Zusammenarbeit mit dem damaligen Museumsleiter umgebaut und eingerichtet. Im Untergeshoß befinden sich Skulpturen, im oberen Geschoss eine Gemäldegalerie. 
Das Museum einschließlich des vorgelagerten gärtnerisch gestalten Hofes wurden von Scarpa bis in die kleinsten Details durchgestaltet. Fensterrahmungen, der Übergang vom Fußboden zur Mauer, die Türen, Leuchtkörper, die Gestaltung der Fußböden, die Material- und Farbwahl, Aus- und Durchblicke - alles wurde gründlichsten Überlegungen unterworfen. 
Scarpa konzipierte einen abwechslungsreichen Parcours durch die vielfältigen Raumsituationen. Höhepunkt des Rundgangs ist eine frei in den Hof ragende Reiterfigur (aus dem 14. Jahrhundert), die auf einer wie ein Origami gefalteter Betonplattform ruht und hoch über dem Erdboden frei in die Luft ragt. Vom Hof aus sieht man zu ihr empor, da ist der Reiter ein Denkmal, aber sie ist im Rundgang so integriert, daß man sie auch aus der Nähe betrachten kann, dann ist das Standbild ein museales Kunstwerk und Exponat.
Ausgeklügelt ist nicht nur die Platzierung der Werke im Raum, ausgeklügelt sind auch die Zeigemöbel, die die Gemälde tragen. Jedes der Gestelle ist eine individuelle Lösung, die einem bestimmten Bild die beste Präsentation verleihen soll.
Selbst das Verlassen des Museums ist inszeniert. Zwei nebeneinanderliegende, aber innen voneinander getrennte Türen dienen einmal dem Betreten, einmal dem Verlassen. Scarpa muß sich den Museumsbesuch wohl als Passageritus gedacht haben, als "Bildungsweg" durch streng inszenierte Kunstwerke und gesteuert mit einer ebenso strengen Blickregie.
Die Kehrseite dieses Konzepts liegt auf der Hand. Das durchkomponierte Gesamtkunstwerk kann man nur erhalten, wie es ist. Jeder Eingriff käme einer Zerstörung gleich.
Scarpa hat, was man vielleicht als Museumsbesucher gar nicht wahrnimmt, bedeutende italienische Museen gestaltet, etwa die Uffizien aber auch die Accademia in Venedig. Man kann in vielen italienischen Museen und historischen Gebäuden auf jene subtilen, zurückhaltenden Intervention treffen, mit denen moderne Interventionen in den Dialog mit historischer Bausubstanz treffen. Scarpas Ausstellungs- und Museumsdesign war dabei bahnbrechend.

Bundesbriefmuseum
Schwyz

Kann man einem einzigen historischen Schriftstück ein Museum errichten? Einen Denkmalbau für ein einziges Pergament? Man kann, wenn man glaubt, daß dieses Schriftstück die Nation symbolisiert. Mann kann, wenn man glaubt, daß dieses Schriftstück in politisch und sozial schwierigen Zeiten den Zusammenhalt der Gesellschaft stärkt. Dann baut man in Zeiten innerer sozialer Unruhen und heraufziehender äußeren Bedrohungen (Machtübernahme des Nationalsozialismus in der Schweiz) 1936 ein Museum. Als "geistige Landesverteidigung". In der Stadt Schwyz, also in einem der Urkantone, nicht in Bern oder Zürich.
Das Dokument galt zu diesem Zeitpunkt als ältestes Indiz für jene zwischen Kantonen ausgehandelte Bündniskultur, die dem politischen und wirtschaftlichen Frieden dienen sollte, und die in gewisser Weise die Schweiz bis heute prägt. Aber lange Zeit war diese erste "Bundesbrief" völlig unbekannt und als er am Beginn der Neuzeit Eingang in die frühe Geschichtsschreibung fand, war er kaum mehr als eine Quelle unter anderen. 
Im späten 19.Jahrhundert "entdeckte" man das Schriftstück als nationales Gründungsdokument und einige Jahrzehnte später zog es in "sein" Museum ein. Nach 1945 verlor es rasant an Bedeutung. Echtheit (zu unrecht) und Datierung (umstritten) wurden angezweifelt und die Bedeutung als einzigartige Gründungsurkunde wurde nicht mehr benötigt. Das Museum änderte mehrmals sein Konzept, aber der Bau, seine Innenausstattung, die Bespielung des Außenraums mit diversen Objekten, die Wegführung von Außen ins Gebäude hinein und durch es durch, lassen noch immer das patriotische, teilweise mehr mythische als historische Selbstverständnis des Landes in den Dreißiger Jahren erkennen. Und der Bundesbrief liegt, zwar flankiert von vielen ähnlichen Dokumenten, immer noch in der "Apsis" dieses "nationalen Tempels" unter einem - ziemlich viril geratenen - Rütlischwur (ein rein mythologisches Ereignis). So kann man das Museum heute vor allem als Palimpsest lesen, das über die Geschichte der Schweiz auf Umwegen über die Gestaltungsgeschichte des Museums Auskunft über die wechselnden identitären Phantasmen des Landes Auskunft gibt.  

Het Dolhuys
Haarlem

Wie kann man die Geschichte der sogenannten Geisteskrankheiten und den medizinischen Umgang mit ihr in einem Museum darstellen? Indem man sachliche aufklärende Information in eine ziemlich erfindungsreiche und kategorial Unsichtbares visuell transportierende Szenografie umsetzt. Und dabei die vielfältige Räume eines mittelalterlichen "Spitals", eines frühen "Dolhuys" nutzt.
Es war das erste Mal, daß ich eine Ausstellungsgestaltung von Kossma/deJong gesehen habe, einer niederländischen Firma, die inzwischen erfolgreich und europaweit agiert. Ihre Szenografie zeichnet sich durch hohe Originalität aus und das bis ins Detail. Nie wieder habe ich z.B. derart witzige Möbel für Videostationen gesehen, wie hier. Lösungen für die schwierige Integration von "Fernsehern/Screens" in Ausstellungen. Statt des öden Plastiks oder Metalls gab es hier aus Altmöbeln zusammengebastelte Gerätschaften. 
Unglaublich interessant waren die in einem zum Hof hin geöffneten Raum platzierten "Models", die die diversen Krankheitsbilder auch wirklich als Bilder und kaum über Texte veranschaulichten. Statt des Kopfs saß auf jeder Figur deren "Krankheitsbild", eine Obsession. Aber es war nicht nur die Gestaltung, die so überaus ansprechend war, es war der Grundton - ein Konzept, das Ängste und Tabus, die unseren Umgang mit psychischen Erkrankungen kontaminieren, aufgriff und sie geschickt, gleich vom Eingang konterkarierte. 

Biologiska Museet
Stockholm

"
Das Biologische Museum (schwedisch Biologiska Museet) liegt auf Djurgården in Stockholm und zeigt skandinavische Säugetiere und Vögel in ihrer natürlichen Umwelt. Alle Tiere sind ausgestopft." So stellt Wikipedia das Museum vor. Das wichtigste wird nicht erwähnt: daß diese ausgestopften Tiere in großen Dioramen gezeigt werden, die auf zwei Ebenen angeordnet sind. Und das in einem Bau, der von außen einer typischen regionalen Stabkirche ähnelt. Ende des 19.Jahrhunderts wurde dieses Museum gegründet und der Bau errichtet und hier zeigt man eben nicht nur schwedische Fauna, sondern die ganz Skandinaviens. Es ist sehr bewußt nicht als nationales Museum ausgelegt, sondern eines, das die Einheit der skandinavischen Länder naturräumlich visualisiert. Dioramen sind dazu natürlich weit besser geeignet, als einzelne Tiere oder kleine Gruppen ohne jedes Environment. Dioramen sind ein effektives und beliebtes Illusionsmittel, das geeignet ist, den Eindruck ganzer realer Landschaften zu erzeugen. Der Rundgang durch das Biologisk Museet wird so zum Rundgang durch Fauna und Flora Skandinaviens in signifikanten Ausschnitten und tut so, als könnte es einem weite Reisen durch den Norden Europas ersparen. 

Smithsonian Institution Building
Washington

Als der reiche Engländer James Smithson seine erhebliches Erbe vermachte, widmete er es den Vereinigten Staaten mit dem Auftrag "to found in Washington, under the name of the Smithsonian Institution, an establishment for the increase and diffusion of knowledge among men". Auf Umwegen über einen früh verstorbenen Erben gelangte das Vermögen schließlich an seinen Bestimmungsort. Der US-Kongreß grübelte ungefähr zehn Jahre, ehe er diesen Auftrag in ein Projekt umsetzte, das von Anfang an museale und wissenschaftliche Aufgaben in sich vereinte. 1847 konnte man das erste Gebäude an der National Mail errichten, ein von europäischer Gotik inspiriertes "Castle", wie das Gebäude auch genannt wird.
Heute ist das "Smithsonian" einer der größten Museumskomplexe der Welt und das "Castle" ist der Sitz der Verwaltung und das Informationszentrum des gesamten an der Wall gelegenen Museumskomplex.
Im Erdgeschoß befinden sich zwei museale Trakte. In einem wird ausführlich ud anschaulich die hochinteressant Geschichte der Smithsonian Institutionen erzählt, im anderen befindet sich eine Art Preview. Hier geben alle Museen die zum Smithsonian-Verbund gehören eine Visitenkarte ab. In jeweils einer raumhohen Vitrine werden signifikante und interessante Objekte gezeigt, Appetizer, die einem die Wahl schwer machen, welches der Museen man denn nun besuchen soll. Insgesamt bieten die dicht an dicht gereihten Vitrinen eine Atmosphäre einer Kunst- und Wunderkammer.
Ganz auffallend gepflegt und einladend ist übrigens das gärtnerische Umfeld des Bauwerks. Hier sitzt man entschieden besser, als in der wenig einladend und karg instrumentierten Cafeteria im Inneren.
Ach ja. Mister Smithson begegnet man hier auch. 1904 hat man ihn exhumiert und per Schiff in die USA gebracht. 1905 wurde er in einem Seitenraum des Eingangsbereichs in einem führ ihn gestalteten Grabmal beigesetzt. Es ist nicht das einzige Gebäude, das die aufschlussreiche Doppelfunktion von Museum und Mausoleum hat, zwei Begriffe, die, wie man bei Adorno lesen kann, nicht nur phonetisch leicht zu verwechseln sind.

Museo Gypsotheca Antonio Canova
Possagno


Possagno ist ein kleiner Ort mit nur etwas mehr als 2000 Bewohnern in der Provinz Treviso, gelegen in den Hügeln, mit denen die Alpen gegen Süden hin in die Ebene auslaufen. Hier wurde der berühmteste italienische Bildhauer des Klassizismus geboren, Antonio Canova.
Und hierher kehrte er zu Ende seines Lebens und seiner Karriere zurück, um im Garten seines bescheidenen Eltern- und Geburtshauses ein Museum zu errichten. Einen klassizistischen Tempel, in dem er Entwürfe seiner Werke ausstellte. Auch solche in originaler und monumentaler Größe aber auch kleine Skizzen in Ton oder Gips. 
Die Ästhetik diese vollkommen weißen Raums mit seine zahllosen weißen, z.T. riesigen Gipsen ist einzigartig, auch ästhetisch, zumal diese Modelle und Entwürfe Male ihres Entstehung- und Reproduktionsprozesses enthalten - winzige schwarze Löcher, die wie ein Grid über die Objekte gelegt erscheinen und das gesamte Ensemble zusätzlich verfremden.
Schriftlich erhält man Informationen zur Zuordnung der Objekte zu den großen ausgeführten und nie realisierten Projekten Canova.
Kleinere Objekte sind in einem kleinen Zubau des ingeniösen Ausstellungsarchitekten Carlo Scarpa untergebracht und im Wohnhaus ist ein Canova gewidmetes Museum untergebracht, wo man weitere kleinere Werke findet und die für Künstlermuseen typischen persönlichen Reliquien.
Doch Canova genügten Tempel und Museum nicht. Er ließ eine lange Achse mit aufsteigender Treppe quer durchs Dorf errichten, die von seinem Geburtshaus auf einen Hügel ansteigt,. Dort steht die im Inneren dem Römischen Pantheon nachempfundene klassizistische Kirche, die man durch eine Vorhalle betritt, die genau der Architektur des Parthenon folgt. Und hier liegt er begraben. Schön selbstbewußt, der Herr Canova. Man sollte nicht versäumen, auf die Kuppel zu steigen um die Aussicht zu genießen.

Staatsgalerie
Stuttgart 

Nirgendwo sonst kann man ein Museum sehen, das sich architektonisch derart selbstironisch geriert. Der Architekt James Sterling läßt Wasserspeier über den Köpfen der Flaneure kreisen, er entwirft Handläufe, die keine menschliche Hand je umfassen kann, er zertrümmert die Wand, sozusagen ruinenästhetisch, zur Tiefgarage und wenn wir das Museum über eine Rampe betreten, passieren wir einen bis aufs Skelett abgemagerten Tempel. Im Inneren sind die Räume überdeutlich durchnummeriert und verheißen so einen ewig gültigen Kanon, der in immer gleicher Ordnung gezeigt werden kann und die Türen sind wie aus dem Anker-Baukasten antikisch dekoriert. Auch farblich wird uns einiges zugemutet, rosarot trifft auf grasgrün, die Farbe, die meiner Erinnerung nach auch genoppte Kunststoffböden im Foyer haben. Alles ist aus schwerstem überdeutlich sichtbar gehaltenem Quadermauerwerk errichtet, als wären wir in einer Burg, einem Wehrbau.
Den Höhe- und Mittelpunkt des Bauwerks bildet der Hof. Das Schema des Grundrisses läßt hier eigentlich eine Rotunde erwarten, etwa wie bei Schinkels Berliner Museum, also einem mit künstlerisch herausragenden Statuen besiedelten überrkuppelten Raum, aber Sterling sprengt die Kuppel weg und macht aus dem Innenraum einen öffentlichen Platz, der auch tatsächlich öffentlich nutzbar ist. Er wird, ohne daß man das Museum betreten muß, mit einer Passage durchquert, der den Stadtraum durchs Museum hindurch erschließt.
Hier stehen bloß ein paar Sessel, keine maßstabsetzenden Antiken mehr, wie bei Schinkel. Der Bewuchs wird nach und nach vom Bau Besitz ergreifen und ihm die Anmutung einer antiken Ruine geben und wenn wir den Lift betreten, durch ein revolutionsklassizistisch gestaltetes Portal, das halb in der Erde versunken ist, haben wir die Wahl uns entweder nach oben oder nach unten zu begeben, in die Zukunft oder in die Vergangenheit...
Sterlings Zubau zur Staatsgalerie und Hans Holleins Museum am Abteiberg in Mönchengladbach markieren übrigens den Beginn einer sehr folgenreichen, oder wenn man will erfolgreichen Entwicklung: die der Bauaufgabe Museum, die Architekten als letzte nicht von Bauträgern völlig abhängige Architekturaufgabe ansehen, die Kunst sein darf und soll. Die unübersehbare Zahl seither weltweit entstandener Museumsbauten in allen nur erdenklichen Variationen und von berühmtesten Architekten geplant - hier hat sie ihren Ausgangspunkt. Und später mal muß ich zur Liste selbstverständlich Holleins Museumsbau hinzufügen.
  
Pitt-Rivers-Museum 
Oxford


























In Oxford findet man eine Reihe sehr alter und interessanter Museen. Das kurioseste ist das Pitt-Rivera-Museum. Sein Gründer war als Militär in Ländern des Commonwealth unterwegs und brachte Objekte nach England, vieles erwarb er auf Auktionen. Seine hunderttausende Objekte umfassende Sammlung wird als ethnologische und archäologische beschrieben, aber erst wenn man das Museum kennenlernt, ermißt man dessen Einzigartigkeit, von der diese Adjektive nicht wirklich eine Vorstellung geben. 
Die Sammlung hat weder eine topografische noch eine chronologische Ordnung, sondern immer noch (und wohlkonserviert) die von Pitt Rivera entwickelte. Er war an Vergleichen und Entwicklungen interessiert und so findet man in Vitrinen Objekte, die in der Luft Geräusche erzeugen, oder Objekte, die dazu benutzt wurden, um den Regen von sich abzuhalten oder Dinge, mit denen man das Vieh des Nachbarn verhexen konnte.
Das Museum ist in einer einzigen riesigen Halle mit Emporen untergebracht und man könnte hier Tage zubringen, um zu stöbern und die mit winziger Schrift verfassten Zettel lesen, die noch von Rivers und den ersten Mitarbeitern des Museums stammen.
Das Museum geht sorgfältig mit der historischen Substanz um - es ist ein Museum im Museum oder als Museum -, das ab und an nur sehr vorsichtig um neuere Objekte und Informationen erweitert wird. Und es ist kein totes Museum, an dem man nur aus museumsgeschichtlicher Perspektive interessiert sein kann. Seine Sammlung dienst bis heute der Forschung.










Montag, 11. März 2019

Das Beethoven-Museum in Wien-Heiligenstadt


„Im Alter, in dem ehedem Kinder die Masern hatten, haben sie jetzt die Symphonien.“ sagte mal Karl Kraus und fügte hinzu: „Ich glaube nicht, daß sie davonkommen werden.“
Ich hatte im Alter, in dem ich eigentlich Masern haben sollte, tatsächlich Symphonien gehabt und dann auch noch gleich welche von Beethoven. Das halte ich für eine absolut ausreichende Grundlage, über das Wiener Beethoven-Museum zu schreiben. (Ob ich - als masernloser kindlicher Sinfonienhörer - davongekommen bin, mögen andere beurteilen).

Erst mal geht das, kaum hat man seinen Obulus an der Kassa entrichtet, schon so los: Wo denn der Tonsetzer in dem weitläufigen, um einen Hof gruppierten Vorstadthaus, denn nun gelebt habe, das wisse man, leider leider! nicht so genau. Und dann haut einem die Kuratorin (Lisa Noggler-Gürtler) einem noch Fundamentalzweifel museologischer Natur und die Ohren: „Wie wichtig ist aber die Authentizität des Ortes und des Erzählten, um Beethovens Musik und deren Nachwirkungen zu verstehen?“ Also bitte! Wozu sind wir denn hier am Ort an dem Beethoven, wo genau auch immer, gelebt und tongesetzt hat. Wenigstens eine Zeit lang. Einige Monate. 1802.

Und wozu hat die Stadt Wien an zahlreichen Häusern Gedenktafeln anbringen lassen und betreibt gleich drei Beethoven-Museen? Das hier, wo wir grade sind, liegt in Heiligenstadt, in der Pobusgasse. Aber es gibt noch das sogenannte Pasqualatihaus und dann noch das Eroica-Haus. Beethoven gilt ja als jemand, der ständig umgezogen ist. Die Vielzahl der Gedenktafeln und-orte, ich habe mal von insgesamt 42 Umzügen gelesen, scheint das zu bestätigen. Hier erweist sich der postmodern-dekonstruktivistische Furor des Ausstellungsteams dankenswerterweise als entmythologisierend: Umziehen war in Wien, namentlich in den Sommermonaten, ein Volkssport. Ein von Pferden gezogener Wagen und kräftige Männer genügten, um für einige Monate mit Sack und Pack „aufs Land“ zu ziehen - und das war Heiligenstadt damals. Dann gings wieder zurück „in die Stadt“. Selige Immobilienzeiten müssen das gewesen sein!




Wir wissen also nicht so ganz genau wo Beethoven im Hause Probusgasse wohnte, aber wie, das wissen wir. Schlampert. Eine dramatisch eine ganz Wandel lang entrollte Rekonstruktion seines Arbeitsraumes zeigt: er war ein Chaot, knapp an der Grenze zum Messie. Aufräumen war nicht. Dafür war war ein großer Esser, einer der die Zubereitung seiner Speisen scharf kontrollierte und mit seinen kulinarischen Obsessionen die Bedienten sekkierte. Da erfahren wir von einer Brotsuppe, die er sich mit zehn Eiern, die er einzeln inspizierte, zubereiten ließ. Was die Frage aufwirft: hatte der Mann keinen Cholesterinspiegel? Möglicherweise hielten ihn die heilenden Wässer am Leben, die es vor Ort gab und noch ein Grund waren, in den Vorort zu ziehen, wo es auch Gelegenheit für weite und erholsame Spaziergänge gab.



Die inspirierenden Umgebung, die heute idyllisch anmutenden Biedermeiergegend führt uns die ohnehin zur vielfältiger Bildhaftigkeit neigende Gestaltung (Peter Karlhuber) verführerisch vor. Da gibt es Veduten auf Mineralwasserflaschen (das Heilwasser…), ein Handtuch, in das eine etwas ambivalente Äußerung Beethovens zu seinen Kuren eingestickt ist, Veduten, Gemälde und eine kleine Bühne mit Landschafts-Kulissen und manch anderes mehr.

Außerdem sehen wir abtransportreif verpackte Bildnisse des Meisters, eine zerbrochene Statuette, eines Adeligen, auf den Beethoven einen Mordszorn hatte (keine Angst, es ist eine Nachbildung, kunstvoll zerschmettert) oder auch das Lieblingskompott im Einweckglas, unmittelbar neben der Totenmaske, als ob es als Grabbeigabe führ die lange Überfahrt gedacht sei, eine Beethoven-Spielzeugfigur, die als Relativierung der grassierenden Verdenkmalung Beethovens herhält. Mithin so manches, was die gewohnten Usancen von Museen unterläuft und gelegentlich zum Nachdenken über die Musealisierung eines „Genies“ anregt.




Dazu passen das ostentative Stehenlassen von Spuren der Vorgängermuseen, das Zeigen von Plänen und Dokumenten oder eines Gemäldes mit dem Interieur der historischen Räume. Kurzum etwas, das etwas zur Geschichte der Beethoven-Verehrung beiträgt aber auch ein Gefühl für den Wandel des Beethoven-Bildes vermittelt. Ja, sowas gefällt mir, mit meinem Faible für Museumsgeschichte, diese Historisierung im Dienste der (Selbst)reflixion.

Die Lust am Kratzen - nicht Demontieren, der Respekt beleibt gewahrt, da sei der hohe Magistrat der Stadt Wien davor! -, des Geniekultes ist spürbar. Das Beethovenbild wird fröhlich über seinen goldenen Rahmen hinausgezerrt. Und das ist nicht mal so modern oder zeitgeistig wie man glauben könnte. Schon Robert Schumann spottete über die Gedenk-Konkurrenz zwischen Wien und Bonn.

Da allerdings droht der Ausstellung das Schicksal so vieler Musikerausstellungen: Das Ersticken im Biografischen und Anekdotischen. Musik entzieht sich nun mal sprachlicher Vermittlung besonders hartnäckig und aus den Kompositionen selbst entwickeltes Wissen und Deuten mag, wie Leonard Bernsteins eindrucksvolle pädagogische Versuche zeigen, unter besonderen Bedingungen möglich sein. Aber eher nur in den des Konzerts selbst, kaum denen des Museums.

Gegengesteuert gegen die bloß biografische Deutung wird zum Beispiel mit Noten, mit denen man akustisch einen Kompositionsvorgang mitvollziehen kann, mit einer Hörinstallation, die einen nachvollziehen läßt, was Taubheit bedeutet und wie sie sich das Ertauben entwickelt haben mag. Unweit davon steht das Klavier, das eine seinen Klang steuernde und verstärkende Vorrichtung erhielt, um das Komponieren trotz der Erkrankung zu ermöglichen.

Ein ganzer Raum ist dem sogenannten Heiligenstädter Testament gewidmet, dessen Abfassung ja durch die Erkrankung ausgelöst wurde. Als Schüler habe ich das aus dem Mittelschullesebuch kennengelernt. Wohl als Dokument der bürgerlichen Vorstellung, daß große Kunst immer mit dem Leiden einer Person erkauft wird. Hier wieder gelesen, machte es auf mich den Eindruck eines einen Suizid ankündigenden Schreibens.

Im letzten Raum ist eine Guckkastenbühne aufgebaut, ein Modell des Uraufführungsortes der Eroica. In das Modell ist ein Bildschirm eingelassen, der einen in England produzierte „Dokumentation" in Spielfilmlänge zeigt: die Uraufführung der Sinfonie im privaten, also Adelskreis. Das auf period instruments spielende Orchester spiegelt spieltechnische und und die Aufführenden irritierende kompositorische Momente, das Publikum spiegelt Befremden, Überraschung, Ablehnung und Faszination. (Den ganzen Film - Simon Clellan: Beethoven’s Eroica. BBC 2003 gibt es auf Youtube hier: https://www.youtube.com/watch?v=UtA7m3viB70).




Ich fand das einen unterhaltsamen Versuch, etwas Unmögliches zu versuchen, nämlich etwas vom Unerhörten des ersten Hörerlebnisses, vom Bruch mit der Tradition zu rekonstruieren. Das läßt sich selbstverständlich nicht mehr machen, wir haben schon viel zu viel gehört, Neues und wiederum Revolutionäres, um den Schock von Beethovens Kompositionen nachvollziehen zu können. Als ich zu Zeiten, da ich eigentlich die Masern hätte haben sollen, aber Beethoven hörte, hatte ich ja auch andere Sinfonien anderer Komponisten, aber auch Gus Backus, Conny Froboess oder Peter Kraus…

In bequemen Sesseln, mit Kopfhörern und vor Monitoren, bin ich zu guter Letzt bei einem der Rasumowski-Streichquartette fasziniert hängengeblieben. Die kannte ich nicht. Zu Hause habe ich das Hörerlebnis dieser Quartette gleich nachgeholt.
In einer Besprechung anläßlich der Eröffnung wurde das Beethoven-Museum als „Erlebnisparcours“ bezeichnet. Das finde ich irreführend. Kuratorin und Gestalter geht es nicht um Kurzweiligkeit, sondern um möglichst sinnliche Anreize, sich mit Inhalten zu beschäftigen. So nebenbei, ohne daß ich das gleich gemerkt habe, nutzten sie ein sehr breites Spektrum von Objekten, eben keineswegs nur originale und „auratische“ Dinge - noch ein Grund, durch die Ausstellung mit Vergnügen zu flanieren.
Daß bei mir das Anregen übers Museum hinaus funktioniert hat, ist ja nun nicht das Schlechteste, was einem im Museum passieren darf und was man von einem Museum sagen kann.



P.S.: Mitten im Suchen und Stöbern überraschte mich das Museum mit einer Mittagspause. Ah was! So etwas gibt es?! Ich war noch nie in meinem Leben in einem Museum, wo es eine Mittagspause gibt. Worin liegt der Sinn dieser Pause? Soll er den Besuchern den Gang zu den berühmten Buschenschanken und Weinproduzenten Heiligenstadts ermöglichen? Oder gar dem Personal? Ist das überhaupt praktisch für die Angestellten? Nur der hohe Magistrat der Stadt Wien wird wissen, welchen Sinn diese Regelung hat.


Samstag, 2. Februar 2013

Roboter im Technischen Museum Wien

"Roboter. Maschine und Mensch?" Eine Ausstellung im Technischen Museum in Wien

Eine Standard-Schnell-Kritik

Information
Gut. Relativ wenig Text, der aber in wichtigen Fragen recht genau und knapp informiert. Der technisch-funktionale Blöick wird um so manche kulturhistorische Frage erweitert. Voraussetzung der Entwicklung von Robotern, Was sind Roboter, medizinische und industrielle Anwendung, humanoide Roboter, Rationalisierung der Arbeit, Werbeträger, SciFi, Film und Roboter, aktuelle Entwicklungstendenzen, Automaten, Experimente, spielerischer Zugang uam.

Augenschmaus
Ganz gut, sehr unterschiedlich je nach Thema. Highlight sind die humanoiden Originalroboter der 50er- und 60er-Jahre




Unterhaltung
Wenn man kindlichen Spieltrieb ausleben will, kommt man im letzten Teil der Ausstellung auf seine Rechnung, beim Zuschauen und Selbermachen




Museologische Inntelligenz / Innvation / Experiment
Ich kann man mich an nichts erinnern, was an der Gestaltung / dem Konzeot irgendwie neuartig oder überraschend gewesen wäre

Erotik / Sex appeal
Da Roboter, sofern sie nur irgendwie humanoid sind, männlich und technisch dumm sind, kann man in dieser Hinsicht nichts erwarten. Die Gestaltung kann man freundlich 'unauffällig' nennnen. Weniger freundlich: billig und sehr unambitioniert (es sollte wohl auch alles eher billig bleiben).


Spannung
Hält sich in Grenzen, manch überraschender Information folgt dann wieder etwas, was nicht grade sehr wissenswert ist

Augenschmaus
Abgesehen von der Gruppe humanoider Roboter, die das augenkulinarische Highlight sind, ist die Anmutung der Objekte, was in der Natur von Schaltkreisen, Sensoren, Uhrwerken etc. liegt, recht bescheiden. Auch als Spielwaren machen Roboter nicht wirklich was her


Standpunkte / Sichtweisen
Obwohl der von vielen Ausstellungen gewohnte und verschwiegene, aber daurch erst wirksame auktoriale und autoritative Ton herrscht, hinter der ein allwissendes Subjekt steckt (die Kuratoren werden am Beginn der Ausstellung allerdings genannt), ist alles durch einen essayistischen Zugang, durch viele kleine feine und gewitzte Beobachtungen entschärft. Die Texte nehmen einen ganz angenehm an die Hand und drehen einen in auch ganz unerwartete Blickrichtungen


Gender
Robotermacher und Roboter sind Männer - eine Ausnahme wie die aus Fritz Langs 'Metropolis' ist eben eine Ausnahme. Roboter bedienen Frauen (Staubsaugen) oder belästigen sie (Rock-Hochheben). Die Kuratoren haben wohl bemerkt, daß da eine Frage sein könnte, stellen sich aber unbedarfter als sie sind (siehe den Post "Geschlecht und Kurator" hier)

Was fehlt
Zum Beispiel die Frage, was aus der tendentiellen Ersetzung menschlicher Arbeit durch Maschinen / Roboter werden wird. Und gerade in Zusammenhang mit dieser Frage, die Querverbindung zur Ausstellung 'In Arbeit' im Haus


Worüber man stolpert
Über den verschwiegenen Umgang mit Sponsoren, die zwar genannt werden, über deren indirekten / indirekten Einfluß man aber nichts erfährt

Lieblingsobjekt
Ein ziemlich derangiertes Puppenpaar, das sich Sätze wie "Das nie rostende Schwert - die Zunge der Frau" an den Kopf wirft, wofür es alle etwa dreißg Sekunden knallende Ohrfeigen gibt



Nahversorgung
Seit dem schlimm missglückten Umbau des Einganges des Museums, sitzt der kulinarisch bedürftige Besucher in der ehemaligen empfangenden, sehr großen Säulenhalle, die zu groß ist, um einigermaßen gemütlich zu sein und die es trotz ihrer Bombastik nie schafft, die Bescheidenheit des Angebots zu übertönen. Suchen Sie lieber das Weite




Verhaltensregeln
Im ganzen Haus herrscht ein Vorschrift- und Abmahnungston, bei dem man sich als Besucher fragt, wessen Feind man eigentlich ist. Nach der Kasse gibt es eine Kartenkontrolle samt im Anordnungston verfasster Hausordnung im Ausmaß einer Großwerbefläche. Keine Angst, in der Ausstellung gibts nichts davon - und das Personal ist überall freundlich um Sie bemüht. Mit einer Ausnahme. Am Informationsschalter ist man von jeder Annäherung durch Besucher sichtlich inkommodiert und nimmt übel, wenn man es wagt, dort vorstellig zu werden

Gesamtnote
Noten werden hier nicht vefrgeben, keine Hauben und Gabeln und auch keine Sterne. - Fragen Sie sich, wie verspielt sie sind, wann sie zuletzt einen Roboter gesehen haben, was passieren würde, wenn ein Roboter Ihren Arbeitsplatz einnehmen könnte oder ob Sie sich für Ihren englischen Rasen einen Roboter wünschen. Und dann entscheiden Sie, ob sie ins Technische Museum fahren