Samstag, 30. September 2017

Objekt Nummer eins

Vom Haus der Geschichte Österreich hört man nicht sehr viel. Die Webseite schlummert so vor sich hin und hat sich, wenn ich nichts übersehen habe, seit vielen Monaten nur minimal verändert. Die Facebookseite ist karg und, ganz konträr zur Aufgabe so einer Seite, hoffnungslos veraltet. Von einer kleine Öffentlichkeitsoffensive ist mir die Mitteilung in Erinnerung geblieben, daß man in der künftigen Ausstellung 100 Jahre Geschichte auf 60 Metern sehen werde. Oder verwechsle ich da etwas, zum Beispiel mit dem Geschichtsmuseum des Joanneum, pardon, Universalmusem Graz, das mir dir Geschichte der Steiermark in 100 Objekten zu zeigen verspricht. Aber auf wie vielen Metern?
Eben habe ich wieder etwas gelesen über das Wiener Geschichtshaus, nämlich, daß man das erste Objekt erworben hat. Aus den Berichten geht ncht ganz klar hervor, ob der eher unscheinbare metallbeschlagene Koffer bloß inventarisch die Nr.1 ist, gewissermaßen sybolisch, zumal es sich ja um eine Wahlurne handelt, oder tatsächlich um die erste Erwerbung überhaupt.
Das würde mich wundern, denn was wäre denn dann in der Zeit bisher geschehen? Eine Hypothek des Projekts ist ja, daß es keine Sammlung gibt, daß erst eine aufgebaut wird. Und da hätte man bis jetzt gewartet? Wohl kaum!?
Großhofen schenkt also dem künftigen Haus der Geschichte Österreich einen zur Wahlurne zurechtgebastelteten Koffer. Das ist eine Presseaussendung wert und eine Fotostrecke, auf der wir den Koffer von allen Seiten und die zeremonielle Übergabe zwischen Bürgermeister und Museumsdirektorin in mehreren Fotos bewundern dürfen. Das Objekt selbst ist unanschaulich und ich bin ziemlich sicher daß mir der Pelzkragen der Frau Direktor länger in Erinnerung bleiben wird, als der Koffer.
"Da Demokratieentwicklung, ihre Brüche und Transformationen ein wichtiges inhaltliches Thema des HGÖ sein werden, wollten wir die Nummer eins mit diesem Thema besetzen", sagt Monika Sommer. Was es zu dem in einer Ausstellung nicht sonderlich sexy auftretenden Ding als Veranschaulichungs-Medium von Demokratie so auf sich hat, erfahren wir erst in dreizehn Monaten, da wird sich dann zeigen, wo sich das Haus auf dem polaren Spannungsseil zwischen "Wahl als Essenz von Demokratie" einerseits und "Whale als Idiotenfalle" (Jean Paul Sartre) andrerseits positionieren wird.

Ach! Ist das schön!

"Gerade am Beispiel seiner Madonnenfiguren, denen ein langweiliges Grundmuster nachgesagt wird, lässt sich eine Fülle feinster psychologischer Kontaktnahmen zwischen Mutter, Kind und den beigesellten Figuren beobachten. Mal wird der Granatapfel, dieses Symbol der Passion, aber auch der Herrschaft, das die Mutter in der Hand hält, vom Kind nachdenklich betastet; mal hängt sich der Knabe mit einer Hand frech in den Halsausschnitt der Mutter; mal greift er übermütig nach einem Stab oder streckt den Arm neugierig nach einem Buch aus; mal blickt er, auf einem Lamm reitend, beifallhungrig zu Josef hin. All diese genau beobachteten kindlichen Gesten machen aus den Andachtsbildern Werke von anrührender Besonderheit und überzeitlicher humaner Schönheit." (Aus einer Ausstellungsbesprechung, "Raffael", Albertina Wien. Die HErvorhebungen stammen nicht von mir.)

Mittwoch, 27. September 2017

Can a museum heal the world?

Nicht nur mitdenken, sondern auch mitmachen sollen die Besucher in der neuen Schau „Duett mit Künstler_in“ im 21er Haus in Wien. Yoko Ono lässt dabei etwa Häferln reparieren und über das „Heilen der Welt“ nachdenken.

Orf.at, 27.9.2017

Mittwoch, 23. August 2017

Allegorie des Mäzenatentums

Cartoon showing John Pierpont Morgan, with a large magnet in shape of money sign, drawing in paintings, suits of armor, and other objects. Date 1911

Dienstag, 8. August 2017

Über Tote nur Gutes. Martin Roth

Am vergangenen Sonntag ist Martin Roth gestorben. Er war hier öfter "Gast" und mußte für einige spöttische Anmerkungen herhalten zu seinen eigentümlichen (museums)politischen Kommentaren. Seine gelegentlich unkonventionelle Haltung beschäftigt auch die Mehrzahl der Nachrufe. Aber er hatte die wohl ungewöhnlichste und erfolgreichste Karriere eines Museums"mannes" (wie er jetzt genannt wird) nach 1945.
Erinnern wir uns an ihn mit diesem Satz: Es ist erbärmlich, was die Kunst- und Kulturwelt gegen politische und gesellschaftliche Bedrohungen unternimmt.

Tja, wieso wirklich...?


Sonntag, 23. Juli 2017

Ausstellungskritik als Kunstkritik

Das ist mal eine Kritik, wie ich sie mir wünsche, eine die etwas verständlich macht, aber nicht wegerklärt. Georg Seeßlen schreibt über die Ausstellung after the fact des Lenbachhauses. Hier: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/da-hilft-nur-kunst

Leseprobe:
Ein bisschen schwiemelig wird es dann immer, wenn jemand erklärt, was der Künstler oder die Künstlerin denn nun gemeint habe, wofür oder wogegen er oder sie sich in ihrem Werk ausspreche. So heißt es zur Installation The Lugubrious Game von John Miller, die Stehpulte mit Mikrofonen um einen Haufen mit Dildos, Tageszeitungen, Geldscheinen und so weiter gruppiert, sie ziele „auf gesellschaftliche Formen von Sublimierung im Spätkapitalismus“ ab und zeige „die Gameshow, das öffentliche Ringen um Reichtum und Berühmtheit, als eine eher bescheidene Maskierung unserer psycho-sexuellen und narzisstischen Triebe“, und da möchte man doch gern sagen: Nö! Hier hat ein Künstler Stehpulte mit Mikrofonen um einen Haufen Dildos, Tageszeitungen, Geldscheine und so weiter gruppiert, alles andere mache ich selber mit dem Kunstwerk und dem Rest der Welt ab.
Platt gesagt – und als großer Fan der Begegnung von Kunst, Theorie und Kritik: Eine Diskurs-Ausstellung sollte den Diskurs ermöglichen, ihn aber weder ersetzen noch vorwegnehmen.

Montag, 10. Juli 2017

Granitener Totenkult bis in alle Ewigkeit


Salt Lake City - Seit 1894 sammeln die "Heiligen der letzten Tage“, auch Mormonen genannt, Namen und Personalien Verstorbener. Über 400 Millionen Namen wurden bislang gesammelt. Die Daten liegen klimatisiert in einem 6000 Quadratmeter großen Archiv von Mikrofilmen in den Wasatch-Bergen in der Nähe von Salt Lake City. Nach ihrem Glauben ist es auch möglich, längst gestorbene Vorfahren durch einen Stellvertreter taufen und in die Mormonengemeinde aufnehmen zu lassen, damit sie wenigstens im Jenseits auf den richtigen Weg des Glaubens kommen können. Der Gründer der Mormonen hatte dazu aufgerufen, alle Menschen, die jemals auf der Erde gelebt haben zu taufen. Also werden die Daten so sicher aufbewahrt, daß sie „bis in alle Ewigkeit“ erhalten werden sollen. 

Im Schützengraben (Figurinen im Museum 110)

Musee Somme 1916

Verständigung (Figurinen im Museum 109)

Het Dolhuis. Haarlem. Niederlande

Freitag, 7. Juli 2017

Seitensprünge (6:Game of Thrones im Museum)




In einer Diskussionsveranstaltung in Linz hat jüngst Walter Grasskamp von einem Schwinden des Bildungsauftrages des Museums gesprochen und seiner Ersetzung durch "museumsferne" Veranstaltungen. "Museumsfern" ist meine Formulierung - Walter Grasskamp hat sehr sorgfältig und vorsichtig bewertete Veranstaltungen aufgelistet, von denen er meint, sie gehörten nicht zu den Museumsaufgaben. Ich stimme ihm zu und beginne mit einer Sammlung, die unter den "Museumsferne-Verdacht" fallen...

Mittwoch, 5. Juli 2017

Die Sammlung Essl ist "gerettet". Was nicht alles eine Rettung ist.

Erstens: „Stolz und glücklich“. Zweitens: „richtungsweisende Kooperation“. Drittens: „Win-win-Situation“.
Da ist von der „Übernahme“ der Sammlung Esel die Rede. Eindeutig. Alles gut, alle glücklich.
Oder war da was?

Fangen wir damit an: Was ist die Sammlung Essl - heute? Es heißt, es wurden zur Schuldentilgung wertvolle Objekte (die wertvollsten, in anderer Lesart, heißt die, die am Markt am meisten Rendite bringen) verkauft. Es gilt weitere hundert Millionen Euro Schulden, wenn ich mich recht erinnere, zu tilgen. Mit weiteren Sammlungsbeständen. Woraus besteht die Sammlung noch? Zahlen kursieren, von etwas über 7000 Inventarnummern ist die Rede. Wo die Schwerpunkte und Qualitäten der Sammlung nun liegen, who knows?
Und: Es soll Neuerwerbungen geben. Die wer bezahlt, ordert?
Sammlung Esel: Bekanntlich ist der Industrielle Hans Peter Haselsteiner Miteigentümer der Sammlung, der nun auch über Räume im Künstlerhaus verfügt, wo die Sammlung Essl gezeigt werden soll. Wer hat nun welche Verfügung, wer darf, will nun z.B. Themen setzten, kursieren oder Kuratoren bestimmen? Essl, Haselsteinen, Schroeder?
Der „Rest“, gemeint ist, was nicht in Wien gezeigt werden wird, soll den Bundesländern zur Verfügung stehen. Wieso (nur) der „Rest“. Wieso betrachtet man den Sammlungsbestand nicht als Fundus, aus dem gleichberechtigt diverse Orte, Museen bespielt, Kooperationspartner gewonnen werden könnten. Und wer führt Regie bei diesem Leihgaben-Karussell? (Übrigens ist das eine Idee, die schon im 19.Jahrhundert diskutiert wurde, „wiener“ Museumsbestände (jene von staatlichen Museen, Bundesmuseen) in die Länder zu bringen, um das Gefälle zwischen Hauptstadt und „Provinz“ auszugleichen).


Und wieso die Albertina? Wieso nun doch eine Art "staatlicher Übernahme", heißt "Sorge" um den Fortbestand einer privaten Sammlung, Sorge um ihre Zugänglichkeit. Mit erhöhten Mitteln mit befristeter Laufzeit. Und dann? Also, warum ein Bundesmuseum. Es sieht nach Männerfreundschaft(en) aus, Männer unter sich, sich auf einen Deal einigend. Kleiner Kollaterlschaden dabei: die Künstlervereinigung, der das Haus gehört, gibt Räumlichkeiten preis im Gegenzug zur Sanierung. Dabei kommt das Haus, die Architektur unter die Räder. Haselsteiner läßt abreissen. Über der Frage spaltet sich der Verein der Künstler. Ein Stück zivilgesellschaftlicher Selbstorganisation wird beschädigt, beschädigt sich, um eine PPP zuwege zu bringen von der war was genau hat? Am meisten Essl und Haselsteiner, die Eigner einer Sammlung, deren Wert symbolisch und geldwertig steigt, wenn sie Museumsrang hat.

Die Albertina wird definitiv zum bunten Kunst-Bauchladen. Ihr von Schröder eigenwillig und eigenmächtig vollzogene Transformation von der Grafischen Sammlung zum (Gemäldemuseum) wird zementiert. Andere Museen, bei denen die (Teil)Integration der Sammlung Essl sehr wohl Sinn gemacht hätte, wurden gar nicht gefragt. Die frischbestellte Direktorin des Belvedere kritisiert das mit klaren Worten. Der angesprochene Minister beschädigt sich gleich selbst mit. Er schafft Tatsachen ehe sein "Weißbuch" zu den Bundesmuseen, ehe seine Neuordnung auch nur formuliert ist.