Sonntag, 28. August 2022

Why so harmless? (Sokratische Frage)

 


Die neue ICOM-Museumsdefinition. Ein Praxistest (Sokratische Fragen)

 


 

So lautet die eben beschlossenen neue Defition von "Museum":

A museum is a not-for-profit, permanent institution in the service of society that researches, collects, conserves, interprets and exhibits tangible and intangible heritage. Open to the public, accessible and inclusive, museums foster diversity and sustainability. They operate and communicate ethically, professionally and with the participation of communities, offering varied experiences for education, enjoyment, reflection and knowledge sharing.

 

Frage: wie viele österreichische Museen erfüllen die Kriterien der Definition?

 

Samstag, 27. August 2022

Museum was? (Sokratische Frage)

Auf einer Linie mit zwei Endpunkten gedacht: 

Wem liegt das Musuem näher? 

Der Aschenunrne oder dem Sportpalast?

Warum gab es Widerstand gegen eine Museumsdefinition, die die demokratische Rolle der Institution enthielt? (Sokratische Frage)


 

 

 

 

 

Mit der eben in Prag von ICOM beschlossenen neuen Definition dessen, was ein Museum ist, wurde die Debatte um eine umfangreichere, komplexere und politischere Definition beendet. 

Könnte es ein, daß es nicht so sehr ein Widerstand gegen Ideologie sondern gegen etwas anderes war? 

Nämlich gegen die Möglichkeit, sich eigene Reflexion, aus eigener Praxis entwickelt, nicht mehr leisten zu können. Weil einem Umfang und Komplexität der angedachten Definition das bisher gerne gepflegte und entlastende das reflexhafte Memorieren einer als verbindlich angesehenen Defintion nicht mehr möglich gewesen wäre? Anders gesagt: der Rückgriff auf eine wie eine ultimative Wahrheit, die einem ersparte, die Tauglichkeit der Vorstellung vom Museum in der jeweils eigenen Arbeitsrealität zu bedenken?.

Montag, 22. August 2022

"Glacial Period". Eine Museumsdystopie


Glacial Period. Überlebt das Museum?                                                                                                                                               

Eine Gruppe von Menschen ist in einer eisigen, unwirtlichen, leeren Landschaft unterwegs. Sie sind auf der Suche nach Spuren, wobei ihnen selber und uns Lesern unklar ist, was das ist, das Spuren hinterlassen haben könnte. Kälte, Wind, Orientierungslosigkeit führen zu Spannungen zwischen den Expeditionsteilnehmern. Wie soll man vorgehen, wie einigt man sich auf einen Plan, wer entscheidet über die Wahl des Weges? Begleitet wird der kleine Trupp von einer Gruppe von Tieren, die, wie wir später erfahren, Kreuzungen aus Hunden und Schweinen sind. Hulk, eines der Mischwesen, verfügt über einen extrem sensiblen Geruchssinn, der sich erstaunlicherweise auch auf den Verlauf von Zeit konzentrieren läßt. Er wird der Held dieser Geschichte werden.

Ziellos irrt die Gruppe durch die depressive Öde einer offensichtlichen Eiszeit, als plötzlich ein Erdbeben eine Ruine durch das Eis brechen läßt. Wer unter den Lesern mit dem Bauwerk vertraut ist, erkennt Reste des Louvre. Einer seiner Pavillons ragt nun mit seinen obersten Geschossen aus dem Eis und ermöglicht den Forschern den Einstieg ins ihnen völlig unbekannte Innere. 

Hulk ist unbemerkt von seinen Begleitern, von denen er getrennt wurde und die ihn verirrt glauben, an einer anderen Stelle des Bauwerks zufällig unter die Oberfläche geraten und vor gewaltigen Steinmauern gelandet. Wir erkennen, wenn wir mit dem unterirdischen Louvre vertraut sind, daß es jene Reste der mittelalterlichen Königsburg sind, die beim Ausbau des Grand Louvre unerwartet entdeckt wurden und seither im Rundgang unter der Erde besichtigt werden können. 

Hulk ratlos vor der Königsburg
   

Die anderen sind gleichzeitig an anderer Stelle eingestiegen und in Räume gelangt, wo sie  merkwürdige Gebilde vorfinden, die ihnen vollkommen unvertraut sind und sie vor Rätsel stellen. Zum Beispiel flache, an den Wänden befestigte Gegenstände mit merkwürdigen Darstellungen. Es sind, wie wir sofort erkennen, Gemälde, deren Sujet und Beschriftung - etwa „Delacroix“ -, zu allerlei Spekulationen Anlass gibt, was das gewesen sein könnte und worauf das Wort denn hindeutet. Man ist mit allem unvertraut, hält die Architektur für eine Stadt, die Bilder mal von rätselhaften Wesen, mal von Kindern dann vielleicht sogar von Tieren hervorgebracht, da man ja auf Abbildungen malende Affen oder Bären erkennt.  

Diese Gemälde existieren wirklich, man findet sie in der weitläufigen Gemäldegalerie im Louvre.

Wo sind wir hier? Und wann? In einem utopischen Film, in einem dystopischen Roman? Mitnichten. 2005 erschien die vom Musée du Louvre in Auftrag gegebene Graphic Novel „Glacial Period“. Ihr Autor ist Nicolas De Crécy, ein französischer Autor und Zeichner, der unter anderem für Walt Disney Frankreich arbeitete, ehe er sich der Publikation von Büchern zuwandte, die ihn zum vielfach ausgezeichneten Star der Branche machten.

In einem Marketingtext zu seinem Louvre-Buch finden wir diese Zeilen: „De Crecy, at the sight of the incredible richness of the museum's collection was overwhelmed and felt small and ignorant. The result is a story set thousands of years hence in a glacial period where all human history has been forgotten and a small group of archeologists fall upon the Louvre, buried in age-old snow. They cannot begin to explain all the artifacts they see. What could they have meant? Their interpretations are nonsense, absurd, farcical.“ Und von Grécy selbst hören wir wird: "I enjoyed it, and recommend it to those who can laugh at their cultural selves." 


De Crécy nutzt in seiner Story die enorme zeitliche Distanz zwischen der historischen Zeit des Louvre und der Zeit seiner Wiederentdeckung für einen verfremdeten Blick auf unsere kulturellen Werte - und das garniert mit ziemlich guten Witzen, verzweifelten Spekulationen, was das alles einmal gewesen sein könnte, sowie philosophischen Überlegungen, die nicht weniger als die Frage der Repräsentation streifen. Denn wofür steht das alles, diese Objekte, die Räume, der Bau? Die ratlosen und streitbaren Gespräche der Expedition verraten vor allem eines: der einstige Sinn, den nur wir Leser kennen, erschließt sich für die Eindringlinge nicht mehr. Im Grunde bedeutet das alles nichts mehr, wirft Fragen auf, die niemand mehr beantworten kann.

Hier ist sie also, die Dystopie vom Ende des Museums, ernst genommen und buchstäblich ausgemalt. Der Museologe Krzysztof Ptomain war der erste der, 2021, das definitive Ende des Museums prophezeit hat. Angesichts der COVID-Pandemie und des Klimawandels würde das Museum in nicht so ferner Zukunft obsolet werden, nicht nur unnütz angesichts der sich verstärkenden Krisen sondern geradezu aggressiv attackiert angesichts seines Versagens und seiner Nutzlosigkeit in Zeiten nahender Katastrophen.

Greis Novel kann man als einen Versuch begreifen, was ein „Danach“ bedeuten könnte. Die Katastrophe ist hier schon passiert, sie ist schon lange vorbei. Irgendwo haben Menschen überlebt, "im Süden", wie der Text vage angibt. Von dort ist der Trupp aufgebrochen, um das verheerte Territorium zu erkunden.

Es geht in unserer Erzählung um das große Thema dessen, was aktuell mit dem Wort Klimawandel bezeichnet wird - eine eher harmlose Bezeichnung für einen Wandel, der ein menschengemachtes Ende der Gattung Mensch bedeuten könnte. Hier, in „Glacial Period“, gibt es „uns“ zwar noch, als Archäologen, Historiker, Forscher, aber als Menschen deren Existenzweise ebenso unklar ist, wie der Antrieb aus dem sie aufgebrochen sind.

Die Welt die sie vorfinden, dieses ruinöse Fragment einer versunkenen Kultur, der Louvre-Komplex mit seinen Artfekaten aus tausenden von Jahren, bleibt ihnen unverständlich. Als das Wort Museum auftaucht, löst es Staunen aus und Fragen, die ohne jede Antwort bleiben. Niemand weiß (mehr), was ein Museum ist. Eine Botschaft der Novel lautet: Diese akkumulierte Kultur, die sie vorfinden, sie wird sinnlos gewesen sein.

Nur Hulk, der sogar über die Fähigkeit zur C 14-Datierung verfügt, ist imstande, mit den Dingen Kontakt aufzunehmen, schließlich mit ihnen sprachlich zu kommunizieren. Das findet aber ganz und gar nicht innerhalb der uns vertrauten Museumskonventionen statt. Denn die Dinge sind sehr lebendig, sie tauschen sich untereinander aus und vergleichen sich und 
De Crécy leistet sich auch den Witz, daß sich ausgerechnet die Mumie für das lebendigste aller Wesen hält. Ein Witz mit der Dialektik, die in der Praxis und Idee der Mumifizierung selbst steckt, nämlich ein über den biologischen Tod hinaus ewig währende Existenz zu gewähren. 

Ihre Lebendigkeit erlaubt den Dingen, Hulk von ihrer langen Museumsexistenz zu erzählen, die sie ganz schön ungemütlich und unbehaglich fanden. Sie klagen über das Angestarrtwerden, ihr Vitrinenleben. Sie möchten dem einen Ende setzen, sind aber ratlos, wie das möglich sein soll. Aber sind es noch Dinge - wenn sie doch denken, reden und handeln können, Hoffnungen hegen, Erinnerungen haben, wie die Dinge, die in manchen überlieferten Märchen hilfreich oder bedrohlich agieren? Jedenfalls manifestiert sich in ihnen ein musenlogische Frage, nämlich die, wie und ob und unter welchen Umständen die Dinge im Museum zu uns sprechen können. Hier können sie es.

Hulk hat schließlich die Idee zur Organisation des Ausbruch der „Dinge“. Daß sie erlöst werden aus ihrem als höchst fragwürdig empfundenen Museumsdasein, ist die gründlichste aller Provokationen. Sie ist gegen die Idee des Museums gerichtet. Es ist doch der privilegierte Ort, an den Dinge versammelt werden, gezeigt, bewundert. Ihre Aufbewahrung rettet sie doch davor, zugrunde zu gehen, vernichtet oder Vergessen zu werden, verbraucht und abgenutzt.

Aber die Dialektik des Museums funktioniert wie die der Mumie. Die Dinge verlieren im Museum ihre Bedeutung, ihre Funktion, ihren einstigen Sitz im Leben. Sie erleiden einen Musuemstod. An ihre Stelle treten neue Bedeutungen und Funktionen und die Notwendigkeit, ihren einstigen "Sinn" zu vermitteln, etwas was meist nur bruchstückhaft und meist gar nicht mehr gelingen kann. So wird ihnen ein Überdauern in verwandelter (museifizierter statt mumifizierter) Form gewährt. 

Diese Infragestellung des Museums - ist sie nicht bedrohlicher als die Vorstellung eines Unterganges in einer mehr oder weniger fernen Endzeit? Denn hier droht die Implosion der Institution nicht von außen, von einer unbeherrschbaren Natur, sondern aus der Institution selbst, aus einem ihrer zentralen Widersprüche. In ihm kommt das Leben der Dinge zu Ende das durch eine Illusion ersetzt, die als Museumsleben vergeblich die alten Bedeutungen und Funktionen mit retten will.

Die Botschaft de De Grécys lautet ja, aus ihrem Munde selbst: Das kann man Objekten nicht antun, sie in Museen zu sperren. Sie werden dort um alles gebracht. Und weil die Dinge das in "Glazial Period" wissen, drängen sie auf Beendigung ihrer Musuemsexistenz.

                                                                                                                                            

Die Idee zum Ausbruch aus dem Museum hat vor Jahrzehnten schon der Religionswissenschafter Klaus Heinrich formuliert. In einem unbeachteten Text, den "ernsthafte" Museumsleute und Museologen wohl kaum goutieren würden. Praktisch könnte Grecys Idee vom großen Ausbruch eher von einer existierenden Museums-Szenografie inspiriert sein, als von philosophischer Spekulation. 

Im Pariser Museum d’Histoire Naturelle gibt es ja im Erdgeschoss einen Zug der Tiere, quer durch die gewaltige Halle - auch so ein Paradox, denn es sind Taxidermien, ausgestopfte Löwen, Giraffen, Pelikane, Zebras, Elefanten u.v.a.m., die da "in Bewegung" sind. Schön paarweise unterwegs, erinnern sie uns an die biblische Überlieferung des Zugs der Tiere in die rettende Arche. Wovor werden sie hier gerettet? Auch vor einem Weltuntergang? Der Sintflut.

Das Museum d'Histoire Naturelle in Paris gibt uns die Botschaft mit: das Museum ist der Ort der Rettung der Dinge (unserer Kultur, unserer Werte, unserer Erinnerungen). Es ist die Idee, daß "wir" Herr über die Dinge sind und es in unserer Hand liegt, sie zu bewahren und gar zu retten. Bei dem metaphorischen Bild im Pariser Naturmuseum bleibt aber offen, ob es tatsächlich ein Einzug ist, einer ins Museum, das als Arche alle Dinge, genauer gesagt: die Natur rettet, oder ob diese Tiere nicht grade dabei sind, das Museum auf Nimmerwiedersehen durch die gewaltigen Glasfenster zu verlassen, auf die sie zulaufen.

Als das Buch "Glacial Period" erschien, war die Debatte zur Klimakrise noch nicht beim Begriff Anthropozän angekommen. Noch nicht bei der Einsicht daß der Mensch zu einem bedrohlich großen Einflussfaktor auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Anders gesagt, noch nicht bei der Ahnung, daß die Ressource „Planet Erde“ vom Menschen verbraucht und von ihm in naher Zukunft für ihn unbewohnbar gemacht worden sein könnte. 

Dennoch antizipiert diese witzige, medial interessante Parabel de Grecy's bereits dieses Problem und die Fragen, die sich daraus ergeben. Was kommt eigentlich danach? Und es wirft eine Frage auf, die erst ganz vereinzelt gestellt wird. Und die irgendwann unausweichlich auf uns, die Eingeborenen der Elitenkultur und Liebhaber der Museen zukommen wird: Was wird aus den Museen?



Nicolas Crécy: Glacial Period. Paris, Musée du Louvre Edition 2005


Das Buch enthält am Ende eine penible Liste aller Kunstwerke des Louvre, die im Buch „auftreten“, samt den Angaben zu Datierung, Herkunft und Bezeichnung sowie den Standort im Louvre-Museum


Freitag, 22. Juli 2022

Wie sieht es denn jetzt mit der Zukunft des Museums aus? (Sokratische Fragen)

 

2020 prophezeite der Museologe Kryzsztof Pomain angesichts der Corona-Pandemie und des Klimawandels das Ende des Musuems.

Zwei Jahre später sind der Krieg in der Ukraine hinzugekommen, die libale globale wirtschaftliche Situation mit Rezession und Inflation, Hungerkrisen und eine nicht enden wollende Fluchtwelle.

Was also ist das jetzt - das mit der Zukunft des Museums?


Visitor

                        Ausstellung David Hockney. Kunstmuseum Luzern 1922

 

Was David Hockney alles so weiß... (Texte im Museum 1077)